Mit segmentierten Elektroden können Neurologen Hirngewebe noch gezielter stimulieren - bei deutlich weniger Nebenwirkungen. Davon profitieren laut den Resultaten einer großen kontrollierten Studie auch die Patienten.

Mit den konventionellen Ringelektroden lässt sich das Zielgewebe von Parkinson-Erkrankten, meist der Nucleus subthalamicus (STN), während einer stereotaktischen Operation zwar recht präzise ansteuern, aber eben nicht ganz exakt - dazu ist die Hirnanatomie zu komplex und individuell zu unterschiedlich. Mitunter müssen daher relativ hohe Stromstärken verwendet werden, um die Zielregion zu erreichen, diese führen dann aber auch zu Nebenwirkungen. Die Folge ist ein recht kleines therapeutisches Fenster bezogen auf die Stromstärke: Zu wenig Strom zeigt keinen positiven, etwas mehr aber gleich negative Effekte.

Um dieses Problem zu umgehen wurden mittlerweile segmentierte Elektroden entwickelt, die eine gerichtete Stimulation entlang der Elektrodenachse erlauben. So können Ärzte gezielt jene Segmente aktivieren, die der Zielregion am nächsten liegen - zudem lässt sich das elektrische Feld durch unterbrochene Segmente weiter feinsteuern und asymmetrisch ausrichten. Dadurch sollte sich das therapeutische Fenster weiter öffnen und die benötigte Stromstärke für eine gute Wirksamkeit sinken. Als Folge müsste sich auch die Verträglichkeit der tiefen Hirnstimulation verbessern.

Dies konnte nun in der Cross-over-Studie PROGRESS mit 234 Parkinson-Patienten gezeigt werden. Die Ergebnisse stellte Prof. Dr. Alfons Schnitzler von der Universität Düsseldorf auf der virtuellen Tagung der European Academy of Neurology (EAN) vor.

Breiteres therapeutisches Fenster

Sämtliche Patienten bekamen Elektroden mit einem 1-3-3-1-Design bilateral in den STN implantiert (Abbot InfinityTM DBS System). Die Spitze der Elektroden bestand aus einem oberen und unteren Ring sowie aus zwei dreifach unterteilten mittleren Ringen. Die Studienärzte konnten nun wie bei konventionellen Elektroden mit allen Kontakten omnidirektional stimulieren, oder nur diejenigen Kontakte für eine gezielte (direktionale) Stimulation aktivieren, bei denen die Parkinson-Symptome am stärksten zurückgingen. Stimuliert wurde dabei in den meisten Fällen mit einem einzelnen Segment.

Die Patienten waren zum Studienbeginn im Schnitt 62 Jahre alt und seit zwölf Jahren erkrankt. Alle erhielten für drei Monate eine omnidirektionale sowie für drei Monate eine zielgerichtete Stimulation. Anschließend konnten sie zusammen mit ihren Ärzten entscheiden, mit welchem Modus sie die Behandlung fortführen wollten. Allerdings wussten zunächst weder die Patienten noch die untersuchenden Ärzte, wer wann welche Stimulationsform bekam. Als erfolgreiches Ergebnis definierten die Neurologen um Schnitzler eine Ausweitung des therapeutischen Fensters bei mindestens 60 % der Patienten unter der zielgerichteten Stimulation.

Ein breiteres therapeutisches Fenster unter der gerichteten Stimulation ließ sich letztlich bei 91 % der 204 Patienten nachweisen, die evaluiert werden konnten. Damit wurde der primäre Endpunkt mit hoher statistischer Signifikanz erreicht. Im Mittel umfasste das therapeutische Fenster 2,1 mA bei omnidirektionaler und 3,0 mA bei direktionaler Stimulation - ein Unterschied von etwa 40 %. Zur Stimulation benötigten die Ärzte bei der omnidirektionalen Methode im Schnitt 1,8 mA, bei der zielgerichteten 1,1 mA (Abb. 2). Dies entspricht ebenfalls einer Differenz von rund 40 %.

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Benötigte Stromstärken für Therapieeffekt

Effekt bleibt ein Jahr lang erhalten

Ein Jahr nach Beginn der Studie vermaßen die Ärzte das therapeutische Fenster erneut und stellten fest, dass es mit gerichteter Stimulation noch genau so weit offenstand wie nach den ersten drei Monaten - der Effekt scheint also über eine längere Zeit erhalten zu bleiben.

Die Patienten favorisierten zu 53 % die zielgerichtete und zu 26 % die omnidirektionale Stimulation, die übrigen empfanden keinen Unterschied. Noch klarer war die Meinung der betreuenden Ärzte, die nicht wussten, in welcher Phase wie stimuliert wurde. Sie stellten zu 59 % in der Zeit mit direktionaler Stimulation eine bessere Wirksamkeit bei geringeren Nebenwirkungen fest, zu 21 % in der Phase mit konventioneller Stimulation. Die Motorik, definiert über den Unified Parkinson's Disease Rating Scale(UPDRS)-III-Wert, verbesserte sich jedoch mit beiden Verfahren ähnlich gut.

Insgesamt traten 13 schwere unerwünschte Wirkungen auf. Drei Patienten erlitten operationsbedingte, vier Patienten gerätebedingte Komplikationen und sechs Patienten stimulationsverursachte Probleme wie Verwirrung, Dystonie oder Aphasie.

European Academy of Neurology (EAN) Virtual Congress. Session "Movement disorders 2, Directional Deep Brain Stimulation in Subthalamic Nucleus for Parkinson's Disease: Results of a multicenter, prospective, blinded, crossover study", 25.5.2020