Fragestellung: Ist eine klassische chinesische Akupunktur bei Patienten mit episodischer Migräne ohne Aura einer Scheinakupunktur und einer Standardtherapie überlegen?

Hintergrund: Die Akupunktur ist eine sehr populäre Methode zur Migräneprophylaxe. Die Hälfte aller Migränepatienten berichtet, dass sie im Lauf ihrer Krankheit Akupunktur zur Prophylaxe ausprobiert hatten. In der Literatur gibt es fünf große randomisierte Studien zur Migräneprophylaxe, die jeweils eine klassische chinesische Akupunktur mit einer Scheinakupunktur verglichen haben und keinen Unterschied zwischen beiden Methoden fanden. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass Akupunktur nicht wirksam ist, sondern dass möglicherweise auch die Scheinakupunktur über einen Placeboeffekt eine Wirksamkeit ausübt. Eine besondere Herausforderung ist es, die Scheinakupunktur so durchzuführen, dass sie vom Patienten nicht von der echten Akupunktur unterschieden werden kann.

Patienten und Methodik: Die in China durchgeführte, multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie schloss Patienten mit episodischer Migräne ohne Aura ein, die bisher keine Erfahrung mit Akupunktur hatten. Die Studiengruppe entwickelte eine besonders ausgefeilte Methode der Scheinakupunktur, mit deren Hilfe die Patienten nicht mehr zwischen einer echten Akupunktur und der Scheinakupunktur unterscheiden konnten. In den beiden Therapiearmen mit Akupunktur erhielten die Studienteilnehmer 20 Sitzungen à 30 Minuten über einen Zeitraum von acht Wochen. In der Standardtherapiegruppe wurden die Patienten über Lebensstiländerungen unterrichtet, bekamen aber keine medikamentöse Migräneprophylaxe. Der primäre Endpunkt der Studie war die Änderung der Migränetage und -attacken für jeweils vierwöchige Zeitintervalle in den Wochen 1-20 nach der Randomisierung, verglichen mit der Baseline.

Ergebnisse: An der Studie nahmen 150 Patienten teil. Davon erhielten 60 die echte Akupunktur, 60 die Scheinakupunktur und 30 die Standardtherapie (mittleres Alter 36 Jahre, 80 % Frauen). Die Studienteilnehmer hatten im Mittel sechs Migränetage im Monat und 3,9 Migräneattacken. Die mittlere Intensität der Kopfschmerzen auf einer Skala zwischen 0 und 10 lag bei 5,2.

Beim Vergleich der Patienten mit echter Akupunktur und Scheinakupunktur gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede von Woche 1 bis Woche 12 für die Migränetage. In den Wochen 13-16 nahm die Zahl der Migränetage unter echter Akupunktur um 3,5 Tage ab und bei Scheinakupunktur um 2,4 Tage. In den Wochen 17-20 nahm die Zahl der Migränetage um 3,9 versus 2,2 ab. Die Unterschiede von 1,4 Tagen und 2,1 Tagen waren jeweils statistisch signifikant.

In den Wochen 17-20 zeigte sich eine Reduktion um 2,3 Migräneattacken in der Akupunktur- und um 1,6 Attacken in der Scheinakupunkturgruppe. Dieser Unterschied von einer Migräneattacke pro Monat war signifikant.

Die Autoren berichteten auch die 50 %-Responderrate für die Anzahl der Migränetage. Diese betrug in den Wochen 17-20 mit der echten Akupunktur 82,5 %, mit der Scheinakupunktur 45,8 % und mit der Standardtherapie 17,9 % . Die 50 %-Responderrate für Migräneattacken betrug 78,9 % mit echter Akupunktur, 44,1 % mit Scheinakupunktur und 14,3 % mit Standardtherapie.

Schlussfolgerung: In dieser Studie war eine traditionelle chinesische Akupunktur zur Migräneprophylaxe wirksamer als eine Scheinakupunktur und eine Standardtherapie. Die Studie berichtete eine geringe absolute Reduktion der Migräneattacken und 50 %-Responderraten, die mit der gängigen Literatur zur Migräneprophylaxe nicht vereinbar sind.

Xu S, Yu L, Luo X et al. Manual acupuncture versus sham acupuncture and usual care for prophylaxis of episodic migraine without aura: multicentre, randomised clinical trial. BMJ 2020; 368: m697