Mit der Epilepsiechirurgie wird oft beunruhigend lange gewartet. Prof. Dr. Hajo Hamer aus Erlangen rät, geeignete Kandidaten anhand von vier Kriterien auszuwählen und dann zügig einer prächirurgischen Diagnostik an einem Epilepsiezentrum zuzuführen.

Wird die Indikation für eine chirurgische Epilepsietherapie adäquat gestellt, stehen die Chancen für einen Erfolg relativ gut: Von über 9.500 therapierefraktären Patienten, deren Diagnose man histopathologisch gesichert hatte, waren ein Jahr nach dem Eingriff rund zwei Drittel anfallsfrei, berichtete Prof. Dr. Hajo Hamer vom Universitätsklinikum Erlangen.

Damit beruft sich der Epilepsieexperte auf eine Auswertung von Patientendaten [1], die in der European Epilepsy Brain Bank (EEBB) gespeichert sind. In der Studie war allerdings folgendes Ergebnis beunruhigend: Im Mittel hatte es rund 15 Jahre gedauert, bis die Patienten die in vielen Fällen erlösende Operation erhielten. "In dieser Zeit ist schon vieles den Bach runtergegangen, die sind mit Sicherheit den Führerschein los, oft aber auch den Job und vielleicht auch die Familie", so Hamer.

Diese Kriterien müssen zutreffen

Dem Experten zufolge ist es daher äußerst wichtig, entsprechende Kandidaten möglichst frühzeitig einer prächirurgischen Diagnostik zuzuführen. Welche Epilepsiepatienten hierfür infrage kommen, lasse sich relativ einfach mithilfe von vier Kriterien eingrenzen:

  • Vorliegen einer fokalen Epilepsie

  • Pharmakoresistenz, das heißt mindestens zwei Antikonvulsiva müssen bei leitliniengerechter Dosierung erfolglos gewesen sein

  • erheblicher Einfluss der Erkrankung auf die Lebensqualität und

  • psychische Stabilität des Patienten

Basisdiagnostik in spezialisiertem Zentrum

Treffen alle diese Kriterien zu, wird empfohlen, die notwendige Basisdiagnostik in einem spezialisierten Zentrum durchzuführen. Die Operatin ist laut Hamer letztlich dann indiziert, wenn die Untersuchungen (v. a. EEG, Anfallssemiologie, evtl. MRT) auf ein begrenztes Areal hindeuten und dessen Entfernung technisch machbar ist. Bei adäquater Auswahl liege die Erfolgsquote zwischen 60 und 70 %.

"Es ist nie zu spät!"

Je länger man mit der Operation warte, desto schlechter werde die Prognose, so Hamer. Dabei sei jedoch ein Aspekt ermutigend: "Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem es sich nicht noch lohnen würde, den Eingriff durchzuführen." In einer Metaanalyse [2] mit über 3700 Patienten wurden Ergebnisse von chirurgischen Eingriffen verglichen, die jeweils vor beziehungsweise nach Ablauf von zwei, fünf, zehn und 20 Jahren seit Beginn der Erkrankung stattgefunden hatten.

In allen Fällen war die zum jeweils früheren Zeitpunkt durchgeführte Operation mit deutlich höheren Erfolgsraten im Sinne von Anfallsfreiheit verbunden als ein späterer Eingriff. Das traf selbst bei einem Cut-off von 20 Jahren zu: Hier war der Effekt einer Operation, die bis zu diesem Zeitpunkt stattgefunden hatte, um rund 30 % größer als danach. "Die Abwärtsspirale kann man zu jedem Zeitpunkt aufhalten, aber eben viel besser, wenn man die Symptome früh in den Griff kriegt", fasste der Experte die Ergebnisse zusammen.

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