Fragestellung: Kann bei Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) und Antikoagulation mit Dabigatran nach Gabe von Idarucizumab eine systemische Thrombolyse mit rt-PA durchgeführt werden? Können intrakranielle Blutungen, die unter Dabigatran auftreten, durch Idarucizumab therapiert werden?

Hintergrund: VHF-Patienten haben ein hohes Schlaganfallrisiko, das durch eine orale Antikoagulation signifikant reduziert wird. Für Dabigatran wurde Idarucizumab als spezifisches Antidot entwickelt. Typische Indikationen für Idarucizumab sind Patienten, die während der Einnahme von Dabigatran einen ischämischen Insult erleiden und bei denen die Indikation für eine systemische Thrombolyse besteht. Weiterhin können Patienten, die unter Dabigatran eine intrakranielle Blutung erleiden, mit Idarucizumab behandelt werden. Bei intrakraniellen Blutungen soll auf diese Weise die Größenzunahme der Blutung verhindert oder reduziert werden. Da randomisierte Studien hier ethisch kaum zu rechtfertigen sind, ist man auf Fallserien angewiesen [1, 2].

Patienten und Methodik: Die Datenerhebung erfolgte in 61 deutschen Schlaganfallzentren. 80 Patienten erlitten unter Dabigatran einen ischämischen Insult und 40 eine intrakranielle Blutung, davon 27 eine intrazerebrale Blutung. Bei ischämischem Insult erfolgte nach der Gabe von Idarucizumab eine systemische Thrombolyse mit rt-PA. Die Patienten mit intrakranieller Blutung erhielten ebenfalls Idarucizumab. Der Verlauf wurde bis zur Krankenhausentlassung dokumentiert.

Ergebnisse: Bei 50 % der Patienten mit ischämischem Insult (mittleres Alter 76 Jahre, NIHSS 10) war die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme normal. Die Thrombinzeit war aber bei 91 % der Patienten verlängert. Alle Patienten erhielten eine systemische Thrombolyse. Bei 73 der 80 Patienten (78 %) verbesserte sich Schlaganfallsymptomatik um durchschnittlich sieben Punkte auf der NIHSS bis zur Klinikentlassung. Drei Patienten verstarben. Blutungskomplikationen traten nicht auf. Bei den Patienten mit intrakranieller Blutung (mittleres Alter 77 Jahre) war die Thrombinzeit mit einer Ausnahme verlängert. Eine Größenzunahme der Blutung zeigte die zerebrale Bildgebung nur bei drei von 27 Patienten. Vier Patienten (15 %), verstarben. Meist zeigte sich eine klinische Verbesserung bis zur Klinikentlassung.

Schlussfolgerungen: Bei zerebraler Ischämie unter Dabigatran kann nach Antagonisierung durch Idarucizumab eine systemische Thrombolyse ohne erhöhtes Blutungsrisiko erfolgen. Bei intrakranieller Blutung unter Dabigatran ist die Prognose nach der Gabe von Idarucizumab besser als bei Patienten, die in der RELY-Studie behandelt wurden.

Kermer P, Eschenfelder CC, Diener HC et al. Antagonizing dabigatran by idarucizumab in cases of ischemic stroke or intracranial hemorrhage in Germany-Updated series of 120 cases. Int J Stroke 2020; doi: 10.1177/1747493019895654