Neben dem Guillain-Barré-Syndrom zählt die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) zu den häufigsten Immunneuropathien. Mittlerweile gibt es eine immer größere Evidenz, dass es sich bei dieser Erkrankung wirklich um eine Autoimmunerkrankung handelt, wie Prof. Dr. Helmar Lehmann, Neurologe und Leiter der Arbeitsgruppe Neuroinflammation und neuromuskuläre Erkrankungen am Universitätsklinikum Köln, auf dem diesjährigen Deutschen Neurologenkongress in Stuttgart berichtete. Dafür sprächen auch die Autoantikörper gegen neuronale Strukturen, zum Beispiel Neurofascin 155 und Contactin-1 [1, 2, 3]. Diese seien zwar lediglich bei ungefähr 10 % der Patienten mit CIDP nachweisbar, doch diese Antikörper tatsächlich vorhanden seien, dann seien sie mit einem ganz bestimmten Phänotyp assoziiert, erklärte Lehmann weiter. Die Patienten würden dann unter motorischer Affektion leiden und außerdem generell schlecht auf intravenöses Immunglobulin (IVIg) ansprechen. Lehmann riet deshalb: „Wenn Sie so einen Patienten in ihrem Zentrum haben, lohnt es sich wirklich, diese Antikörper zu bestimmen“.

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Fußuntersuchung auf Neuropathie mit einem Monofilament

© Aufklärungsinitiative DN

Alternative zu IVIg: subkutanes Immunglobulin

Die Gabe von IVIg alle drei Wochen zählt neben der Plasmapherese und Kortison zur Therapie der ersten Wahl bei der Behandlung der CIDP, hat aber den Nachteil, dass das Serum-Ig-Level nach einem initialen Peak kurz nach der Infusion relativ rasch abflacht. Manche Patienten würden diesen Abfall spüren, warnte Lehmann, sie fürchteten dann regelrecht, dass die Wirkung der Immunglobuline nachlässt. In diesen Fällen könne man in Erwägung ziehen, auf subkutanes Immunglobulin (SCIg) umzusteigen. Aufgrund der subkutanen Verabreichung würde der Immunglobulinspiegel im Serum länger stabil bleiben. Außerdem könnten die Patienten sich das Medikament daheim über eine entsprechende Pumpe selbst verabreichen — was insbesondere für beruflich stark eingespannte Patienten attraktiv sein könnte, argumentierte Lehmann. Einschränkend müsse man aber beachten, dass sich SCIg nur bei Patienten eigneten, bei denen keine Probleme mit der Adhärenz zu erwarten seien. Zudem dürfte die Funktion der Hand nicht eingeschränkt sein, da sie schließlich eine Pumpe bedienen müssten.

Ganz grundsätzlich gibt es aber noch ein anderes Problem bei der CIDP: Sie wird oft falsch diagnostiziert. Dabei zeigten Reevaluationen von Patienten sowohl, dass die Diagnose CIDP häufig übersehen wird als auch, dass sie andererseits zu oft gestellt wird [3, 4]. Lehmann erinnerte daran, bei der Diagnose auf die „Pitfalls“ zu achten. Beispielsweise sei bei einer CIDP ein genereller Reflexverlust zu erwarten. Habe der Patient aber nur einen erloschenen Achillessehnenreflex (ASR) müsse man eher alternative Diagnosen wie eine längenabhängige Neuropathie in Erwägung ziehen. Vorsichtig müsse man auch bei der Interpretation der Liquoranalyse sein. Erhöhte Mengen an Protein in der Zerebrospinalflüssigkeit sprächen zwar für eine CIDP, jedoch, erinnerte Lehmann, „ist die Zerebrospinalflüssigkeit bei einer CIDP auch wirklich hoch, > 100 mg/dl.“ Sei der Wert hingegen nur leicht erhöht, müsse man weiter auf die Suche gehen. Als eine der häufigsten Fehlerquellen für eine fälschliche CIDP-Diagnose und Fehlinterpretationen nannte er die Elektrophysiologie. So sei für die CIDP eine signifikante Reduktion der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) typisch. Ebenfalls seien meist sowohl Arm- als auch Beinnerven betroffen, da es sich bei der CIDP um eine Erkrankung des gesamten peripheren Nervensystems handele. Würden die gemessenen Ergebnisse dem widersprechen, seien zum Beispiel nur die Beinnerven betroffen oder sei die NLG nur leicht reduziert, müssten auch andere Neuropathieformen berücksichtigt werden.