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Mitochondrium, das Tor zur Neuroprotektion?

Eine Reihe Neuroprotektoren mit therapeutischem Potenzial setzen an den Mechanismen der zelleigenen Sauerstoff- und Energieversorgung an. Ein mögliches Einsatzgebiet sind die Optikusneuropathien.

Die Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON) beruht auf Mutationen im mitochondrialen Atemkettenkomplex I. Die Erkrankung wird maternal vererbt, bei inkompletter Penetranz der beteiligten Gendefekte und einer hohen Rate an Neumutationen. Die Visusverschlechterung beginnt meist einseitig, das zweite Auge folgt in der Regel nach einigen Wochen. Die Sehschwäche schreitet in den ersten Wochen besonders schnell voran, vor allem die Gesichtsfeldausfälle nehmen im weiteren Verlauf langsam weiter zu.

Antioxidanzien und Gentherapie auf dem Prüfstand

Lange war der Krankheitsverlauf nur begrenzt zu beeinflussen, durch Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholexzesse oder Drogenkonsum, auch bei asymptomatischen Genträgern. Die Behandlung erfolgte rein symptomatisch, mit Sehhilfen oder akustischer Unterstützungstechnologie. Mit dem antioxidativen Wirkstoff Idebenon gibt es seit 2015 erstmalig eine medikamentöse Therapie, mit der bei vielen Patienten eine deutliche Verbesserung des Visus erreicht werden kann.

Weitere vielversprechende Therapieansätze werden laut Prof. Dr. Thomas Klopstock, Neurologie, Klinikum der Universität München, derzeit in klinischen Studien evaluiert. Zu zwei Substanzen, die direkt an der Mitochondrienfunktion angreifen sollen, laufen Pilotstudien: Dem Vitamin-E-Derivat EPI-743 und dem Tetrapeptid Elamipretid.

Ein weiterer beforschter Ansatz ist eine Gentherapie, bei der LHON-assoziierte Mutationen des ND4-Gens mit einer via Vektor in den Zellkern und über die zelleigenen Transkriptionswege in die Mitochondrien eingeschleusten ND4-Wildtyp-Sequenz repariert werden sollen. Zwei nicht randomisierte Studien mit je 36 Patienten, denen der Vektor intravitreal injiziert wurde, zeigten keinen signifikanten Vorteil der Therapie gegenüber der Placebogabe, bei allerdings kontroversem Studiendesign.

Verhindert EPO bei CIS eine frühe Progression?

Sauerstoffversorgung der Zelle und Energiestoffwechsel der Mitochondrien sind Prof. Dr. Ricarda Diem, Heidelberg, zufolge auch bei Autoimmun-Optikusneuropathien ein vielversprechender Ansatz. Aus einer Phase-II-Studie habe man Hinweise auf eine protektive Wirksamkeit von Erythropoetin (EPO) bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (CIS) hinsichtlich der Progression zur Multiplen Sklerose erhalten [1]. An der Studie TONE (Treatment of Optic Neuritis with Erythropoietin) nahmen 108 Patienten mit akuter Optikusneuritis im Sinne eines CIS teil. Sie wurden zusätzlich zum Methylprednisolonstoß mit EPO oder Placebo behandelt. Als vorläufiges Ergebnis habe man über den 28-wöchigen Behandlungszeitraum eine deutliche Überlegenheit von EPO bei der Verhinderung von Rezidiven oder klinischer Symptomprogression gesehen.