Fragestellung: Ist in der frühen Sekundärprävention nach Hochrisiko-TIA und leichtem ischämischen Schlaganfall die Kombination von Clopidogrel und Acetylsalicylsäure (ASS) wirksamer als eine Monotherapie mit ASS?

Hintergrund: Das höchste Risiko für einen Reinfarkt nach einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) oder einem ersten ischämischen Insult besteht in den ersten 30 Tagen nach dem Ereignis. Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass für die frühe Sekundärprävention ASS wirksamer ist als Placebo [1]. In der Langzeitprophylaxe ist eine Kombination von ASS und Clopidogrel nicht wirksamer als eine Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel und hat ein erhöhtes Blutungsrisiko [2, 3]. Das Blutungsrisiko steigt aber erst etwa drei Monate nach Therapiebeginn der Kombinationstherapie signifikant an. Daher bietet es sich an, für die frühe Sekundärprävention die Kombinationstherapie zeitlich begrenzt einzusetzen. Die chinesische CHANCE-Studie zeigte, dass die Kombination von ASS und Clopidogrel für die Prävention von Reinfarkten wirksamer ist als die Therapie mit ASS [4]. In der chinesischen Studie bestand kein erhöhtes Blutungsrisiko für die Kombinationstherapie verglichen mit der Monotherapie. Ob dieser Therapieansatz auch für Kaukasier gilt, sollte jetzt in der POINT-Studie untersucht werden.

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine randomisierte Studie, in die Patienten mit einem leichten ischämischen Insult oder einer Hochrisiko-TIA eingeschlossen wurden. In der einen Therapiegruppe wurde eine Initialdosis von 600 mg Clopidogrel gegeben, gefolgt von 75 mg Clopidogrel pro Tag plus ASS in Dosierungen von 50–300 mg pro Tag. In der Vergleichsgruppe erhielten die Patienten nur ASS. Die Behandlung erfolgte über 90 Tage. Der primäre Endpunkt war zusammengesetzt aus den Ereignissen ischämischer Insult, Herzinfarkt und vaskulärer Tod.

Ergebnisse: Die Studie schloss 4.881 Patienten in 270 Studienzentren ein. Auch deutsche Zentren nahmen an der Studie teil. Die Studie wurde vom Sicherheitskomitee vorzeitig abgebrochen als sich eine Überlegenheit der Kombinations- gegenüber der Monotherapie bezüglich kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse zeigte und sich eine erhöhte Blutungsrate unter der Kombinationstherapie nachweisen ließ. In die Kombinationstherapiegruppe wurden 2.432 Patienten randomisiert, in die ASS-Gruppe 2.449 Patienten (mittleres Alter 65 Jahre, 45 % Frauen). Im Mittel vergingen sieben Stunden zwischen Eintritt der klinischen Symptome und Randomisierung. 44 % der Patienten hatten eine TIA und 56 % einen leichten ischämischen Insult.

Der kombinierte Endpunkt aus Schlaganfall, Myokardinfarkt und vaskulärem Tod innerhalb von 90 Tagen trat bei 5 % der Patienten unter der Kombinationstherapie und bei 6,5 % unter ASS auf (Hazard Ratio [HR] 0,75, 95 %-Konfidenzintervall [KI] 0,59–0,95, p = 0,02). Die meisten Ereignisse passierten in der ersten Woche nach dem Initialereignis. Schwerwiegende Blutungskomplikationen fanden sich bei 0,9 % der Patienten in der Kombinations- und bei 0,4 % in der ASS-Gruppe (HR: 2,32, 95 %-KI: 1,10–4,87, p = 0,02). Bei den sekundären Endpunkten ergab sich eine Überlegenheit für die Verhinderung von ischämischen Insulten, aber kein Unterschied für Herzinfarkte oder vaskulären Tod. Zerebrale Blutungen traten bei fünf Patienten in der Kombinations- und bei drei Patienten in der ASS-Monotherapiegruppe auf.

Schlussfolgerungen: Bei Patienten mit Hochrisiko-TIA und leichtem ischämischen Insult ist die Kombination von Clopidogrel plus ASS einer Monotherapie mit ASS bezüglich des kombinierten Endpunkts aus Herzinfarkt, Schlaganfall und vaskulärem Tod überlegen, erhöht aber signifikant das Risiko für schwerwiegende Blutungskomplikationen.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Eine zweiwöchige Kombinationstherapie würde ausreichen

Die POINT-Studie zeigt das übliche Dilemma einer Kombinationstherapie von Thrombozytenfunktionshemmern gegenüber einer Monotherapie. In dieser Studie — so wie in vielen anderen — war die Kombinationstherapie zur Verhinderung ischämischer Ereignisse wirksamer, führte allerdings auch zu vermehrten schwerwiegenden Blutungskomplikationen. Der wesentlichste Unterschied zur chinesischen CHANCE-Studie ist, dass dort die Therapie nur über 21 Tage erfolgte. Betrachtet man die Ergebnisse der POINT-Studie im Detail, zeigt sich, dass der Nutzen der Kombinationstherapie praktisch nur in den ersten 10–21 Tagen bestand, während das Blutungsrisiko über die 90 Tage hinweg stetig zunahm. Für die Umsetzungen in die klinische Praxis würde dies bedeuten, dass sehr wahrscheinlich eine zweiwöchige Kombinationstherapie von Clopidogrel und ASS ausreichend ist, da damit ein guter therapeutischer Effekt erzielt wird, ohne dass ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Blutungskomplikationen besteht. Die Umsetzung der CHANCE- und POINT-Studie in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) zur Schlaganfallprävention bleibt abzuwarten.