Fragestellung: Die Studie untersuchte die Wirksamkeit von Fingolimod bei der chronischen inflammatorischen demyelinisierenden Polyradikuloneuropathie (CIDP).

Hintergrund: Fingolimod ist in der Therapie der Multiplen Sklerose zugelassen und tierexperimentelle Daten suggerierten eine Wirksamkeit auch bei Immunneuropathien [1]. Bisher sind bei der CIDP lediglich Kortikosteroide, intravenöse Immunglobuline (IVIg) und die Apheresebehandlung zugelassen.

Patienten und Methodik: Die Studie untersuchte im doppelblinden, multizentrischen, randomisierten und placebokontrollierten Design an 48 Zentren die Wirksamkeit von 0,5 mg/Tag Fingolimod im Vergleich zu Placebo. Es wurden 106 CIDP-Patienten, die zuvor IVIg oder Kortikosteroide erhalten hatten, eingeschlossen. Bei IVIg-Vortherapie wurde am Folgetag der letzten Gabe die Studienmedikation begonnen, Kortikosteroide wurden über acht Wochen ausgeschlichen. Der primäre Studienendpunkt war eine motorische Verschlechterung.

Ergebnisse: Die Studie wurde vorzeitig nach einer Interimsanalyse beendet. Es hatte sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Anteils der Patienten ohne klinische Verschlechterung zwischen der Verum- und der Placebogruppe ergeben.

Schlussfolgerung: Die Studie demonstriert, dass Fingolimod mit 0,5 mg/Tag einer Placebotherapie bei der CIDP nicht überlegen ist.

Kommentar von Mark Stettner, Essen

Weiter über alternative CIDP-Therapien nachdenken

Es gibt nichts zu beschönigen: Die Studie hat den primären Endpunkt verfehlt. Verschiedene Szenarien sind hier denkbar: Fingolimod wirkt nicht bei der CIDP oder etwas anderes ist schief gelaufen. Eingeschlossen wurden Patienten mit IVIg- oder Kortikosteroidvortherapie. Eine vordefinierte Subgruppenanalyse ergab, dass Patienten, die erst Kortikosteroide und dann Fingolimod erhalten hatten, seltener eine klinische Verschlechterung zeigten (45 % vs. Placebo 85 %). Suggeriert dies eine Wirksamkeit von Fingolimod in dieser Subgruppe? Bei 20 Patienten trat die Verschlechterung innerhalb der ersten 45 Tage auf (elf im Fingolimod- und neun im Placeboarm) und es ist bekannt, dass Kortikosteroide bei der CIDP ein längeres Wirksamkeitsintervall im Vergleich zu IVIg aufweisen [2]. Hypothetisch könnte man die fragliche Wirksamkeit von Fingolimod in der mit Kortikosteroiden vorbehandelten Gruppe auf den verzögert einsetzenden Wirkungseintritt zurückführen. Auch bei der Multiplen Sklerose wird erst nach zwei Monaten Therapie die klinische Wirksamkeit angenommen [3]. Die Hypothese, dass ein Studienprotokoll mit Überlappung von Vortherapie und Studienmedikation zum Erfolg geführt hätte, ist nicht von der Hand zu weisen, bleibt aber spekulativ.

Bemerkenswert ist an der Studie auch, dass jeweils 60 % der Patienten aus der Placebo- und Fingolimod-Gruppe ohne klinische Verschlechterung blieben. Erhielten sie schon vorher eine Therapie, ohne die sie ebenso stabil gewesen wären?

Was lernen wir aus der Studie? Sie lässt annehmen, dass wir einen relevanten Teil unserer Patienten mit IVIg oder Kortikosteroiden übertherapieren, obwohl diese in der klinischen Remission sind. Kortikosteroide sollten ihren Stellenwert in der Therapie der CIDP nicht verlieren. Ältere Daten und auch die diskutierte Studie zeigen deren länger anhaltenden therapeutischen Effekt. Selbst im Licht des steigenden IVIg-Bedarfs sollten wir Auslassversuche standardisierter durchführen und zudem weiter über alternative CIDP-Therapien nachdenken. Immunneuropathien sind eine hoch heterogene Entität und dies erschwert Diagnostik, Therapie und die wissenschaftliche Erprobung neuer Substanzen. Notwendig sind eine nationale Patientenkohorte und die Etablierung einer zentrenübergreifenden Zusammenarbeit. Ein zukunftsträchtiges Projekt ist das „Kompetenznetz Peripherer Nerv (KKPNS) e. V.“, in dessen Rahmen eine umfassende Datenbank mit Online-Portal für Immunneuropathien geplant und teilweise schon umgesetzt ist. Zu hoffen ist, dass wir in Bezug auf Endpunkte, Einschlusskriterien und Berücksichtigung der Pharmakokinetik einer Substanz zukünftige CIDP-Studien verbessern, um unseren Patienten weitere Substanzen anbieten zu können.

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PD Dr. med. Dr. rer. nat. Mark Stettner, Essen