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Es liegt aufgrund vieler Studien mit mehr als einer Millionen Probanden völlig klar auf der Hand: Bewegungsmangel oder lange Sitzzeiten stellen neben dem Rauchen die wichtigsten Risikofaktoren für eine Vielzahl von Erkrankungen dar. Durch körperliche Aktivität kann die Gesamtmorbidität und -mortalität im Vergleich zu körperlich Inaktiven aber um 30 – 40 % gesenkt werden. Bei Erkrankungen wie Schlaganfall und Demenz ist Bewegung präventiv wirksam, und nicht nur bei kardiovaskulären Erkrankungen, sondern auch bei Stoffwechsel-, neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen wird körperliche Aktivität mit einem Ia-Evidenzlevel therapeutisch empfohlen. Und dennoch kommt der ärztliche Rat an unsere Patienten zur Aufnahme körperlicher Aktivität viel zu zurückhaltend. In jedem Arztbrief werden ausführlich die verschriebenen Medikamente aufgelistet, aber selten einmal eine Empfehlung zur Aufnahme körperliche Aktivität abgegeben, geschweige denn etwas dazu gesagt, wie das körperliche Aufbautraining aussehen sollte. Das hat seine Gründe: Erstens besteht im Rahmen der „Medikalisierung der Gesellschaft“ die Tendenz, zur Behebung der Folgen eines ungünstigen Lebensstils eher Medikamente einzunehmen, als über Lebensstiländerungen nachzudenken. Zweitens bestehen — gerade bei psychisch kranken Menschen — oft erhebliche Motivationsprobleme für körperliche Aktivität. Und drittens gibt es auf Seiten der Ärzte Informationsdefizite über das, was sinnvollerweise in der Primär- und Sekundärprävention empfohlen werden kann.

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Prof. Dr. med. Klaus Lieb

Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz Untere Zahlbacher Str. 8, 55131 Mainz E-Mail: klaus.lieb@unimedizin-mainz.de

Wegen der positiven Wirkungen von körperlicher Aktivität wurde bereits vor vielen Jahren die Idee entwickelt, Bewegung auf Rezept zu verordnen. Hier war die EFSMA (European Federation of Sports Medicine Association, www.efsma-scientific.eu) führend, die mit „exercise prescription for health“ ein Programm einführte, das inzwischen in vielen Ländern zwar etabliert wurde, aber immer noch sehr wenig bekannt ist. In Deutschland ist das „Rezept für Bewegung“ eine gemeinsame Initiative der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP), des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) und der Bundesärztekammer. Mehr Informationen darüber finden Sie auf der Seite der Bundesärztekammer (www.bundesaerztekammer.de/aerzte/versorgung/praevention/sport-und-praevention/rezept-fuer-bewegung/). Eine lesenswerte Übersichtsarbeit mit einem Beispiel für ein Rezept beinhaltet die aktuelle Ausgabe der Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) [1]. Informationen über die zu empfehlenden Trainingseinheiten bietet die Internetseite der EFSMA. Es wäre sehr wünschenswert, wenn jeder Patient nach einem Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt ein Rezept für Bewegung bekäme, das Informationen zur Frequenz, Intensität, Zeit („Time“) und Art der Aktivität („Type“) (FITT-Prinzip) enthält.

Die allgemeinen Trainingsempfehlungen für Freizeitsportler, an denen man sich orientieren kann, lauten: Mäßige aerobe Ausdauerbelastungen 150 Minuten/Woche oder mehr, an drei bis fünf Tagen mit jeweils 15 – 30 Minuten oder 75 Minuten/Woche intensives Ausdauertraining oder eine Kombination aus beidem, sowie zweimal pro Woche Krafttraining mit mehreren Übungen und mehrfachen Wiederholungen (fünf- bis zehnmal). Im Arztbrief könnte dann bei kardial gesunden Patienten neben den Medikamenten eine Empfehlung für Bewegung stehen, wie zum Beispiel dreimal pro Woche 30 Minuten Ergometertraining mit Zielherzfrequenz 120 – 140/Minute; Beginn mit drei Minuten 75 Watt, dann 125 Watt über 20 Minuten; Krafttraining zweimal pro Woche mit je zwei Muskelgruppen und je zehn Wiederholungen.