Fragestellung: Erhöht eine Elektrokrampftherapie (EKT) bei affektiven Störungen das Risiko, eine Demenz zu entwickeln?

Hintergrund: EKT gilt als eine sehr effektive und leitliniengerechte Methode schwere depressive Episoden zu behandeln. Kognitive Nebenwirkungen treten — altersabhängig — häufig auf, gelten jedoch als vollständig reversibel. Bisher untersuchten nur sehr kleine Studien das Risiko, nach einer EKT im späteren Krankheitsverlauf eine Demenz zu entwickeln, wobei die Ergebnisse sehr heterogen waren.

Patienten und Methodik: Die Studie wurde als Kohortenstudie angelegt. Alle Patienten in Dänemark, die älter waren als zehn Jahre und das erste Mal aufgrund einer depressiven Störung Kontakt zu einem Krankenhaus hatten, wurden im Zeitraum 2005–2015 erfasst. Des Weiteren wurde untersucht, ob diese Patienten im Zeitraum bis Ende 2016 eine EKT erhalten hatten und ob eine Demenz neu diagnostiziert wurde oder die Verordnung eines Acetylcholinesterasehemmers erfolgt war.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 168.015 Patienten in die Studie eingeschlossen. 5.901 Patienten erhielten mindestens eine EKT. Die mittlere individuelle Nachbeobachtungszeit betrug 4,9 Jahre. 5.204 Patienten entwickelten eine Demenz. Die Autoren führten verschiedene aufwendige Risikoadjustierungen (zur Korrektur kovariaten Einflusses) durch. Insgesamt zeigte sich kein erhöhtes Demenzrisiko durch die EKT. Altersabhängig erschien das Risiko im Trend bei jüngeren Patienten jedoch erhöht und bei älteren Patienten bei zwei von drei Risikoadjustierungen signifikant erniedrigt. Die Ergebnisse waren unverändert innerhalb einer Subgruppe mit doppelt so langer Nachbeobachtungszeit.

Schlussfolgerung: Die Autoren folgern aus ihren Daten, dass die Befürchtung, eine Demenz zu entwickeln, auf keinen Fall dazu führen sollte, bei affektiven Störungen auf eine EKT zu verzichten.

Kommentar von Alexander Sartorius, Mannheim

Möglicherweise senkt EKT das Risiko, eine Demenz zu entwickeln!

Wie so oft, kann aus den großen skandinavischen Studien viel gelernt werden. Diese Studie zeigt zum einen sehr schön, dass — wie seit langem bekannt — affektive Störungen zu einem erhöhten Demenzrisiko führen. Sie lässt aber auch — bereits ohne Risikoadjustierungen — erkennen, dass ältere Patienten, die eine EKT erhielten, ein leicht niedrigeres Risiko für eine Demenz aufzeigen. In der Studie wurden mehrere Risikoadjustierungen durchgeführt.

Bei jüngeren Patienten zeigte sich ein nicht signifikanter Trend für ein erhöhtes Demenzrisiko, dass die Autoren auf die insgesamt niedrige Inzidenz von Demenzen (und womöglich eine höhere Rate von Fehldiagnosen) in dieser Altersgruppe zurückführen. Nach zwei von drei Risikoadjustierungen zeigten über 70-jährige Patienten nach EKT eine hoch signifikante Senkung (p < 0,0001) des Risikos, an einer Demenz zu erkranken. Die dritte Risikoadjustierung zeigte hier immerhin einen Trend (p = 0,062).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass eine EKT nicht das Risiko erhöht, im späteren Leben eine Demenz zu entwickeln. Die Daten weisen durchaus darauf hin, dass bei älteren Patienten das Risiko eine Demenz zu entwickeln, gesenkt werden könnte. Diese Risikosenkung könnte in einer effektiveren Behandlung der Depression begründet liegen, und zwar in dem Sinne, dass bei mit EKT behandelten Patienten eine längere oder schwerere Depression als Risikofaktor für das spätere Entwickeln einer Demenz entfällt. Diese Feststellung passt zu neueren neurobiologischen Ergebnissen, die klar zeigen, dass es durch eine EKT zu vermehrter Ausschüttung von Neurotrophinen und zu einem Zuwachs an grauer Substanz im Gehirn kommt [1].

Pilotstudien konnten zudem zeigen, dass durch eine EKT das Anti-aging Hormon Klotho im Liquor ansteigt, ebenso wie das Alzheimer-Protein Aß1-42 (Aß1–42 ist bei Patienten mit Alzheimer-Demenz im Liquor eigentlich erniedrigt) [2]. Die Ergebnisse sind auch in Übereinstimmung mit der klinischen Erfahrung, dass bei Patienten mit Alzheimer-Demenz sechs Monate nach einer EKT die Kognition besser ist als vor der EKT [3].

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Prof. Dr. med. Dipl. Phys. Alexander Sartorius, Mannheim