Fragestellung: Diese populationsbasierte Studie wertete die Ergebnisse sprachlicher und mathematischer Schultests bei dänischen Kindern aus, deren Mütter in der Schwangerschaft Antiepileptika eingenommen hatten und verglichen die Resultate innerhalb der einzelnen Gruppen und gegen die große Kohorte ohne Antiepileptikaexposition in der Schwangerschaft.

Hintergrund: Hochrangig publizierte Studien einer anderen Autorengruppe [13] zeigten, dass Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Valproat in höheren Dosen eingenommen hatten, im Langzeitverlauf bis zum sechsten Lebensjahr einen niedrigeren Intelligenzquotienten aufwiesen als Kinder von Müttern, die mit Lamotrigin, Carbamazepin oder Phenytoin behandelt worden waren. Die hier vorgelegte Publikation aus Dänemark nutzt die Tatsache, dass dänische Kinder standardisierten Schultests unterzogen werden und untersucht in einer entsprechend großen Gruppe das Leistungsbild von Kindern, deren Mütter in der Schwangerschaft Valproat eingenommen hatten, mit der Gesamtkohorte und Kindern, die in der Schwangerschaft anderen Antiepileptika ausgesetzt gewesen waren.

Patienten und Methodik: Erfasst wurden alle in Dänemark lebend geborenen Kinder im Zeitraum zwischen 1997 und 2006 (n = 656.496). Auswertbar war eine Kohorte von 479.027 Kindern. Mütter von 1.865 dieser Kinder hatten während der Schwangerschaft eine Antiepileptikatherapie erhalten. Die primäre Outcomevariable war das Abschneiden in standardisierten Schultests in dänischer Sprache und Mathematik.

Ergebnisse: Einer Monotherapie mit Lamotrigin waren 396 Kinder ausgesetzt, mit Valproat 253, mit Phenobarbital 86, mit Clonazepam 188, mit Oxcarbazepin 236, mit Carbamazepin 294 und mit anderen Antiepileptika 123 Kinder. Das Durchschnittsalter bei Absolvieren der Tests betrug 12,9 Jahre. Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Valproat eingenommen hatten, schnitten sowohl im Sprach- als auch im Mathematiktest signifikant schlechter ab als die Kinder, deren Mütter keine Antiepileptika eingenommen hatten, und auch schlechter als Kinder, deren Mütter mit Lamotrigin behandelt worden waren. Das Phänomen war dosisunabhängig. Nach Exposition mit Phenobarbital bestand kein signifikanter Unterschied zu diesen beiden Kontrollgruppen. Unter Clonazepam fiel der Sprachtest signifikant schlechter aus als ohne Antiepileptikaexposition; unter Carbamazepin und Oxcarbazepin betraf dies den Mathematiktest. Wenn Valproat vor der Schwangerschaft abgesetzt worden war, waren die Ergebnisse besser als bei Fortsetzung von Valproat in der Schwangerschaft. Am deutlichsten war die Korrelation zwischen Valproat und schlechten Schultests, wenn Valpoat im ersten Trimenon eingenommen worden war. Valproateinnahme der Väter hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Schulleistungen.

Schlussfolgerung: Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass diese Ergebnisse die Vorsicht im Umgang mit Valproat bei Patientinnen mit Schwangerschaftswunsch oder -möglichkeit weiter erhöhen sollte.

Kommentar von Bernhard J. Steinhoff, Kehl-Kork

Diese Ergebnisse müssen Eingang in die Patientenaufklärung finden

Bislang ging man davon aus, dass Kinder, die während der Schwangerschaft Valproat ausgesetzt waren, im Vergleich zu Kindern unter Einfluss von Lamotrigin, Carbamazepin oder Phenytoin bis zum sechsten Lebensjahr einen signifikant niedrigeren IQ aufwiesen, wenn höhere Valproatdosen gegeben worden waren [13]. Die hier vorgelegte Arbeit ist aus mehreren Gründen eminent wichtig und wird teilweise zu einer Neubeurteilung der Problematik führen müssen: Die Untersuchung wurde von anderen Autoren an einem anderen Patientenkollektiv erstellt. Wie so viele der skandinavischen Kohortenstudien ist die erfasste Fallzahl beeindruckend und entsprechend die Aussagekraft der Ergebnisse sicher höchst reliabel. Es ist jetzt klar, dass Leistungsdefizite auch noch in der Adoleszenz bestehen und dass diese auch dann noch umfassend und erheblich sind. Der Effekt ist offensichtlich Valproat- und maternalspezifisch. Besonders wichtig ist, dass im Gegensatz zu den bislang publizierten Arbeiten keine Dosisabhängigkeit gezeigt werden konnte. Infolgedessen müssen die Ergebnisse dieser Arbeit definitiv Aufnahme in die Aufklärungsgespräche von Patientinnen finden, die mit Valproat behandelt werden.

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Prof. Dr. med. Bernhard J. Steinhoff, Kehl-Kork