Fragestellung: Diese prospektive offene Studie sollte Effizienz, Sicherheit und Tolerabilität subkutaner Immunglobuline (SCIg) bei 22 Patienten mit milder bis moderater Exazerbation einer Myasthenia gravis (MG)untersuchen.

Hintergrund: Bislang stehen für die Therapie der myasthenen Krise und schwerer Exazerbationen die Plasmapherese/Immunadsorption sowie intravenös zu verabreichende Immunglobuline (IVIG) zur Verfügung. Für beides ist die stationäre Aufnahme des Patienten oder zumindest eine intensive ambulante Betreuung erforderlich. In den letzten Jahren haben sich für einige neuromuskuläre Erkrankungen auch SCIg etabliert. Diese sind bislang bei der Myasthenia gravis noch wenig untersucht. Daten zur Behandlung akuter Exazerbationen existieren nicht.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine prospektive, einarmige Open-Label-Pilotstudie der Phase III, in der SCIg bei Patienten mit milder oder moderater Exazerbation einer Myasthenia gravis untersucht wurden. Alle Studienteilnehmer erhielten subkutan 2 g/kg/KG SCIg insgesamt über vier Wochen (zwei- bis viermal pro Woche in steigender Dosierung). Die Gabe fand zu Hause mit einer Medikamentenpumpe statt, klinische Visiten erfolgten zu Studienbeginn, wöchentlich während der vierwöchigen Behandlungsphase und nach sechs Wochen (Studienende). Als primärer Endpunkt wurde die Differenz des quantitativen MG-Scores (QMG) zwischen Studienbeginn und -ende festgelegt. Sekundäre Endpunkte stellten Änderungen in der manuellen Muskeltestung (MMT), in den MG-Aktivitäten des täglichen Lebens (MG-ADL) und im MG-Composite (MGC) dar, außerdem Nebenwirkungen, Patientenzufriedenheit im TSQM (Treatment Satisfaction Questionnaire for Medication), erfolgreiches Training zur Selbstgabe von SCIg und der Prozentsatz der Patienten, die die Studien beendeten.

Ergebnisse: Von 29 gescreenten Patienten wurden 23 in die Studie eingeschlossen, ein Patient verließ vorzeitig die Studie wegen einer myasthenen Krise. Zwölf Patienten hatten Acetylcholinrezeptorautoantikörper, zwei waren Anti-MuSK-positiv, acht Patienten seronegativ. Die funktionellen Scores zeigten in Woche 2 eine signifikante Abnahme im Vergleich zum Studienbeginn, die bis zum Studienende anhielt. Die mittlere Patientenzufriedenheit im TSQM betrug 79,6 (100 = volle Zufriedenheit). Es kam zu einem signifikanten Anstieg der Serum-IgG-Spiegel mit einem Höchstwert in Woche 4. Kopfschmerzen und Hautreaktionen an der Injektionsstelle waren die häufigsten Nebenwirkungen, die jedoch unter Gabe von nicht steroidalen Antiphlogistika oder Antihistaminika gut zu kontrollieren waren.

Schlussfolgerungen: Die Studie zeigte eine signifikante Reduktion aller untersuchten funktionellen Scores sowie ein günstiges Wirk- und Nebenwirkungsprofil von SCIg bei milder bis moderater Verschlechterung einer Myasthenia gravis. Sie bestätigt die Ergebnisse früherer retrospektiver Fallserien der SCIg-Gabe als Erhaltungstherapie bei Myasthenia gravis.

Kommentar von Kathrin Doppler, Würzburg

Potenzielle Therapieoption, aber RCT ausstehend

Nachdem sich SCIg bei Immunneuropathien etabliert haben [1, 2], ist dies die erste prospektive Studie hierzu bei der Myasthenia gravis, bei der sich ebenfalls ein Effekt nachweisen ließ. Bevor jedoch die breite Anwendung empfohlen werden kann, sind noch größere, insbesondere randomisierte, placebokontrollierte und Vergleichsstudien mit der Standardtherapie (IVIG, Plasmapherese) notwendig. Zum Einsatz bei Exazerbationen stellen sich einige zusätzliche Fragen: 1) Für welchen Schweregrad der klinischen Verschlechterung kann SCIg empfohlen werden? Bei Patienten mit Myasthenia gravis kann eine akute Verschlechterung rasch und schwer vorhersehbar in eine myasthene Krise münden, die oft eine stationäre Aufnahme erfordert. Bei einer nur leichten Verschlechterung hingegen reicht häufig eine Anpassung der Glukokortikoid- oder Cholinesterasehemmer-Dosis aus. Welche Patienten genau für die SCIg infrage kommen, ist noch ungeklärt. 2) Ist die zweiwöchige Wirklatenz im Vergleich zum rascheren Ansprechen bei intravenöser Gabe oder Plasmapherese für die Patienten tolerabel? 3) Ist die ausschließliche Gabe bei Exazerbationen wirklich kosteneffizient? Kosten für Pumpenausstattung und Patientenschulung, die bei einer Erhaltungstherapie wenig ins Gewicht fallen, stellen bei einer nur vierwöchigen Gabe relativ gesehen einen beträchtlichen Kostenfaktor und organisatorischen Aufwand dar.

figure 1

PD Dr. med. Kathrin Doppler, Würzburg