Hintergrund: Bisherige Studien zur Tremorbehandlung mit der tiefen Hirnstimulation im Thalamus von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) haben keine einheitlichen Ergebnisse gezeigt. Dies mag auch auf die Lokalisation der Elektroden zurückzuführen sein.

Fragestellung: Hier wird eine Stimulation mit zwei Elektroden untersucht, die auf derselben Hirnseite, aber in unterschiedlichen Gebieten des Thalamus platziert werden und dann allein und zusammen stimuliert werden (Nucleus ventalis intermedius [VIM] und Nucleus ventralis oralis [VO] des Thalamus).

Patienten und Methodik: Zwölf Patienten mit MS-Tremor wurden eingeschlossen und jeweils zwei Elektroden in den genannten Zielgebieten implantiert. In den ersten drei Monaten wurde entweder die VIM- oder die VO-Elektrode am Kontakt mit dem besten Effekt stimuliert und das Ergebnis mit der Tremor Rating Scale (TRS) als Hauptoutcomeparameter gemessen. Dann wurden für weitere drei Monate beide Elektroden bei optimaler Parametereinstellung stimuliert. Nach sechs Monaten erfolgte eine detailliertere untersucherverblindete Stimulation mit Anschaltung einer, beider oder keiner der Elektroden für jeweils mindestens zwölf Stunden. Dabei wurden die TRS, neuropsychologische und psychiatrische Skalen bestimmt und mit dem Baseline-Status verglichen.

Ergebnisse: Die TRS verbesserte sich signifikant nach sechs Monaten um zirka 30 % von 57 (SD 10,2) auf 40,1 (17,6) Punkte in der Gesamtgruppe von elf Patienten (ein Patient musste wegen einer Infektion explantiert werden). Drei Patienten zeigten keinen Effekt. Bei drei Monaten gab es keine signifikanten Unterschiede im Stimulationseffekt zwischen den beiden Elektrodenpositionen. Die Doppelstimulation führte bei einzelnen Patienten zu einer weiteren Verbesserung. Die neuropsychologischen und psychiatrischen Skalen ergaben keine signifikanten Unterschiede. Zwei Infektionen des Stimulationssystems traten auf. Sonst wurden nur transiente Kopfschmerzen und Müdigkeit berichtet. Ein Patient hatte eine zusätzlich symptomatische MS-Läsion im Einjahreszeitraum entwickelt.

Schlussfolgerungen: Bei MS-Tremor ist die Doppelstimulation eine wirksame Therapie über einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Therapie ist sicher, hat aber Nebenwirkungen.

Kommentar von Günther Deuschl, Kiel

Zur tiefen Hirnstimulation bei MS-Tremor sind noch viele Fragen offen

Eine kleine Anzahl von MS-Patienten leidet unter einem schwersten Halte- und Intentionstremor, der medikamentös nicht gebessert werden kann. Für diese Patienten steht die tiefe Hirnstimulation des Hirns oder angrenzender Areale zur Verfügung. Die vorliegende Studie hat untersucht, ob eine unilaterale Doppelstimulation mit zwei Elektroden eine bessere Wirkung hat als nur mit einer Elektrode. Der Ansatz ist folgerichtig, da aus früheren läsionellen Studien bekannt ist [1], dass die Wirkung von der Größe des behandelten Areals abhängt. Mit zwei Elektroden lässt sich theoretisch ein größeres und gleichzeitig auf die relevanten Regionen begrenztes Areal stimulieren. Die Studie gibt jedoch keinen Anlass zur Annahme, dass sich dadurch ein erheblicher Wirkungszuwachs erreichen lässt, sonst hätte sich bei der Vergleichsstimulation nach sechs Monaten ein stärkerer Effekt gezeigt. In diesem Sinne hat die Studie ein negatives Ergebnis. Wie alle Schlussfolgerungen aus dieser Studie muss aber auch diese Aussage wegen der extrem geringen Fallzahl eingeschränkt werden. Sonst hat die Studie ja doch bestätigt, dass die tiefe Hirnstimulation bei MS-Tremor eingesetzt werden kann. Übereinstimmend mit den übrigen, bisher publizierten Fallserien sind die Effekte zwar geringer als bei anderen Tremorformen, dennoch kann diesen Patienten keine Alternative angeboten werden. Daher sollte man sie entsprechend aufklären und dann mit ihnen zusammen entscheiden.

Viele Fragen bleiben beim MS-Tremor offen. Die Wirkdauer der Stimulation ist unbekannt. Die kontrollierte Studie gegen medikamentöse Behandlung fehlt bis heute.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Günther Deuschl, Kiel