Fragestellung: Ist die intermittierende beziehungsweise anhaltende Gabe von Sauerstoff bei akutem Schlaganfall wirksam?

Hintergrund: Die Autoren unterstellen, dass bei vielen Patienten mit akutem Schlaganfall eine zerebrale und systemische Hypoxie besteht. Dies führte zu der Hypothese, dass eine niedrig dosierte Sauerstofftherapie die Prognose verbessern müsste.

Patienten und Methodik: Die einfach verblindete, randomisierte Studie schloss 8.003 Patienten ein, die in den letzten 24 Stunden einen Schlaganfall erlitten hatten. Sie wurden in drei Gruppen randomisiert. Die erste Gruppe erhielt kontinuierlich 3 Liter/Minute Sauerstoff über 72 Stunden, die zweite Gruppe bekam nur zwischen 21:00 Uhr abends und 7:00 Uhr morgens Sauerstoff für drei konsekutive Nächte. Die dritte Gruppe blieb unbehandelt. Der primäre Endpunkt war die Behinderung nach 90 Tagen, gemessen mit der modifizierten Rankin-Skala.

Ergebnisse: 82 % der Patienten hatten einen ischämischen Insult erlitten, 7 % eine intrazerebrale Blutung und bei den übrigen Patienten lag keine zerebrale Bildgebung vor. 16 % der Patienten erhielten eine Thrombolyse. Der mediane Schweregrad des Schlaganfalls, gemessen mit der NIHSS, betrug 5. Die mittlere Sauerstoffsättigung zu Beginn der Behandlung betrug 96,7 %. Bezüglich des modifizierten Rankin-Werts nach 90 Tagen zeigte sich kein Unterschied zwischen den drei Therapie-gruppen. Es konnte auch keine Untergruppe identifiziert werden, die einen Nutzen der Sauerstofftherapie hatte. Nebenwirkungen traten nicht auf.

Schlussfolgerung: Bei Patienten mit akutem Schlaganfall ist die prophylaktische Gabe von Sauerstoff nicht wirksam.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Die Studie erfolgte unter einer falschen Prämisse

Die Studie war groß und methodisch gut durchgeführt. Sie erfolgte allerdings unter einer falschen Prämisse. Der überwiegende Anteil der Patienten hatte eine normale Sauerstoffsättigung zum Zeitpunkt der Randomisierung. Die Schlaganfälle waren relativ leicht und die meisten Patienten hatten keine schwerwiegende Komorbidität. Daher war auch nicht zu erwarten, dass die Patienten von einer Sauerstoffgabe wirklich profitieren. Damit bleibt eine wichtige Frage unbeantwortet, nämlich ob Patienten mit einer zum Zeitpunkt des Schlaganfalls reduzierten Sauerstoffsättigung, beispielsweise im Rahmen einer COPD oder einer Pneumonie, von der Sauerstoffgabe profitieren. Die Studie reiht sich aber in andere Studien ein, die zum Beispiel keinen Nutzen einer Sauerstoffgabe beim akuten Myokardinfarkt fanden [1].