„Time is brain“ — das gilt auch für die MS. Je schneller die Hirnatrophie bei MS voranschreitet, umso höher ist die Gefahr bleibender Behinderungen. Umgekehrt scheint es wichtig, die Atrophie möglichst früh zu bremsen, um Schäden zu vermeiden. Deutlich wird dies etwa anhand aktueller Daten zur Impulstherapie mit Alemtuzumab (Lemtrada®). So zeigten Patienten der beiden Zulassungsstudien CARE-MS I und -II, die an den jeweiligen Verlängerungsstudien teilnahmen, auch noch sechs Jahre nach Therapiebeginn mit dem Antikörper kaum einen Hirnvolumenverlust. In beiden Studien wurde Alemtuzumab gegen Interferon beta-1a s. c. verglichen. An CARE-MS I nahmen 581 Patienten mit schubförmiger MS teil, die bislang noch keine Basistherapie erhalten hatten, an CARE-MS II 840 Patienten, bei denen unter der bisherigen Basistherapie erneut Schübe aufgetreten waren. Patienten erhielten Alemtuzumab in zwei Behandlungsphasen im Abstand von einem Jahr, die meisten benötigen bislang keine weiteren Infusionen.

Der mediane, jährliche Hirnvolumenverlust in CARE-MS I lag im ersten Jahr bei 0,59 % und ging dann kontinuierlich bis auf 0,17 % im sechsten Jahr in der Extensionsstudie zurück. In CARE-MS II kam die Atrophie praktisch ganz zum Erliegen — der Hirnvolumenverlust sank von 0,48 % im ersten auf 0,10 % im sechsten Jahr [Traboulsee A et al. AAN 2017, Poster 2-104]. Bei den Patienten der Interferon beta-1a-Gruppen wurde zunächst ein deutlich stärkerer Hirnvolumenverlust beobachtet. Dieser sank, nachdem die Patienten in den Extensionsstudien auf den Antikörper umgestellt worden waren, auf 0,05 % (CARE-MS I) und 0,08 % (CARE-MS II) im sechsten Jahr [Pelletier D. AAN 2017, Plattform Session S12]. Der Gesamtverlust über sechs Jahre hinweg blieb in der Gruppe mit verzögerter Alemtuzumab-Therapie aber höher als in der mit frühem Therapiestart.

Die normalisierte Hirnatrophie unter Alemtuzumab geht auch mit einer anhaltenden Reduktion der Krankheitsprogression einher. Darauf deuten 10-Jahres-Daten der Phase-II-Studie CAMMS223. Bei den Patienten, die initial mit Alemtuzumab behandelt worden waren, lag der EDSS-Wert zu Beginn im Mittel bei 2 Punkten, zwischendurch sank er auf 1,5 Punkte und war im zehnten Jahr wieder auf dem Ausgangsniveau. MS-Schübe traten kaum noch auf, die jährliche Schubrate pendelte zwischen 0,07 und 0,08 (▶Abb. 1) [Selmaj KW et al. AAN 2017, Poster 5-338]. Solche Effekte verbessern auch die Lebensqualität: In CARE-MS II nahm der FAMS-Score im ersten Jahr unter Alemtuzumab um 7,9 Punkte zu und blieb bis zum sechsten Jahr durchgehend über der Baseline [Gonzáles RA et al. AAN 2017, Poster 5-342].

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figure 1

10-Jahres-Follow-up der CAMMS223-Studie (n = 60). Unter Alemtuzumab bewegte sich die Schubrate zwischen 0,07 und 0,08 pro Jahr.

Mod. nach Selmaj KW et al. AAN 2017, Poster 5-338