Fragestellung: Kann eine aggressive antihypertensive Therapie bei Patienten mit akuter intrazerebraler Blutung und hohen systolischen Blutdruckwerten die Prognose verbessern?

Hintergrund: Bei der Mehrzahl der Patienten, die eine akute intrazerebrale Blutung erleiden, kommt es zu einem massiven Anstieg des systolischen Blutdrucks. Dieser wiederum führt häufig zu einer Zunahme der Blutungsgröße und zu einem Anstieg der Sterblichkeit. Die INTERACT(Intensive Blood Pressure Reduction in Acute Cerebral Hemorrhage Trial)2-Studie hatte Patienten mit spontanen intrazerebralen Blutungen untersucht, bei denen der systolische Blutdruck zwischen 150 und 220 mmHg lag [1]. Innerhalb von sechs Stunden wurde der Blutdruck entweder aggressiv oder mit normaler Intensität reduziert. Die Studie war bezüglich des Endpunkts schwere Behinderung und Tod negativ. Die Autoren aus den USA planten daher mit ATACH(Anti-hypertensive Treatment of Acute Cerebral Hemorrhage)-2 eine zweite Studie, die Patienten mit höheren systolischen Blutdruckwerten in einem engeren Zeitfenster (4,5 Stunden) einschloss.

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine randomisierte multizentrische offene Studie, in die Patienten mit intrazerebralen Blutungen innerhalb von 4,5 Stunden dann eingeschlossen wurden, wenn der systolische Blutdruck über 180 mmHg lag. Die Patienten wurden in zwei Gruppen randomisiert, wobei in einer Gruppe der systolische Blutdruck so schnell wie möglich in einem Bereich zwischen 110 und 139 mmHg gesenkt werden sollte, in der zweiten Gruppe auf Werte zwischen 140 und 179 mmHg.

Der primäre Endpunkt der Studie waren Tod und schwere Behinderung, definiert als Werte auf der modifizierten Rankin-Skala zwischen 4 und 6 drei Monate nach der Randomisierung.

Ergebnisse: In die Studie wurden 1.000 Teilnehmer aufgenommen. Das mittlere Alter betrug 62 Jahre und 60 % waren männlich. Der systolische Blutdruck bei Aufnahme in die Studie betrug im Mittel 200 mmHg, das mittlere Volumen der Blutungen 10 cm3. Ein Viertel der Patienten hatte eine intraventrikuläre Blutung. Die meisten Blutungen waren Basalganglienblutungen und Blutungen im Bereich des Thalamus. Die Studie wurde nach der Rekrutierung von 1.000 Patienten vom Sicherheitskomitee beendet, da nicht zu erwarten war, dass eine weitere Rekrutierung das Ergebnis verändern würde.

Der primäre Endpunkt aus Tod und schweren Behinderungen wurde bei 38,7 % der Patienten beobachtet, die in der intensiven Blutdrucktherapiegruppe waren, und bei 37,7 % in der Standardtherapiegruppe. Diese Ergebnisse fanden sich auch für alle sekundären Endpunkte.

Schlussfolgerungen: Eine aggressive antihypertensive Therapie bei Patienten mit intrazerebralen Blutungen und hohem systolischen Blutdruck innerhalb von 4,5 Stunden hat keine Auswirkung auf die Sterblichkeit und die Zahl der Patienten mit schwerer Behinderung.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Intensive und rasche Blutdrucksenkung ist nicht notwendig

Die Ergebnisse der ATACH-2-Studie sind überraschend und schwer zu erklären. Bereits die INTERACT2-Studie hatte gezeigt, dass eine aggressive antihypertensive Therapie bei Patienten mit intrazerebralen Blutungen und hohen systolischen Blutdruckwerten die Prognose nicht verbessert. Jetzt liegen zwei randomisierte Studien mit demselben Ergebnis vor. Die Studien müssen sehr wahrscheinlich dahingehend interpretiert werden, dass eine aggressive Blutdrucksenkung das Größenwachstum der Blutung nicht reduziert. Sehr wahrscheinlich hat diese Therapie auch keine Auswirkung auf die Entwicklung eines Hirnödems. Die Autoren diskutieren die Möglichkeit, dass bei Patienten, die in eine randomisierte Studie aufgenommen werden, sehr viel seltsamer die Therapie eingestellt wird, als in der klinischen Wirklichkeit. Die praktische Konsequenz aus den beiden negativen Studien ist, dass der Blutdruck bei Patienten mit erhöhten systolischen Blutdruckwerten zwar behandelt wird, aber keine aggressive und rasche Blutdrucksenkung notwendig ist.