Fragestellung: Kann ein virtuelles motorisches Training des amputierten Arms bei Patienten mit therapieresistenten Phantomschmerzen den Phantomschmerz (PS) und dessen negative Auswirkungen auf die Aktivitäten des täglichen Lebens und den Schlaf positiv beeinflussen?

Hintergrund: Phantomschmerzen nach der Amputation von Extremitäten sind nach wie vor schwer therapierbar. Die Autoren analysieren eine Vielzahl peripherer, spinaler und anderer zentralnervöser Ursachen zur Genese des PS und stellen diverse partiell erfolgreiche Therapieansätze (Motor Imagery, Spiegeltherapie, somatosensorische Stimulation, visuelles Feedback) vor. Sie leiten daraus hypothetisch ab, dass ein motorisches Training, dass die oben genannten Elemente vereint, die Therapie von PS und dessen negative Begleiterscheinungen verbessert.

Patienten und Methodik: In die multizentrische, unkontrollierte Studie wurden 14 Patienten mit chronischen, therapieresistenten PS (mittlere Intensität auf einer numerischen Rating-Skala [NRS] von 0 – 10: 5,2) eingeschlossen, deren letzte Schmerzintervention (Ausnahme: bestehende, dauerhafte Schmerzmedikation) mindestens sechs Monate zurücklag. Die Patienten mussten mindestens eine mit EMG nachweisbare Restinnervation von Biceps und Triceps besitzen. Sie erhielten insgesamt zweimal pro Woche über sechs Wochen hinweg eine zweistündige Intervention, die aus 1. Schmerzevaluation, 2. dem Platzieren von EMG-Elektroden über der Restmuskulatur und eines Kontrollmarkers für die motorischen Aufgaben in virtueller Realität, 3. motorischem Training des Phantomarms mit visueller Rückmeldung, 4. dem Spiel eines Autorenspiels unter Nutzung von Phantombewegungen und 5. aus zufälligen Zielbewegungen des Phantomarms in virtueller Realität bestand. Die Anteile drei bis fünf wurden für unterschiedliche Bewegungen in drei Schwierigkeitsgraden realisiert, die hinsichtlich der Bewegungsergebnisse angepasst wurden.

Als Endpunkt wurden verschiedene PS-Maße sowie die Beeinträchtigung von Aktivitäten des täglichen Lebens und des Schlafes durch den PS erfasst.

Ergebnisse: Ein motorisches Training des Phantomarms über zwölf Sitzungen senkt den PS bei Amputationspatienten mit therapieresistenten PS durchschnittlich um 1,6 Skalenteile auf der NRS (32 %). Die Beeinträchtigung von Aktivitäten des täglichen Lebens durch PS reduzierten sich um 43 %, die von Schlaf um 61 %. Mehr als die Hälfte der Patienten erzielte eine klinisch relevante PS-Reduktion. Die positiven Ergebnisse ließen sich auch einen, drei und sechs Monate nach Beendigung des Trainings noch nachweisen.

Schlussfolgerungen: Motorisches Training des Phantomarms bei Amputationspatienten mit therapieresistenten PS hat ein erhebliches Therapiepotenzial.

Kommentar von Thomas Weiss, Jena

Erfolgreiches integratives Therapieverfahren ruft nach Replikation

Diese Studie beschreibt ein neues Therapieverfahren für PS, das zentrale und periphere Aspekte der Genese integriert [1]. Mit diesem Verfahren konnte bei knapp über der Hälfte der therapieresistenten Patienten eine klinische relevante Reduktion von PS erreicht werden. Dies ist ein sehr gutes Resultat. Möglicherweise lässt das Verfahren noch bessere Erfolge zu, bedenkt man, dass das Training nur zwölf Sitzungen beinhaltete und keine Sättigung des Effekts während dieser Zeit beobachtet wurde. Die Studie weist jedoch auch einige Schwachstellen auf: Die Anzahl der Patienten (14) ist klein und es gibt keine Kontrolle, sodass erhebliche Placeboeffekte nicht auszuschließen sind. Ein Mindestmaß an EMG-Detektion ist für das Verfahren erforderlich, was die Anwendbarkeit etwas einschränkt (etwa Schulterexartikulation, Nervenausriss oder -verletzungen). Insgesamt ist es aber ein spannender neuer Therapieansatz für PS, für den offenbar sowohl Hard- wie Software bereitgestellt werden können. Es muss sich zeigen, ob sich die sehr guten Ergebnisse in der Praxis replizieren lassen.

figure 1

Prof. Dr. med. Thomas Weiss, Jena