Fragestellung: Welchen Einfluss hat die vermutete Größe eines zerebralen Infarkts, evaluiert mit dem ASPECTS (Alberta Stroke Program Early CT Score), auf die Wirksamkeit und Sicherheit der Thrombektomie?

Hintergrund: Die mechanische Thrombektomie ist in der Zwischenzeit Therapiestandard bei Patienten mit distalen Verschlüssen der Arteria carotis interna und proximalen Verschlüssen der Arteria cerebri media. Für die randomisierten Studien war eine wichtige Fragestellung, welche Patienten mit welcher vermuteten Infarktgröße, gemessen mit dem ASPECTS im CT, in die Studie eingeschlossen werden sollten. Es war vermutet worden, dass Patienten mit sehr großen Infarkten ein erhöhtes Blutungsrisiko aufweisen und solche mit relativ kleinen Infarkten und guter Kollateralisierung möglicherweise von der Thrombektomie keinen zusätzlichen Nutzen haben würden. Diese Fragestellung sollte in einer prädefinierten Subgruppenanalyse der MR-CLEAN(Multicenter Randomized Clinical Trial of Endovascular Treatment of Acute Ischemic Stroke in the Netherlands)-Studie beantwortet werden.

Patienten und Methodik: Die MR-CLEAN-Studie war eine randomisierte, kontrollierte offene Studie, die in den Niederlanden durchgeführt wurde. Untersucht wurde die systemische Thrombolyse mit der Kombination von Lyse und mechanischer Thrombektomie bei über 18-jährigen Patienten [1]. Die Studie schloss Patienten mit proximalen Verschlüssen in der vorderen Zirkulation ein. Das Einschlussfenster war auf sechs Stunden begrenzt.

Nach Anwendung der systemischen Thrombolyse wurde zunächst abgewartet, ob diese eine Wirkung zeigte. Nur wenn sich die Patienten nach der Thrombolyse nicht verbesserten, wurde eine mechanische Thrombektomie angeschlossen. Der primäre Endpunkt der Studie war der Wert auf der modifizierten Rankin-Skala nach 90 Tagen.

Bei den Patienten, bei denen ein auswertbares CT vorlag, das mit dem ASPECTS graduiert werden konnte, erfolgte die Auswertung mithilfe einer multivariablen ordinalen logistischen Regressionsanalyse, wobei die Odds Ratio im Rahmen einer Shift-Analyse der modifizierten Rankin-Skala berechnet wurde. In die statistische Analyse wurde ein Interaktionsterminus eingeführt, in den die präspezifizierten ASPECTS-Subgruppen von 0 bis 4 (großer Infarkt), 5 bis 7 (mittelgroßer Infarkt) und 8 bis 10 (kleiner Infarkt) eingingen.

Ergebnisse: Von den 500 Studienteilnehmern erhielten 233 eine mechanische Thrombektomie zusätzlich zur Standardtherapie und 267 die Standardtherapie allein. 30 Patienten hatten einen ASPECTS 0 bis 4, 93 einen Score von 5 bis 7 und 373 einen Score von 8 bis 10. Die Schwere des Schlaganfalls auf der NIHSS (National Institutes of Health Stroke Scale) betrug 21 in der Gruppe der Patienten mit schwerem Schlaganfall, 19 mit mittelschwerem Schlaganfall und 17 mit leichtem Schlaganfall.

Für den primären Endpunkt, die Shift-Analyse der modifizierten Rankin-Skala ergab sich kein Unterschied zwischen den drei ASPECTS-Gruppen. Es ergaben sich auch keine signifikanten Unterschiede bezüglich schwerwiegender Blutungskomplikationen und anderer schwerwiegender unerwünschter Ereignisse. Auch im Hinblick auf die Mortalität innerhalb von 37 Tagen ergab sich kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsgruppen.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse der MR-CLEAN-Studie legen nahe, dass Schlaganfallpatienten mit einem ASPECTS von 5 bis 7 definitiv von der Thrombektomie profitieren. In dieser Studie war die Untergruppe der Patienten mit kleinem Infarkt nummerisch zu gering, um eine definitive Aussage bezüglich der Wirksamkeit der Thrombektomie treffen zu können.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Die Schwere des initialen Schlaganfalls muss berücksichtigt werden

Die Auswertung der Subgruppen mit ASPECTS in der MR-CLEAN-Studie zeigt, dass definitiv Patienten mit mittelgroßen Infarkten in der frühen CT-Bildgebung von der Thrombektomie profitieren. In die Entscheidung, wer thrombektomiert wird oder nicht, geht natürlich nicht nur der CT-Befund ein, sondern auch die Schwere des Schlaganfalls. Darüber hinaus haben Subgruppenanalysen anderer Thrombektomiestudien gezeigt, dass auch der Kollateralstatus ein wichtiger Prädiktor für den Erfolg der Thrombektomie ist. Ob Patienten mit niedrigem ASPECTS zwischen 8 und 10 oder normaler initialer CT-Bildgebung profitieren, hängt sehr wahrscheinlich von der Schwere des initialen Schlaganfalls ab.