Das neue Ziel antidepressiver Behandlung sei nicht nur die Remission, sondern die nach Möglichkeit volle funktionale Wiederherstellung, bei der Krankheitssymptome weitgehend fehlen, betonte PD Dr. Michael Landgrebe, kbo Lech-Mangfall-Klinik Agatharied. Basis dafür sei eine individuelle symptomgeleitete Pharmakotherapie. Viele Antidepressiva verbessern zwar depressive Kernsymptome, nicht aber Freude und Interesse der Patienten.

Der Wirkstoff Agomelatin (Valdoxan®) steigere aufgrund seines synergistischen Wirkmechanismus parallel zu Kernsymptomen auch die positive Emotionalität, was mit einem Anstieg der psychosozialen Funktion assoziiert sei. Der Agonismus an melatonergen MT1/MT2-Rezeptoren ermögliche die Wiederherstellung des bei depressiven Menschen oft gestörten zirkadianen Rhythmus, die antagonistische Wirkung an den 5-HT2c-Rezeptoren stimuliere indirekt die Freisetzung von Dopamin und Noradrenalin im frontalen Kortex. Nach den Ergebnissen einer Vergleichsstudie (n = 60) zeigte die Therapie mit Agomelatin (25 – 50 mg/Tag) einen signifikant stärkeren Rückgang von Anhedonie (gemessen mit der SHAPS, Snaith-Hamilton Pleasure Scale) gegenüber Venlafaxin (75 – 150 mg/Tag) bis zum Ende der achtwöchigen Therapie (p < 0,001) (▶Abb. 1) [Martinotti G et al. J Clin Psychopharmacol 2012; 32: 487 – 91]. Die Ergebnisse der Hamilton Depression Rating Scale und der Hamilton Anxiety Rating Scale waren für beide Substanzen vergleichbar. Auch die Daten der nicht interventionellen HEDONIE-Studie bei 1.513 Patienten mit Depressionen zeigten nach zehnwöchiger Therapie mit Agomelatin (25 – 50 mg/Tag) einen Rückgang der Anhedonie, der mit einer Verbesserung der sozialen Funktion korrelierte (p < 0,0001) [Llorca P et al. Australian & New Zealand J Psychiatry 2014; 48 (1): 74].

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Wirkung von Agomelatin auf Depression (HAM-D, Hamilton Depression Rating Scale), Angst (HAM-A, Hamilton Anxiety Rating Scale) und Anhedonie (SHAPS, Snaith-Hamilton Pleasure Scale) nach 8 Wochen im Vergleich zu Venlafaxin.

Mod. nach Martinotti G et al. J Clin Psychopharmacol 2012; 32: 487 – 91

Nach den aktuellen S3-Leitlinien ist die Psychotherapie für die Depressionsbehandlung obligat, betonte Professor Gerd Laux, Haag/Obb. Allerdings gebe es in Deutschland eine starke Unter- und Fehlversorgung. Webbasierte Hilfen wie das Online-Programm deprexis®24 könnten Menschen mit Depressionen einen schnelleren Zugang zu einer individuellen Psychotherapie ermöglichen. Deprexis®24 verknüpft zehn Themenbereiche, ist orts- sowie zeitunabhängig einsetzbar und steht dem Patienten zwölf Wochen zur Verfügung. Der Einsatzbereich umfasst die Prävention für Risikogruppen, Überbrückung von Wartezeit, Ergänzung zur konventionellen Face-to-Face- und Kombination mit Antidepressiva-Therapie sowie die Nutzung durch Patienten, die aufgrund von Immobilität, Sprachbarrieren oder Scham keinen Therapeuten aufsuchen. Nach bisherigen Ergebnissen aus acht kontrollierten Studien zeigt das Programm mit einer mittleren Effektstärke von 0,56 vergleichbare Ergebnisse wie die Face-to-Face-Psychotherapie. Es kann die Adhärenz verbessern, die antidepressive Pharmakotherapie optimieren und stellt eine ökonomische Ergänzung zum konventionellen Therapiesetting dar, sagte Laux.