Fragestellung: Korrelieren reduzierte Vitamin-D-Spiegel mit dem Vorhandensein oder der Ausprägung einer Depression?

Hintergrund: Vitamin-D-Rezeptoren und die 1-α-Hydroxylase, welche die Biosynthese von Calcitriol (bioaktive Form des Vitamin D) katalysiert, konnten im zentralen Nervensystem nachgewiesen werden. Vitamin-D-Metaboliten scheinen die neuronale Integrität positiv zu beeinflussen.

Patienten und Methodik: Aus der laufenden Kohortenstudie NESDA (Netherland Study of Depression and Anxiety) wurden 2.386 Probanden rekrutiert und in drei Gruppen eingeteilt: 1) gesunde Kontrollen (n = 494), 2) remittierte Depressive (n = 790) und 3) aktuell (zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung) Depressive (n = 1.102). Der Vitamin-D-Status wurde durch Bestimmung des 25-Hydroxyvitamin-D [25(OH)D] ermittelt. Die Gruppe der zu Untersuchungsbeginn depressiven Probanden wurden nach zwei Jahren einer Follow-up-Untersuchung unterzogen (n = 902; 81% der bei der Erstuntersuchung depressiven Probanden).

Ergebnisse: 33,6% der Studienteilnehmer hatten insuffiziente (< 50 nmol/l) und 7% defiziente 25(OH)D-Spiegel (< 25 mmol/1). Der Anteil mit einem defizienten 25(OH)D-Spiegel erhöhte sich von den Gesunden (4,7%) über die Remittierten (5,8%) bis zu den Depressiven (9,0%). Nach Adjustierung soziodemografischer Daten, der Sonneneinstrahlung in den letzten zehn Wochen und anderer potenziell konfundierender Faktoren wurde gegenüber der Kontrollgruppe ein signifikant niedrigerer 25(OH)D-Spiegel bei remittiert Depressiven (p = 0,0004) und aktuell Depressiven (p < 0,0001) gefunden. Die 25(OH)D-Spiegel korrelierten zudem negativ mit dem Ausprägungsgrad depressiver Symptome. Verglichen mit den gesunden Kontrollen waren sie signifikant niedriger bei 445 mit moderaten (61,1 ± 1,2 nmol/l; p = 0,01), bei 224 mit schweren (59,0 ± 1,7 nmol l/1; p = 0,004) und bei 103 Probanden mit sehr schweren depressiven Symptomen (55,3 ± 2,6 nmol/l; p = 0,001). Es zeigte sich kein signifikanter Einfluss von Antidepressivabehandlung auf den 25(OH)D-Spiegel.

Zum Verlauf depressiver Symptome zeigte sich im 2-Jahres-Follow-up, dass aus einer Erhöhung der 25(OH)D-Spiegel ein 10% geringeres Risiko (p = 0,03) nach zwei Jahren an einer Depression zu leiden resultiert (Prävalenz 45,2%). Höhere 25(OH)D-Spiegel waren mit einer kürzeren kumulativen Dauer depressiver Symptome während des Follow-up (p = 0,01) assoziiert. Verglichen mit Personen mit adäquaten 25(OH)D-Spiegeln hatten solche mit insuffizienten 25(OH)D-Spiegeln ein 1,55-faches (95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,07–2,24, p = 0,02) und solche mit defizienten Spiegeln ein 1,74-fach erhöhtes Risiko (95%-KI = 1,07–2,84, p = 0,03), über mindestens 75% der Follow-up-Phase unter depressiven Symptomen zu leiden.

Schlussfolgerungen: Niedrige 25(OH)D-Spiegel sind mit Inzidenz, Dauer und Schweregrad der Depression assoziiert.

Kommentar von Christian Lange-Asschenfeldt und Florence Hellen, Düsseldorf

25(OH)D-Bestimmung und Substitution bei Depressionen notwendig?

Ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und psychiatrischen Störungen, insbesondere der Depression, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Kjærgard et al. (2012) zeigten eine Assoziation zwischen niedrigen 25(OH)D-Spiegeln und Depressionen, wobei eine Vitamin-D-Supplementation keinen antidepressiven Effekt zeigte [1].

Bei der vorliegenden Untersuchung mit Nachweis einer positiven Korrelation zwischen einem 25(OH)D-Defizit und der Ausprägung und Dauer depressiver Symptome handelt es sich um eine methodisch hochqualifizierte Untersuchung mit einer hohen und aussagekräftigen Stichprobengröße. Wesentliche konfundierende Faktoren wurden nach bestem Standard berücksichtigt und sowohl Schweregrade als auch kumulative Dauer der Depression erfasst. Es liegt auf der Hand, dass depressive Patienten durch ihr Verhalten einen Vitamin-D-Mangel begünstigen, aber insbesondere der prospektive Teil der vorliegenden Untersuchung weist auch auf einen kausalen Zusammenhang zwischen 25(OH)D-Mangel und Depressivität hin, wobei die Ausprägung des 25(OH)D-Mangels mit Schwere und Dauer depressiver Symptome korrelierten. Zwar war der Effekt statistisch signifikant, jedoch sehr klein, sodass sich die Frage nach der klinischen Relevanz gerade vor dem Hintergrund negativer Studienergebnisse zur Substitution in antidepressiver Indikation stellt.

Ob sich der 25(OH)D-Spiegel als Depressionsmarker eignet, bleibt weiterhin fraglich. Die Bestimmung ist aber sinnvoll, da mögliche Auswirkungen der D-Hypovitaminose auf den Organismus nicht zu unterschätzen sind.

Die Supplementation bei einem gesicherten Vitamin-D-Defizit sollte, wenngleich Unsicherheiten bezüglich eines antidepressiven Effektes bestehen, zur Vorbeugung damit verbundener und die Lebensqualität beeinträchtigender Erkrankungen wie Osteoporose mit Frakturneigung, Muskelschwäche oder immunologischen Beeinträchtigungen nicht versäumt werden.