Fragestellung: Unterscheiden sich die Effekte eines zweijährigen, intensiven psychotherapeutischen Behandlungsprogramms (Mentalization-Based Therapy, MBT) von den Effekten einer niederfrequenten, supportiven Gruppentherapie (Supportive Treatment, ST) in der Behandlung von Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen (BPS)?

Hintergrund: Bei der MBT handelt es sich um einen psychodynamischen Ansatz, der speziell zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen entwickelt wurde und auf Annahmen der Mentalisierungs- und Bindungstheorie basiert.

Patienten und Methodik: 111 BPS-Patienten einer dänischen Spezialklinik für Persönlichkeitsstörungen wurden randomisiert im Verhältnis 2 : 1 einer intensiven MBT-Behandlung oder einer weniger intensiven Kontrollbedingung (ST) zugeteilt. Während das MBT-Programm sowohl wöchentliche Einzel- als auch Gruppentherapie beinhaltete, erhielten die Teilnehmer der ST-Bedingung 14-tägige Gruppentherapiesitzungen mit Fokus auf unspezifisch-supportiven Techniken. Die Messbatterie umfasste zunächst gängige Fragebogenverfahren zur Erfassung depressiver, ängstlicher und allgemeiner Psychopathologie. Weiterhin wurden interpersonelle Probleme, das soziale sowie allgemeine Funktionsniveau erhoben sowie der Schweregrad der BPS-Symptomatik bestimmt. Der Beobachtungszeitraum betrug zwei Jahre.

Ergebnisse: Der Zwischengruppenvergleich zum Postzeitpunkt erbrachte lediglich signifikante Unterschiede bezüglich des durch die Therapeuten eingeschätzten allgemeinen Funktionsniveaus sowie des ebenfalls durch die Therapeuten eingeschätzten BPS-Schweregrads, jeweils zugunsten der MBT-Bedingung. Beide Gruppen wiesen zum Postzeitpunkt zwei Jahre nach Studienbeginn klinisch relevante Prä-post-Veränderungen in allen Symptommaßen auf, was sich großteils auch in statistischen Signifikanzen sowie großen Effektstärken (Cohen’s d > 0,08) äußerte.

Schlussfolgerungen: Die Autoren schließen auf eine hohe Wirksamkeit beider Vergleichsgruppen und führen dies insbesondere auf die hohe Erfahrenheit der Therapeuten beider Gruppen sowie die Strukturiertheit des Klinikumfelds zurück.

Positiver Verlauf bei verlässlicher Anbindung

Kommentar von Jutta Stoffers und Klaus Lieb, Mainz

Das Anliegen dieser Studie, erste positive Befunde für eine Therapieform im Rahmen einer unabhängigen Forschergruppe zu replizieren, ist zunächst höchst erfreulich [1, 2]. Die Gestaltung der Kontrollbedingung wie auch die Wahl des Beobachtungszeitraums scheinen unter dem Gesichtspunkt der Übertragbarkeit auf den Versorgungsalltag sinnvoll (externe Validität). Doch muss berücksichtigt werden, dass die Gruppenresultate kaum hinreichend präzise auf das Erhalten oder Nichterhalten der spezifischen MBT-Behandlung rückgeführt werden können (interne Validität), sondern vielmehr auch die sehr unterschiedlichen Grade an Behandlungsintensität und therapeutischer Aufmerksamkeit für die Studienteilnehmer der beiden Gruppen zu bedenken sind. Umso erstaunlicher sind die Befunde, wonach keine wesentlichen Gruppenunterschiede beobachtet wurden. Im Hinblick auf die Ergebnismessung wäre zum einen eine Beurteilung durch verblindete Interviewer essenziell gewesen, zum anderen wären spezifischere Messverfahren, insbesondere hinsichtlich der BPS-Symptomatik, wünschenswert gewesen.

Die Schlussfolgerung, bei beiden Vergleichsbedingungen handele es sich um effiziente Therapieverfahren, sodass kein Unterschied beobachtet werden konnte, scheint vorschnell. Hiergegen sprechen zum einen die Endresultate beider Gruppen, die letztlich auch nach Abschluss des Beobachtungszeitraums von zwei Jahren weiterhin auf eine deutliche Belastung hindeuten. Neuere epidemiologische Befunde hinsichtlich des Verlaufs der BPS sprechen für eine weitaus geringere zeitliche Stabilität der Symptomatik als bisher angenommen [3], sodass auch die Bedeutung des Zeiteffekts für die beobachteten großen Prä-post-Effekte in beiden Gruppen nicht abschließend beurteilt werden kann. Die Studienergebnisse stützen insoweit vorwiegend die Annahme eines zeitlich positiven Verlaufs der BPS bei verlässlicher Anbindung an therapeutische Versorgungsmöglichkeiten.

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Dipl.-Psych. Jutta Stoffers, Mainz