Fragestellung: Bewirkt die Gabe von Lithium eine Reduktion der Krankheitsprogression der amyotrophen Lateralsklerose (ALS)?

Hintergrund: Zwei unabhängige Gruppen haben neuroprotektive Effekte von Lithium in zellulären Modellen gesehen; in einer weiteren Studie wurden In-vivo-Effekte beim Tier und beim Menschen berichtet [1].

Patienten und Methodik: 214 Patienten mit ALS wurden Gruppen zugeordnet, die entweder Lithium oder Placebo erhielten. Die Studie war als multizentrische, randomisierte, doppelblinde placebokontrollierte Phase-III-Studie geplant. Primärer Endpunkt war das Überleben nach 18 Monaten.

Ergebnisse: 59% der Patienten in der Placebo- und 50% der Lithium-Gruppe überlebten 18 Monate. Der negative Effekt der Medikation war nicht statistisch signifikant. Die Nebenwirkungsraten waren in beiden Gruppen vergleichbar.

Schlussfolgerungen: Wie bereits in drei vorherigen Studien gezeigt, hat Lithium keinen Effekt auf die Progression bei der ALS [24].

Kommentar von Albert Ludolph, Ulm

Zweifel schon vor Studienbeginn

Lithium wirkt bei der ALS nicht krankheitsverzögernd. Diese Studie zeigt aus meiner Sicht, dass das ALS-Feld weiterhin unter einem solchen Erfolgsdruck zu stehen scheint, dass Studien durchgeführt und abgeschlossen werden, deren Initiierung zurückblickend kontrovers diskutiert werden kann. Die Grundlage für diese Studie war vor allem die Arbeit von Fornai et al [1], die auf einhellige Kritik seitens ihres Designs, aber insbesondere ihrer Schlussfolgerungen gestoßen ist. Basierend auf diese „präklinischen“ Ergebnisse wurden dann vier Studien gestartet [24], vier negative Ergebnisse liegen vor. Man kann nur darüber erfreut sein, dass die Arbeitsgruppe, die die vorgestellte Untersuchung durchgeführt hat, so etabliert ist, dass sie Schaden von den Patienten ferngehalten hat. Dieser kritische Kommentar soll nicht bedeuten, dass keine klinischen Studien bei der ALS mehr durchgeführt werden sollen; ihre theoretische und experimentelle Basis sollte jedoch etablierten wissenschaftlichen Kriterien genügen [5].

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Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph, Ulm Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklilnik Ulm E-Mail: albert.ludolph@rku.de