Fragestellung: Es existiert keine symptomatische Therapie der neuropsychiatrischen Symptomatik der frontotemporalen Demenzen. Es wurde versucht, Memantine im Rahmen einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Studie als symptomatische Behandlung zu etablieren.

Hintergrund: Die frontotemporalen Degenerationen (oder frontotemporalen Lobärdegenerationen) sind im vergangenen Jahrzehnt in den Fokus der Grundlagenforschung und der klinischen Forschung bei den demenziellen Erkrankungen gerückt. Dabei ist die therapeutische Situation bei diesen häufig in einem früheren Lebensalter (zwischen 50 und 60 Jahren) auftretenden Erkrankungen sehr unbefriedigend. Derzeit gibt es keine Aussicht auf eine erkrankungsmodifizierende Therapie, aber auch symptomatische Therapieformen reduzieren sich auf nicht überzeugend belegte Studien mit serotonergen Medikamenten. Memantine ist von der europäischen EMA (European Medicines Agency) und der US-amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) für die Behandlung mittlerer bis schwererer Erkrankungsstadien des Morbus Alzheimer zugelassen und hat ebenfalls positive Effekte in klinischen Studien der vaskulären Demenz gezeigt [1].

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie von 20 mg Memantine oral, das über 26 Wochen von Patienten mit frontotemporaler Demenz eingenommen wurde. Einschlusskriterien waren die Neary-Kriterien für die Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz (bv-FTD) oder die semantische Demenz. Alle Patienten wiesen eine für die frontotemporale Demenz charakteristische Hirnatrophie auf. Die Endpunkte waren Veränderungen im „Neuropsychiatric Inventory Score“ (NPI) und dem „Clinical Global Impression Change Score“ (CGIC).

Ergebnisse: Insgesamt wurden 100 Patienten gescreent. Davon wurden 81 Patienten randomisiert und 76 Patienten beendeten die 26-wöchige Behandlung. Memantine hatte keinen Effekt auf die beiden Endpunkte (NPI oder CGIC). Es ist bemerkenswert, dass es schwierig war, die erforderliche Patientenzahl einzuschließen, da die Patienten es vorzogen außerhalb der Studie Memantine oder auch Cholinesterase-Inhibitoren zu nehmen.

Schlussfolgerung: Memantine hat keinen Effekt auf die neuropsychiatrischen Symptome der frontotemporalen Demenz.

Kommentar von Albert Ludolph, Ulm

Schutz vor fremd- und selbstgefährdendem Verhalten

Die hier vorgestellte Untersuchung hat klar gezeigt, dass Memantine keinen Effekt bei der FTD hat. Allerdings muss gesagt werden, dass es noch dringlicher wäre, die bisher anekdotisch vorhandene Evidenz, dass Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) bei frontotemporalen Demenzen eine Wirkung haben, systematisch zu untersuchen. Dies ist auch biologisch begründet, da man eindeutig serotonerge Transmitterdefizite bei diesen Erkrankungen finden konnte. Allerdings gibt es hierbei noch einige Hürden zu überwinden; neben der Tatsache, dass wir erst auf dem Weg sind frühe diagnostische Kriterien für diese Erkrankungen zu finden, stellt das Faktum, dass diese Erkrankungen eine erhebliche phänotypische Heterogenität aufweisen, ein weiteres Problem dar.

Es bleibt darauf hinzuweisen, dass trotzdem kein therapeutischer Nihilismus angezeigt erscheint; die Aufmerksamkeit muss vor allem auf der Prävention von Verhaltensweisen liegen, die fremd- und selbstgefährdendes Potenzial haben (Prävention der Verkehrsteilnahme, Prävention der Verantwortung für andere wie Kinder).

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Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph, Ulm Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Ulm E-Mail: albert.ludolph@rku.de