Hintergrund und Fragestellung: Über eine Beziehung zwischen der mittleren Herzdosis (MHD) einer Strahlentherapie beim Mammakarzinom und der Rate an akuten koronaren Ereignissen (ACE) wurde verschiedentlich berichtet. Veerle A. B. van de Bogaard und Kollegen haben nun versucht, diesen Zusammenhang in einer Kohortenstudie zu validieren. Außerdem haben sie geprüft, ob sich im Vergleich zur MHD andere Parameter der Dosisverteilung als bessere Prädiktoren für ACE eignen [1].

Patientinnen und Methodik: Die Kohorte bestand aus 910 Patientinnen mit Mammakarzinom, die nach einer brusterhaltenden Operation bestrahlt worden waren. Der primäre Endpunkt war die kumulative Inzidenz von ACE nach neunjähriger Beobachtung. Analysiert wurden sowohl die MHD als auch verschiedene Parameter der Dosisverteilung in kardialen Substrukturen, wie sie aus den Planungsdaten der dreidimensionalen Computertomografie (CT) gewonnen worden waren.

Ergebnisse: Die MHD betrug 2,37 Gy (0,51–15,25 Gy). Die mediane Beobachtungszeit dauerte 7,6 Jahre (0,1–10,1 Jahre). In dieser Zeit entwickelten 30 Patientinnen ein ACE. Die kumulative Inzidenz für ACE nahm um 16,5 % pro 1 Gy Strahlenbelastung des Herzens zu (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,6–35,0; p = 0,042). In den Analysen zeigte sich, dass das Volumen des linken Ventrikels belastet mit 5 Gy (LV-V5) der wichtigste prognostische Dosis-Volumen-Parameter war. Die Wahrscheinlichkeit für normales Gewebe eine ACE zu entwickeln, ließ sich am besten modellieren mittels der Variablen LV-V5, Alter und gewichteter ACE-Risiko-Score der Patientin.

Schlussfolgerungen der Autoren: Es konnte innerhalb von neun Jahren nach einer Radiotherapie beim Mammakarzinom eine signifikante Dosis-Wirkungs-Beziehung für ACE nachgewiesen werden. Bezogen auf die MHD entsprach die relative Risikozunahme pro Gy den Ergebnissen vorausgegangener Untersuchungen. Zusätzlich erwies sich die LV-V5 als besserer Prädiktor für die Entwicklung einer ACE als die MHD. Die Ergebnisse bestätigen, wie wichtig es ist, das Ausmaß der Strahlenexposition des Herzens zu reduzieren, um das erhöhte Risiko für die Entwicklung eines ACE nach der Radiotherapie beim Mammakarzinom zu vermeiden.

Kommentar von Ulrich R. Kleeberg, Hamburg

„Nachsorge und Lebensführung kommt große Bedeutung zu“

Dank des Zusammenwirkens adjuvanter medikamentöser und strahlentherapeutischer Interventionen beim Mammakarzinom hat sich das relative, krankheitsfreie 10-Jahres-Überleben in den letzten 20 Jahren ganz wesentlich verbessern lassen. Die akuten, subakuten wie späten unerwünschten Therapieeffekte sind daher, insbesondere auch angesichts der demografischen Entwicklung, von wachsender Bedeutung.

Bei der großen Mehrheit der Patientinnen kommen in der Adjuvans kardiotoxische Medikamente (Anthrazycline, Trastuzumab) bis ins hohe Alter zum Einsatz, sodass dann die Strahlentherapie auf vorbelastetes Gewebe trifft. Neben einer selbstverständlichen Schonung des Myokards durch moderne Strahlentechniken ist das Ausmaß koronarer Herz- und Stoffwechselkrankheiten zu berücksichtigen, um Komplikationen vorzubeugen bzw. sie effektiv zu behandeln.

Hier kommt der Nachsorge eine große Bedeutung zu und in deren Rahmen der Lebensführung: Bewegung, Gewichtskontrolle und die Vermeidung potenziell kardiotoxischer Belastungen wie Rauchen und Mitrauchen sowie Alkohol (auch als Wachstumsfaktor für Tumorgewebe) sind entscheidend. Wie wir immer wieder betonen, hat sich die Nachsorge von der Früherkennung eines Progresses weg zur Beobachtung bzw. „Surveillance“ gewandelt, wobei der Schwerpunkt neben der Bewältigung der somatischen und psychosozialen Folgen jetzt der Lebensführung gilt.

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Prof. Dr. Ulrich R. Kleeberg

© HOPA, Hamburg Altona