Hintergrund und Fragestellung: Antiangiogene Therapien wie die Inhibition von VEGF („vascular endothelial growth factor“) durch den humanisierten Antikörper Bevacizumab sollten beim Glioblastom aufgrund der Neovaskularisation einen potenten therapeutischen Ansatz darstellen. Bisherige Studien zur Primärtherapie waren diesbezüglich jedoch enttäuschend und es wurde insbesondere kein Vorteil für die Überlebenszeit beobachtet. In der niederländischen BELOB-Studie fanden sich zum ersten Mal Hinweise auf einen Überlebensvorteil unter der Kombination Bevacizumab/CCNU bei Patienten mit rezidiviertem Glioblastom [1]. In der aktuellen Analyse untersuchten Lale Erdem-Eraslan und Kollegen, ob es möglich ist, Subgruppen von Patienten mit Glioblastom zu identifizieren, die von einer kombinierten antiangiogenen/alkylierenden Chemotherapie mit Bevacizumab/CCNU profitieren.

Patienten und Methodik: Es waren 114 von ursprünglich 152 Tumorproben der BELOB-Patienten zur molekulargenetischen Untersuchung verfügbar. RNA-Expressionsprofile wurden einem von sechs IGS (Intrinsic Glioma Subtypes; IGS-0, -9, -17, -18, -22, -23) oder einer von vier molekularen TCGA(The Cancer Genome Atlas)-Subgruppen („proneural“, „neural“, „klassisch“ und „mesenchymal“) zugeordnet. Die Bedeutung unterschiedlicher prognostischer Faktoren wurde mit der Cox-Regression analysiert und die Signifikanz von unterschiedlichen Überlebenszeiten in den Kaplan-Meier-Kurven durch den Log-Rank-Test bestimmt.

Ergebnisse: Patienten mit Glioblastomen, die dem IGS-18 oder dem „klassischen“ Subtyp zugeordnet werden konnten, zeigten ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben und einen Trend zu einem Vorteil im Gesamtüberleben unter der kombinierten Rezidivtherapie mit Bevacizumab plus CCNU. Die Expressionen von FMO4 und OSBPL3 waren ebenfalls mit einem Ansprechen auf die Kombinationstherapie assoziiert.

Schlussfolgerungen der Autoren: Sollten sich die Ergebnisse in einer unabhängigen Kohorte bestätigen lassen, wäre es möglich, Glioblastome hinsichtlich ihres Ansprechens auf eine Kombinationstherapie mit Bevacizumab/CCNU zu selektionieren.

Kommentar von Martin Uhl, Erlangen

„Die Zukunft von Bevacizumab erscheint ungewisser denn je“

Der Versuch, negativen Studienergebnissen mit einer Subgruppenanalyse noch Positives abzugewinnen, hat eine lange Tradition. Bereits bei den negativen Bevacizumab-Studien Avaglio und RTOG 0825 zur Primärtherapie wurde versucht, eine molekulare Subgruppe mit Überlebensvorteil zu identifizieren. Bei Avaglio sprach der „proneurale“ Subtyp besonders gut an [2], bei RTOG 0825 war der „mesenchymale“ Subtyp besonders ungünstig [3]. Die Arbeit von Erdem-Eraslan und Kollegen ist ungewöhnlich: Eine Studie mit positivem Ergebnis für die Überlebensverlängerung wurde einer Subgruppenanalyse unterzogen, in der sich nur noch ein Trend zu einem verlängerten Überleben zeigte. Die Rationale hierfür erschließt sich erst, wenn man weiß, dass sich in der zugehörigen Phase-III-Studie EORTC 26101 die BELOB-Daten kürzlich nicht bestätigen ließen [4]. Erdem-Eraslan und Kollegen haben nun neben dem „klassischen“ Subtyp auch die Relevanz der zwei Gene FMO4 und OSBPL3 gefunden. Diese sind mit dem Metabolismus von Medikamenten, der Regulation des Aktinzytoskeletts und der Zelladhäsion assoziiert, was zum biologischen Ansatz einer Kombination aus Antiangiogenese und alkylierender Chemotherapie gut passen könnte. Der „klassische“ Subtyp muss auch nicht in offenem Widerspruch zu den oben genannten Daten stehen. Da es sich um eine Studie bei Rezidivpatienten handelt, wäre hier eine negative Selektion der prognostisch schlechten Subgruppen zu diskutieren. Inwieweit sich diese Ergebnisse zeitnah auf den klinischen Alltag auswirken, ist fraglich. Eine Bestimmung der Subgruppen erfolgt momentan nur als wissenschaftliches Begleitprogramm und kann auf absehbare Zeit wohl nicht zur Therapieentscheidung herangezogen werden. Insgesamt erscheint mir die Zukunft von Bevacizumab ungewisser denn je, da auch in der GLARIUS-Studie in der prognostisch ungünstigen Subgruppe mit nicht methyliertem O6-Methylguanin-Methyltransferase-(MGMT)-Promotor kein Vorteil durch Bevacizumab hinsichtlich des Gesamtüberlebens beobachtet wurde [5].

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Dr. Martin Uhl, Erlangen