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Prof. Dr. med. Manfred Dietel

Institut für Pathologie Charité – Universitätsmedizin Berlin manfred.dietel@charité.de

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Mit dem Sprichwort „Totgesagte leben länger“ meine ich, dass in Publikationen und Vorträgen immer wieder das nahe Ende der klassischen Pathologie vorhergesagt und alternative Ansätze zur vermeintlich besseren Diagnostik vorgeschlagen werden. Schon 1999 sagte zum Beispiel Richard Klausner, damals Direktor des National Cancer Institute in Rockville, MD/USA: „Ein verfeinertes Klassifikationsschema, das wichtige Unterschiede im molekularen Aufbau von Tumoren widerspiegelt – Unterschiede, die heutigen Pathologen weitgehend unbekannt sind – wird Forscher darin unterstützen, bessere Wege in der Therapie und Prävention von unterschiedlichen Krebsarten zu finden“ [Pressemitteilung Johns Hopkins University; Übersetzung durch die Redaktion]. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Zukunft der klassischen Pathologie findet sich zum Beispiel auch im Review von Dennis Heffner [Ann Diagn Pathol. 2001;5(6):368-73].

Morphologische Untersuchungen unerlässlich

Insbesondere molekulare Methoden und Einteilungsschemata werden immer wieder vorgeschlagen – zumeist von Nichtpathologen. Allerdings kommen diese Ansätze nicht auch nur im Entferntesten an die Präzision und Aussagekraft der sogenannten klassischen Histopathologie heran. So können präzise Informationen in vielen Bereichen nur dann verlässlich gegeben werden, wenn sie auf morphologischen Analysen des Tumorgewebes basieren. Dazu zählen etwa:

  • Invasionstiefe

  • Mikrometastasen in Lymphknoten

  • Lymphgefäßinvasion

  • zelluläre Zusammensetzung der Läsion

  • intratumoröse Heterogenität

Davon unabhängig sei hier ausdrücklich betont, dass die nicht-morphologischen molekularen Gewebeanalysen selbstverständlich einen hohen Informationsgehalt in sich tragen. Die mittels moderner Molekularpathologie möglichen genetischen Analysen von Tumorgewebe (und anderen Geweben) sind insbesondere in der zielgerichteten Tumortherapie heute essentiell. Dabei ist es möglich, funktionell relevante Mutationen bzw. die dadurch induzierten zellulären Veränderungen als Ziele bestimmter Medikamente zu identifizieren. Entsprechend zielgerichtet lassen sich dann spezifische Antitumor-Substanzen einsetzen. Daher sind diese molekularen Analysen zur Abrundung der Gesamtinformationen über einen malignen Tumor nicht nur außerordentlich hilfreich, sondern zwingend erforderlich. Der einzig akzeptable Ansatz heutzutage geht in folgende Richtung: Die klassische Histopathologie stellt nach wie vor die Basis der Diagnostik dar. Die Bestimmung molekularer oder proteomischer Biomarker und die Erhebung von prognostischen und prädiktiven Informationen sind heute eine notwendige Ergänzung der Pathologie – sie werden die klassische Morphologie aber nicht ersetzen können.

Am Beispiel der Proliferationsbestimmung mittels Ki-67 sei verdeutlicht, dass eine molekular-basierte Analyse des Gewebes (z. B. auf Ebene der RNA) prinzipiell nicht geeignet sein wird, um zwischen proliferierenden Tumorzellen und proliferierenden Lymphozyten zu unterscheiden. Hier bedarf es immer (noch) der hochpräzisen histologischen Auflösung.

Ergänzung – nicht Ersetzung

Ein weiteres Beispiel: Die auf dem Boden molekularer Untersuchungen von Charles M. Perou und Kollegen im Jahre 2000 vorgeschlagene Subtypisierung des Mammakarzinoms hat das Verständnis dieser Erkrankung sehr verbessert [Perou CM et al. Nature. 2000;406(6797):747-52]. Sie ist dabei gleichzeitig eine Bestätigung der morphologischen und immunhistologischen Klassifikation, die routinemäßig an Mammakarzinomen vorgenommen wird. Deswegen lassen sich heute molekulargenetisch bestimmte Subtypen wie „Luminal A“, „Luminal B“ etc. mit klaren immunmorphologischen Charakteristika korrelieren. Hier haben sich Morphologie und molekulare Subtypisierung sehr positiv ergänzt, aber sich nicht ersetzt.

Auch bei der Suche nach proteinbasierten Biomarkern, die helfen sollen, die Wirksamkeit von sogenannten Checkpointinhibitoren besser vorherzusagen, ist die Immunhistologie unersetzbar – zumindest zurzeit. Schließlich ist es auch hier bisher nur auf morphologischer Basis möglich, zwischen Tumorzellen und Nichttumorzellen zu unterscheiden.

Grenzen der Morphologie

Unbestritten ist, dass die Morphologie einschließlich Immunhistologie und In-situ-Hybridisierung ihre Grenzen hat – speziell bei der Quantifizierung. Deswegen müssen die klassischen morphologischen Verfahren durch molekulare und Proteom-basierte Analysen ergänzt werden, was in der täglichen Praxis zumeist auch schon geschieht. Die flächendeckende Anwendung molekularer Sequenziermethoden kann aufgrund neuer Technologien problemlos an Formalin-fixiertem, Paraffin-eingebettetem Gewebe erfolgen. Verfahren wie das „Next Generation Sequencing“ (NGS) oder die Multigen-Assays können damit an routinemäßig prozessiertem „Patho-Gewebe“ durchgeführt werden. Hier treffen sich ein weiteres Mal klassische Morphologie und Molekularpathologie.

Fazit

Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine optimale Tumortherapie auf der morphologischen Primärdiagnose beruhen sollte, die durch immunhistologische und proteomische sowie molekulare Untersuchungen des Gewebes ergänzt wird. Die multimethodisch erarbeiteten Ergebnisse sollten – und das hat besondere Bedeutung – in interdisziplinären (Tumor-)Konferenzen von Klinikern, Pathologen, Molekularpathologen und Vertretern weiterer Disziplinen diskutiert werden (▶Abb. 1). Nur so lässt sich eine optimale wissenschaftlich-basierte Therapieentscheidung treffen.

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Multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Vertretern aus Pathologie, Molekularpathologie, Klinik und anderen Disziplinen

© M. Dietel/Charité Berlin

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