Die deutsche Datenbank-Community trauert um Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Jürgen Appelrath, der nach einer schweren Krankheit und einer damit verbundenen langen Leidenszeit am 5. August 2016 verstarb. Bereits 2010 hatte er sich durch eine schwere Operation gekämpft und hat nach seiner scheinbaren Genesung wieder wie vorher seine vielfältigen beruflichen Aufgaben und Verpflichtungen erfüllt. Als Anfang 2016 die Krankheit unerwartet zurückkam, steckte er noch voller Schaffensenergie und Freude am Leben, dass er den Kampf gegen die Krankheit wieder aufnehmen wollte und überzeugt war, ihn wieder zu gewinnen. Seine Familie, seine vielen Freunde und Kollegen und die Stadt Oldenburg nahmen am 16. August 2016 in der St. Lamberti-Kirche in einer bewegenden Trauerfeier Abschied von ihm.

Hans-Jürgen Appelrath wurde 1952 in Duisburg geboren und studierte 1970 bis 1972 Mathematik/Philosophie für das Lehramt an der Universität Bonn, bevor er das Diplom-Studium der Informatik an der Universität Dortmund aufnahm. Als Wissenschaftlicher Angestellter an der dortigen Abteilung Informatik wirkte er in verschiedenen Industriekooperationen mit, bevor er 1979 als Wissenschaftlicher Assistent an den „Lehrstuhl Datenbanken“ wechselte. Nach seiner Promotion zum Dr. rer. nat. an der Universität Dortmund (1983) wurde er anschließend Forschungsgruppenleiter und später Assistenzprofessor am Department für Informatik der ETH Zürich.

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Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Jürgen Appelrath

Seit Oktober 1987 war Hans-Jürgen Appelrath durchgehend Universitätsprofessor für Praktische Informatik an der Universität Oldenburg, wo er seine große berufliche Lebensaufgabe fand. Rufe an die Universitäten in Augsburg, Koblenz, Münster und Innsbruck konnten ihn nicht von Oldenburg weg locken. Er suchte von Anfang an engen Kontakt und zielgerichtete Kooperationen mit der Industrie und auch dem Land Niedersachsen. Seine Bemühungen mündeten bereits 1991 in den Aufbau des OFFIS – Institut für Informatik, in dem er als Gründer, Vorstandsmitglied und „ständige Triebfeder“ bis 2016 mitwirkte. Von 1992 bis 2005 war er Vorsitzender des Vorstandes von OFFIS, das im Norden Deutschlands zu einem „Leuchtturm für Praktische und Angewandte Informatik“ wurde, aktuell etwa 270 Mitarbeiter hat und zu zahlreichen Ausgründungen in der Region führte. Zusammen mit den Kollegen der Oldenburger Informatik hat er einen wesentlichen Anteil, dass das Informatik-Zentrum im Norden Deutschlands heute eindeutig in Oldenburg liegt – jedenfalls aus Sicht der Datenbank-Community und auch der Angewandten Informatik.

Daneben hatte Hans-Jürgen Appelrath auch viele Leitungsaufgaben am Department für Informatik und an der Universität Oldenburg übernommen; so war er mehrfach Dekan in der Informatik, Prodekan in der Medizin-Fakultät sowie 2009–2010 und 2014–2015 jeweils Vizepräsident für Forschung und Transfer der Universität Oldenburg.

In Forschung und Lehre hat Hans-Jürgen Appelrath in seiner Zeit als Hochschullehrer hervorragende Ergebnisse aufzuweisen. Seine Themen fand er sowohl im DBIS-Bereich als auch durch seine OFFIS-Aktivitäten initiert in anderen Wissensbereichen, vor allem in den Bereichen Gesundheit und Energie. Daneben ist er Autor und Herausgeber von Lehrbüchern und zahlreichen weiteren Publikationen in einem breiten Themenspektrum (siehe auch Computer Science Bibliography) – in jüngerer Zeit vor allem in den Bereichen Datenstrommanagement, Analytische Informationssysteme und Process Mining (siehe auch DASP-3-2014). Umfangreiche Drittmittelprojekte an Universität und OFFIS, die er in den letzten 25 Jahren mit großem Erfolg einwarb, führten natürlich dazu, eine große Arbeitsgruppe zu leiten, mit neuen Ideen zu inspirieren und für vorgegebene Projektaufgaben zu begeistern. Dass er in dieser Zeit als „Doktorvater“ etwa 60 Informatik-Promotionen erfolgreich zum Abschluss führte, ist sehr bemerkenswert.

In unserer Datenbank-Community war Hans-Jürgen Appelrath von Anfang an aktiv dabei. Er wurde bereits 1988 in das Leitungsgremium des (heutigen) GI-Fachbereichs DBIS berufen und war von 1996 bis 1999 dessen Sprecher. 2001 organisierte er die BTW-Konferenz in Oldenburg, die damals zum ersten Mal und sehr erfolgreich „im hohen Norden“ stattfand. Beispielhaft sei erwähnt, dass Oldenburg durch seine Initiative und sein stetiges Engagement durchgängig seit 1985 bei allen BTW-Konferenzen aktiv beteiligt war und mit 21 Beiträgen zur Spitzengruppe der deutschen Informatik-Standorte gehörte.

Auch im nationalen und internationalen Wissenschaftsmanagement übernahm Hans-Jürgen Appelrath zahlreiche Aufgaben. Neben den Gutachter-Aufgaben für nationale und internationale Institutionen zur Forschungsförderung und in Programmkomitees von Tagungen machten die Mitgliedschaften in mehreren wissenschaftlichen Gesellschaftem (GI, ACM, GMDS, DNVF, …) und die aktive Mitarbeit in einigen ihrer Gremien die Breite und Vielfalt seiner wissenschaftlichen Interessen deutlich. Hervorzuheben sind weiterhin seine Arbeiten als Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (akatech) sowie im Beirat des EWE-Forschungszentrums NEXT ENERGY.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch das vielfältige Engagement von Hans-Jürgen Appelrath in der Wirtschaft und anderen Organisationen. So war er Mitglied in den Aufsichtsräten der Cewe Stiftung & Co. KGaA, der BTC AG (2001–2015) und der ICSMED AG. Außerdem war er 2003 Gründer der „Berufsakademie für IT und Wirtschaft“ (seit 2014 „IT & Business School Oldenburg“), von 2004 bis 2011 ihr Akademieleiter und seit 2011 Vorsitzender ihres Trägervereins.

Die großartigen Leistungen von Hans-Jürgen Appelrath für die Wissenschaft, die Universität und die Gesellschaft wurden vielerorts erkannt und gewürdigt. So wurde er 2004 zum Fellow der Gesellschaft für Informatik (GI) berufen. Die Stadt Oldenburg verlieh ihm für außerordentliche Verdienste um Wissenschaft und Wirtschaft die Auszeichnung „Oldenburger Bulle 2005“. Außerdem erhielt er 2005 das Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens. Die Ehrendoktorwürde der Carl-Friedrich-Gauß-Fakultät der Technischen Universität Braunschweig wurde ihm 2007 verliehen. Schließlich erhielt er 2015 für seine hervorragenden und langjährigen Verdienste die Ehrenplakette des Präsidenten der Universität Oldenburg.

Hans-Jürgen Appelrath hinterlässt seine Ehefrau sowie zwei erwachsene Töchter, die sich beruflich von Oldenburg weg orientiert haben. Die vielen Freunde in Oldenburg (Rotary Club, Turnverein usw.) haben bei der Trauerfeier bekundet, dass sie seine Familie „auffangen“ wollen.

Mit einer Fürbitte, die Hans-Jürgen Appelrath 2014 in seiner Universitätspredigt zu Matthäus 14, 22–33 in der St. Lamberti-Kirche in Oldenburg formulierte, wollen wir unseren Nachruf im Datenbank-Spektrum beenden: „Herr, Du kennst unseren Kleinmut und unser Verzagen in Stürmen unseres Lebens. Leid und Schmerz, Not und Kummer lassen uns immer wieder zweifeln an Dir. Wir bitten Dich: Gib uns Vertrauen, wenn wir uns ängstigen, und gib uns Geborgenheit, wenn es dunkel um uns wird.“

Wir vermissen Hans-Jürgen sehr – nicht nur als geschätzten, stets hilfreichen und verlässlichen Kollegen sondern auch als sehr guten Freund.