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Planung ist, was Planer tun?

Ein Plädoyer für die verstärkte Beachtung von förderbasierter Planungspraxis jenseits des Planungsressorts

Planning is what planners do?

Turning the spotlight onto extra-departmental planning projects

  • Wissenschaftlicher Beitrag
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Raumforschung und Raumordnung - Spatial Research and Planning

Zusammenfassung

Projektförderungen sind in der Stadtentwicklung zum Regelfall geworden. Neben den genuin planerischen Programmen der Städtebauförderung haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten weitere, nicht den Planungsressorts zugeordnete Förderstrukturen wachsende Bedeutung für die Stadtentwicklung erfahren. Diese Förderstrukturen – so die im Beitrag verfolgte These – nehmen ebenfalls wesentlichen Einfluss auf das kommunale Planungshandeln. Insbesondere durch die zunehmende Europäisierung der Förderpolitiken hat sich so eine „ressortfremde Planungspraxis“ mit stark wirtschaftlichem Fokus herausgebildet, bei der Stadtplanungsämter nicht oder nur randständig beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund widmet sich der Beitrag dem Phänomen der „ressortfremden Planungspraxis“ als blindem Fleck in der planerischen Wahrnehmung. Diese Wahrnehmungslücke wird anhand von zwei Berliner Förderprojekten beleuchtet. Auf der Grundlage dieser Fallstudien diskutiert der Beitrag die planungswissenschaftlichen Implikationen und gibt Impulse für die Planungspraxis, die strukturell bedingte Wahrnehmungslücke zu schließen. Dabei zeigt der Beitrag für die Planungspraxis auf, wie die Zunahme von Projektförderungen zu einem deutlichen Anstieg des Koordinations- und Abstimmungsbedarfes in den Kommunalverwaltungen führt, der insbesondere in finanzschwachen Städten kaum geleistet werden kann. Dies birgt die Gefahr, dass das in ressortfremden Projekten entstandene, planerisch relevante Wissen ungenutzt bleibt. Aus planungswissenschaftlicher Perspektive plädiert der Beitrag dafür, planerische Forschung nicht institutionell auszurichten, sondern über Ressortzuständigkeiten hinweg nach relevantem Planungshandeln in der Stadtentwicklungspraxis zu suchen. Es bedarf demnach eines offenen, empirischen Blicks dafür, was unter Planungspraxis zu verstehen ist. Denn eine vorschnelle Begrenzung des empirisch untersuchten Feldes auf bestimmte Akteurgruppen, Instrumente oder Raumeinheiten könnte wichtige theoretische Erkenntnisse behindern.

Abstract

Publicly funded projects have become popular and omnipresent in urban development. In Germany, both planning funding programs such as “Städtebauförderung” as well as non-planning funding structures have largely increased within the last two decades. These latter funding streams, though not explicitly targeted at planning issues, have a significant impact on municipal planning practices. The increase in funding structures on the European level in particular, has led to the new phenomenon that we have labelled “extra-departmental planning practices”. By presenting two cases of such externally funded planning projects in Berlin, this article reflects on this new phenomenon as a blind spot within the academic planning sphere. We argue that filling this gap is crucial both for planning theory and practice. With regard to planning practice, the article demonstrates that the increase in projects requires stronger administrative coordination, which can hardly be met by municipalities – especially under austerity conditions. A risk is that knowledge generated in these externally funded projects is lost and cannot be drawn on for future municipal projects. With regard to planning theory, the article calls for an open empirical perspective that defines “planning practice” beyond institutional boundaries. The growing practical role of extra-departmental planning practices, described in this article, opposes the idea of a planning theory whose empirical pool is limited to certain institutionally designated actors, instruments or spatial units.

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Notes

  1. Der Beitrag wählt hier bewusst einen engen Planungsbegriff, um so den Zusammenhang zwischen dem gesellschaftlichen Handlungsfeld der Stadtplanung und dem Berufsfeld von Stadtplanern dezidiert in den Mittelpunkt zu stellen. Unter Stadtplanung verstehen wir die staatliche Einflussnahme auf die räumliche Ordnung und Gestaltung einer Kommune durch die planende Stadtverwaltung und politische Gremien auf der Grundlage des Baugesetzbuchs (BauGB).

  2. Solche Aspekte der Stadtentwicklung sind primär Gegenstand benachbarter Disziplinen wie der Geographie oder Soziologie. Unter Stadtentwicklung verstehen wir das gesellschaftliche, den Stadtraum betreffende Handlungsfeld, an dem sowohl die planende Verwaltung als auch eine Vielzahl weiterer administrativer, privatwirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure bzw. auch nur einige dieser Handelnden beteiligt sind.

  3. Siehe die Vielzahl entsprechender Veröffentlichungen, z. B. zum Quartiersmanagement: Bernt/Fritsche (2005), Lanz (2009); zum Stadtumbau: Bernt/Haus/Robischon (2010).

  4. Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung.

  5. Europäischer Sozialfonds.

  6. Castells (1991: 172 ff.) spricht beispielsweise als einer der Vordenker der urbanen Wissensgesellschaft von einer „dual city“, einer Zweiteilung der Stadt. Es entstehen demnach sowohl prosperierende als auch vernachlässigte Quartiere innerhalb der Stadt.

  7. http://www.berlin.de/sen/wirtschaft/gruenden-und-foerdern/europaeische-strukturfonds/efre/der-efre/weiterfuehrende-informationen-zum-efre/ (27.10.2016).

  8. So existieren allein im Bereich der Städtebauförderung 18 Stadtumbaugebiete (6 Gebiete West, 12 Gebiete Ost), 9 Aktive-Zentren-Gebiete und 34 Quartiersmanagement-Gebiete.

  9. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche private Treuhändergesellschaften als zwischengeschaltete Stellen mit der Projektberatung und -abrechnung befasst sind.

  10. Das Projekt wurde als Wirtschaftsdienliche Maßnahme im Rahmen des BBWA beantragt und über eine Kofinanzierung von EFRE-Mitteln und Mitteln der „Berliner Landesinitiative Aktionsräume Plus“ (Soziale-Stadt-Programm) realisiert. Das Planungsamt war abgesehen von einer punktuellen Beteiligung zur Gebietsauswahl vor Projektbeginn nicht aktiv involviert.

  11. http://europa-in-fk.de/index.php?id=188 (27.10.2016).

  12. Acht Quartiersmanagement-Gebiete, ein Stadtumbau West-Gebiet, zwei abgeschlossene und ein laufendes Sanierungsgebiet sowie ein Citymanagement-Gebiet im Ortsteil Neukölln.

  13. Zum Beispiel in Form von Eigentümerberatung und -vernetzung, Ansiedlungsunterstützung, Konfliktmoderation, Unternehmensnetzwerken.

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Danksagung

Herzlicher Dank gilt den Mitgliedern des ARL-Arbeitskreises „Mind the Gap – Kooperationen und Selbstverständnisse in der räumlichen Planung“ sowie den beiden Gutachtern, die mit ihren konstruktiven und fundierten Hinweisen wesentlich zur Entstehung des Artikels in seiner jetzigen Form beigetragen haben.

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Mackrodt, U., Lerch, M. Planung ist, was Planer tun?. Raumforsch Raumordn 75, 19–29 (2017). https://doi.org/10.1007/s13147-016-0467-7

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