1 Einleitung

Symmetrie ist ein grundlegendes mathematisches Konzept, das vom Kindergarten bis hin zur Universität in der Geometrie, der Analysis oder auch der Algebra immer wieder thematisiert wird – beginnend z. B. mit dem Herstellen einfacher Klecksbilder bis hin zu Verknüpfungen von Symmetrien und dem Entdecken von Gruppenstrukturen (z. B. bei Deckabbildungen von Figuren). Als verwandter Begriff zu den universellen Ideen Abbildungen und Invarianzen (Schreiber 1979; Bender 1978) und als „Grundidee der Elementargeometrie“ (Wittmann 1999, S. 210) ist sie auch fachdidaktisch von Interesse. Durch den Umgang mit Symmetrien wird ein konkreter Zugang zur Idee der Mathematik als einer Wissenschaft von Mustern ermöglicht. Während Zahlenmuster eher abstraktere Muster darstellen, lassen sich Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen symmetrischen Mustern auch handelnd erfahren bzw. optisch erkennen und nutzen (Devlin 2002; Wittmann 2003). Propädeutisch ist es wichtig, das Verständnis von Symmetrie in verschiedenen Kontexten fachlich anschlussfähig im Grundschulunterricht anzubahnen. In der Grundschule werden dabei im Bereich Geometrie v. a. die Themen „Spiegelung an einer Achse“ sowie das „Erkennen achsensymmetrischer Figuren“ angesprochen. Am Ende von Jahrgangsstufe 4 sollen die Schülerinnen und Schüler Eigenschaften der Achsensymmetrie beschreiben und achsensymmetrische Figuren herstellen sowie die Anzahl der Symmetrieachsen regelmäßiger ebener Figuren bestimmen können (vgl. beispielsweise Niedersächsisches Kultusministerium 2017). Über das Erkennen achsensymmetrischer Figuren kann ein erster abbildungsgeometrischer Zugang zu (geometrischen) Mustern stattfinden, wenn zunächst diese Symmetrien als schöne Muster aufgefasst, anschließend daran Ähnlichkeiten und Regelmäßigkeiten entdeckt und somit auch Eigenschaften von Kongruenzabbildungen und deren Zusammenhänge verdeutlicht bzw. propädeutisch angebahnt werden (z. B., dass drehsymmetrische Figuren durch die Verkettung zweier Spiegelungen an sich im Drehzentrum schneidenden Achsen auf sich selbst abgebildet werden können).

Trotz der Bedeutung von Symmetrie in der Mathematik, auch über die Grundschule hinaus, wissen wir über Lernprozesse von Schülerinnen und Schülern im Bereich der Symmetrie im Vergleich zu vielen Erkenntnissen aus der Arithmetik deutlich weniger. Wissen über Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler ist für die Lehrkraft wichtig, um zielführend, dem Kenntnisstand entsprechend, zu unterrichten und passgenaue Maßnahmen zur individuellen Unterstützung zu ergreifen. Dabei ist vor allem ein adäquater Umgang mit vorhandenen Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern in der Unterrichtspraxis ein zentrales Thema. Mögliche Vorstellungen, die von einem normativen oder regulären (Ruf und Gallin 1998) Verständnis von Symmetrie abweichen, müssen dazu erkannt und auch im Sinne eines conceptual change (Posner et al. 1982; Duit 1999) durch tragfähige VorstellungenFootnote 1 ersetzt werden. Solche alternativen Vorstellungen sind jedoch nicht einfach zu diagnostizieren. Eine Möglichkeit, diese aufzudecken, besteht darin, zunächst über quantitative Fehleranalysen generelle sich wiederholende Fehler von Schülerinnen und Schülern zu erfassen und zu systematisieren. Dies kann als Ausgangspunkt dienen, um vorhandene Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zu rekonstruieren.

Im Kontext der Achsensymmetrie bedeutet das, zunächst zu analysieren, welche Fehler bei Aufgaben zur Achsensymmetrie auftreten. Um mathematisch nicht tragfähigen Vorstellungen bzw. Fehlerursachen systematisch auf den Grund zu gehen, kann es hilfreich sein, Zusammenhänge von Fehlerbildern mit Eigenschaften bzw. Merkmalen der Aufgaben zu analysieren. Erkenntnisse aus empirischen Studien zu Aufgabenmerkmalen, welche die Schwierigkeit von Aufgaben beeinflussen, gibt es vor allem zu Aufgaben zur Achsenspiegelung (Grenier 1985a, 1985b; Küchemann 1981; Schmidt 1986; Bell 1993; Götz und Gasteiger 2019). Zum Erkennen von Achsensymmetrie als Eigenschaft einer Figur fehlen jedoch weitgehend Erkenntnisse, die aufzeigen, wie Schülerinnen und Schüler mit Aufgaben verschiedener Anforderungen umgehen. Grundschultypische Aufgabenstellungen hierzu sind das Einzeichnen von Symmetrieachsen in Figuren oder das Entscheiden, ob Figuren achsensymmetrisch sind oder nicht. Studien belegen, dass vertikale Symmetrieachsen schon früh eine Sonderstellung gegenüber anderen Symmetrieachsen haben (Bornstein et al. 1981; Fisher et al. 1981) und ein Umgang damit leichter fällt als mit horizontalen und schrägen Achsen (Bornstein und Stiles-Davis 1984; Grenier 1985a; Küchemann 1981). Insofern lässt sich vermuten, dass die Lage der Achse einen Einflussfaktor auf die Fähigkeit, Achsensymmetrie zu erkennen, darstellt. Erste Erkenntnisse zu Fehlern beim Bestimmen von Symmetrieachsen in ebenen Figuren lassen vermuten, dass auch die Art der Symmetrie einer Figur einen Einfluss auf das Bearbeiten dieser Aufgabenstellungen hat (Genkins 1978; Grohe 2011).

Dieser Beitrag verfolgt das Ziel, vertiefte Erkenntnisse dazu zu gewinnen, wovon das Erkennen von Achsensymmetrie in ebenen Figuren abhängen könnte. Dazu werden erste Forschungsergebnisse zum Erkennen achsensymmetrischer Figuren aufgegriffen und es wird insbesondere herausgearbeitet, inwieweit die Art der Symmetrie einer Figur (z. B. Drehsymmetrie kombiniert mit Achsensymmetrie) einen Einfluss darauf hat, ob Schülerinnen und Schüler eine Figur als achsensymmetrisch oder nicht achsensymmetrisch bestimmen. Ziel dieses Beitrages ist es darüber hinaus, typische Fehler von Schülerinnen und Schülern herauszuarbeiten, die möglicherweise im Zusammenhang mit Merkmalen der Aufgabe, und somit unter anderem auch mit der Art der Symmetrie der Figur, stehen.

2 Begriffliche Grundlegung

Figuren mit unterschiedlichen Symmetrieeigenschaften stehen in dieser Studie im Fokus. Um diese Figureigenschaften strukturiert betrachten zu können, ist insbesondere der enge Zusammenhang zwischen der Symmetrie als Eigenschaft einer Figur und den zugrundeliegenden Kongruenzabbildungen von Bedeutung.

Hinter dem Begriff Symmetrie können nach Weyl (1980) zwei unterschiedliche begriffliche Bedeutungen stehen. Zum einen wird Symmetrie umgangssprachlich als Ausdruck für etwas Wohlproportioniertes, Ausgeglichenes verwendet, als Bezeichnung für die Konkordanz mehrerer Teile, durch welche sie sich zu einem Ganzen zusammenschließen (Weyl 1980, S. 11). Zum anderen wird der Begriff mathematisch wie folgt definiert: „Eine Figur F heißt symmetrisch, wenn sie durch eine von der identischen Abbildung verschiedene Kongruenzabbildung auf sich selbst abgebildet wird.“ (Benölken et al. 2018, S. 190). Kongruenzabbildungen, die eine endliche Figur auf sich selbst abbilden können, sind Achsenspiegelungen, Punktspiegelungen und Drehungen. Die Art der Symmetrie wird somit nach der Art der Abbildung benannt: Eine Figur F der Ebene heißt demnach achsensymmetrisch, punktsymmetrisch bzw. drehsymmetrisch, wenn sie durch eine Achsenspiegelung, Punktspiegelung bzw. Drehung τ mit τ (F) = F deckungsgleich auf sich selbst abgebildet werden kann (Scheid und Schwarz 2009). Alle Abbildungen, welche eine ebene Figur F auf sich selbst abbilden, bilden eine Gruppe: Die Symmetriegruppe einer Figur F besteht aus der Menge aller Symmetrieabbildungen der Figur F und der Hintereinander-Ausführung der Abbildungen als Verknüpfung. Die Gruppe der Symmetrieabbildungen des gleichseitigen Dreiecks besteht beispielsweise aus sechs Symmetrieabbildungen: die identische Abbildung, die Spiegelungen an jeder der drei Höhen, eine Drehung um 120° und eine Drehung um 240° um den Dreiecksschwerpunkt. Das gleichseitige Dreieck ist somit achsensymmetrisch, aber auch drehsymmetrisch. Die Gruppe beschreibt die Symmetrien, die eine Figur F besitzt (Weyl et al. 2017, S. 50). Es gibt auch Figuren, die nach Weyl (1980) zwar wohlproportioniert sind, bei welchen mehrere Teile konkordant sind, die aber nicht symmetrisch sind.

Bei der Figur in Abb. 1 werden beide Teile der Figur jeweils durch die Kongruenzabbildung Parallelverschiebung aufeinander abgebildetFootnote 2. Jedoch existiert keine Kongruenzabbildung, welche die Figur auf sich selbst abbildet.

Abb. 1
figure 1

„Schubfigur“

3 Identifizieren symmetrischer Figuren – Empirische Erkenntnisse

Einzelne Untersuchungen, die sich mit dem Wahrnehmen und Erkennen von Achsensymmetrien ebener Figuren befassen, gibt es aus unterschiedlichen Disziplinen. Zunächst wird hier auf Studien aus der Psychologie zurückgegriffen, welche sich mit der Wahrnehmung unterschiedlicher Symmetrien bereits im Säuglings- und Kindesalter befassen. Anschließend werden Einflussfaktoren auf das Erkennen von Symmetrie bei Aufgaben zur Achsensymmetrie insbesondere im Grundschulalter berichtet und es wird auf spezifische Schwierigkeiten und Fehler beim Einzeichnen von Symmetrieachsen eingegangen.

3.1 Studien zur Wahrnehmung unterschiedlicher Symmetrien

Fähigkeiten zum optischen Unterscheiden von Figuren mit verschiedenen Symmetrien entwickeln sich bereits in den ersten Lebensjahren. Aus der Psychologie liegen durch Habituationsexperimente mit Säuglingen – ähnlich wie für Bereiche der Arithmetik, beispielsweise der Mengenerfassung (vgl. u. a. Xu und Spelke 2000; Starkey und Cooper 1980) – grundlegende Erkenntnisse zum Unterscheiden unterschiedlicher Symmetrien vor.

Ziel dieser Studien ist es zum einen zu erfahren, ob Vorteile in der Wahrnehmung von Figuren mit vertikalen Symmetrieachsen charakteristisch für bestimmte Phasen der kognitiven Entwicklung von Säuglingen sind, und zum anderen, ob Säuglinge Formen auf Basis ihrer Eigenschaften unterscheiden können. Um dies zu testen, wird die Spanne der Aufmerksamkeit von Säuglingen gegenüber einem gewissen Stimulus durch die Dauer der Fixation gemessen. Bornstein et al. (1981) sowie Fisher et al. (1981) verglichen bei Säuglingen im Alter von vier Monaten die Dauer der Fixation unterschiedlicher Muster (vgl. Abb. 2). Darunter befanden sich (jeweils von links nach rechts) Muster mit vertikalen Symmetrieachsen (vertikal-symmetrisch), Muster mit horizontalen Symmetrieachsen (horizontal-symmetrisch) und asymmetrische Muster. Neben der Veränderung der Ausrichtung der Achse wurden in diesen Mustern keine weiteren Merkmale (wie die Größe oder die Gestalt der Muster) verändert. Die Säuglinge wenden ihre Aufmerksamkeit schneller von vertikal-symmetrischen Mustern ab als von horizontal- und asymmetrischen Mustern. Diese Betrachtungszeit gibt Auskunft über Unterschiede in der Symmetriewahrnehmung verschieden symmetrischer Figuren: Unterschiedlich lange Aufmerksamkeitszeiten zeigen, dass Säuglinge vertikale Symmetrien von horizontalen Symmetrien bzw. von Asymmetrien unterscheiden. Zwischen horizontalen Symmetrien und Asymmetrien unterscheiden sich die Aufmerksamkeitszeiten nicht, woraus kein Rückschluss auf Wahrnehmungsunterschiede gezogen werden kann (Fisher et al. 1981; Bornstein et al. 1981).

Abb. 2
figure 2

Beispiele zu Figuren bzw. Mustern aus Habituationsexperimenten (links, Bornstein et al. 1981; rechts, Fisher et al. 1981)

In einem weiteren Experiment mit Säuglingen im Alter von 12 Monaten (Bornstein et al. 1981) wurden Probanden jeweils zwei Muster (vertikal-, horizontal-, oder asymmetrisch) gleichzeitig vorgelegt. Ziel war es, herauszufinden, welches Muster die Säuglinge „bevorzugen“, d. h. länger und intensiver ansehen. Dies wurde durch Nachverfolgen der Blickrichtung und durch das Messen der Dauer der Betrachtung des jeweiligen Musters ermittelt. Die Säuglinge betrachten bevorzugt vertikal-symmetrische Muster vor horizontal-symmetrischen als auch vor asymmetrischen Mustern.

Noch bevor Kinder bewusst Erfahrungen zu Symmetrien gesammelt haben, liegen somit bereits Unterschiede in der Wahrnehmung verschiedener Symmetrien vor, welche deutlich auf die Sonderrolle vertikaler Symmetrie hinweisen.

Mit dem Ziel, mehr über die Besonderheit der Erfassung vertikaler Symmetrie in der frühen Kindheit zu erfahren, führten Bornstein und Krinsky (1985) Experimente mit vier Monate alten Säuglingen durch. Die Ergebnisse dieser Experimente zu Besonderheiten in der Wahrnehmung vertikal-symmetrischer Figuren bestätigen die zuvor berichteten Ergebnisse von Fisher et al. (1981) und Bornstein et al. (1981) und ergänzen, dass insbesondere vertikal-symmetrische Muster als Ganzes wahrgenommen werden und nicht nur als voneinander isolierte Elemente.

Die Sonderrolle vertikaler Symmetrie zeigt sich auch in einer Studie mit älteren Kindern. Boswell (1976) ließ dabei Kindergartenkinder sowie Schülerinnen und Schüler aus Jahrgangsstufe 2 und 4 asymmetrische, horizontal-symmetrische, vertikal-symmetrische und doppelt-symmetrische (vertikal- und horizontal-symmetrische) Punktemuster aus jeweils sechs Punkten nach einer Stimuluszeit reproduzieren. Die Varianzanalysen ergaben signifikante Zusammenhänge zwischen der Art der Symmetrie und der Lösungshäufigkeit, welche in der Anzahl richtig reproduzierter Punkte gemessen wurde. In allen drei Altersstufen zeigte sich die gleiche Reihenfolge in den erfolgreichen Reproduktionen bezüglich unterschiedlicher Arten der Symmetrie: Am besten wurden doppelt symmetrische Punktemuster reproduziert, gefolgt von vertikal-symmetrischen. Horizontal-symmetrische Punktemuster wurden besser als asymmetrische Punktemuster reproduziert, jedoch schlechter als vertikal-symmetrische. Vor allem die Dominanz der vertikalen über die horizontale Symmetrie beschreibt die Autorin als von theoretischem Interesse. Sie vermutet, dass dieses Phänomen der Symmetrie des visuellen Systems selbst zuzuschreiben ist sowie mit dem Schriftspracherwerb in enger Verbindung steht: „Continual practice in reading material form left to right may result in more efficient processing elements symmetrical about the vertical axis, i.e., in processing material on the basis of left-right relationships.“ (Boswell 1976, S. 317; vgl. auch Corballis und Roldan 1974).

3.2 Einflussfaktoren auf die Fähigkeit des Erkennens von Symmetrie

Zusätzlich zur Sonderrolle vertikaler Symmetrien beim Erkennen achsensymmetrischer Figuren bzw. beim Einzeichnen von Symmetrieachsen in achsensymmetrische Figuren vermuten andere Autoren weitere Faktoren, die das Lösungsverhalten von Schülerinnen und Schülern beim Bearbeiten von Aufgaben zum Thema Achsensymmetrie/Achsenspiegelung beeinflussen. Franke und Reinhold (2016) nennen die Lage der Symmetrieachse innerhalb (eine symmetrische Figur) oder außerhalb (zwei zueinander kongruente Figuren) der Figur, das Vorkommen von Ergänzungen auf beiden Seiten der Symmetrieachse, die Ausrichtung der Symmetrieachse (vertikal, horizontal, schräg) und die Erhöhung der Anzahl von Symmetrieachsen als Faktoren, welche variiert werden können, um den Schwierigkeitsgrad von Aufgaben im Themenkomplex der Symmetrie zu erhöhen. Die Lage der Symmetrieachse innerhalb oder außerhalb der Figur und auch das Vorkommen von Ergänzungen auf beiden Seiten der Symmetrieachse spielen bei Achsenspiegelungen eine Rolle. Für Aufgaben zum Einzeichnen von Symmetrieachsen in ebene Figuren sind nur die beiden Merkmale Erhöhung der Anzahl von Symmetrieachsen und die Ausrichtung der Symmetrieachse relevant.

3.2.1 Ausrichtung der Symmetrieachse

Mehrere Studien zeigen, dass die Ausrichtung der Symmetrieachse eines jener Merkmale ist, das beim Lösen von Aufgaben im Bereich Achsensymmetrie schwierigkeitsbestimmend ist: Ziel der Studie von Bornstein und Stiles-Davis (1984) mit Kindern im Alter von 4–6 Jahren (n = 74) war es, die Entwicklung des Identifizierens von Achsensymmetrien herauszuarbeiten. Im Fokus der Erhebung stand dabei, inwieweit sich das Erkennen unterschiedlicher Figuren als symmetrisch oder asymmetrisch zu bestimmten Entwicklungszeitpunkten (Altersstufen) unterscheidet. Die Figuren unterschieden sich durch die Ausrichtung ihrer Symmetrieachse (vertikal, horizontal, schräg) oder waren asymmetrisch. Sie wurden den Kindern paarweise – bestehend aus einer symmetrischen (vertikal, horizontal, schräg) und einer asymmetrischen Figur – vorgelegt. Die Kinder sollten für jedes vorgelegte Figuren-Paar entscheiden, ob die Figur, auf die gezeigt wurde, die symmetrische ist oder nicht. Die Fähigkeit der Kinder, achsensymmetrische von asymmetrischen Figuren zu unterscheiden, variiert altersabhängig und steht im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Achse. Die Entwicklung des Erkennens achsensymmetrischer Muster bis zu einem Alter von sechs Jahren vollzieht sich demgemäß vom Erkennen vertikal-symmetrischer Muster über das Erkennen horizontal-symmetrischer Muster hin zum Erkennen schräg-symmetrischer Muster (Bornstein und Stiles-Davis 1984).

Während bei Bornstein und Stiles-Davis (1984) achsensymmetrische Figuren von nicht-achsensymmetrischen Figuren unterschieden werden sollten, versuchte Genkins (1978) die Frage zu beantworten, welche Methoden Kindern die Entscheidung, ob eine Figur achsensymmetrisch ist oder nicht, erleichtern. Dazu teilte sie ihre Versuchsgruppe (91 Kindergartenkinder, 94 Zweitklasskinder) in eine Spiegelgruppe, eine Faltgruppe und eine Kontrollgruppe. Anhand 24 achsensymmetrischer Figuren (12 horizontal, 12 vertikal) und 24 nicht-achsensymmetrischer Figuren (12 punktsymmetrisch, 12 asymmetrisch) untersuchte die Autorin das Erkennen und Aufzeigen von Symmetrieachsen in den gegebenen Figuren. Ihre Ergebnisse bestätigen die Ergebnisse von Bornstein und Stiles-Davis (1984) und zeigen, dass unabhängig von der Versuchsgruppe und damit von der Methode vertikal-symmetrische Figuren in beiden Altersstufen besser als symmetrisch identifiziert werden als horizontal-symmetrische Figuren.

Schmidt (1986) setzte wiederum einen anderen Schwerpunkt als Genkins (1978). Im Fokus seiner Untersuchung stand nicht die Entscheidung „achsensymmetrisch oder nicht“, sondern das Einzeichnen von Symmetrieachsen in ebene Figuren. Auch in dieser Studie (n = 2914) zeigte sich, dass die Ausrichtung der Achse eine Rolle spielt. Unter den Aufgaben zur Achsensymmetrie befanden sich drei Aufgaben zum Einzeichnen von Symmetrieachsen in ebene Figuren (vgl. Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Aufgaben aus der Studie von Schmidt (1986)

Die Schülerinnen und Schüler sollten in die in Abb. 3 dargestellten Figuren alle Symmetrieachsen einzeichnen. Figur a wurde mit 86,1 % am besten gelöst, Figur b wurde zu 39,1 % und Figur c zu 82,8 % gelöst. Als richtig gewertet wurden Aufgaben, wenn alle Spiegelachsen richtig eingezeichnet wurden. Schmidt (1986) vermutet, dass Figur c seltener als Figur a gelöst wurde, da die einzuzeichnende Achse schräg zum Blattrand eingezeichnet werden muss und nicht wie bei Figur a vertikal.

3.2.2 Anzahl der Symmetrieachsen

Zusätzlich zur Ausrichtung der Symmetrieachse scheint auch die Anzahl der Symmetrieachsen die Schwierigkeit von Aufgaben zur Achsensymmetrie zu beeinflussen (Franke und Reinhold 2016). Diese Aussage lässt sich vorsichtig durch eine genaue Betrachtung der Studie von Schmidt (1986) bestätigen. Bei den Lösungshäufigkeiten der drei Aufgaben (vgl. Abb. 3) fällt auf, dass Figur b die geringsten Lösungshäufigkeiten hat. In diese Figur mussten im Vergleich zu den Figuren a und c vier Symmetrieachsen eingezeichnet werden. Diese Ergebnisse decken sich mit Ergebnissen von Xistouri (2007). In ihrer Studie waren neben anderen Aufgaben zum Symmetrieverständnis auch Aufgaben zum Einzeichnen von Symmetrieachsen in achsensymmetrische Figuren, wie beispielsweise in einen fünfzackigen Stern oder einen Halbmond, enthalten. Auch Xistouri (2007) stellte dabei fest, dass das Einzeichnen aller Symmetrieachsen in eine Figur eine hohe Anforderung an die Schülerinnen und Schüler stellt. Die Herausforderung dabei ist „viewing all aspects simultaneously and repeatedly, in order to decide the occurrence of symmetry and find the place of the line“ (Xistouri 2007, S. 533). Demnach ist zu vermuten, dass die Anforderung einer Aufgabe höher wird, je mehr Spiegelachsen zu finden sind. Gegebenenfalls ist dies jedoch auch darauf zurückzuführen, dass man bei einer höheren Anzahl an Achsen auch mehr Achsen vergessen kann.

3.2.3 Symmetrieeigenschaften der Figur

Neben den von Franke und Reinhold (2016) genannten Faktoren, die das Lösungsverhalten von Schülerinnen und Schülern beim Bearbeiten von Aufgaben zum Thema Achsensymmetrie/Achsenspiegelung beeinflussen, scheinen weitere Merkmale eine Rolle zu spielen. Die Ergebnisse von Genkins (1978) zeigen, dass asymmetrische Figuren besser als „nicht achsensymmetrisch“ identifiziert werden als punktsymmetrische Figuren, die nicht achsensymmetrisch sind. Betrachtet man die Lösungshäufigkeiten weiterer Aufgaben aus der Studie von Schmidt (1986) (vgl. Abb. 4), bei welchen aus vorgegebenen Linien Symmetrieachsen identifiziert werden sollten, so wurde die rein punktsymmetrische Figur Parallelogramm (Figur E), sowie die punkt- und achsensymmetrischen Figuren Raute (Figur F) und Stern (Figur G) am seltensten richtig bearbeitet.

Abb. 4
figure 4

Identifizieren von Symmetrieachsen bei Schmidt (1986) mit Lösungshäufigkeiten

Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass die Kinder bei dieser Aufgabenstellung zwar darauf achten, dass bei einer Teilung der Figur durch eine Linie zwei deckungsgleiche Hälften entstehen, die exakte Lage dieser Hälften zueinander aber vernachlässigen (vgl. auch Niedermeyer 2013). Sowohl bei rein punktsymmetrischen als auch bei achsensymmetrischen Figuren lässt sich ein Teil der Figur durch eine euklidische Abbildung in der Ebene kongruent auf den anderen abbilden. Im Gegensatz zu achsensymmetrischen Figuren können rein punktsymmetrische Figuren aber nicht durch eine Achsenspiegelung auf sich selbst abgebildet werden – kongruente Teile werden bei einer rein punktsymmetrischen Figur durch eine Drehung zur Deckung gebracht. So könnte man vermuten, dass es die Punktsymmetrie erschwert, eine nicht-achsensymmetrische aber punktsymmetrische Figur als nicht achsensymmetrisch zu identifizieren: „[Die] Gegenwart zweier kongruenter Teile in einer Figur war offensichtlich dafür verantwortlich, dass es den Kindern schwer fiel, punktsymmetrische aber nicht achsensymmetrische Figuren im Vergleich zu asymmetrischen Figuren als nicht achsensymmetrische Figuren zu identifizieren.“ (Genkins 1978, S. 42).

3.3 Spezifische Schwierigkeiten beim Erkennen von Achsensymmetrie und typische Fehler beim Einzeichnen von Symmetrieachsen

Weitere Studien, die sich mit dem Themenbereich der Achsensymmetrie im Grundschulalter beschäftigen, bestätigen die o. g. Erkenntnisse und zeigen darüber hinaus insbesondere grundschulspezifische Schwierigkeiten beim Erkennen der Achsensymmetrie ebener Figuren und Fehler beim Einzeichnen von Symmetrieachsen.

Neben der Tatsache, dass punktsymmetrische Figuren häufig nicht als nicht achsensymmetrisch erkannt werden, scheint die Punktsymmetrie auch einen Einfluss auf die Art der Lösungen der Schülerinnen und Schüler zu haben und typische Fehler auszulösen (Genkins 1978). Diese Vermutung von Genkins (1978) deckt sich mit einem Praxisbericht (Grohe 2011). Während des Unterrichts zum „Trainieren und Verbessern des symmetrischen Verständnisses“ (Grohe 2011) zeigte sich beim Einzeichnen von Symmetrieachsen, dass Figuren, die sowohl achsen- als auch punktsymmetrisch sind, Schülerinnen und Schüler dazu verleiten, zusätzliche falsche Achsen einzuzeichnen (z. B. Diagonalen). Die Art der Symmetrien einer Figur (beispielsweise punktsymmetrisch oder achsen- und punktsymmetrisch) scheint also nicht nur einen Einfluss auf die Lösungshäufigkeit bezüglich des Einzeichnens von Symmetrieachsen zu haben, sondern auch bestimmte Fehler zu provozieren. Beim Identifizieren richtiger Symmetrieachsen in der Studie von Schmidt (1986) (vgl. Abb. 3) zeigte sich, dass gewisse Lösungsmuster häufiger oder ausschließlich bei speziellen Figuren auftreten. Die Aufgabe mit punktsymmetrischen Figuren (Figur E) wurde seltener gelöst als die anderen Figuren. Häufig wurden v. a. die Diagonalen und Parallelen durch die Seitenmitten als Symmetrieachsen betrachtet (vgl. Figur E und F). Als weiterer Fehler zeigte sich bei Schmidt (1986) (vgl. Abb. 2), dass in Figur b (Quadrat) oft nur zwei der vier Achsen eingezeichnet wurden; dies waren fast ausschließlich die Diagonalen des Quadrats (vgl. Schmidt 1986, S. 28), also eine vertikal und horizontal ausgerichtete Achse. Die beiden Verbindungsgeraden der Seitenmittelpunkte wurden seltener als Symmetrieachsen identifiziert (Schmidt 1986).

3.4 Zielsetzung und Forschungsfragen der vorliegenden Studie

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es Faktoren gibt, die beeinflussen, ob eine Figur als achsensymmetrisch erkannt wird oder nicht bzw. ob die Spiegelachsen richtig eingezeichnet werden können. Darunter fällt zum einen die Ausrichtung der Symmetrieachse. Das Identifizieren vertikal-symmetrischer Figuren fällt Kindern leichter als das Identifizieren horizontal-symmetrischer Figuren und dieses fällt wiederum leichter als das Identifizieren schräg-symmetrischer Figuren (Bornstein et al. 1981; Fisher et al. 1981; Bornstein und Stiles-Davis 1984). Es ist davon auszugehen, dass auch das Einzeichnen vertikaler Symmetrieachsen leichter fällt als das Einzeichnen horizontaler oder schräger Symmetrieachsen. Ebenso deuten erste Vermutungen (Xistouri 2007) darauf hin, dass das Einzeichnen vieler Symmetrieachsen in eine Figur eine Aufgabe besonders komplex macht. Des Weiteren wird vermutet, dass auch die Symmetrie der Figur eine Rolle spielt (Niedermeyer 2013; Genkins 1978). Ist eine Figur punktsymmetrisch, aber nicht achsensymmetrisch oder achsen- und punktsymmetrisch, so scheinen spezielle Schwierigkeiten beim Identifizieren dieser Figur als achsensymmetrisch oder nicht achsensymmetrisch aufzutreten. Erste Indizien deuten auf unterschiedliche Fehler hin: in punkt- und achsensymmetrischen Figuren werden zum einen weitere vermeintliche Symmetrieachsen eingezeichnet (Grohe 2011) oder aber nicht alle Symmetrieachsen gefunden (Schmidt 1986). Aus diesen Vermutungen ergeben sich für diesen Beitrag folgende Forschungsfragen:

  1. 1.

    Inwiefern beeinflussen die Ausrichtung der Achse, die Art der Symmetrie der Figur und die Anzahl der Symmetrieachsen einer Figur die Fähigkeit von Schülerinnen und Schülern achsensymmetrische von nicht-achsensymmetrischen Figuren zu unterscheiden und die Achsen richtig einzuzeichnen?

  2. 2.

    Welche Fehler treten beim Einzeichnen von Symmetrieachsen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Aufgabenmerkmale auf und zeigen sich dabei spezifische Fehlertypen?

4 Design der Studie

4.1 Stichprobe

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine Stichprobe von 212 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 3 aus insgesamt 7 Schulen (17 Klassen) in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen herangezogenFootnote 3. Der Altersdurchschnitt lag bei 8,84 Jahren (SD = 0,63), 43,9 % der Stichprobe waren männlich. Bei der vorliegenden Stichprobe handelt es sich um eine Gelegenheitsstichprobe. Es wurde dennoch darauf geachtet, dass sowohl städtisch als auch ländlich gelegene Schulen unterschiedlicher Schulbezirke an der Erhebung beteiligt sind. Die Erhebungen fanden in allen Klassen am Ende des dritten Schuljahres statt.

4.2 Instrument

Die im Folgenden beschriebenen Aufgaben waren Teil einer größeren Studie und wurden im Testheft mit Aufgaben zu Würfelkonfigurationen und weiteren Geometrieaufgaben alterniert. Für die Testdurchführung waren zweimal 30 Minuten mit einer 10-minütigen Pause vorgesehen. Die Gesamtbearbeitungszeit ergibt sich aus der Bearbeitungszeit aller eingesetzten Aufgaben. Zum Erkennen einer Figur als achsensymmetrisch bearbeiteten die Schülerinnen und Schüler in einem Paper-Pencil-Test 18 Items. Gegebenenfalls mussten Symmetrieachsen eingezeichnet werden (siehe Beispielaufgabe, Abb. 5). Jede Aufgabe umfasste drei bis vier Items. Dabei beschränkte sich der Test auf ebene geschlossene Figuren, meist Vielecke, wie sie im Unterricht der Grundschule vorkommen. Pro Aufgabe wurden zwei Minuten (drei Items) bzw. zweieinhalb Minuten (vier Items) Bearbeitungszeit gerechnet. Den Testsitzungsprotokollen ist zu entnehmen, dass es in keiner der getesteten Klassen zeitliche Probleme gab und alle Schülerinnen und Schüler die Testhefte bis zum Ende bearbeiten konnten.

Abb. 5
figure 5

Beispielaufgabe mit drei Items

Zur Erstellung der Testhefte wurden zunächst mit allen Aufgaben der Erhebung (inklusive der Aufgaben zu Würfelkonfigurationen und weiteren Geometriebereichen) sechs Blöcke zusammengestellt. Bei der Zusammenstellung dieser Blöcke wurde darauf geachtet, dass strukturgleiche Aufgaben nicht unmittelbar aufeinander folgen, um zu gewährleisten, dass keine Interaktionseffekte zwischen den Aufgaben auftreten (Erleichtern/Erschweren der jeweils anderen Aufgabe) und jede Aufgabe unabhängig von der Beantwortung der vorausgegangenen Aufgabe bearbeitet werden konnte (vgl. Moosbrugger und Kelava 2012, S. 68). Aus den Blöcken wurden sechs verschiedene Testhefte zusammengestellt, die sich in der Anordnung ihrer Blöcke unterschieden. Um Positionseffekte zu vermeiden, wurde jeder Block an allen sechs Positionen im Testheft eingesetzt. Die Positionen der Aufgaben innerhalb der Blöcke wurden nicht verändert. Insgesamt wurden auf diese Weise sechs verschiedene Testheftversionen eingesetzt.

Da es Hinweise darauf gab, dass die Arten der Symmetrieabbildungen einer Figur eine Rolle bei der Identifikation von Figuren als achsensymmetrisch oder nicht achsensymmetrisch spielen könnten (Genkins 1978), wurden die Aufgaben dieser Studie gezielt diesbezüglich variiert. Tab. 1 und 2 fassen diese Systematisierung der Figuren auf Basis der Erkenntnisse aus Kap. 2 zusammen und stellen die Arten der Symmetrieabbildungen der jeweiligen Figuren (ggf. inklusive Parallelverschiebung) in den jeweiligen Zeilen darFootnote 4. Dabei wurden die achsensymmetrischen Figuren wie folgt systematisiert (vgl. Tab. 1):

  • rein achsensymmetrische Figuren

  • achsensymmetrische Schubfiguren

  • achsen- und punktsymmetrische Figuren

  • achsen- und drehsymmetrische Figuren

  • achsen-, punkt- und drehsymmetrische Figuren.

Tab. 1 Übersicht über verwendete achsensymmetrische Figuren nach Arten der Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung) in den Zeilen
Tab. 2 Übersicht über verwendete nicht-achsensymmetrische Figuren nach Arten an Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung)

SchubfigurenFootnote 5 wurden in den Test aufgenommen, da diese – ähnlich wie punktsymmetrische Figuren – zwei kongruente Teilfiguren enthalten.

Aufgrund der Vermutungen (vgl. Kap. 2), dass punktsymmetrische Figuren besondere Schwierigkeiten hervorrufen (vgl. Genkins 1978), wurden Punktsymmetrie und Drehsymmetrie getrennt betrachtet: In der Kategorie, die mit „drehsymmetrische Figuren“ benannt ist, wurden im Folgenden alle drehsymmetrischen Figuren zusammengefasst, die nicht punktsymmetrisch sind (Drehwinkel <360°, ohne 180°). Punktsymmetrische Figuren (Drehwinkel = 180°) wurden als eigene Kategorie in den Test mit aufgenommen.

In empirischen Studien wurde auch die Ausrichtung der Achse als ein Merkmal herausgestellt, das einen Einfluss auf die Lösungshäufigkeiten beim Einzeichnen von Symmetrieachsen hat (vgl. Kap. 1). Vor allem die Sonderrolle vertikaler Symmetrie stand hierbei im Vordergrund (vgl. u. a. Bornstein und Stiles-Davis 1984; Fisher et al. 1981; Bornstein et al. 1981). In jeder Zeile der Tab. 1 wurden die Figuren so ausgewählt, dass die Achsen unterschiedlich ausgerichtet sind; beispielsweise waren unter den achsensymmetrischen Figuren eine Figur mit vertikaler Symmetrieachse (Drachen), eine Figur mit horizontaler Symmetrieachse (Trapez) und eine Figur mit schräger Symmetrieachse (gleichschenkliges Dreieck).

Bei der Konstruktion der nicht-achsensymmetrischen Figuren (vgl. Tab. 2) wurden die Figuren so gewählt, dass berichtete Vermutungen zu Fehlern wieder aufgegriffen werden konnten (vgl. beispielsweise das Identifizieren der Diagonalen und Seitenmitten im Parallelogramm bei Schmidt (1986)). Auf Basis dieser Vermutung wurden auch die nicht-achsensymmetrischen Figuren so entworfen, dass sie typische Fehler bezüglich des Einzeichnens von Achsen provozieren könnten.

Ebenso wie die achsensymmetrischen Figuren wurden die nicht-achsensymmetrischen Figuren systematisiert (vgl. Tab. 2):

  • punktsymmetrische Figuren

  • drehsymmetrische aber nicht punktsymmetrische Figuren

  • Schubfiguren.

Die Anzahl der einzuzeichnenden Achsen stellte ein weiteres Aufgabenmerkmal der verwendeten Figuren dar, welches über die Aufgaben hinweg variierte. Der Test enthielt achsensymmetrische Figuren mit einer, zwei, drei oder vier Spiegelachsen (Tab. 1) sowie Figuren ohne Symmetrieachse (Tab. 2).

4.3 Auswertungsmethoden

Aufgaben mit achsensymmetrischen Figuren wurden als richtig beantwortet gewertet, wenn alle Symmetrieachsen richtig und zusätzlich keine falschen Symmetrieachsen eingezeichnet wurden. Nicht-achsensymmetrische Figuren wurden als richtig beantwortet gewertet, wenn ein Kreuz bei „keine Symmetrieachse“ gesetzt wurde. Nicht bearbeitete Aufgaben wurden als Missings gewertet. Ebenso wurden Lösungen von Schülerinnen und Schülern, bei denen sowohl Achsen eingezeichnet als auch ein Kreuz bei „keine Symmetrieachse“ gesetzt wurde, aus der Auswertung ausgeschlossen. Aus diesem Grund variieren die Anzahlen der gültigen Lösungen pro Item leicht. Die Lösungshäufigkeiten der Aufgaben werden in Prozent angegeben, dabei werden für jede Figur die jeweils gültigen Prozente der Aufgabenbearbeitungen betrachtet.

Zur inhaltlichen Auswertung der Antworten der Schülerinnen und Schüler wurden Antwortkategorien gebildet und die Bearbeitungen entsprechend kodiert. Eine neue Antwortkategorie wurde ab fünf Fällen gebildet; jede Kategorie beschreibt eine spezielle Kombination an eingezeichneten Geraden (z. B. „horizontale und vertikale Achse eingezeichnet“). Dabei kam es vor, dass einige Aufgabenlösungen der Kinder sehr selten vorkommen und somit in keine der bereits gebildeten Kategorien passten und deshalb in der Kodierung als „Andere Antwort“ erfasst wurden.

Bezüglich des Einflusses der Aufgabenmerkmale (Ausrichtung der Achse, Arten der Symmetrieabbildungen der Figur und Anzahl der Symmetrieachsen einer Figur) interessierten insbesondere die deskriptiven Häufigkeitsverteilungen je nach Ausprägung des Aufgabenmerkmals. Bei der Analyse des Einflusses des Merkmals Ausrichtung der Achse wurden alle Aufgaben mit dem jeweiligen Merkmal (z. B. „vertikale Symmetrieachse einzuzeichnen“) betrachtet. Dazu wurden zunächst alle tatsächlich eingezeichneten Achsen (unabhängig davon, ob zusätzlich weitere falsche oder richtige Achsen in die Figur eingezeichnet wurden) der entsprechenden Ausrichtung (beispielsweise vertikale Achsen) gezählt und anschließend durch die Anzahl der möglichen einzuzeichnenden Achsen geteilt.

Zur Auswertung der typischen Fehler wurden die auftretenden Fehler in Kategorien erfasst, wie beispielsweise die Fehler bei der Figur Parallelogramm „Beide Diagonalen eingezeichnet“, etc.. Weitere seltene Fehler (<5) wurden unter der Kategorie „Andere Antwort“ zusammengefasst. Alle Dokumente der Schülerinnen und Schüler, die nicht lesbar waren oder bei welchen keine Antwort auf die entsprechende Frage gegeben wurde, wurden ausgeschlossen. Die Fehlerhäufigkeiten der Kategorien pro Figur werden in Prozent angegeben, dabei wurden für jede Figur die jeweils gültigen Prozente der Aufgabenbearbeitungen betrachtet.

Zur statistischen Auswertung und Systematisierung typischer Fehlerarten wurden Kreuztabellen herangezogen. Die Zusammenhänge zwischen zwei Variablen (zwei Figuren mit gleichen Symmetriegruppen) wurden untersucht. Dazu wurde ein Chi-Quadrat-Test nach Pearson bezüglich spezifischer Fehler durchgeführt. Die Berechnung der Effektstärke erfolgte dabei durch das Effektgrößenmaß Cramérs V. Die Effektstärken werden nach Cohen (1988) bei V ≤ 0,1 als kleiner Effekt, bei V ≥ 0,3 als mittlerer Effekt und bei V ≥ 0,5 als starker Effekt interpretiert (vgl. Döring und Bortz 2016). Traten in den Zellen der Kreuztabellen Werte kleiner fünf auf, so wurde die Signifikanz der Ergebnisse bzgl. der Abweichung zu den erwarteten Zellhäufigkeiten mit dem exakten Test nach Fisher berechnet. Für alle anderen 2 × 2-Tabellen wurde das korrigierte Chi-Quadrat nach Yates berechnet.

5 Ergebnisse

5.1 Deskriptive Statistiken

Um einen ersten Überblick darüber zu bekommen, wie die Schülerinnen und Schüler die einzelnen Aufgaben zu den unterschiedlichen Arten der Symmetrieabbildungen bearbeiten, werden in Tab. 3 zunächst die Lösungshäufigkeiten jeder Aufgabe (nach Arten der Symmetrieabbildungen der Figur inkl. Parallelverschiebung) dargestellt. Sie bieten einen ersten Einblick in die großen Unterschiede zwischen den Lösungshäufigkeiten der Aufgaben, worauf in den folgenden Abschnitten immer wieder zurückgegriffen wird. Besonders hohe Lösungshäufigkeiten zeigten sich bei den drehsymmetrischen Figuren, ebenso bei den rein achsensymmetrischen Figuren und den nicht-achsensymmetrischen Schubfiguren. Deutlich geringere Lösungshäufigkeiten zeigten sich bei achsen- und drehsymmetrischen Figuren sowie bei achsen-, punkt- und drehsymmetrischen Figuren.

Tab. 3 Deskriptive Statistik zu den Lösungshäufigkeiten (LH) aller Aufgaben dieser Studie nach Arten der Symmetrieabbildungen der Figur inkl. Parallelverschiebung

5.2 Merkmale mit Einfluss auf das Lösen von Symmetrieaufgaben

5.2.1 Ausrichtung der Achse

Bezüglich des Merkmals Ausrichtung der einzuzeichnenden Achse wurde in einem ersten Schritt die Lage der eingezeichneten Achsen (vertikal, horizontal, rechtsschräg, linksschräg) erfasst. Betrachtet man alle Figuren mit vertikalen Symmetrieachsen (Quadrat, Vierstern, Rechteck, Doppeltes Boot, Drachen, Raute, Dreistern), so konnten insgesamt 1334 vertikale Symmetrieachsen eingezeichnet werden (gezählt über gültige N, vgl. Tab. 3). Insgesamt wurden 1161 vertikale Symmetrieachsen von den Schülerinnen und Schülern eingezeichnet, was 87,03 % entspricht. Die horizontale Achse hätte in den Figuren Trapez, Quadrat, Doppelter Bogen, Vierstern, Rechteck, gleichseitiges Dreieck und Raute 1316-mal eingezeichnet werden können (gezählt über gültige N, vgl. Tab. 3), davon wurde sie 860-mal richtig eingezeichnet und damit zu 65,35 % richtig eingezeichnet. Von 949 möglichen rechtsschrägen AchsenFootnote 6 in Vierstern, Diamant, gleichseitiges Dreieck, Dreistern und Quadrat wurden insgesamt 402 eingezeichnet. Die rechtsschräge Achse wurde somit zu 42,27 % richtig eingezeichnet. In die Figuren Vierstern, Diamant, gleichseitiges Dreieck, Dreistern, Quadrat und gleichschenkliges Dreieck war die linksschräge Achse 1137-mal einzuzeichnen. 590-mal wurde sie richtig eingezeichnet, was 51,89 % entspricht. Im gewichteten Mittel wurden die schrägen Achsen demnach zu 47,56 % korrekt eingezeichnet.

In Figuren, die drei bzw. vier Symmetrieachsen besitzen (Dreistern, Quadrat, gleichseitiges Dreieck, Vierstern), wurde die vertikale Symmetrieachse häufiger richtig eingezeichnet als die horizontale und/oder als die schräge Symmetrieachse (falls vorhanden). Die vertikale Achse, die am seltensten eingezeichnet wurde, war die in der Figur Doppeltes Boot mit nur 69,7 %. Die horizontale Achse, die am seltensten eingezeichnet wurde, war die in der Figur Doppelter Bogen mit nur 41,5 %. Dabei handelte es sich um die beiden achsensymmetrischen Schubfiguren.

5.2.2 Arten der Symmetrieabbildungen der Figur inkl. Parallelverschiebung

Es wurden zunächst die Lösungshäufigkeiten der Items nach Arten der Symmetrieabbildung einer Figur (inkl. Parallelverschiebung) betrachtet (siehe Abb. 6). Dabei wurde unterschieden zwischen nicht-achsensymmetrischen Figuren und achsensymmetrischen Figuren.

Abb. 6
figure 6

Lösungshäufigkeiten nach Arten der Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung) in Prozent (in schwarz: nicht-achsensymmetrische Figuren, in grau: achsensymmetrische Figuren)

Bei allen nicht-achsensymmetrischen Figuren (Abb. 6, Lösungshäufigkeiten in schwarz) musste die Figur als nicht achsensymmetrisch erkannt werden und bei der jeweiligen Figur ein Kreuz bei „keine Symmetrieachse“ gesetzt werden. Unter den nicht-achsensymmetrischen Figuren wurden Aufgaben zu drehsymmetrischen Figuren (Windrad und Mühle) am besten gelöst. Diese Figuren wurden durchschnittlich zu 94 % als nicht achsensymmetrisch bestimmt. Aufgaben zu Schubfiguren (Doppeltes Pultdach und Doppelter Winkel) wurden zu 85 % als nicht achsensymmetrisch erkannt. Punktsymmetrische Figuren (Parallelogramm und Fahne) wurden am seltensten als nicht-achsensymmetrische Figuren ausgemacht. Diese Items wurden durchschnittlich zu 51 % richtig gelöst; die Lösungshäufigkeiten der beiden Figuren wichen jedoch stark voneinander ab. Die Figur Parallelogramm wurde zu 33 %, die Figur Fahne zu 69 % als nicht achsensymmetrisch erkannt.

Aufgaben zu achsensymmetrischen Figuren (Abb. 6, Lösungshäufigkeiten in grau) des Tests verlangten das korrekte Einzeichnen aller Symmetrieachsen. Die rein achsensymmetrischen Figuren (gleichschenkliges Dreieck, Drachen und Trapez) wurden aus dieser Gruppe mit durchschnittlich 84 % am besten gelöst. Alle Aufgaben mit Figuren, die zusätzlich eine weitere Symmetrieeigenschaft haben – und insbesondere die, die auch drehsymmetrisch sind, – zeigten deutlich geringere LösungshäufigkeitenFootnote 7. In achsensymmetrische Schubfiguren wurde die Spiegelachse zu 53 % richtig eingezeichnet, wobei die beiden Figuren sehr unterschiedliche Lösungshäufigkeiten hatten (Doppeltes Boot 68 % und Doppelter Bogen 37 %). Achsen- und punktsymmetrische Figuren wurden zu 51 % richtig gelöst. Bei allen diesen Figuren mussten zwei Spiegelachsen richtig eingezeichnet werden. Achsen-, punkt- und drehsymmetrische Figuren wurden zu 31 % richtig gelöst. Auch hier wichen die Lösungshäufigkeiten der beiden Aufgaben stark voneinander ab. In das Quadrat zeichneten 44 % der Kinder alle vier Spiegelachsen ein, in den Vierstern nur 17 %. Unter den verschiedenen Symmetriekombinationen aller achsensymmetrischen Figuren wurden die achsen- und drehsymmetrischen Figuren am seltensten gelöst. Alle drei Spiegelachsen wurden zu 15 % eingezeichnet.

5.2.3 Anzahl der Symmetrieachsen der Figur

In Kap. 2 wurde berichtet, dass ein möglicher Zusammenhang zwischen der Anzahl der einzuzeichnenden Symmetrieachsen in eine Figur und der Lösungshäufigkeit der Aufgabe bestehen könnte. Auch wenn dies möglicherweise der Tatsache geschuldet ist, dass bei mehr einzuzeichnenden Achsen auch mehr Achsen vergessen werden können und dadurch die Aufgabe seltener komplett richtig bearbeitet wird, ist es aufschlussreich, die Lösungshäufigkeiten sortiert nach Anzahl der Achsen zu betrachten (vgl. Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Zusammenhang zwischen der Anzahl der Symmetrieachsen und den Lösungshäufigkeiten

Insbesondere die in Abb. 7 zu erkennenden Ausreißer (nummeriert mit (1) bis (4)) waren hier von Interesse. Es waren ebendiese Figuren, die auch bereits zuvor durch abweichend hohe bzw. niedrige Lösungshäufigkeiten aufgefallen waren. Dabei handelte es sich um das Parallelogramm (1) und die Fahne (3), die mit 33 % bzw. 69 % relativer Lösungshäufigkeit unter den Figuren ohne Symmetrieachse auffallend selten gelöst wurden, ebenso wie der Doppelte Bogen (2) unter den Figuren mit einer einzuzeichnenden Symmetrieachse besonders selten gelöst wurde. Unter den Figuren mit vier Symmetrieachsen wurde das Quadrat (4) eindeutig am besten gelöst. Es zeigt sich somit, dass nicht allein die Anzahl der Symmetrieachsen die Lösungshäufigkeit beeinflusst.

5.3 Typische Fehler

5.3.1 Fehler bei nicht-achsensymmetrischen Figuren

Bei drehsymmetrischen Figuren wurden selten Fehler gemacht (Windrad: 7,3 %, Mühle: 5,1 % fehlerhaft). Der häufigste Fehler war das Einzeichnen von Geraden durch die Flügel der Figuren (fehlerhafte Achsen siehe Abb. 8, links).

Abb. 8
figure 8

Fehler bei drehsymmetrischen Figuren (links, Windrad und Mühle) und Schubfiguren (rechts, Doppeltes Pultdach und Doppelter Winkel)

Ein auffälliger Fehler, der bei den Schubfiguren häufig auftrat, ist das Einzeichnen vermeintlicher SymmetrieachsenFootnote 8, die senkrecht zum Verschiebungsvektor verlaufen (vgl. Abb. 8 rechts, Doppeltes Pultdach: 6,7 %, Doppelter Winkel: 12,3 %). Auch bei den Bearbeitungen der Aufgaben zu punktsymmetrischen Figuren wurden vermeintliche Symmetrieachsen eingezeichnet, die keine Symmetrieachsen sind. Tab. 4 gibt einen Überblick über vermeintliche Symmetrieachsen in punktsymmetrischen Figuren. Jede falsch eingezeichnete Gerade wurde gezählt (unabhängig davon, ob die Lösung mehrere falsche oder richtige Achsen enthielt).

Tab. 4 Übersicht über das Auftreten falsch eingezeichneter Geraden in punktsymmetrischen Figuren (Parallelogramm und Fahne) (Angaben in %)

Der häufigste Fehler, der bei Bearbeitungen der Figur Parallelogramm gemacht wurde, ist, dass beide Diagonalen eingezeichnet wurden und sonst keine weitere Achse (14,4 %). Ebenso wurden häufig eine horizontal, eine vertikal liegende Gerade oder eine zu den kurzen Seiten des Parallelogramms parallel liegende Mittellinie eingezeichnet. Falsche Achsen, die in die Figur Fahne eingezeichnet wurden, waren überwiegend eine vermeintliche vertikale und eine vermeintliche horizontale Symmetrieachse.

5.3.2 Fehler bei achsensymmetrischen Figuren

Eine auffällige Kombination eingezeichneter Geraden, die bei Aufgaben mit rein achsensymmetrischen Figuren auftrat, war das Einzeichnen der beiden Diagonalen, v. a. in den Drachen (13,3 %) und in das Trapez (4,3 %). Manche Schülerinnen und Schüler bezeichneten die Figuren auch fälschlicherweise als nicht achsensymmetrisch (Trapez: 10,8 %; gleichschenkliges Dreieck: 7,4 %; Drachen: 4,8 %).

Häufigster Fehler bei beiden achsensymmetrischen Schubfiguren war das Identifizieren der Figuren als nicht achsensymmetrisch (Doppeltes Boot: 26,2 % und Doppelter Bogen: 50,5 %). Ein weiterer Fehler bestand im Einzeichnen einer vermeintlichen Symmetrieachse senkrecht zum Verschiebungsvektor (Doppeltes Boot: 3,6 % und Doppelter Bogen: 7,4 %).

Die Verteilung der Fehler bei achsen- und punktsymmetrischen Figuren zeigt Tab. 5. Ein Fehler, der bei allen drei Figuren auftrat, war, dass nicht alle Achsen eingezeichnet wurden: Wurde in das Rechteck oder die Raute statt beider Achsen nur eine Achse eingezeichnet, so war dies überwiegend die vertikale Achse. Der häufigste Fehler in der Figur Diamant war, dass häufig nur eine der beiden schrägen Achsen eingezeichnet wurde (17,5 % rechtsschräge Achse; 11,9 % linksschräge Achse).

Tab. 5 Fehlerhäufigkeiten bei nur einer eingezeichneten Achse bei achsen- und punktsymmetrischen Figuren (Angaben in %)

Des Weiteren gab es Fehler, die nicht in allen drei Figuren gleichermaßen auftraten. Diese bezogen sich auf das Einzeichnen zusätzlicher Achsen: Wurden im Rechteck zusätzlich zu den beiden Symmetrieachsen (vertikal und horizontal) vermeintliche Symmetrieachsen eingezeichnet, so handelte es sich meist um beide Diagonalen (18,9 %). Wurden in die Raute zusätzlich zu den beiden Symmetrieachsen (vertikal und horizontal) vermeintliche Symmetrieachsen eingezeichnet, so waren dies die beiden Seitenhalbierenden der Figur (5,3 %).

Bezüglich aller achsen-, punkt- und drehsymmetrischen Figuren fiel auf, dass bei inkorrekten Lösungen meist nicht alle Achsen eingezeichnet wurden (siehe Tab. 6). Häufig wurden statt der vier Symmetrieachsen nur zwei oder drei eingezeichnet. Wurde nur eine Symmetrieachse eingezeichnet, so war dies meist die vertikale Achse.

Tab. 6 Fehlerhäufigkeiten bei achsen-, punkt- und drehsymmetrischen Figuren (Angaben in %)

In der Betrachtung der einzelnen Lösungen der Schülerinnen und Schüler fiel auch bei den achsen- und drehsymmetrischen Figuren (ähnlich wie bei den achsen-, punkt- und drehsymmetrischen Figuren) auf, dass vor allem unvollständige Lösungen vorlagen (Fehlerhäufigkeiten siehe Tab. 7). Von den drei einzuzeichnenden Symmetrieachsen wurde überwiegend nur eine Symmetrieachse eingezeichnet, dies war entweder die horizontale (gleichseitiges Dreieck) oder die vertikale (Dreistern). Auch hier gab es einige Schülerinnen und Schüler, die die Figuren vermeintlich als nicht achsensymmetrisch betrachteten.

Tab. 7 Fehlerhäufigkeiten bei achsen- und drehsymmetrischen Figuren (Angaben in %)

5.4 Systematisierung der auftretenden Fehler in Typen

Bei den oben aufgeführten Fehlern einzelner Arten von Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung) wurden alle auftretenden Fehler angesprochen. Häufig auftretende Fehler (zu mehr als 5 %) werden im Folgenden erneut aufgegriffen und systematisiert. Dabei werden nur jene Fehler der Schülerinnen und Schüler wieder aufgegriffen, die in mehreren Figuren immer wieder gemacht wurden. Es ließen sich überwiegend drei verschiedene Fehlertypen charakterisieren, welche die Kinder im Rahmen dieser Studie immer wieder machten. Abb. 9 veranschaulicht die drei typischen Fehler grafisch und stellt sie mit den Arten der Symmetrieabbildungen der Figuren (inkl. Parallelverschiebung) gegenüber.

Abb. 9
figure 9

Zusammenfassung der vorkommenden Fehlerarten in dieser Studie nach Arten der Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung). Fett gedruckt sind die Figuren, bei welchen der jeweilige Fehler am häufigsten auftritt

Die zusätzlichen vermeintlichen Symmetrieachsen entsprachen meist den Diagonalen oder den Seitenhalbierenden der Figur. Die Seitenhalbierenden wurden bei der Figur Raute zu 5,3 % zusätzlich zu den beiden Symmetrieachsen als vermeintlich richtige Lösung eingezeichnet und ebenso zu 12,7 % in das Parallelogramm. Diagonalen wurden vor allem bei den Figuren Drachen, Parallelogramm, Fahne und Rechteck eingezeichnet. In den Drachen zeichneten 11,6 % der Kinder beide Diagonalen als Symmetrieachsen ein (wovon nur eine auch Symmetrieachse ist). In das Parallelogramm wurden auffällig oft die Diagonalen als vermeintliche Symmetrieachsen eingezeichnet (vgl. Tab. 4). Auch in das Rechteck zeichneten 18,9 % der Schülerinnen und Schüler zusätzlich zu beiden richtigen Achsen beide Diagonalen ein.

Bezüglich des Fehlertyps, die Diagonalen fälschlicherweise als Achsen einzuzeichnen, konnte man die Lösungen der Schülerinnen und Schüler vergleichend über die Figuren, in welchen dieser Fehler häufig auftrat, betrachten. Vergleicht man die punkt- und achsensymmetrische Figur Rechteck und die punktsymmetrische Figur Parallelogramm (vgl. Tab. 8), so zeigte sich, dass von den insgesamt 36 Schülerinnen und Schülern, die beim Rechteck mindestens eine Diagonale einzeichneten, nur 22 Schülerinnen und Schüler diese auch beim Parallelogramm falsch einzeichneten. Es konnte also kein signifikanter Zusammenhang zwischen den im Rechteck und im Parallelogramm eingezeichneten Diagonalen als falsche Achsen festgestellt werden (χ2 (4, n = 39) = 3,856, p = 0,476).

Tab. 8 Kreuztabelle zum Fehler „Diagonale(n) eingezeichnet“ bei Rechteck und Parallelogramm

Ebenso wurde das Einzeichnen der Diagonalen bei den Figuren Quadrat und Rechteck verglichen (vgl. Tab. 9) – unabhängig davon ob dadurch die Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde und ob zusätzlich andere Achsen eingezeichnet wurden. Es zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Einzeichnen zweier, einer oder keiner Diagonale in die Figuren Quadrat und Rechteck (χ2 (4, n = 180) = 65,23, p = 0,000). Dabei zeigte sich nach Cohen (1988) ein mittlerer Zusammenhang (Cramers V = 0,418, p = 0,000).

Tab. 9 Kreuztabelle zum Fehler „Diagonale(n) eingezeichnet“ bei Rechteck und Quadrat

Weitere vermeintliche Symmetrieachsen, die zusätzlich eingezeichnet wurden, sind Geraden, die senkrecht zum Verschiebungsvektor liegen. Dieser Fehler trat häufig bei den Figuren Doppeltes Pultdach (5,2 %), Doppelter Winkel (8,9 %), Doppeltes Boot (3,3 %) und Doppelter Bogen (6,5 %) auf. Betrachtet man die zusätzlichen vermeintlichen Symmetrieachsen, die in den Aufgaben Doppeltes Boot und Doppelter Winkel (beides Schubfiguren) eingezeichnet wurden, ist festzustellen, dass 9 Kinder in beiden Aufgaben eine fehlerhafte Achse einzeichneten (vgl. auch Tab. 10). Der Fehler „Achse senkrecht zum Verschiebungsvektor“ in der Figur Doppelter Winkel steht im Zusammenhang mit demselben Fehler in der Figur Doppeltes Pultdach (χ2 (1, n = 16) = 9,35, p = 0,005). Dabei zeigte sich nach Cohen (1988) ein starker Zusammenhang (Cramers V = 0,764, p = 0,005).

Tab. 10 Kreuztabelle zum Fehler „Achse senkrecht zum Verschiebungsvektor“ bei Schubfiguren

Ein weiterer Fehlertyp (vgl. Abb. 9) war, dass bei manchen Figuren die Achsensymmetrie nicht erkannt wurde. Dies trat vor allem bei den Figuren Doppeltes Boot (23,9 %) und Doppelter Bogen (44,6 %) (beides achsensymmetrische Schubfiguren) auf, aber auch bei den Figuren Trapez (9,4 %) und gleichschenkliges Dreieck (6,6 %) (beides achsensymmetrische Figuren).

Tab. 11 zeigt alle Fehler, die bei den beiden Aufgaben Doppeltes Boot und Doppelter Bogen gemacht wurden. Von 50 Kindern, die in beiden Aufgaben einen Fehler gemacht haben, identifizierten 37 Kinder beide Figuren als nicht achsensymmetrisch. Es bestätigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Erkennen der beiden Figuren Doppeltes Boot und Doppelter Bogen als „nicht achsensymmetrisch“ (χ2 (1, n = 50) = 10,75, p = 0,005). Dabei zeigte sich nach Cohen (1988) ein mittlerer Zusammenhang (Cramers V = 0,464, p = 0,005).

Tab. 11 Kreuztabelle zum Fehler „keine Spiegelachse“ bei achsensymmetrischen Schubfiguren

Der dritte Fehlertyp war das fehlende Einzeichnen von Symmetrieachsen. Bei allen Figuren, deren Symmetrie eine Kombination aus achsensymmetrisch und punkt- bzw. drehsymmetrisch ist, trat dieser Fehler sehr häufig auf: Bei der Raute zeichneten beispielweise 27,7 % nur die vertikale Symmetrieachse ein. In das gleichseitige Dreieck zeichneten 73,7 % und in den Dreistern 71,3 % der Schülerinnen und Schüler nur eine oder zwei Symmetrieachsen ein. Zum Vergleich dieser beiden Figuren schien aufgrund der unterschiedlichen Ausrichtungen der Achsen (vgl. Tab. 1) ein direkter Fehlervergleich mittels Kreuztabelle nicht sinnvoll. In das Quadrat zeichneten 36,6 % und in den Vierstern 58,6 % der Schülerinnen und Schüler nur zwei oder drei Symmetrieachsen ein. Bei diesen beiden Figuren zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Einzeichnen einer oder zweier Achsen und dem Auftreten anderer Fehler in beiden Figuren (χ2 (4, n = 107) = 22.249, p = 0,000) mit einer mittleren Effektstärke (Cramers V = 0,322, p = 0,000) (vgl. Tab. 12).

Tab. 12 Kreuztabelle zum Fehler fehlendes Einzeichnen von Symmetrieachsen bei Vierstern und Quadrat

6 Diskussion

Die vorliegende Studie stellt eine erste empirische Annährung an den Einfluss gewisser Aufgabenmerkmale auf die Fähigkeit, Achsensymmetrie zu erkennen und Symmetrieachsen richtig einzuzeichnen, dar.

6.1 Limitationen

Bevor die Ergebnisse dieser Studie im Detail diskutiert werden, werden einige ihrer Limitationen aufgeführt, damit diese in der weiteren Diskussion bei der Interpretation der Ergebnisse mit bedacht werden können. Durch den explorativen Charakter dieser Studie wurden je zwei bis drei Figuren pro Arten von Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung), jeweils mit unterschiedlich ausgerichteten Achsen betrachtet. Um den Einfluss gewisser Aufgabenmerkmale auf die Fähigkeit Achsensymmetrie zu erkennen umfassend beantworten zu können, ist diese Aufgabenbasis noch zu gering. Auf Grund der Variation der Ausrichtung der Symmetrieachse innerhalb der Arten von Symmetrieabbildungen treten jeweils spezifische Fehler und insofern auch Schwankungen in den Lösungshäufigkeiten auf. Eine umfassender angelegte Studie mit erweiterter Aufgabenbasis könnte den Einfluss der einzelnen Aufgabenmerkmale systematischer analysieren und ggfs. auch statistisch voneinander trennen.

Bei der Auswahl der Schubfiguren wurde speziell darauf geachtet, dass die beiden Teilfiguren erkennbar sind. Aus diesem Grund hatten beide Figuren – im Gegensatz zu allen anderen Figuren – nicht nur Außenlinien sondern auch durch die Figur verlaufende Linien. Wie die Auswertung zeigte, waren diese Linien möglicherweise so dominant, dass sie das Einzeichnen der Achsen beeinflusst haben könnten (vgl. Abschn. 5.2.1). Zu nicht vorhersehbaren Lösungen der Schülerinnen und Schülern trug offensichtlich auch die Formulierung der Aufgabenstellung (siehe Abb. 5) bei. Diese wurde manchmal falsch verstanden und es wurden sowohl vermeintliche Symmetrieachsen eingezeichnet als auch ein Kreuz bei „keine Symmetrieachse“ gesetzt. Die Fehler beliefen sich aber auf weniger als 9 pro Item, so dass es dennoch eine verlässliche Anzahl auswertbarer Lösungen gab. Dieser Fehler könnte gegebenenfalls dadurch zustande kommen, dass Kästchen einen Aufforderungscharakter für Schülerinnen und Schüler haben und somit ein Kreuz zusätzlich zum Einzeichnen der Symmetrieachse gesetzt wurde. Bei erneuter Durchführung sollte dies beachtet werden.

6.2 Einfluss von Merkmalen der Figur

In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass unterschiedliche Aufgabenmerkmale (Ausrichtung der Achse, Arten der Symmetrieabbildungen der Figur (inkl. Parallelverschiebung), Anzahl der Symmetrieachsen) einen Einfluss auf die Fähigkeit von Kindern haben, achsensymmetrische Figuren von nicht-achsensymmetrischen Figuren zu unterscheiden und Symmetrieachsen richtig einzuzeichnen (Forschungsfrage 1). Dies wird im Folgenden im Detail diskutiert. Bezüglich des Merkmals Ausrichtung der Achse zeigt sich, dass vertikale Symmetrieachsen deutlich häufiger richtig eingezeichnet werden als horizontale Symmetrieachsen. Diese wiederum werden häufiger richtig eingezeichnet als schräge Symmetrieachsen. Werden bei Figuren mit mehreren Symmetrien (achsen- und drehsymmetrische Figuren, achsen- und punktsymmetrische Figuren und achsen-, punkt- und drehsymmetrische Figuren) nicht alle Achsen eingezeichnet, so sind es meist die schrägen Symmetrieachsen, die nicht eingezeichnet werden. Die frühe Sonderrolle vertikaler Symmetrien (vgl. Bornstein et al. 1981; Fisher et al. 1981) scheint somit auch im Schulalter beim Einzeichnen von Symmetrieachsen eine Rolle zu spielen. Offensichtlich kann das Einzeichnen vertikaler und horizontaler Achsen gedanklich relativ gut vollzogen werden, während hingegen das Einzeichnen und Überprüfen einer schrägen Achse eventuell in Gedanken komplexer sein könnte. Eine Vermutung wäre, dass – da der Umgang mit vertikalen Achsen gut gelingt – bei der Bearbeitung von Aufgaben mit schrägen Achsen gedanklich die Figur in einem Zwischenschritt zunächst so gedreht wird, dass die Ausrichtung der Achse vertikal oder horizontal ist. In diesem Fall würde die Fähigkeit zur Raumvorstellung beim Lösen dieser Aufgaben eine entscheidende Rolle spielen. Diese Vermutung ließe sich durch Interviews und Beobachtungen beim Lösen entsprechender Aufgaben untersuchen.

Bei der Betrachtung des Merkmals Anzahl der einzuzeichnenden Achsen in Verbindung mit den Lösungshäufigkeiten der Aufgaben zeigt sich, dass mit der Anzahl der einzuzeichnenden Achsen die Lösungshäufigkeiten sinken. Dies ist in gewissem Maße logisch herzuleiten, da es wahrscheinlicher ist, eine Achse zu vergessen, je mehr Achsen eingezeichnet werden müssen (vgl. auch Xistouri 2007). Interessant ist jedoch, dass das Einzeichnen der vier Spiegelachsen beim Quadrat verhältnismäßig gut gelingt. Dies könnte möglicherweise darauf zurückgeführt werden, dass das Quadrat eine im Unterricht der Grundschule häufig thematisierte Figur ist, wie auch eine Schulbuchanalyse gängiger Lehrwerke der Jahrgangsstufe 3 zeigt. Dementsprechend könnte das Einzeichnen der Achsen in diesem Fall reproduziertes Wissen repräsentieren. Ebenso weist das Parallelogramm vergleichsweise geringe Lösungshäufigkeiten unter allen Figuren ohne Spiegelachsen auf. Ein Grund hierfür könnte sein, dass beim Parallelogramm durch das Einzeichnen vermeintlicher Symmetrieachsen durch gegenüberliegende Ecken nach der Definition von Weyl (1980) zwei Figuren mit konkordanten Teilen entstehen, welche augenscheinlich wohlproportioniert sind.

Bezüglich der Arten der Symmetrieabbildungen der Figur (inkl. Parallelverschiebung) konnte gezeigt werden, dass nicht-achsensymmetrische Figuren höhere Lösungshäufigkeiten aufweisen als achsensymmetrische Figuren, ausgenommen der punktsymmetrischen Figuren. Dies ist wiederum auf die speziellen Fehler vor allem beim Parallelogramm zurückzuführen. Unter den achsensymmetrischen Figuren wurden die rein achsensymmetrischen Figuren am häufigsten gelöst. Figuren mit mehreren Symmetrien zeigten geringere Lösungshäufigkeiten (vgl. Abb. 6). Dies kann zum einen auf die erhöhte Anzahl an Symmetrieachsen, zum anderen jedoch auch auf typische Fehler, die mit den unterschiedlichen Arten der Symmetrieabbildungen (inkl. Parallelverschiebung) auftreten (vgl. Abschn. 5.3), zurückgeführt werden.

6.3 Fehlertypen

In Bezug auf Fehler, die beim Einzeichnen von Symmetrieachsen auftreten (Forschungsfrage 2), zeigt sich, dass es Fehler gibt, die in ähnlicher Art bei verschiedenen Figuren gemacht werden. Aus diesen Fehlern können spezifische Fehlertypen abgeleitet werden. Diese Fehlertypen treten wiederum je nach Arten der Symmetrieabbildungen der Figur (inkl. Parallelverschiebung) auf oder nicht (vgl. Abb. 9). Als ein typischer Fehler stellte sich das Einzeichnen vermeintlicher Symmetrieachsen heraus, wie beispielsweise die Diagonale oder Seitenhalbierende der Figur oder Achsen senkrecht zum Verschiebungsvektor. Kein Zusammenhang konnte zwischen dem Einzeichnen der Diagonalen in Rechteck und Parallelogramm nachgewiesen werden. Ein mittlerer Zusammenhang konnte hingegen zwischen dem Einzeichnen der Diagonalen in Rechteck und Quadrat gezeigt werden. Ein möglicher Grund hierfür könnte in der Übergeneralisierung von erlerntem und falsch übertragenen Wissen zu sehen sein. Die Kinder übertragen möglicherweise ihr Wissen über die Symmetrieachsen des Quadrats auf das Rechteck und zeichnen demnach die beiden Diagonalen ein. Bei einer genaueren Betrachtung der zusätzlich eingezeichneten vermeintlichen Symmetrieachsen scheint es so, als ob diese Geraden (Diagonalen, Seitenhalbierenden, Geraden senkrecht zum Verschiebungsvektor) sich an spezifischen Eigenschaften der Figuren (wie gleiche Winkelgrößen, parallelliegende Seiten etc.) orientieren. Obwohl in dieser Studie die Quadrate und die gleichschenkligen Dreiecke jeweils eine andere Lage haben als in der Studie von Schmidt (1986), sind die Lösungshäufigkeiten der jeweiligen Figuren in beiden Studien ähnlich. Auch dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Orientierung an speziellen Eigenschaften der Figuren, wie Ecken des Quadrates oder die Spitze eines Dreiecks, bei der Bearbeitung der Aufgaben eine bedeutendere Rolle spielen als die Ausrichtung der einzuzeichnenden Achsen. Für diese Vermutung würden auch die häufig auftretenden Fehler sprechen, in das Parallelogramm und das Rechteck vermeintliche Spiegelachsen durch die Ecken oder in den Drachen eine zweite Diagonale einzuzeichnen.

Als weiterer typischer Fehler konnte das Bezeichnen achsensymmetrischer Figuren als nicht achsensymmetrisch herausgestellt werden: vor allem achsensymmetrische Schubfiguren werden fälschlicherweise als nicht achsensymmetrisch angesehen. Die Gerade, die senkrecht zum Verschiebungsvektor liegt, teilt die Gesamtfigur bereits deutlich in zwei kongruente Teilfiguren. Die auffallend geringe Anzahl an richtigen Lösungen beim Einzeichnen der vertikalen (Doppeltes Boot) und horizontalen Symmetrieachse (Doppelter Bogen) könnte also darauf zurückgeführt werden, dass die Schülerinnen und Schüler dazu verleitetet wurden, durch diese offensichtliche Abbildung zweier Teilfiguren die eigentliche Symmetrieachse nicht zu erkennen. Dieser Fehler könnte auch durch die Wahl der Figur indiziert sein (vgl. Abschn. 6.1).

Aus dieser Studie geht als ein Ergebnis hervor, dass in die punktsymmetrischen Figuren Parallelogramm und Fahne und in schubsymmetrische Figuren vermeintliche Symmetrieachsen (z. B. die Diagonalen der Figur (Parallelogramm) oder eine vertikale bzw. horizontale Achse (Fahne)) eingezeichnet werden. Nicht nur bei nicht-achsensymmetrischen Figuren werden vermeintliche Achsen eingezeichnet, sondern auch beim Bestimmen von Achsen in achsen- und punktsymmetrischen Figuren sowie manchen achsensymmetrischen Figuren werden zusätzliche vermeintliche Achsen (Diagonalen in das Rechteck oder die Seitenhalbierende in die Raute) eingezeichnet.

Betrachtet man die beim Einzeichnen vermeintlicher Symmetrieachsen entstehenden Teilfiguren, so zeigt sich, dass diese nicht willkürlich eingezeichnet wurden, sondern in der Regel so, dass zwar zwei kongruente Teilfiguren entstehen, die allerdings nicht durch eine Achsenspiegelung zur Deckung gebracht werden können. Dies steht im Einklang mit ersten in Kap. 2 geäußerten Vermutungen, dass die Punktsymmetrie es erschwert, nicht-achsensymmetrische Figuren als solche zu erkennen (Genkins 1978; Kühnhenrich 2018). Da dieser spezielle Fehler unabhängig von Figuren und Arten der Symmetrieabbildung immer wieder auftritt, kann stark vermutet werden, dass hinter diesen Lösungen eine Vorstellung von Symmetrie steht, die sich zunächst nur auf die Tatsache bezieht, dass zwei Teile (durch eine Achse getrennt) konkordant sind. In diesem Fall wäre die Achsensymmetrie noch nicht im normativen bzw. regulären Sinn (siehe Einleitung, S. 3) verstanden, sondern würde eher der in der Definition von Weyl (1980) angesprochenen Wohlproportioniertheit folgen. Naheliegend wäre, zu vermuten, dass es sich hier nicht um Fehlkonzepte, sondern vielmehr um Präkonzepte, ähnlich, wie man sie aus den Naturwissenschaften kennt (vgl. Barke 2006, S. 21; Feige et al. 2017) oder um „hausgemachte Fehlvorstellungen“ (Barke 2006, S. 25) – entstehend aus Vermittlungsfehlern im Unterricht – handelt. Um dieser Frage nachzugehen, müsste in einer Studie sowohl der entsprechende Unterricht als auch das Wissen der Lehrkräfte miterhoben werden.

7 Perspektiven

Welche Vorstellung von Symmetrie Schülerinnen und Schüler haben, wenn sie Fehler machen, wie z. B. das Bezeichnen einer achsensymmetrischen Figur als nicht achsensymmetrisch, konnte durch diese Studie nur aufgrund auftretender typischer Fehler vermutet, durch diese quantitativen Fehleranalysen nicht aber explizit erhoben werden. Die hier durchgeführten qualitativen Fehleranalysen und die damit verbundene Fehlerkategorisierung zeigen deutlich auf, dass einige Fehler häufig und in unterschiedlichen Figuren somit nicht willkürlich auftreten. Darauf aufbauend ist es nun von hohem Interesse zu erfahren, ob beispielsweise die Schülerinnen und Schüler tatsächlich die Vorstellung „es entstehen zwei kongruente Teile beim Einzeichnen einer Achse“ gleichsetzen mit bzw. unterscheiden von der Vorstellung „ist bezüglich der Spiegelung an einer Achse symmetrisch“. Ungeklärt bleibt auch, ob sich die Kinder wirklich an spezifischen Eigenschaften der Figur orientieren (wie beispielsweise Ecken, parallel liegenden Seiten, etc.) oder ob eventuell ein im Kopf ungenau nachvollzogener Klappvorgang, dahintersteht. Hierzu bedarf es zunächst weiterer Studien, die die Befunde zu typischen Fehlern mit einer größeren Aufgabenbasis bestätigen. Anschließend sind qualitative Interview-Studien notwendig, die sich – ausgehend von typischen Fehlern – explizit mit den zugrundeliegenden mathematisch nicht tragfähigen Vorstellungen auseinandersetzen. Wenn es gelingt bei typischen Fehlerarten zu wissen, welche Vorstellung von Kindern diesen Fehler auslöst, kann im Unterricht gezielt darauf eingegangen werden.

Eine Möglichkeit, das Verständnis von Achsensymmetrie zu fördern und vorhandene Vorstellungen aufzugreifen, könnten unterrichtliche Methoden sein, die einen dynamischen Zugang zur Achsensymmetrie verfolgen. Unterrichtspraktische Studien, die sich mit dem Einsatz von Computerprogrammen beim Erlernen der Achsensymmetrie befassen (Ng und Sinclair 2015; Xistouri und Pitta-Pantazi 2013; Thangamani und Eu 2019), zeigen, dass durch derartige Methoden der Aufbau eines fundierten Symmetrieverständnisses unterstützt werden kann.

Interessant wäre es ebenfalls zu untersuchen, inwieweit das Verständnis der Lehrkräfte von Symmetrie einen Einfluss auf das Symmetrieverständnis und das Symmetrielernen von Schülerinnen und Schülern hat. Studien mit angehenden Lehrkräften (Son 2006) beschreiben auch in dieser Zielgruppe fehlerhafte Vorstellungen bezüglich der Achsensymmetrie. Beispielsweise zeichneten auch angehende Lehrkräfte vermeintliche Symmetrieachsen in das Parallelogramm ein.

Eine weitere Forschungsperspektive liegt darin, Zusammenhänge zwischen den Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler Symmetrieaufgaben zu lösen, und ihrem räumlichen Vorstellungsvermögen zu untersuchen. Hoyles und Healy (1997) vermuten basierend auf einer Fallstudie, dass vor allem durch die Ermöglichung, während der Beschäftigung mit Aufgaben zur Achsensymmetrie andere Perspektiven zu übernehmen, zum Erfolg des Lösens dieser Aufgaben beiträgt. Ebenso zeigen Xistouri und Pitta-Pantazi (2006) einen Zusammenhang zwischen Fähigkeiten zur Perspektivübernahme und Fähigkeiten, Aufgaben zur Achsensymmetrie zu lösen. Wissen über Zusammenhänge dieser Art könnte unter anderem dazu beitragen, nicht nur mögliche Fehler zu erfassen (wie es in dieser Studie geschehen ist), sondern darüber hinaus das Wissen um Fehler zu nutzen, um gezielte Fördermaßnahmen zu ergreifen. Die Ursachen typischer Fehler und die dahinter liegenden Vorstellungen könnten dadurch erklärt und nicht nur vermutet werden. Für einen propädeutischen Aufbau von grundlegenden Symmetriekenntnissen erscheint dies sehr sinnvoll und hilfreich.