Problemstellung

Verständliche mündliche Erklärungen von Sportlehrkräften werden als ein zentrales Element erfolgreicher Lehr-Lern-Prozesse im Sportunterricht angenommen (Krüger et al., 2019; Leineweber & Lüsebrink, 2021). Wenngleich sprachliche Kompetenzen in der Vergangenheit eher weniger im Zentrum der empirischen Sportunterrichtsforschung standen, so weisen doch jüngere Studien darauf hin, dass es einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen sprachlichen und fachlichen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen im Fach Sport gibt (Greve et al., 2019; Krieger et al., 2019). Geht man davon aus, dass bessere sprachliche Fähigkeiten mit entsprechendem fachlichem Lernerfolg einhergehen, so lassen sich diese Befunde auch als empirischen Hinweise für die Bedeutung verständlicher mündlicher Erklärungen für erfolgreiche Lehr-Lern-Prozesse im Sportunterricht deuten. In der bisherigen Forschung wurden hinsichtlich mündlichen Unterrichtshandelns insbesondere Sprachregister, Interaktionsmuster sowie diskurserwerbsförderliches Handeln von Lehrkräften untersucht (Gogolin & Lange, 2011; Heller & Morek, 2015). Eine kausale Betrachtung zwischen Merkmalen einer mündlichen Erklärung und dem fachlichen Verständnis von Schüler*innen im Sportunterricht hat jedoch bis dato nicht stattgefunden, und dies, obwohl gerade im Fach Sport mündliche Erklärungen einen zentralen Modus Operandi darstellen (Krüger & Wahl, 2018), um etwa sporttypische Textsorten wie das Regelwerk zu kommunizieren (Simmler, 1991). Dabei kann angenommen werden, dass die Verständlichkeit einer monologischen Erklärung, wie sie im vorliegenden Projekt betrachtet wird, von Kohärenzbildungshilfen, d. h. sprachlichen Merkmalen, die zur Kohärenz der Erklärung beitragen, abhängt (Thompson, 1994). Vor diesem Hintergrund verfolgt der vorliegende Beitrag die folgende Frage: Inwieweit hängt das Verstehen fachlicher Inhalte von Merkmalen mündlicher Erklärungen der Sportehrkraft ab?

Theoretischer Hintergrund

Mündliche Erklärungen und ihre Rolle im Sportunterricht

Mündliche Erklärungen einer Lehrkraft zielen in der Regel darauf ab, Verstehensprozesse zur Förderung spezifischer kognitiver und/oder sport- bzw. bewegungsbezogener Fähigkeiten oder Fertigkeiten anzuregen (Krüger, 2018; Lindl et al., 2019). Dabei liegt eine gute Erklärung insbesondere dann vor, wenn wesentliche Informationen des Lerninhaltes fokussiert und in eine logisch-stringente Abfolge gebracht werden (Kiel, 1999). Ähnlich wie beim Textverstehen (Härtig et al. 2019) kann auch beim Rezipieren einer Erklärung angenommen werden (Clinton-Lisell, 2022), dass auf Seiten der zuhörenden Person Verarbeitungsprozesse auf drei Ebenen stattfinden: Zunächst geht es auf Oberflächenebene darum, sprachliche Elemente phonetisch zu erfassen. Nachfolgend müssen auf propositionaler Ebene die Elemente hinsichtlich ihrer Bedeutung entschlüsselt und schließlich unter Hinzunahme vorhandenen Vorwissens in ein mentales Modell überführt werden. Insbesondere für die Verarbeitung auf propositionaler Ebene gilt es seitens der Lehrkraft, eine möglichst stimmige Erklärung zu formulieren und auch eine Adressatenorientierung, etwa hinsichtlich des Vorwissens der Lernenden, zu berücksichtigen (Findeisen, 2017).

Hinsichtlich des Faches Sport verweisen ältere wie jüngere Arbeiten auf die vereinzelt vorzufindende Annahme, im Sportunterricht spielten sprachliche Fähigkeiten der Schüler*innen und somit auch eine elaborierte Sprache bzw. Erklärung der Lehrkraft eine eher untergeordnete Rolle (Drexel, 1975; Krieger et al., 2019). Zugleich verweisen empirische Studien darauf, dass sich im Sportunterricht das gesprochene Wort der Lehrkraft überwiegend auf die Organisation und das Arrangement des Unterrichts bezieht (Friedrich, 2013; Leineweber & Lüsebrink, 2021). Dies könnte ebenfalls dahingehend gedeutet werden, dass insbesondere lerngegenstandsbezogene Erklärungen kein zentrales Element im Fach Sport darstellen, und es könnte erklären, dass Sprache und sprachliche Fähigkeiten im Fach Sport in der Vergangenheit eher randständig beforscht wurden (Krüger et al., 2019; Leineweber & Lüsebrink, 2021). Gleichwohl wird im Zuge der Diskussion um eine durchgehende Sprachbildung auch den mündlichen Erklärungen von Sportlehrkräften in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung beigemessen (Clancy & Hruska, 2005; Erhorn, 2014; Krüger et al., 2019). Dabei lassen sich entsprechende Erklärungen im Fach Sport dadurch charakterisieren, dass sie häufig funktionale Handlungszusammenhänge benennen (Friedrich, 2013) und Orts- und Raumangaben umfassen, die etwa mit bewegungsleitenden Präpositionen einhergehen (Krüger et al., 2019), z. B. „Wenn du neben dem Kasten stehst, kannst du hinüberspringen“. Eine zentrale übergreifende Textsorte, die eine Erklärung im Sportunterricht vielfach aufgreift, stellt dabei das Regelwerk etwa bei Mannschaftsspielen dar. Es verfolgt das Ziel, „durch spezifische sinnkonstituierende Merkmalbündel aus Makrostrukturen, Satztypen und Lexik die externen Faktoren Spielfeld, Spieldauer, Ausrüstung und Spieleranzahl festzulegen, die den Rahmen für erlaubte und unerlaubte Spieleraktionen bilden, die von neutralen Offiziellen überwacht werden und primär darauf ausgerichtet sind, Tore (oder Punkte, Körbe) zu erzielen und so das Spiel zu gewinnen“ (Simmler, 1991, S. 280).

Auf empirischer Ebene weisen erste Befunde auf einen Zusammenhang zwischen sprachlicher Komplexität von sportbezogenen schriftlichen Texten und dem Textverstehen von Schüler*innen in der Sekundarstufe I hin (Krieger et al., 2019). Inwiefern das Verstehen mündlicher Erklärungen ebenfalls von der sprachlichen Komplexität der Erklärung abhängt, ist bis dato unbekannt. Potenzielle Hürden beim Verstehen mündlicher Erklärungen könnten dabei etwa auf den Umfang nebeneinanderstehender und flüchtiger Informationen (z. B. bei differenzierten Regelwerken) und die Anforderung, Bewegungshandlungen aus einer sprachlichen Erklärung abzuleiten, zurückgeführt werden (Niederkofler & Amesberger, 2016). Diese Hürden könnten Kohärenzbildungshilfen verringern, die im Folgenden näher beleuchtet werden. Sie wurden in der Vergangenheit v. a. im Rahmen des Verstehens von schriftlichen Texten erforscht. Aufgrund struktureller Ähnlichkeiten zwischen mündlichen (monologischen) und schriftlichen Erklärungen und der zuvor beschriebenen ähnlichen Verarbeitungsprozesse – v. a. auf propositionaler Ebene – erscheint es jedoch angebracht, diese medialitätsübergreifend zu betrachten.

Kohärenzbildungshilfen für mündliche Erklärungen (im Fach Sport)

Ein wesentliches Merkmal eines (schriftlichen oder mündlichen) Textes, das dessen Verständlichkeit mitbestimmt, ist seine Kohärenz. Sie ist ein Merkmal für den semantischen und konzeptuellen Zusammenhang eines Textes, das sich sowohl auf eine sinnvolle Abfolge von aufeinanderfolgenden Sätzen (lokale Kohärenz) als auch einen stimmigen Zusammenhang zwischen größeren Sinnabschnitten (globale Kohärenz) bezieht (Schmitz, 2016; Schnotz, 1994). In der Vergangenheit wurde eine Vielzahl von sprachlichen Einzelmerkmalen untersucht, die zur Kohärenz eines Textes beitragen (im Überblick etwa Averintseva-Klisch, 2008); sie werden im Folgenden unter dem Begriff Kohärenzbildungshilfen in Anlehnung an Schnotz (1994) subsumiert.

Nimmt man an, dass mündliche Erklärungen im Sportunterricht insbesondere sportliche (z. B. spieltaktische) Handlungsfolgen anbahnen sollen, die durch eine zeitliche Struktur gekennzeichnet sind, erscheinen temporale Relationen („Zuerst …, danach …“) (Averintseva-Klisch, 2008; Becker, Cristante, & Musan, 2020) oder thematische Sätze („Im Folgenden sage ich etwas zu …“) als Kohärenzbildungshilfen förderlich (Lorch & Lorch, 1995). Zugleich könnten nominale Referenzen, d. h. die Wiederholung eines bereits verwendeten Nomens oder ein Synonym, positive Wirkungen auf das Verständnis und die Wahrnehmung zentraler Begriffe haben (Schnotz, 1994). Gemeinsam haben die drei Kohärenzbildungshilfen temporale Relationen, thematische Sätze und nominale Referenz, dass sie den Sachverhalt der Erklärung strukturieren und zur Segmentierung des Inhaltes beitragen. Die Bedeutung einer solchen sprachlichen Segmentierung für Verstehensprozesse kann wiederum durch die Cognitive Load Theory (CLT) untermauert werden: Hiernach wird das in seiner Kapazität endliche Arbeitsgedächtnis bei der Auseinandersetzung mit Lernaufgaben auf unterschiedliche Art und Weise beansprucht. Die CLT unterscheidet eine lerngegenstandunabhängige Beanspruchung, die sich v. a. aus der Darstellung und Strukturiertheit des Lerninhaltes („extraneous cognitive load“) oder dem Grad des notwendigen Vorwissens („intrinsic cognitive load“) ergibt, von einer lerngegenstandsbezogenen Beanspruchung („germane cognitive load“), die zum Verständnis des eigentlichen Lerninhalts aufgebracht werden muss (Sweller et al., 1998). Hiervon ausgehend wird betont, dass die lerngegenstandunabhängige Beanspruchung möglichst gering ausfallen sollte, sodass das Arbeitsgedächtnis mehr Kapazitäten für die eigentliche Lernaufgabe („germane cognitive load“) aufbringen kann. Eine hohe sprachliche Segmentierung einer Erklärung sollte insbesondere die lerngegenstandsunabhängige kognitive Beanspruchung im Sinne des „extraneous cognitive load“ verringern und so die Verstehensprozesse von Lernenden erleichtern. Ein solches Ergebnis zeigte sich bspw. bei Lernenden, die einen mit Kohärenzbildungshilfen versehenen Hörtext rezipierten (Schmitz et al., 2023).

Schließlich wird davon ausgegangen, dass Lernende von Kohärenzbildungshilfen wie abschließenden Zusammenfassungen profitieren, in denen wesentliche Informationen einer Erklärung nochmals am Ende der Erklärung kondensiert formuliert werden (Averintseva-Klisch, 2008). Da wiederum das Reflektieren über beispielhafte sportliche Situationen im Sportunterricht eine zentrale Rolle spielt (z. B. Harvey & Jarrett, 2014), stellt sich die Frage, inwieweit abschließende Zusammenfassungen insbesondere durch sportliche Situationsbeispiele eine Erklärung stärken und welche Qualität diese Beispiele aufweisen sollten. So könnten sie etwa regelkonformes oder aber gerade regelwidriges Verhalten aufgreifen. Während in anderen Domänen betont wird, dass die Berücksichtigung potenzieller Missverständnisse im Allgemeinen wichtig zu sein scheint (Kulgemeyer, 2020), so lässt sich von der Cognitive Load Theory auch eine differenziertere Annahme ableiten: Demnach sollten Lernende mit geringerem Vorwissen stärker von gelungenen Beispielen profitieren, in denen regelkonformes Verhalten beschrieben wird, als von fehlerhaften Beispielen, in denen regelwidriges Verhalten zusammengefasst wird. Eine Erklärung dafür ist, dass es Lernende mit geringem Vorwissen überlasten könnte, sowohl den korrekten Lerninhalt zu erinnern als auch Fehler zu durchdenken. Hingegen sollten Lernende mit hohem Vorwissen eher von fehlerhaften Beispielen profitieren, die eine höhere lerngegenstandsbezogene Beanspruchung verursachen. Dieser als Aptitude-Treatment-Interaction (ATI) bezeichnete Befund zeigte sich in verschiedenen Studien (Heemsoth & Heinze, 2014; Renkl, 2014). Hieran anlehnend könnte für die vorliegende Studie angenommen werden, dass Schüler*innen mit höheren sprachlichen Fähigkeiten, denen das Nachvollziehen einer Erklärung einfacher fällt, eher von fehlerhaften Beispielen profitieren, während Schüler*innen mit geringeren sprachlichen Fähigkeiten eher von gelungenen Beispielen profitieren.

Betrachtet man die beiden Kohärenzbildungshilfen sprachliche Segmentierung und Qualität zusammenfassender Situationsbeispiele zugleich, so könnte man zudem annehmen: Wenn eine Erklärung insgesamt eine geringe sprachliche Segmentierung (hoher „extraneous cognitive load“) aufweist, so ist diese schwerer nachvollziehbar und das Verständnis des Lernenden fällt geringer aus. Aufgrund dieses geringeren Verständnisses profitieren Lernende – wie oben beschrieben – in der Folge besser von gelungenen Beispielen am Ende der Erklärung als von problematischen Beispielen, die sie ggf. überfordern könnten.

Zur vorliegenden Untersuchung

Insbesondere in spielorientierten Vermittlungsansätzen wird mündlichen Erklärungen von Sportlehrkräften eine zentrale Rolle für erfolgreiche Lernprozesse von Schüler*innen bezüglich Sportspielen zugesprochen (König & Memmert, 2011), wobei sich ein erfolgreicher Lernprozess sowohl im Erwerb sportlicher Handlungskompetenz äußert als auch darin, dass die Schüler*innen ein vertieftes Spielverständnis aufbauen. Hierzu zählt insbesondere das Verstehen zentraler Spielregeln (Bunker & Thorpe, 1982; Forrest et al., 2006; Heemsoth et al., 2022). Dieses Verstehen kann sich – im Sinne von Blooms Hierarchie kognitiver Prozesse (Anderson & Krathwohl, 2001) – zum einen im Erinnern und Wiedergeben zentraler Spielregeln äußern, etwa wenn nach konkreten Regeln gefragt wird. Zum anderen kann sich das Verstehen im Analysieren und Evaluieren äußern, etwa wenn konkrete Spielsituationen (visuell) wahrgenommen und hinsichtlich der Spielregeln bewertet werden. Im Folgenden wird daher zwischen Regelwissen (Erinnern und Widergeben) und Regelanwenden (Analysieren und Evaluieren) unterschieden.

Im vorliegenden Beitrag rücken nun lehrkraftseitige mündliche Erklärungen und ein schüler*innenseitiges Regelverständnis des Spiels Kin-Ball in den Fokus. Dieses in Kanada entwickelte Spiel zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass zugleich drei Mannschaften auf einem Feld um die Kontrolle eines größeren Balles mit 1,22 m Durchmesser wettkämpfen (DKBV, 2020). Das Spiel wurde für die vorliegende Studie ausgewählt, da es für Schüler*innen weitgehend unbekannt ist und daher eine Erklärung auf vermeintlich gleichermaßen unwissende Schüler*innen trifft. Aufgrund des Spiralcurriculums im Fach Sport wäre dies bei anderen Sportspielen nicht gleichermaßen gegeben.

Fachübergreifend und insbesondere für das Fach Sport liegt bis dato keine empirische Evidenz darüber vor, wie Merkmale mündlicher Erklärungen das fachliche Verstehen von Lernenden beeinflussen. Wenngleich mündliche Erklärungen einige Spezifika im Vergleich zu schriftlichen Erklärungen aufweisen, gibt es dennoch Grund zur Annahme, dass vergleichbare Verarbeitungsprozesse stattfinden (Clinton-Lisell, 2022; Kürschner & Schnotz, 2008) und somit auch Kohärenzbildungshilfen eine ähnliche Rolle für die Verarbeitung der mündlichen Erklärung einnehmen (s. Abschnitt Mündliche Erklärungen und ihre Rolle im Sportunterricht). Vor dem Hintergrund der in Abschnitt Kohärenzbildungshilfen für mündliche Erklärungen (im Fach Sport) diskutierten Kohärenzbildungshilfen im Hinblick auf eine sportunterrichtliche Erklärung ergeben sich für den vorliegenden Beitrag folgende Fragestellungen:

  1. 1.

    Inwieweit beeinflusst die sprachliche Segmentierung oder die Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele das Regelwissen und das Regelanwenden von Schüler*innen in Bezug auf ein neuartiges Spiel?

  2. 2.

    Inwieweit moderiert die sprachliche Segmentierung den Einfluss der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelwissen und das Regelanwenden?

  3. 3.

    Inwieweit bedingen die selbst eingeschätzten sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen den Einfluss der Segmentierung oder der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelwissen und das Regelanwenden?

Methodisches Vorgehen

Design

Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine experimentelle Studie mit 2 × 2-Design durchgeführt. Dabei wurden die Kohärenzbildungshilfen sprachliche Segmentierung (hoch vs. gering) und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele (regelkonform vs. regelwidrig) systematisch variiert. Für das Experiment wurden die Schüler*innen randomisiert einer der vier verschiedenen Experimentalgruppen zugeordnet, die jeweils eine videografierte mündliche Spielerklärung rezipierten. Im Anschluss wurde sowohl das Regelwissen als auch das Regelanwenden erhoben. Die selbst eingeschätzten sprachlichen Fähigkeiten wurden vorab erfragt.

Stichprobe

Insgesamt nahmen 380 Schüler*innen aus 7.–9. Klassen von drei Stadtteilschulen und drei Gymnasien aus Hamburg an der Untersuchung teil. Teilnehmer*innen, die entweder beim Regelwissen und Regelanwenden weniger als 50 % der Fragen beantwortet haben, wurden von der Analyse ausgeschlossen. Die finale Stichprobe reduzierte sich so auf 356 Schüler*innen, davon 160 weiblich, 190 männlich und 6 divers. Sie waren zwischen 12 und 17 Jahre alt (MW = 14,53; SD = 0,92). Auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 4 (sehr schlecht) schätzten die Schüler*innen ihre eigenen Sprachkompetenzen im Hinblick auf verschiedene Aktivitäten überwiegend positiv ein (Sprechen: MW = 1,21; SD = 0,50; Lesen: MW = 1,36; SD = 0,58; Verstehen: MW = 1,23; SD = 0,49; Schreiben: MW = 1,53; SD = 0,66). Die vier Experimentalgruppen unterschieden sich hinsichtlich ihrer Geschlechterverteilung und ihrer Altersstruktur nicht.

Experimentelle Variationen

Im Rahmen der Studie wurde den Schüler*innen ein ca. 4‑minütiges Video gezeigt, in dem eine Lehrerin das Spiel Kin-Ball erklärt. Alle Videovarianten wurden mit einer geschulten und immerzu identischen Lehrkraft und anhand eines festen Transkriptes sowie eines professionellen Filmteams erstellt. Die Spielerklärungen der Lehrkraft unterscheiden sich dabei je nach Experimentalgruppe hinsichtlich ihrer sprachlichen Segmentierung und der eingesetzten Qualität der Zusammenfassung. Zur Variation der sprachlichen Segmentierung verwendet die Lehrkraft in zwei der vier Videos thematische Sätze („Nun zu den Regeln“), temporale Relationen („Ich sage zuerst etwas zur Mannschaftseinteilung und danach erkläre ich die Regeln“) und nominale Referenzen in Bezug auf Fachbegriffe („die Gegner […] die Gegner“), um einen hohen Grad der Strukturierung und Segmentierung zu erreichen. Die Kohärenzbildungshilfen wurden hinsichtlich empirischer Befunde zum Textverstehen (u. a. Schmitz, 2016; Schnotz, 1994) selektiert sowie aus neun exemplarischen Lehrkrafterklärungen zum Spiel Kin-Ball, die vorab erhoben wurden, abgeleitet. In den zwei anderen Videos erfolgt keine sprachliche Segmentierung. Bezüglich der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele fordert die Lehrkraft die zuhörenden Schüler*innen am Ende der Erklärung auf, Situationsbeispiele dahingehend (still) zu reflektieren, ob sich die Spieler*innen regelkonform oder regelwidrig verhalten. Für die eine Variation regelkonform beschreibt sie vier regelkonforme Spielsituationen und wertet diese aus, z. B. „Drei Spieler halten den Ball, eine vierte Person schlägt. [Pause] Das ist richtig, denn es müssen drei Personen den Ball halten.“ Für die andere Variation regelwidrig beschreibt sie vier regelwidrige Spielsituationen, z. B. „Zwei Personen halten den Ball, eine dritte schlägt. [Pause] Das ist falsch, denn es müssen drei Personen den Ball halten.“ Aus der Kombination dieser beiden jeweils zweistufigen Kohärenzbildungshilfen ergeben sich die vier Videovariationen für die Experimentalgruppen: EG1 = hohe Segmentierung + regelkonforme Situationsbeispiele; EG2 = geringe Segmentierung + regelkonforme Situationsbeispiele; EG3 = hohe Segmentierung + regelwidrige Situationsbeispiele; EG4 = geringe Segmentierung + regelwidrige Situationsbeispiele.

Erfassung von Regelwissen und Regelanwenden

Um das Regelwissen und das Regelanwenden der Schüler*innen nach der Intervention vergleichen zu können, wurden direkt im Anschluss zwei verschiedene Maße erhoben. Zur Erhebung des Regelwissens beantworteten die Schüler*innen sieben MCQ-Items, bei denen nach einer kurzen Kontextualisierung vier Distraktoren präsentiert wurden, die danach bewertet wurden, ob hier regelkonforme oder regelwidrige Spielhandlungen beschrieben werden (s. Beispiel in Abb. 1). Für jedes richtig gesetzte Kreuz oder jede richtige Auslassung wurde ein Viertel Punkt vergeben, falsche Antworten wurden mit 0 Punkten bewertet, sodass jedes Item schlussendlich mit 0, 0,25, 0,5, 0,75 oder 1 in die Bewertung eingeht. Für den Skalenmittelwert wurde der Prozentwert erreichter Punkte berechnet.

Abb. 1
figure 1

Itembeispiel zum Regelwissen (korrekte Antworten sind grau hinterlegt)

Zur Erhebung des Regelanwendens betrachteten die Schüler*innen nacheinander vier kurze Videosequenzen (ca. 10 s), in denen Spielsituationen vom Kin-Ball-Spiel gezeigt wurden. Diese Videosequenzen wurden so produziert, dass bestimmte Spieler*innen jeweils Regelverstöße begehen (zur Illustration s. Abb. 2). Nach der Betrachtung eines Videos waren die Teilnehmer*innen jeweils aufgefordert zu entscheiden, ob hier ein Regelverstoß vorliegt, und wenn ja, welcher genau. Die offenen Antworten wurden wie folgt kodiert: Wurde kein Regelverstoß festgestellt, erhielten die Teilnehmer*innen 0 Punkte; wurde ein Regelverstoß festgestellt, dieser jedoch nicht oder nicht korrekt begründet, erhielten die Teilnehmer*innen 0,5 Punkte; wurde der Regelverstoß festgestellt und korrekt begründet, wurde 1 Punkt vergeben. Für den Skalenmittelwert wurde der Prozentwert erreichter Punkte berechnet. Alle vier Items wurden durch zwei unabhängige Rater codiert; es liegt eine sehr gute Interraterreliabilität vor (Cohens Kappa im Bereich von 0,91–0,99).

Abb. 2
figure 2

Screenshot von einem Itembeispiel zum Regelanwenden; die Schülerin schlägt den Ball regelwidrig mit nur einer Faust

Insgesamt ergibt sich für die sieben Items des Regelwissens eine Reliabilität von α = 0,60 und für die vier Items des Regelanwendens eine Reliabilität von α = 0,61. Zwar fällt somit die interne Konsistenz in beiden Fällen nicht besonders hoch aus. Allerdings wurden übliche Faustregeln (etwa α > 0,70) eher für homogenere psychologische Testskalen entwickelt und sollten daher für (heterogenere) Wissenstests moderater interpretiert werden (s. dazu auch Kline, 1999). Die beiden Maße Regelwissen und Regelanwenden korrelieren mit r = 0,31*, was darauf hindeutet, dass sie zwar bedeutsam miteinander zusammenhängen, es sich hier jedoch durchaus um unterscheidbare Formen des Verstehens handelt.

Analysemethoden

Zur Analyse von Unterschieden zwischen den Experimentalgruppen wurden Haupteffekte der Faktoren sprachliche Segmentierung und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelwissen und das Regelanwenden im Rahmen von Varianzanalysen (ANOVA) betrachtet (Forschungsfrage 1). Eine Analyse des Interaktionseffektes der beiden Faktoren lässt schließlich Rückschlüsse auf die Frage zu, inwieweit die Segmentierung den Effekt der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelwissen und das Regelanwenden der Schüler*innen moderiert (Forschungsfrage 2). Um den Interaktionseffekt der selbst eingeschätzten sprachlichen Fähigkeiten und der Experimentalbedingung auf das Regelwissen bzw. das Regelanwenden zu untersuchen, wurde eine ANOVA durchgeführt, in die die Experimentalgruppen und die Sprachfähigkeit als Faktoren eingehen und deren Interaktionseffekt auf das Regelwissen bzw. das Regelanwenden betrachtet wurde (Forschungsfrage 3). Als Indikator für die Sprachfähigkeit wurde der Mittelwert aus den Selbsteinschätzungen der eigenen Sprachkompetenzen der Schüler*innen gebildet (s. Abschnitt Stichprobe). Zur Interpretation der Effektstärke wurden Korrelationskoeffizienten berechnet (nach Field (2009) ist r2 = η2). Ein Wert von 0,10 < r < 0,30 entspricht einem kleinen, ein Wert von 0,30 < r < 0,50 entspricht einem mittleren und ein Wert r > 0,50 entspricht einem großen Effekt (Cohen, 1988).

Ergebnisse

Effekte der Kohärenzbildungshilfen (Forschungsfrage 1)

Schüler*innen, deren Erklärung eine hohe Segmentierung enthielt, zeigten ein ähnliches Regelwissen (MW = 0,67; SD = 0,16) wie Schüler*innen, deren Erklärung eine geringe Segmentierung enthielt (MW = 0,67; SD = 0,14); der Unterschied war nicht signifikant (F [1, 354] = 0,04; p = 0,836). Eine vergleichbare Beobachtung lässt sich auch für das Regelanwenden feststellen, das nach einer Erklärung mit hoher Segmentierung (MW = 0,72; SD = 0,29) vergleichbar ausfiel wie nach einer Erklärung mit geringer Segmentierung (MW = 0,70; SD = 0,27). Die deskriptiven Unterschiede waren nicht statistisch bedeutsam (F [1, 354] = 0,45; p = 0,501).

Hinsichtlich des Einflusses der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele finden sich hingegen beim Regelwissen bedeutsame Unterschiede: Schüler*innen, deren Erklärung mit regelwidrigen Spielsituationen zusammengefasst wurde (MW = 0,68; SD = 0,16), schneiden hier besser ab als Schüler*innen, deren Erklärung mit regelkonformen Situationsbeispielen zusammengefasst wurde (MW = 0,65; SD = 0,29). Der Effekt liegt in einem kleinen Bereich (F [1, 354] = 4,59; p = 0,033; r = 0,11). Beim Regelanwenden wiederum zeigen Schüler*innen, deren Erklärung mit regelwidrigen Spielsituationen zusammengefasst wurde (MW = 0,69; SD = 0,16) eine etwas geringere Leistung als Schüler*innen, deren Erklärung mit regelkonformen Situationsbeispielen zusammengefasst wurde (MW = 0,73; SD = 0,26); der Unterschied ist hier jedoch nicht statistisch bedeutsam (F [1, 354] = 2,14; p = 0,145). Die einzelnen Mittelwerte werden auch in Abb. 3 zusammengefasst.

Abb. 3
figure 3

Regelwissen und Regelanwenden nach Abhängigkeit der Kohärenzbildungshilfen

Interaktion der Kohärenzbildungshilfen (Forschungsfrage 2)

Betrachtet man die Wechselwirkung der beiden Kohärenzbildungshilfen sprachliche Segmentierung und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele, so zeigen sich differenzielle Befunde: Hinsichtlich des Regelwissens kann festgestellt werden, dass der Effekt einer hohen bzw. geringen sprachlichen Segmentierung ähnlich ausfällt, und zwar unabhängig davon, ob die Erklärung mit regelwidrigen oder regelkonformen Situationsbeispielen zusammengefasst wurde (Abb. 4); der Interaktionseffekt von Segmentierung × Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele fällt hier nicht bedeutsam aus (F [1, 352] = 0,14; p = 0,907).

Abb. 4
figure 4

Interaktionseffekte zwischen den Bedingungen sprachliche Segmentierung und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelwissen und das Regelanwenden

Hingegen liegt beim Regelanwenden eine bedeutsame Interaktion von sprachlicher Segmentierung × Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele vor (F [1, 352] = 5,23; p = 0,022; r = 0,12). Während Schüler*innen, deren Erklärung eine geringe Segmentierung aufweist, ähnliche Mittelwerte mit regelwidrigen (MW = 0,71; SD = 0,25) bzw. regelkonformen (MW = 0,69; SD = 0,28) zusammenfassenden Spielsituationen erzielen (F [1, 171] = 0,34; p = 0,529), profitieren Schüler*innen, deren Erklärung eine hohe Segmentierung aufweist, stärker von regelkonformen (MW = 0,77; SD = 0,24) als von regelwidrigen (MW = 0,67; SD = 0,32) zusammenfassenden Unterrichtsbeispielen (F [1, 181] = 6,74; p = 0,010; r = 0,19).

Interaktion von sprachlichen Fähigkeiten und Kohärenzbildungshilfen (Forschungsfrage 3)

Hinsichtlich der sprachlichen Fähigkeiten, welche die Lernenden selbst einschätzten, zeigten sich keine bedeutsamen Interaktionen mit den experimentellen Variationen: Der Interaktionseffekt zwischen selbsteingeschätzter Sprachkompetenz und Segmentierung war sowohl im Hinblick auf das Regelwissen (F [5, 340] = 0,78; p = 0,567) als auch das Regelanwenden (F [5, 340] = 0,51; p = 0,772) nicht signifikant. Auch der Interaktionseffekt zwischen selbsteingeschätzter Sprachkompetenz und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele war in beiden Fällen nicht statistisch bedeutsam (Regelwissen: F [6, 339] = 0,27; p = 0,952; Regelanwenden F [6, 339] = 0,62; p = 0,718). Dies bedeutet, dass der Effekt der Kohärenzbildungshilfen Segmentierung und Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele unabhängig der selbsteingeschätzten sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen ist.

Diskussion

Interpretation der Ergebnisse

Entgegen der Annahme, dass eine höhere sprachliche Segmentierung in einer mündlichen Erklärung zu einem grundsätzlich besseren Verständnis von Schüler*innen beiträgt, konnte die vorliegende Studie einen entsprechenden Effekt im Hinblick auf das Regelverständnis des Spiels Kin-Ball nicht feststellen, und zwar sowohl im Hinblick auf das Erinnern und Wiedergeben von Spielregeln (Regelwissen) als auch das Analysieren von Spielsituationen und Evaluieren im Hinblick auf das Einhalten von Spielregeln (Regelanwenden). Möglicherweise wird das Merkmal der Segmentierung und die damit einhergehende Verringerung des „extraneous load“ (Sweller et al., 1998) erst in noch längeren Erklärungen bedeutsam, als in der hier verwendeten und mit ca. 4 min ggf. zu kurzen Erklärung. Zugleich könnte die Textsorte des Regelwerkes allein schon durch die inhaltliche Unterteilung von Informationen in Bereiche wie Spielfeld, Spieldauer, Spieleranzahl, erlaubte und nicht erlaubte Spieleraktionen usw. (Simmler, 1991) dazu führen, dass weitere inhaltsunabhängige sprachliche Segmentierungen hier keinen weiteren Vorteil bringen.

Hinsichtlich der Qualität zusammenfassender Situationsbeispiele zeigt sich hingegen ein gemischtes Bild: Während sich kein Effekt der Qualität auf das Regelanwenden der Schüler*innen feststellen lässt, so profitieren Schüler*innen, die regelwidrige Situationsbeispiele gehört haben, im Hinblick auf das Regelwissen im Vergleich zu Schüler*innen, die regelkonforme Situationsbeispiele gehört haben. Durch die regelwidrigen Situationsbeispiele könnten insbesondere schüler*innenseitige Missverständnisse explizit angesprochen worden sein, was dann zu einer elaborierteren Verarbeitung der Erklärung beiträgt (Acuña et al., 2011; Kulgemeyer, 2020). Möglicherweise wurde über die regelwidrigen Spielsituationen auch ein spezifisches negatives Wissen (Oser & Spychinger, 2005) aufgebaut, das es den Schüler*innen erleichtert hat, zwischen korrekten und fehlerhaften Distraktoren bei den Items zum Regelwissen zu unterscheiden.

Wenngleich die vorliegende Untersuchung keinen Haupteffekt der Qualität der zusammenfassenden Situationsbeispiele auf das Regelanwenden feststellen konnte, so zeigte sich ein bedeutsamer Interaktionseffekt bei gleichzeitiger Betrachtung der Segmentierung: So wirken sich regelkonforme zusammenfassende Situationsbeispiele genau dann positiv auf das Regelanwenden aus, wenn die zugehörige Erklärung auch eine hohe sprachliche Segmentierung aufweist. Während also beim Regelwissen regelwidrige Situationsbeispiele positive Auswirkungen haben, scheint es beim systematischen Erkennen und Interpretieren von visuell dargestellten und damit flüchtigen Spielhandlungen ein hohes Maß an sprachlich strukturierter und korrekter Information zu benötigen, um hier bedeutsame Effekte zu erzielen. Für Lehrkräfte ist dies ein wichtiger Hinweis für die Gestaltung von Erklärungen. Zudem deutet dies darauf hin, dass die theoretisch wie empirisch unterscheidbaren Verstehensformen Regelwissen und Regelanwenden (Anderson & Krathwohl, 2001, s. Abschnitt Erfassung von Regelwissen und Regelanwenden) für Merkmale einer Erklärung unterschiedlich bedeutsam sind. Insbesondere scheint es ratsam, dass Annahmen über bedeutsame Merkmale einer Erklärung auch die Gegenstandspezifität der zu fördernden Fähigkeiten berücksichtigen sollten.

Der Befund, dass die Wirksamkeit der betrachteten Kohärenzbildungshilfen unabhängig der selbst eingeschätzten sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen ist, kann methodische Gründe haben, wenn in Betracht gezogen wird, dass die Selbsteinschätzung subjektiv ist und keinen Zusammenhang mit der eigentlichen Sprachkompetenz aufweisen muss. Möglicherweise war aber auch hier der Komplexitätsanspruch der Erklärung – bemessen an der Dauer von 4 min und der inhaltlichen Vorstrukturierung der Textsorte Regelwerk – zu gering, als dass sprachliche Fähigkeiten, wie sie hier eigens eingeschätzt wurden, überhaupt eine moderierende Funktion hätten einnehmen können.

Grenzen der Untersuchung und Ausblick

Die vorliegende Studie unterliegt theoretischen wie methodischen Limitationen, die wiederum Anreize für zukünftige Forschungsarbeiten bieten. Erstens verweist die vorliegende Studie darauf, dass insbesondere die Qualität von zusammenfassenden Situationsbeispielen das Verstehen von Schüler*innen bedeutsam mitbestimmt. Die Tatsache, dass einzelne Verstehensformen (das Regelwissen) eher von regelwidrigen Situationsbeispielen profitieren, während andere Verstehensformen (das Regelanwenden) von regelkonformen Situationsbeispielen bei gleichzeitig hoher Segmentierung profitieren, könnte darauf verweisen, dass möglicherweise gerade ein Mix aus regelkonformen und regelwidrigen Situationsbeispielen Erklärungen besonders stärken. Diese Annahme gilt es zukünftig genauer zu untersuchen.

Zweitens scheint es in nachfolgenden Studien ratsam, im Vorfeld das grundsätzliche Regelverständnis der Schüler*innen zu testen, um den Erfolg der Randomisierung zu überprüfen. Dies ist in der vorliegenden Studie nicht erfolgt, genauso wenig wie die Erhebung affektiv-motivationaler Voraussetzungen der Schüler*innen. Entsprechende Determinanten könnten die Wirksamkeit von Erklärungen entscheidend mitbestimmen und sollten zukünftig stärker bedacht werden (Bunker & Thorpe, 1982; Cairns & Areepattamannil, 2022; König & Memmert, 2011).

Drittens wurde die Sprachfähigkeit der Schüler*innen in der vorliegenden Studie auf der Basis von Selbstbeurteilungen erfasst. Diese Urteile könnten möglicherweise durch soziale Erwünschtheit verzerrt sein (die relativ hohen Mittelwerte deuten darauf hin), und es stellt sich die Frage, inwieweit ein diagnostisches Verfahren zur rezeptiven Sprachfähigkeit aussagekräftigere Ergebnisse liefert. Zukünftige Forschung könnte so erneut überprüfen, ob die Wirksamkeit der Kohärenzbildungshilfen in mündlichen Erklärungen unabhängig von der Sprachfähigkeit ist – hierauf deuten die vorliegenden Befunde hin – oder ob es hier doch eine Form der Interaktion gibt, wie sie beim Verstehen von schriftlichen Texten vorliegt, wenn die Lesefähigkeit der Lernenden einbezogen wird.

Viertens wurde in der vorliegenden Studie das Regelwerk eines Sportspiels als Inhalt der mündlichen Erklärung ausgewählt, und es stellt sich die Frage, inwieweit die vorliegenden Befunde auf andere Textsorten übertragbar sind. So könnten Kohärenzbildungshilfen bei anders strukturierten Textsorten, die möglicherweise weniger inhaltliche Vorstrukturierungen bieten als das Regelwerk, z. B. bei Bewegungsbeschreibungen (Krüger et al., 2019), andere Effekte auf das Verständnis der Schüler*innen haben. Auch wäre es denkbar, dass weitere andere Kohärenzbildungshilfen im Fach Sport eine bedeutende Rolle einnehmen, insbesondere wenn man bedenkt, dass Erklärungen in akustisch besonders herausfordernden Umgebungen wie der Sporthalle formuliert werden: So wird etwa angenommen, dass das Verstehen von mündlichen Erklärungen durch die Prosodie beeinflusst wird; etwa könnten Intonation, Akzentuierung, Sprechrhythmus, Lautstärke und Pausen zusammenhängende Abschnitte einer Erklärung markieren und dadurch die Verarbeitung wesentlicher Informationen erleichtern (Cutler et al., 1997; Steinhauer et al., 1999). Insbesondere für Schüler*innen mit geringeren Sprachfähigkeiten wird betont, dass prosodische Mittel helfen könnten, sprachliche Informationen in Bewegungshandeln zu übersetzen (Krüger et al., 2019).

Fünftens wurden in dieser Studie mit dem Regelwissen und dem Regelanwenden rein kognitive Maße des Regelverständnis betrachtet. Eine gute Erklärung im Fach Sport sollte sich jedoch nicht nur auf kognitive Verstehensprozesse, sondern auch auf das Bewegungshandeln selbst auswirken. Dabei muss jedoch konstatiert werden, dass die Erfassung individuellen sportlichen Könnens in diesem Zusammenhang eine inhaltlich wie methodische Herausforderung darstellt (Krieger et al., 2019). Möglicherweise könnten Ansätze der kollektiven Handlungssteuerung („joint action“) hier einen vielversprechenden Weg anbieten: So zeigen Befunde, dass besseres sprachliches Verständnis zu synchroneren Bewegungsmustern zwischen verschiedenen Personen führt (z. B. Richardson et al., 2007), was sich im Fach Sport etwa durch untereinander besser koordinierte Bewegungen äußert. Solch koordinierte Bewegungen lassen sich etwa über Bewegungsmuster beurteilen, die mittels tragbarer Akzelerometer während der Bewegungsausführung aufgezeichnet werden und auf der Basis nichtlinearer Zeitreihenanalyseverfahren ausgewertet werden, um den Grad der Handlungskoordination innerhalb der Gruppe zu bestimmen (Wallot et al., 2016).

Schließlich fokussiert die vorliegende Studie mündliche Erklärungen von Lehrkräften, die im Sinne einer vorbereitenden Unterrichtsplanung schriftlich-strukturiert erstellt wurden und auch aufgrund ihres monologischen Charakters einer schriftlichen Textform sehr nahekommen. Erklärungen in dialogisch-interaktiven Kommunikationsprozessen (z. B. Heller, 2021; Morek et al., 2017) wurden hier hingegen nicht betrachtet, zugleich aber könnte zukünftige Forschung die Bedeutung der hier gewonnenen Befunde auch in solch stärker interaktiven Situationen adressieren.