Hintergrund

Um der zunehmenden globalen Verbreitung körperlicher Inaktivität in der Bevölkerung entgegenzuwirken, werden vermehrt Ansätze der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung empfohlen (Kohl et al., 2012; Rütten & Pfeifer, 2016; World Health Organization, 2019). Die Kommune wird dabei als ein geographisch abgrenzbares Gebiet verstanden (Nutbeam, 1998) und gilt als Dachsetting, in dem weitere Lebenswelten verortet sind (Hartung, 2021a). Kommunale bewegungsbezogene Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen, die sich an die gesamte Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppen richten und strukturell in der kommunalen Verwaltung verankert sind (Kohler et al., 2019). Dabei ist die Kommune nicht nur der Ort, in dem eine Intervention stattfindet, sondern sie ist selbst Gegenstand der Intervention und setzt einen umfassenden kommunalen Entwicklungsprozess um (Hartung, 2021a). So sollen z. B. die sozialen Strukturen der Kommune und/oder die Infrastruktur so verändert werden, dass die Kommune selbst zu einem gesundheitsförderlichen Ort wird (Braunegger-Kallinger, Tanios, Loder, & Renner, 2017). Daher wird auch die Bedeutung der Kommune als umgreifende Lebenswelt zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit und Erreichbarkeit vulnerabler Bevölkerungsgruppen in den Bundesrahmenempfehlungen der Nationalen Präventionskonferenz hervorgehoben (Die Träger der Nationalen Präventionskonferenz, 2018). Zum einen kann in der Kommune maßgeblich Einfluss genommen werden auf die gesundheitlichen Rahmenbedingungen und zum anderen können Bevölkerungsgruppen ohne zu stigmatisieren adressiert werden (Francis-Oliviero, Cambon, Wittwer, Marmot, & Alla, 2020), die über bisherige Zugangswege und über Einzelsettings wie Betriebe, Kita, Schule oder Pflegeheime seltener erreicht werden (Hartung, 2021a; Kolip, 2009). Allerdings besteht gleichzeitig das Risiko, dass über bevölkerungsbezogene Ansätze, die auf die ganze Kommune ausgerichtet sind, vor allem sozial bessergestellte Personen erreicht werden, was unbeabsichtigt zu einer Zunahme gesundheitlicher Ungleichheit führen kann, auch bezeichnet als „inequality paradox“ (Frohlich & Potvin, 2008). Dies betrifft auch Ansätze der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung, die sich an die gesamte Bevölkerung richten, dabei aber möglicherweise besonders jene Personen ansprechen, die sozial bessergestellt und bereits körperlich aktiver sind (Ball, Carver, Downing, Jackson, & O’Rourke, 2015; Smith et al., 2017). Für eine chancengleiche bewegungsbezogene Gesundheitsförderung werden daher gemeindebezogene Mehrkomponentenansätze empfohlen, die umwelt- und politikbezogene Maßnahmen sowie individuumsbezogene Maßnahmen integrieren (Rütten & Pfeifer, 2016) und dabei neben kommunalen Akteur:innen insbesondere Bevölkerungsgruppen mit sozialer Benachteiligung bei der Planung, Umsetzung und Evaluation durchgängig beteiligen (Semrau, 2022).

National existieren zahlreiche Projekte zur Bewegungsförderung in Kommunen, die sich in den Zielen, den Inhalten, der Qualität der Umsetzung und der Wirksamkeit stark unterscheiden können. Um begrenzte Ressourcen im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung sowie vorhandene Synergien optimal zu nutzen, kommt der Umsetzung und Verbreitung vorhandener Good-Practice-Projekte eine zentrale Rolle zu (Weber et al., 2022). Unter Good-Practice wird eine Praxis verstanden, die sich bewährt hat und gute Ergebnisse erzielt (Chrodis, 2015). Sie wird daher als Modell empfohlen. Es handelt sich um eine erfolgreiche Praxis, die in einem erweiterten Verständnis getestet und validiert wurde und sich für die Verbreitung eignet (Chrodis, 2015).

Vor diesem Hintergrund stellt Good-Practice auch eine Form der praxisbasierten Evidenz dar (Ng & de Colombani, 2015). Um wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis wirksam und nachhaltig umzusetzen, braucht es praxisbasierte Erfahrungen (Walter et al., 2015). So sollen Nachweise für die Wirkungen von Maßnahmen nicht nur unter wissenschaftlichen Bedingungen generiert werden, sondern auch systematisch aus den Erfahrungen in der Praxis hergeleitet werden (Wright, Kilian, & Brandes, 2013). Weiterhin kann mit dem Ansatz der praxisbasierten Evidenz die Beachtung der Kontextbedingungen für Maßnahmen sowie die Partizipation von Fachkräften und Bevölkerungsgruppen besser in den Blick genommen werden (Hartung, 2021b). International sowie auch in Deutschland wird das Potenzial der praxisbasierten Evidenz als ein ergänzender und gewinnbringender Ansatz zur forschungsbasierten Evidenz diskutiert (Green, 2006; Green & Allegrante, 2020; Hartung, 2021b).

Eine Orientierung für die Bewertung von Projekten zur kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung und die Identifikation von Good-Practice-Projekten bieten die Qualitätskriterien bzw. Merkmale „guter Interventionspraxis“ von Messing und Rütten (2017). Im Onlinematerial 1 ist eine Übersicht der 18 Qualitätskriterien für die Konzipierung (z. B. Theoretische Fundierung, Kontextbezug), Implementierung (z. B. Beteiligung, Ressourcen) und Evaluation (z. B. Dokumentation und Prozessevaluation, Ergebnisevaluation) von Interventionen mit definierten Unterpunkten zu finden. Diese wurden im Kontext der Formulierung der Nationalen Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung (NEBB) (Rütten & Pfeifer, 2016) entwickelt und berücksichtigen 24 Dokumente aus nationaler und internationaler Perspektive, u. a. das European Quality Instrument for Health Promotion (EQUIHP) (European Project Getting Evidence into Practice, 2005), Qualitätskriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Bewegungsförderung sozial benachteiligter Gruppen (World Health Organization, 2013), Qualitätskriterien für Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Primärprävention von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2010) sowie die Kriterien guter Praxis in der Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 2011).

Derzeit liegt nach Kenntnisstand der Autor:innen keine Übersicht zur Umsetzung kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung für Deutschland unter Berücksichtigung der NEBB vor. Bisher vorliegende Übersichten berichten z. B. zur bundesweiten Umsetzung von Gesundheitskonferenzen (Hollederer, 2015) oder zielgruppenspezifischen bewegungsbezogenen Good-Practice-Beispielen in verschiedenen Settings (Henn et al., 2017), aber beziehen sich nicht spezifisch auf das kommunale Setting.

Der vorliegende Artikel hat daher zum einen das Ziel, eine systematische Übersicht zur kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in Deutschland darzustellen. Zum anderen sollen in diesem Bereich Good-Practice-Projekte identifiziert werden, die als Orientierungsrahmen für die Umsetzung und Verbreitung kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung genutzt werden können.

Methoden

Im Folgenden wird zunächst die Entwicklung einer Suchstrategie zur Erfassung von Projekten zur kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in wissenschaftlichen Datenbanken und Projektdatenbanken beschrieben. Anschließend werden Good-Practice-Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung ausgewählt, indem Projekte mit einer dokumentierten Prozess- und/oder Ergebnisevaluation anhand der Qualitätskriterien von Messing und Rütten (2017) bewertet werden.

Literaturrecherche

Die systematische Suche nach peer-reviewed Artikeln zu Projekten der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung wurde im Februar 2021 in verschiedenen wissenschaftlichen Datenbanken (Pubmed, Scopus, EbscoHost mit SportDiscus und PsychInfo) durchgeführt. Für die Literatursuche wurden Suchbegriffe recherchiert und entsprechende Strategien der Datenbankrecherche mit einer Expertin der Universitätsbibliothek (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) abgestimmt. Die Suchstrategie beinhaltet Schlagworte in den vier Kategorien „community“, „intervention“, „physical activity“ und „Germany“, die mit Hilfe von Operatoren miteinander kombiniert wurden (Onlinematerial 2). Gesucht wurde nach Artikeln in englischer oder deutscher Sprache, ohne dabei den Veröffentlichungszeitraum einzuschränken. Die Ergebnisse wurden anschließend von zwei Autor:innen (LD, NH) für passende Artikel gesichtet. Bei Unstimmigkeiten wurden die Artikel von zwei Autor:innen (LD, NH) diskutiert, bis ein Konsensus erreicht wurde.

Einschlusskriterien

Eingeschlossen wurden Artikel, die ein Projekt zur bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung, welches im kommunalen Setting in Deutschland unter Beteiligung der Verwaltung umgesetzt wird bzw. wurde, beschreiben. Dabei wurden sowohl Projekte berücksichtigt, die sich an die Gesamtbevölkerung richten, als auch solche Projekte die Teilpopulationen in den Blick nehmen. Neben Projekten, die primär Bewegungsförderung adressierten, wurden auch Projekte der Gesundheitsförderung eingeschlossen, die Bewegungsförderung als eine Teilkomponente beinhalteten.

Ausschlusskriterien

Artikel wurden nicht berücksichtigt, wenn Projekte nur in einem Setting innerhalb der Kommune (z. B. Schule) oder im Rahmen von klinischer Forschung, Rehabilitation oder Sekundärprävention umgesetzt wurden bzw. werden. Ebenso wurden Artikel, die Teilprojekte eines bereits eingeschlossenen übergeordneten Projektes beschreiben, nicht berücksichtigt.

Browserbasierte Internetrecherche

Zusätzlich wurde eine Suche via StartPage (StartPage, 2015) durchgeführt, die die eingegebenen Suchanfragen an die Google-Suchmaschine weiterleitet.

Im ersten Schritt wurde so nach Projektdatenbanken gesucht. Hierzu wurden 13 unterschiedliche Suchstrategien (z. B. Bewegungsförderung AND kommunale AND (Projekt OR Projekte)) verwendet und jeweils die ersten 10 Seiten, d. h. 100 Ergebnisse, gesichtet. Das Ziel der Suche via StartPage war es, technische Barrieren (z. B. Google-Filter-Bubble) von Suchmaschinen zu überwinden (Startpage Settings u. a. Interface language: German, Search language: German, Geographical maps: OFF). Alle Suchstrategien sowie Einstellungen und Filter für die Suche in Startpage sind in Onlinematerial 3 aufgeführt. Im Gegensatz zu Suchen in wissenschaftlichen Datenbanken, die nur eine Suchstrategie mit verschiedenen Suchbegriffen nutzen und bei der alle Ergebnisse von den Autor:innen gesichtet werden (Higgins & Green, 2008), erfordert eine Suche in Google mehrere Suchstrategien mit verschiedenen Kombinationen der Suchbegriffe (Godin, Stapleton, Kirkpatrick, Hanning, & Leatherdale, 2015). Zudem ist es oft nicht möglich, alle Ergebnisse einer Google-Suche durchzusehen. Um die Konsistenz über verschiedene Suchen hinweg und ein effektives Zeitmanagement sicherzustellen, wurde die Zahl der zu sichtenden Seiten im Vorfeld festgelegt. Die Sichtung der Suchergebnisse basierte anschließend auf dem Relevanzranking der Google Suchmaschine (Godin et al., 2015). Die Suche über StartPage zur Identifikation der Projektdatenbanken wurde im Februar 2019 durchgeführt. In einem zweiten Schritt wurden die identifizierten Projektdatenbanken mit unterschiedlichen Suchbegriffen (z. B. Bewegung oder Sport) und Filtern nach passenden Projekten durchsucht (Onlinematerial 4). Nach der Suche in den wissenschaftlichen Datenbanken im Februar 2021 wurde die Suche nach Projekten in den Projektdatenbanken im Mai 2021 nochmals aktualisiert. Die Recherche nach Projektdatenbanken in Startpage von 2019 wurde nicht aktualisiert, da nicht davon auszugehen war, dass in diesem Zeitraum relevante neue Projektdatenbanken entstanden sind, die bisher noch nicht identifizierte Projekte enthalten. Bei der Sichtung nach Projekten in den Projektdatenbanken galten dieselben Ein- und Ausschlusskriterien wie bei der Suche nach Projekten in den wissenschaftlichen Datenbanken.

Datenextraktion und -analyse

Für eine systematische Übersicht zu Projekten der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in Deutschland wurden Daten zu folgenden Kategorien extrahiert: „Bundesland“, „Berücksichtigung gesundheitlicher Chancengleichheit“ und „Umsetzung im städtischen oder ländlichen Raum“. „Berücksichtigung gesundheitlicher Chancengleichheit“ umfasst, dass Menschen in schwierigen Lebenslagen entweder an der Planung, Implementierung oder Evaluation der Maßnahme beteiligt sind, mit der Maßnahme erreicht werden bzw. die Maßnahme zumindest auf die Erreichung von Menschen in schwierigen Lebenslagen ausgerichtet ist. Eine Zuordnung zu einer Umsetzung im städtischen Raum erfolgte für Städte ab einer Einwohnerzahl von mindestens 50.000. Zusätzlich wurden die eingeschlossenen Projekte in Anlehnung an die NEBB (Rütten & Pfeifer, 2016) den verschiedenen Ansätzen der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung (politikbezogene Ansätze, informationsbezogene Ansätze, umweltbezogene Ansätze, Mehrkomponentenansätze sowie Angebote und Veranstaltungen im Setting Kommune) zugeordnet. Politikbezogene Ansätze sind z. B. Beschlüsse zur Bewegungsförderung oder die Berücksichtigung von Bewegung in der Stadt- und Raumplanung oder Verkehrspolitik oder Grünflächen- und Sportraumpolitik. Unter informationsbezogenen Ansätzen werden unter anderem Kampagnen für Bewegung oder Zeitungsanzeigen sowie Motivationshinweise zum Treppensteigen an Aufzügen verstanden. Zu umweltbezogenen Ansätzen zählen z. B. räumliche Nähe und Vernetzung von Orten, ein sicheres Wohnumfeld, zugängliche Sport‑, Freizeitanlagen und Parks sowie ein flächendeckendes Netz von Fuß- und Radwegen. Individuelle Ansätze wurden im Rahmen von Angeboten und Veranstaltungen im Setting Kommune berücksichtigt, die neben Bewegungskursen oder -events auch Schulungen oder Beratungen zum Thema Bewegungsförderung umfassen. Mehrkomponentenansätze kombinieren dabei zwei oder mehr der verschiedenen oben aufgeführten Ansätze.

Identifizierung von Good-Practice-Projekten

Für die Identifizierung von Good-Practice-Projekten wurden die ermittelten Projekte aus den wissenschaftlichen Datenbanken und den Projektdatenbanken nochmals gesichtet. Dabei stand die Identifikation von Projekten im Vordergrund, die insgesamt ein Beispiel für Good-Practice darstellen und nicht nur einzelne Aspekte von Good-Practice erfüllen. Dementsprechend wurden jene Projekte ausgewählt, die ausreichend dokumentiert wurden und mindestens eine Prozess- und/oder Ergebnisevaluation aufwiesen. Dieses Einschlusskriterium wurde festgelegt, um Projekte auszuwählen, die sich in der Praxis bewährt haben. Es sollten Projekte identifiziert werden, die über eine Vorhabenbeschreibung hinausgehen und analysieren wie die Umsetzung gelungen ist bzw. welche Ergebnisse erzielt wurden.

Bisher gibt es jedoch keine einheitliche Definition bzw. einen etablierten Standard für die Einstufung als Good-Practice-Projekt im Bereich der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung. Daher wurde für diesen Artikel festgelegt, dass ein Projekt aus den drei Bereichen Konzipierung, Implementierung, und Evaluation jeweils mindestens die Hälfte der Qualitätskriterien von Messing und Rütten (2017) erfüllen muss, um als Good-Practice-Projekt ausgewählt zu werden. Basierend auf einer unterschiedlichen Anzahl von Kriterien in diesen Bereichen müssen in der Konzipierung und Implementierung mindestens 4 von 7 Kriterien und in der Evaluation mindestens 2 von 4 Kriterien erfüllt werden. Anschließend wurden für eine Übersicht und zum Vergleich der identifizierten Good-Practice-Projekte zusätzlich Informationen zu der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe, dem Träger des Projektes bzw. der Beteiligung der Verwaltung, der Finanzierung, dem Standort, dem Projektbeginn sowie dem Deprivationsstatus (German Index of Socioeconomic Deprivation (GISD)) (Kroll, 2017) der Kommune entnommen.

Im nächsten Schritt wurden die ausgewählten Projekte von zwei Autor:innen (LD, PW) anhand der in den Projekten zur Verfügung gestellten Informationen mit den Qualitätskriterien von Messing und Rütten (2017) und einer Orientierung an den jeweiligen Unterpunkten qualitativ bewertet. Dabei war es keine Voraussetzung, dass alle Unterpunkte erfüllt sein müssen. Die Unterpunkte der Qualitätskriterien sind in Onlinematerial 1 aufgeführt. Bei Diskrepanzen wurde eine dritte Autorin (JS) hinzugezogen. Wenn die identifizierten Projektseiten und Artikel Verweise zu weiteren Dokumenten aufwiesen, wurden diese ebenfalls berücksichtigt. Es wurde keine zusätzliche Suche für weitere Informationen zu den Projekten durchgeführt.

Ergebnisse

Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung

Insgesamt ergab die Suche in den wissenschaftlichen Datenbanken 1568 Treffer. Nach Entfernung der Dubletten verblieben 1233 Treffer. Anhand der Ein‑/Ausschlusskriterien wurden 11 Artikel zu 5 Projekten (OUTDOOR ACTIVE – Körperliche Aktivität, Gerechtigkeit und Gesundheit: Primärprävention für gesundes Altern; Action for men; BIG – Bewegung als Investition in Gesundheit; HCSC – Healthy children in sound communities; IDEFICS – Identification and prevention of dietary- and lifestyle-induced health effects in children and infants) eingeschlossen (Tab. 1).

Tab. 1 Übersicht zu den Good-Practice-Projekten

Über die Suche mit StartPage wurden im ersten Schritt 36 Projektdatenbanken identifiziert, wovon allerdings nur 21 Datenbanken Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung beinhalteten (Onlinematerial 4).

Im zweiten Schritt wurden 470 Projekte über die Suche in den 21 Projektdatenbanken identifiziert, nach Anwendung der Ein‑/Ausschlusskriterien verblieben 237 Projekte (Abb. 1). Zwei Projekte (OUTDOOR ACTIVE und BIG) wurden sowohl über die Suche in wissenschaftlichen Datenbanken als auch über die Projektdatenbanken identifiziert, insgesamt wurden somit 240 Projekte ermittelt (Onlinematerial 5). Davon nutzen 87 Projekte (36 %) einen umweltbezogenen Ansatz und weitere 75 (31 %) setzten Angebote und Veranstaltungen im Setting Kommune um. Politik- und informationsbezogene Ansätze wurden in keinem der Projekte als einzelne Intervention umgesetzt, sondern wurden als Teil eines Mehrkomponentenansatzes berücksichtigt, welchen 78 Projekte (33 %) verfolgten. Insgesamt 119 Projekte (50 %) wurden im ländlichen Raum mit 22 Mehrkomponentenansätzen (18 %), 20 Angeboten und Veranstaltungen in der Kommune (17 %) und 77 umweltbezogenen Ansätzen (65 %) umgesetzt. Im städtischen Raum wurden 114 Projekte (47 %), davon 51 Mehrkomponentenansätze (45 %), 53 Angebote und Veranstaltungen in der Kommune (46 %) und 10 umweltbezogene Ansätze (9 %), durchgeführt. Weiterhin wurden 7 Projekte an mehreren Standorten umgesetzt. Davon wurden 3 Projekte in verschiedenen Bundesländern und 4 Projekte in Nordrhein-Westfalen sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum umgesetzt. Von diesen Projekten verfolgten 5 einen Mehrkomponentenansatz und 2 setzten Angebote und Veranstaltungen in der Kommune um.

Abb. 1
figure 1

Flussdiagramm mit den Ergebnissen der Literaturrecherche und Projektrecherche. (*Zwei Projekte wurden jeweils in beiden Recherchen identifiziert)

In Bayern wurden mit 41 Projekten (17 %) der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung die größte Anzahl an Projekten identifiziert (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Übersicht zu Projekten der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in Deutschland. (S städtischer Raum, L ländlicher Raum)

Bei 124 (52 %) von den 240 identifizierten Projekten wurden Aspekte der gesundheitlichen Chancengleichheit (z. B. soziodemografische Merkmale, Ansprache von Bevölkerungsgruppen mit sozialer Benachteiligung) berücksichtigt (Onlinematerial 5).

Good-Practice-Projekte

Es wurden 45 Projekte (19 %) mit mindestens einer Prozess- und/oder Ergebnisevaluation identifiziert, um eine Bewertung mittels der Qualitätskriterien von Messing und Rütten (2017) vornehmen zu können. Davon wurden 29 als Mehrkomponentenansätze (64 %) eingeordnet, und 16 Projekte (36 %) setzten Angebote und Veranstaltungen in der Kommune um. Die Projekte, die für die Bewertung anhand der Qualitätskriterien eingeschlossen wurden, stammen aus 5 Projektdatenbanken sowie den wissenschaftlichen Datenbanken (Onlinematerial 4).

Insgesamt erfüllten 17 Projekte (7 %) mindestens 50 % der Qualitätskriterien aus jedem der Bereiche Konzipierung, Implementierung und Evaluation. Alle identifizierten Projekte aus wissenschaftlichen Datenbanken wurden als Good-Practice eingestuft, aus den Projektdatenbanken verblieben 12. Bis auf 3 Projekte, welche Angebote und Veranstaltungen in der Kommune umsetzten, verfolgten die übrigen 14 Good-Practice-Projekte einen Mehrkomponentenansatz.

Tab. 1 gibt einen Überblick über die identifizierten Good-Practice-Projekte. Die jeweiligen Internetseiten, Projektberichte und Artikel sind für jedes Projekt im Onlinematerial (Onlinematerial 6) aufgelistet. In 6 Projekten lag der Fokus auf der Bevölkerungsgruppe der Kinder, wogegen 7 Projekte ihren Schwerpunkt auf die Bevölkerungsgruppe der älteren Erwachsenen legten. Des Weiteren fokussierten 3 Projekte jeweils Frauen in schwierigen Lebenslagen, sozial benachteiligte Jugendliche und Erwachsene sowie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Außerdem war die Kommune, d. h. Vertreter:innen aus der Verwaltung, in 11 Projekten als Projektpartner involviert. Dagegen wurden 6 Projekte mit der Kommune als Träger umgesetzt. Darüber hinaus erhielten 12 Projekte eine externe Finanzierung über Förderprogramme und 5 Projekte wurden über eine eigene Finanzierung der Kommune umgesetzt. In Nordrhein-Westfalen wurden mit 4 Projekten die meisten Good-Practice-Projekte identifiziert. Mit der Ausnahme von 2 Projekten fand die Umsetzung ausschließlich im städtischen Raum statt. Zusätzlich wurde ein weiteres Projekt nach der initialen Umsetzung im städtischen Raum verbreitet und in 8 weiteren Städten sowie an 11 Standorten im ländlichen Raum umgesetzt.

In 7 Projekten wurden Menschen in schwierigen Lebenslagen als Teil der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe benannt, allerdings wurde durch die Projektdokumentation nicht deutlich, inwiefern diese bei der Planung, Implementierung und Evaluation eingebunden wurden (Onlinematerial 7). Menschen in schwierigen Lebenslagen wurden in 2 Projekten in der Planung sowie in 5 Projekte in der Planung und in der Implementierung berücksichtigt. Davon berichten allerdings nur 4 Projekte, inwiefern Menschen in schwierigen Lebenslagen mit den Maßnahmen auch tatsächlich erreicht wurden. In 3 Projekten wurden keine Aspekte der gesundheitlichen Chancengleichheit berichtet. Aus keiner Dokumentation der eingeschlossenen Projekte ging hervor, wie Menschen in schwierigen Lebenslagen bei der Evaluation mit einbezogen wurden.

Mehr als die Hälfte der Good-Practice-Projekte (n = 9) wurde in Landkreisen oder Städten (> 50.000) mit niedriger Deprivation (GISD ≤ 3) umgesetzt; demgegenüber wurden in Landkreisen oder Städten (> 50.000) mit einer hohen Deprivation (GISD ≥ 8) 3 Projekte umgesetzt. Des Weiteren wurde das Projekt HCSC ebenfalls an einem Standort mit hoher Deprivation (GISD ≥ 8) und auch das Projekt BIG bundesweit u. a. an 8 Standorten mit niedriger Deprivation (GISD ≤ 3) und an 2 Standorten mit hoher Deprivation (GISD ≥ 8) implementiert.

Tab. 2 zeigt auf, welche Qualitätskriterien in den Good-Practice-Projekten dokumentiert wurden. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse zu den Qualitätskriterien (kursiv dargestellt) entlang der Bereiche Konzipierung, Implementierung und Evaluation narrativ berichtet.

Tab. 2 Übersicht über die Bewertung der Good-Practice-Projekte anhand von Qualitätskriterien (QK). (Nach Messing und Rütten, 2017)

Konzipierung

Über eine theoretische Fundierung des Vorgehens berichten 6 Projekte und orientierten sich z. B. am PRECEDE-PROCEED-Modell (Green & Kreuter, 2005). Davon wurden 5 Projekte in den wissenschaftlichen Datenbanken identifiziert und ein Projekt in einer Praxisdatenbank. In allen Projekten wurde die Entwicklung von verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen (Multidimensionalität) berichtet, obwohl nicht alle Projekte von Beginn die Veränderung von Verhältnissen als Zielstellung beschrieben haben. Informationen zum Kontextbezug reichten von der Berücksichtigung von Erfahrungen und Interessen der beteiligten Akteur:innen über umfangreiche Bestandsanalysen bis hin zur Integration von Maßnahmen in bereits vorhandene Strukturen (z. B. Einbindung des Projektes in den Unterricht; Gewinnung von Sportvereinen und betreuten Spielplätzen als Partner:innen). Alle eingeschlossenen Projekte erfüllten das Kriterium Zielgruppenbezug, indem dieser explizit definiert wurde. Neben den Merkmalen und Bedürfnissen der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe wurden dabei jedoch nur selten vorhandene Ressourcen der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe aufgeführt. In allen Projekten wurde mit einem Netzwerk gestartet und verschiedene Akteur:innnen in die Planung involviert (Involvierung unterschiedlicher Stakeholder), jedoch nicht immer die Ziel‑/Bevölkerungsgruppe direkt beteiligt. Auch die Ziele wurden in jedem Projekt spezifiziert (Spezifizierung der Ziele und des Zielverhaltens), in manchen Projekten sehr ausführlich mit Unterzielen, während andere Projekte ein übergreifendes Ziel formulierten. Die Beschreibungen für die differenzierte Planung, welche 14 Projekte erfüllten, bezogen sich in erster Linie auf die Festlegung und Begründung der Interventionsinhalte und -methoden, sowie eine genaue Beschreibung der Vorgehensweise. Für die Erfüllung des Kriteriums wurde dabei keine Orientierung an Planungsmodellen (z. B. Intervention Mapping (Bartholomew, Parcel, & Kok, 1998)) vorausgesetzt. Eine Spezifizierung hinsichtlich der zeitlichen Gliederung des Projektablaufs sowie der Interventionshäufigkeit, -intensität, -dauer wurde selten dokumentiert.

Implementierung

Insgesamt 15 Projekte dokumentierten eine Beteiligung von verschiedenen Akteur:innen bei der Implementierung. Ähnlich wie in dem Bereich Konzipierung umfasste dies aber nicht in allen Fällen auch die Ziel‑/Bevölkerungsgruppe. In 2 Projekten wurde keine Beteiligung verschiedener Akteur:innen bei der Implementierung berichtet, jedoch wurde deren Beteiligung bei der Konzipierung dokumentiert. Das Kriterium Befähigung und Kapazitätsentwicklung wurde von 13 Projekten erfüllt und umfasste zum einen Ausbildungen für Personen ohne Vorwissen/Erfahrungen, zum anderen wurden auch Fortbildungen für qualifiziertes Personal wie Ärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Trainer:innen und Lehrer:innen angeboten. In Bezug auf die Ressourcen, wurde hauptsächlich zu personellen und zeitlichen Ressourcen berichtet und weniger zu den benötigten Finanzen und Infrastrukturen. Dieses Qualitätskriterium wurde von 13 Projekten erfüllt. Alle Projekte nutzten Vernetzungen/Kooperationen/Partnerschaften bei der Implementierung, allerdings wurde wenig von einer arbeitsteiligen Koordinierung und Umsetzung berichtet. Für die Konsistenz und Anpassung der Maßnahmen, wurde selten die Anwendung eines systematischen Qualitätsmanagements dokumentiert, sondern basierend auf mündlichen Rückmeldungen oder Austauschtreffen wurden nach Bedarf Anpassungen vorgenommen. Dieses Kriterium erfüllten 14 Projekte. In 15 Projekten wurden Informationen zur Kommunikation im Rahmen des Projektes beschrieben. Dabei wurde hauptsächlich von der Kommunikation nach außen und weniger über die interne Kommunikation berichtet. Im Vordergrund stand hier die Öffentlichkeitsarbeit für die Akquise von Teilnehmenden. Über die initiale Umsetzung hinaus berichteten insgesamt 13 der Projekte eine nachhaltige Fortführung (Nachhaltigkeit), wobei die Dauer der Fortführung und Informationen zum aktuellen Status der Umsetzung in den gesichteten Dokumenten kaum beschrieben wurden.

Evaluation

Alle Projekte, die als Good-Practice identifiziert wurden und eine Prozess- und/oder Ergebnisevaluation durchgeführt haben, berichten positive Wirkungen auf verschiedenen Ebenen (z. B. Netzwerkstrukturen, Organisation von Angeboten, Bewegungsverhalten). Da eine Dokumentation der Prozess- und/oder Ergebnisevaluation als Voraussetzung für die Auswahl als Good-Practice-Projekt festgelegt wurde, erfüllten alle Good-Practice-Projekte das Kriterium Dokumentation und Prozessevaluation. Dabei wiesen jedoch die Projekte vor allem hinsichtlich des Umfangs der Dokumentation große Unterschiede auf. Während Projekte aus den wissenschaftlichen Datenbanken über „peer-reviewed“ Artikel verfügten, wurden einige Projekte aus den Projektdatenbanken, die über ein externes Förderprogramm finanziert wurden, über Zwischen- und Abschlussberichte umfangreich dokumentiert. Andere Projekte aus den Projektdatenbanken berichteten dagegen nur über einen kurzen Eintrag auf einer Homepage über das Projekt. Der Prozess wurde meistens sehr niedrigschwellig durch z. B. gemeinsame Reflexionen, Fragebögen, moderierte Feedbackrunden oder Blitzbefragungen evaluiert. Nur ein geringer Anteil der Projekte wies eine sehr umfangreiche Prozessevaluation (z. B. Hindernisse, Förderfaktoren, intersektorale Zusammenarbeit) auf oder beauftragte auch externe Partner:innen. Die Evaluation und erfolgreiche Erreichung der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe wurde von 16 Projekten dokumentiert. Dabei wurden vor allem pragmatische Methoden wie Teilnehmendenzahlen, differenziert nach Alter, Geschlecht oder Migrationshintergrund, genutzt. Insgesamt 12 Projekte beschreiben eine Ergebnisevaluation, gingen dabei aber weniger auf gesundheits- und verhaltensbezogene Wirkungen ein, sondern berichteten zu veränderten Netzwerkstrukturen und neuen Angeboten bzw. einer veränderten Organisation von Angeboten. Für keines der Projekte wurde eine Kosten-Nutzen-Evaluation dokumentiert.

Diskussion

Ein zentrales Ziel dieses Reviews war es, eine Übersicht zu Projekten der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in Deutschland unter Berücksichtigung der NEBB darzustellen. Das zweite Ziel war es Good-Practice-Projekte anhand von Qualitätskriterien zu identifizieren und damit einen Orientierungsrahmen für die Umsetzung und Verbreitung kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung in Deutschland zu geben.

Insgesamt wurden 240 Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung ermittelt, wovon 17 als Good-Practice-Projekte identifiziert werden konnten. Ein zentrales Ergebnis war es, dass im ländlichen Raum vor allem umweltbezogene Maßnahmen umgesetzt werden. Dagegen werden im städtischen Raum vermehrt Mehrkomponentenansätze sowie Angebote und Veranstaltungen in der Kommune umgesetzt.

Von den 17 Good-Practice-Projekten wurden nur 2 Projekte in Städten (> 50.000) mit einer hohen Deprivation (GISD ≥ 8) umgesetzt. Weiterhin befinden sich 3 Standorte von den beiden Projekten BIG und HCSC, in einer Stadt und 2 Landkreisen mit einer hohen Deprivation (GISD ≥ 8). Insgesamt wurden nur 2 Good-Practice-Projekte im ländlichen Raum bzw. ein weiteres Projekt im städtischen und ländlichen Raum umgesetzt. Darüber hinaus wurde die gesundheitliche Chancengleichheit bei vielen der Projekte nicht ausreichend berücksichtigt und Menschen in schwierigen Lebenslagen nicht im gesamten Projektzyklus beteiligt.

Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung

Die verschiedenen Ansätze der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung adressieren mit 36 % umweltbezogene Ansätze, 31 % Angebote und Veranstaltungen in der Kommune und 33 % Mehrkomponentenansätze bezogen auf die Gesamtzahl der Projekte. Somit verfolgt ein Großteil der Projekte Ansätze der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung, die auch in den NEBB (Rütten & Pfeifer, 2016) empfohlen werden. Demnach sind vor allem gemeindebezogene Mehrkomponentenansätze zur nachhaltigen und chancengerechten Bewegungsförderung empfehlenswert, die wirksame Einzelkomponenten und deren Wechselwirkungen nutzen, darüber hinaus strukturelle und kontextbezogene Angebote zur Bewegungsförderung integrieren und von Anfang an die Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit adressieren (Rütten & Pfeifer, 2016). Vor diesem Hintergrund wurde in der bestehenden Dokumentation der Projekte allerdings oft nicht deutlich, inwiefern Einzelkomponenten additiv kombiniert oder deren Wechselwirkungen integrativ genutzt wurden.

Weiterhin nennt etwas mehr als die Hälfte der Projekte (n = 124) Aspekte der gesundheitlichen Chancengleichheit bzw. eine Ausrichtung auf Bevölkerungsgruppen einschließlich von Personen in schwierigen Lebenslagen. Allerdings geht aus der Dokumentation oftmals nicht hervor, wie Zugangswege speziell zu Personen in schwierigen Lebenslagen berücksichtigt wurden. Das Prinzip des „proportionate universalism“ beschreibt, dass universelle und dem Grad der Bedürftigkeit angemessene Maßnahmen notwendig sind, um eine Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit zu erreichen (Francis-Oliviero et al., 2020). Es ist somit nicht ausreichend Menschen in schwierigen Lebenslagen nur als Teil der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe zu benennen, sondern Zugangswege müssen gezielt gesucht und eine aktive Beteiligung dieser Menschen muss ermöglicht werden. Auch in den NEBB (Rütten & Pfeifer, 2016) wird darauf hingewiesen, dass Ansätze der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung ein hohes Potenzial für die Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit aufweisen, wenn sie sich an die gesamte Bevölkerung richten und dabei spezifische Zugangswege zu Menschen in schwierigen Lebenslagen berücksichtigen. Dabei sollten unterschiedliche Akteur:innen einschließlich Menschen in schwierigen Lebenslagen an der Konzeption, Implementierung und Evaluation beteiligt werden. Jedoch wurde nur selten eine aktive Berücksichtigung bzw. Beteiligung von Menschen in schwierigen Lebenslagen, über die Bedarfsanalyse (v. a. Befragungen und Interviews) hinaus, bei der Planung und Umsetzung von Projekten dokumentiert. Auch Henn et al. (2017) berichteten, dass nur wenige Projekte die Ziel‑/Bevölkerungsgruppe aktiv in die Gestaltung des Interventionsprogrammes mit einbeziehen.

Bei einer separaten Betrachtung des ländlichen Raums fällt auf, dass 64 % der identifizierten Projekte einen umweltbezogenen Ansatz verfolgen. Ein Großteil dieser Projekte adressiert die Erneuerung bzw. den Ausbau von Spiel- und Bewegungsplätzen und die Erschließung von Wanderwegen. Ein Grund für die hohe Anzahl solcher Projekte kann ein erhöhter Bedarf im ländlichen Raum sein. Ein weiterer möglicher Grund könnte sein, dass solche Projekte die Attraktivität einer Kommune verbessern können und damit eine höhere Motivation bei kommunalen Akteur:innen, einschließlich politischer Entscheidungsträger:innen besteht, diese umzusetzen. Möglich ist auch, dass die Verfügbarkeit von Förderprogrammen zur Umsetzung von umweltbezogenen Projekten im ländlichen Raum beigetragen hat, so wurden z. B. viele dieser Projekte über eine LEADER-Förderung mitfinanziert. Weiterhin wurden zahlreiche umweltbezogene Projekte im ländlichen Raum über die in der Suche eingeschlossene Website www.netzwerk-laendlicher-raum.de identifiziert, die einen Fokus auf Projekte der ländlichen Entwicklung legt. Insgesamt deutet sich an, dass bei der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung im ländlichen Raum Optimierungspotenzial im Hinblick auf eine Kombination von umweltbezogenen Ansätzen mit weiteren wirksamen Einzelkomponenten (z. B. politikbezogenen Ansätzen) und in der Umsetzung von gemeindebezogenen Mehrkomponentenansätzen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Chancengleichheit (Rütten & Pfeifer, 2016) vorliegt.

Weiterhin unterscheiden sich die Projekte in ihrer Dokumentation und den berichteten Informationen zu den Qualitätskriterien. Bei einem Großteil der Projekte wurde keine Prozess- und/oder Ergebnisevaluation dokumentiert, daher konnten nur 45 Projekte für die Bewertung anhand der Qualitätskriterien eingeschlossen werden. Bei extern finanzierten Projekten erschwert eine zeitliche Begrenzung der Förderzeiträume oftmals eine entsprechende Evaluation. Außerdem stellt die Evaluation von Mehrkomponentenansätzen, die ein Drittel der identifizierten Projekte umfassen, eine Herausforderung sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch im Hinblick auf finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen dar. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich diese Ansätze oft durch eine hohe Komplexität aufgrund einer Vielzahl interagierender Komponenten auszeichnen, die in Kommunen umgesetzt werden, die wiederum selbst ein komplexes, dynamisches System darstellen (Hawe, 2015; Kavanagh, Shiell, Hawe, & Garvey, 2020; Shiell, Hawe, & Gold, 2008). Während sich in der evidenzbasierten Medizin randomisiert-kontrollierte Studien als Goldstandard etabliert haben, gibt es bisher keinen Goldstandard für die Evaluation komplexer bevölkerungsbezogener Ansätze mit Fokus auf Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit in komplexen Systemen (Francis-Oliviero et al., 2020). Von den 45 bewerteten Projekten konnten nur 17 Projekte als Good-Practice-Projekte ausgewählt werden, da auch hier bei vielen Projekten eine fehlende Dokumentation von Qualitätskriterien in der Evaluation vorlag.

Good-Practice-Projekte

Während Projekte, die in wissenschaftlichen Datenbanken (n = 5) identifiziert wurden, alle mindestens die Hälfte der Qualitätskriterien erfüllten, wiesen nur 12 Projekte, die in Projektdatenbanken identifiziert wurden, eine entsprechende Dokumentation von mindestens der Hälfte der Qualitätskriterien auf. Von den insgesamt 17 Good-Practice-Projekten berichteten nur wenige von einer theoretischen Fundierung und keines der Projekte von einer Kosten-Nutzen-Evaluation.

Nur 2 Projekte und 3 Standorte der Projekte BIG und HCSC wurden in Kommunen mit einer hohen Deprivation (GISD ≥ 8) umgesetzt. Dies verdeutlicht, dass ein erhöhter Bedarf für die Umsetzung von Good-Practice-Projekten für bewegungsbezogene Gesundheitsförderung in deprivierten Kommunen mit Fokus auf Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit vorliegt. Weiterhin werden nur 2 Projekte im ländlichen Raum bzw. ein weiteres Projekt im städtischen und ländlichen Raum umgesetzt, welche alle über die wissenschaftlichen Datenbanken identifiziert wurden. Somit wurden alle aus den Projektdatenbanken identifizierten Good-Practice-Projekte im städtischen Raum implementiert. Insgesamt verdeutlicht dies den Bedarf für die Umsetzung von Ansätzen der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung im ländlichen Raum, die entsprechende Qualitätskriterien erfüllen. Auch Rind, Reime, und Weidmann (2017) berichten, dass Best-Practice-Interventionen für den ländlichen Raum in der Literatur kaum zu finden sind, insbesondere wenn es um einen Fokus auf vulnerable Bevölkerungsgruppen geht.

Innerhalb der 17 identifizierten Good-Practice-Projekte wurde die Berücksichtigung der gesundheitlichen Chancengleichheit sehr heterogen dokumentiert. Partizipation gilt als wichtige Voraussetzung für gesundheitlich Chancengleichheit, wird aber in vielen der Good-Practice-Projekte nicht systematisch über den gesamten Prozess in der Konzipierung, Implementierung und Evaluation berücksichtigt. Nur wenige Projekte nehmen neben den Bedarfen und Defiziten der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe, auch die Stärken und Ressourcen (sog. Aktivposten) der Ziel‑/Bevölkerungsgruppe bzw. von Menschen in schwierigen Lebenslagen in den Blick (Morgan, Davies, & Ziglio, 2010; Rütten, Abu-Omar, Seidenstücker, & Mayer, 2010). Durch die Anerkennung von Ziel‑/Bevölkerungsgruppen in schwierigen Lebenslagen als Lebensweltexpert:innen erfolgt die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit allen Beteiligten (Wright, 2021). Eine gleichberechtigte Partizipation in Entscheidungsprozessen entspricht damit auch dem in der Gesundheitsförderung zentralen Empowerment-Ansatz (Rütten, Röger, Abu-Omar, & Frahsa, 2008). Zudem orientiert sich so die Planung und Gestaltung von Projekten an den Bedarfen der Akteur:innen, und es werden kontextbezogene und bedürfnisgerechte Anpassungen von Interventionen/Ansätzen ermöglicht (Bär & Schäfer, 2016; Rütten et al., 2019).

Partizipative Ansätze schließen idealerweise verschiedene Akteursgruppen aus kommunaler Praxis, einschließlich von Bürger:innen mit und ohne soziale Benachteiligung, sowie Politik und Wissenschaft ein (Bär et al., 2021; Kohler et al., 2021; Wright, 2021). Für eine erfolgreiche Umsetzung kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung ist zudem eine intersektorale Zusammenarbeit in der Kommune zentral (Rütten & Pfeifer, 2016). Von der Einbindung verschiedener Sektoren und Institutionen, über den Aufbau von Kooperationen bis hin zur Bildung von Netzwerken werden unterschiedliche Formate der intersektoralen Zusammenarbeit in allen Good-Practice-Projekten als ein Element des Projektes dokumentiert. Dabei zeigt sich, dass eine Vernetzung und eine langfristige Zusammenarbeit von kommunalen Akteur:innen, z. B. an Runden Tischen, sehr zeit- und arbeitsintensiv sein und daher nicht immer fortgeführt werden kann (Quilling, Nicolini, Graf & Starke, 2013). Sofern jedoch die Einrichtung und Zusammenarbeit von intersektoral zusammengesetzten Steuerungs- bzw. Planungsgruppen unter Beteiligung von Bürger:innen gelingt, bildet dies die Grundlage für die Etablierung von langfristigen Netzwerkstrukturen, welche wiederum eine nachhaltige Umsetzung von kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung mit Fokus auf Verbesserung von gesundheitlicher Chancengleichheit ermöglichen (Rütten, Frahsa, Rosenhäger, & Wolff, 2015).

Die Umsetzung von Ansätzen der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung, die entsprechende Qualitätskriterien berücksichtigen, setzt u. a. ausreichend zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen voraus (Rütten & Pfeifer, 2016). Der Finanzierung von Good-Practice-Projekten liegt überwiegend eine Reihe von Förderprogrammen unterschiedlicher Fördergeldgeber auf Ebene von Bund, Land und Kommunen zugrunde. Die Mehrzahl wurde zunächst durch Förderprogramme auf Bundesebene finanziert, während nur ein geringer Teil durch eine Kommune finanziert wurde. Auf kommunaler Ebene ist bewegungsbezogene Gesundheitsförderung keine Pflichtaufgabe nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG (Schmidt-Eichstaedt, Weyrauch, & Zemke, 2019), und Kommunen können auf Basis des Selbstverwaltungsrechts und des zur Verfügung stehenden Haushaltes jeweils über die (weitere) Umsetzung entscheiden. Dies kann einer langfristigen Verankerung entgegenstehen und stellt insbesondere für deprivierte Kommunen, die über geringere Haushaltsmittel verfügen, eine Herausforderung dar. In deprivierten Kommunen wurden 2 von 17 Good-Practice-Projekten durchgeführt bzw. befinden sich drei Standorte der Projekte BIG und HCSC in deprivierten Kommunen. Das deutet darauf hin, dass in der Förderpraxis, die den 17 Good-Practice-Projekten zugrunde liegt, Optimierungspotenzial im Hinblick auf die Umsetzung in deprivierten Kommunen und damit auf die Verbesserung gesundheitlicher Chancengleichheit besteht. Vielen Förderprogrammen ist zudem gemeinsam, dass sie zeitlich befristet sind, welches insgesamt eine Verstetigung kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung erschwert. Ebenso geht aus der Dokumentation von Good-Practice-Projekten oft nicht explizit hervor, ob und wie Förderprogramme unterschiedlicher Träger, mit jeweils eigenen Zielstellungen, Zeitdauern, Rahmenbedingungen, Fördersummen, miteinander kombiniert und zur Sicherung einer langfristigen Finanzierung aufeinander abgestimmt wurden bzw. werden können. Zu der Frage wie eine optimale Finanzierung und Ausrichtung von Fördermechanismen zur Sicherung planbarer Ressourcen für eine nachhaltige, effektive und chancengerechte Umsetzung kommunaler bewegungsbezogener Gesundheitsförderung in Deutschland gestaltet sein muss, fehlen wissenschaftlich und praxisnah fundierte Erkenntnisse. Vielversprechend erscheinen Finanzierungsmodelle, die ein breites Verständnis erforderlicher Ressourcen (z. B. sozial, finanziell, zeitlich) zur Stärkung von Kapazitäten in einer Kommune für einen langfristigen Veränderungsprozess berücksichtigen, die soziale Beziehungen als zentral für die Sicherung der Verfügbarkeit und Verwaltung von Ressourcen in Kommunen anerkennen und die die dynamische Entwicklung von Kommunen als komplexe Systeme unterstützen (Hawe, 2015; Kavanagh et al., 2020).

Insbesondere die Verabschiedung des Präventionsgesetztes im Jahr 2015 und entsprechende Förderprogramme des GKV-Bündnis für Gesundheit (Hupfeld & Wiegand, 2020) könnten dazu geführt haben, dass weitere Ansätze der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung initiiert werden bzw. wurden, wobei eine Evaluation dieser Projekte in vielen Fällen noch aussteht und daher in diesem Beitrag nicht berücksichtigt wurden. So verfolgt zum Beispiel das Projekt KOMBINE (Semrau et al., 2019) seit 2018 die modellhafte Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines Konzepts zur Umsetzung der NEBB im kommunalen Kontext und legt dabei insbesondere einen Fokus auf den Aufbau von nachhaltigen Strukturen und die Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit.

Bei der Entscheidung einer Kommune zur Umsetzung von Ansätzen der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung, einschließlich der Verbreitung von Good-Practice-Projekten sowie der Entwicklung langfristiger Finanzierungsmodelle, können die Qualitätskriterien eine gute Orientierung bieten. Jedoch erfüllten von den 240 Projekten der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung nur 17 Projekte ausreichend Qualitätskriterien auf Basis der definierten Festlegung, dass mindestens 50 % der Qualitätskriterien aus jedem der Bereiche erfüllt sein müssen, um als Good-Practice-Projekt ausgewählt zu werden. Daher stellt sich die Frage, wie viele und welche der 18 Qualitätskriterien mindestens erfüllt sein müssen, um als Good-Practice-Projekt zu gelten. Weiterhin kann es aufgrund der häufig begrenzten Ressourcen und Anforderungen, zeitnah Ergebnisse vorweisen zu können, schwierig sein, alle genannten Qualitätskriterien zu adressieren und in ihrer Vielzahl und Differenziertheit zu erfüllen (Henn et al., 2017). Zudem werden die Qualitätskriterien zwar differenziert beschrieben, bieten aber Interpretationsspielraum dafür, ab wann ein Kriterium als erfüllt gilt. Beispielhaft sei hier der Kontextbezug genannt, der von den meisten Projekten berichtet, aber innerhalb der Projekte unterschiedlich adressiert wurde. Dies erschwert eine dichotome „Ja“- oder „Nein“-Bewertung als Grundlage für die Erfüllung von Qualitätskriterien. Hier erscheint eine stufenbasierte Bewertung geeigneter. Um die verschiedenen Unterpunkte der Qualitätskriterien zu berücksichtigen, wäre eine Bewertung anhand von mindestens 3 Stufen („nicht erfüllt“, „teilweise erfüllt“, „erfüllt“) sinnvoll. Da die Auswahl und Bewertung der Good-Practice-Projekte anhand der Qualitätskriterien auf Basis der Dokumentation der Projekte erfolgte, setzt dies eine gute Dokumentation der Projekte voraus. Diese erwies sich jedoch insbesondere bei Projekten aus den Projektdatenbanken als sehr heterogen. Insgesamt könnte ein von Wissenschaft, Praxis und Politik gemeinsam verabschiedeter Standard zur Anwendung von Qualitätskriterien und der Auswahl als Good-Practice-Projekt einen Mehrwert für die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung in Deutschland bieten. Hierfür wäre es wünschenswert, dass sich die verschiedenen Akteur:innen, welche Qualitätskriterien entwickelt haben, intensiver vernetzen, Synergien schaffen und gemeinsame Empfehlungen konsentieren. Damit verbunden wäre zugleich die Möglichkeit, auf Basis von Qualitätskriterien Projekte einheitlich zu dokumentieren, was u. a. die Transparenz, Umsetzung und Verbreitung guter Praxis der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung unterstützen würde. In diesem Rahmen bieten die Qualitätskriterien von Messing und Rütten, die wissenschaftlich basiert sind und zugleich die von Public Health Institutionen empfohlenen Qualitätskriterien berücksichtigen, eine fundierte Grundlage.

Limitationen und Stärken

Die entwickelte Suchstrategie innerhalb der wissenschaftlichen Datenbanken zur Identifikation von wissenschaftsbasierten Projekten war nicht passgenau auf die Projektdatenbanken zur Identifikation von praxisbasierten Projekten übertragbar, da jede Projektdatenbank unterschiedliche Filter und Suchmasken nutzt. Es ist also möglich, dass Projekte in Projektdatenbanken, die andere Schlagworte als die eingegebenen Suchbegriffe nutzen, nicht identifiziert werden konnten. Weiterhin werden Webseiten regelmäßig aktualisiert, was die Analyse der Dokumentation von Projekten erschwert, da sich die Verlinkungen der Projekte ändern bzw. teilweise auch gelöscht werden. Aufgrund fehlender Angaben war zudem bei vielen Datenbankeinträgen unklar, ob es sich um Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung mit Beteiligung der Verwaltung handelt, welches als Einschlusskriterium definiert wurde. Aber auch die eingeschlossenen Projekte weisen teilweise große Unterschiede hinsichtlich der dokumentierten Informationen auf. Für die Bewertung der Projekte wurden die jeweils identifizierte Website mit direkten Verweisen berücksichtigt und keine zusätzliche Suche zu weiteren Informationen des Projektes durchgeführt. Eine fehlende Dokumentation kann auch dazu führen, dass Qualitätskriterien als nicht erfüllt bewertet wurden, obwohl diese möglicherweise während der Projektphase adressiert, jedoch nicht dokumentiert wurden. Bei der Bewertung anhand der Qualitätskriterien war es aufgrund des Interpretationsspielraums zum Teil schwierig, sich auf ein einheitliches Verständnis für die Erfüllung eines Kriteriums zu verständigen. Dem wurde dadurch entgegengewirkt, dass bei Unstimmigkeiten ein dritter Autor zum Bewertungsprozess hinzugezogen wurde. Eine weitere Limitation ist die Anwendung der Qualitätskriterien auf solche Mehrkomponentenansätze, die sehr heterogene Komponenten hinsichtlich Planung, Umsetzung und Evaluationen beinhalten und daher eine einheitliche Bewertung des Gesamtvorhabens erschweren. Außerdem wurden aufgrund der Festlegung, dass auch in der Evaluation mindestens 2 Qualitätskriterien erfüllt werden müssen, einige vielversprechende Projekte ausgeschlossen, die erst innerhalb der letzten Jahre initiiert wurden und damit die Evaluation noch aussteht.

Eine Stärke dieses Reviews ist die umfangreiche Suchstrategie, die neben wissenschaftlichen Datenbanken auch Praxisdatenbanken, welche über eine systematische Suche identifiziert wurden, berücksichtigte. Da zunächst alle identifizierten Projekte auch ohne eine Dokumentation der Prozess- und/oder Ergebnisevaluation eingeschlossen wurden, konnte eine umfassende Übersicht zur kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung gegeben werden. Weiterhin wird durch die Anwendung der Qualitätskriterien von Messing und Rütten (2017) die Bedeutung von Qualitätskriterien für die verschiedenen Phasen der Konzipierung, Implementierung und Evaluation beachtet.

Fazit

Um Good-Practice-Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung zu identifizieren und auch verbreiten zu können, ist eine einheitliche Definition für die Bezeichnung als Good-Practice-Projekt und eine entsprechende Dokumentation anhand konzertierter Qualitätskriterien grundlegend. Optimierungspotenzial besteht bei der Mehrzahl der Projekte, einschließlich einiger Good-Practice-Projekte, hinsichtlich der Adressierung von gesundheitlicher Chancengleichheit und einer aktiven Beteiligung von Menschen in schwierigen Lebenslagen über den gesamten Projektzyklus. Dafür sollte in der Projektplanung ausreichend Zeit eingeräumt werden, um zunächst möglichst wohnortnah über z. B. Türöffner:innen Menschen in schwierigen Lebenslagen für eine Beteiligung zu gewinnen. Diese Beteiligung sollte dann über Befragungen oder Interviews hinausgehen und auch die Ressourcen, die diese Menschen mitbringen, berücksichtigen, um eine gleichberechtigte Beteiligung durch Anerkennung als Lebensweltexpert:innen über den gesamten Prozess zu ermöglichen. Weiterhin besteht Optimierungspotenzial auch im Hinblick auf die Umsetzung und Verbreitung von Mehrkomponentenansätzen, die wirksame Einzelkomponenten integrieren. Dies erfordert u. a. die intersektorale Zusammenarbeit zwischen Bund, Land und Kommunen sowie auch verschiedenen Sektoren (z. B. Sport, Soziales und Gesundheit), um Synergien zu nutzen und wirksame Ansätze, insbesondere strukturelle Komponenten (umwelt- und politikbezogen) sowie kontextbezogene Bewegungsangebote, miteinander zu vernetzen. Zudem bedarf es entsprechender Förderprogramme und -strukturen, die strukturbildende Good-Practice-Projekte der kommunalen bewegungsbezogenen Gesundheitsförderung ermöglichen und insbesondere auch deprivierte Kommunen erreichen.