Einleitung und Relevanz

Schüler*innen weisen im Sportunterricht verschiedene Eigenschaften und Voraussetzungen auf, welche sich z. B. in Bezug auf ihre sportbezogenen Vorerfahrungen, ihre körperliche Leistungsfähigkeit, ihre Bewegungsinteressen, aber auch allgemein im Hinblick auf ihre Herkunftskultur, ihr Geschlecht oder ihre Förderbedarfe zeigen. Um Schüler*innen, ihr Lernverhalten und ihre Leistungen zu beschreiben, nehmen Lehrkräfte Unterscheidungen vor. Sie differenzieren ihre Schüler*innen anhand von Kategorien, die sie spezifisch für den Kontext des Sportunterrichts oder allgemein für das Lernen im Kontext von Schule als relevant erachten (Trautmann & Wischer, 2011). Dabei können auch soziale Zuschreibungsprozesse und Stereotypisierungen eine Rolle spielen und zu Unterscheidungen von Schüler*innen führen, die ihre Chancen auf Inklusion und Teilhabe im Schulsport beeinflussen (Tiemann, 2016). Das Ziel der vorliegenden Studie war es somit, mehr darüber zu erfahren, welche Unterschiede Sportlehrkräfte zwischen Schüler*innen wahrnehmen und welche dieser Unterscheidungen sie als relevant für den Sportunterricht erachten. In der pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Forschung zum Sport fehlt bislang eine solche systematische Übersicht dazu, welche Unterschiede von Schüler*innen aus Sicht von Sportlehrkräften von Bedeutung sind. Dabei scheint es notwendig, einen Überblick spezifisch für das Fach Sport zu erarbeiten, da davon auszugehen ist, dass der Sportunterricht im Vergleich mit anderen Schulfächern durch seine spezifischen Charakteristika besondere Wahrnehmungen von Unterschieden zwischen den Schüler*innen begünstigen kann: Denn erstens bestehen fachimmanente Besonderheiten in der körperlichen Exponiertheit, der Bewegung sowie den spezifischen Lernorten mit bewegungs- und handlungsorientierten Lern- und Interaktionsformen. Zweitens existiert mit dem außerschulischen Sportsystem ein Referenzsystem zum Schulfach, das die wahrgenommenen Unterschiede der Vorerfahrungen von Schüler*innen vergrößern kann. Drittens erfolgt im Bildungssystem eine differenzierende Homogenisierung in verschiedene Schulformen der Sekundarstufe (u. a. Haupt‑, Realschule, Gymnasium) zuvorderst nach den kognitiven Leistungen der Schüler*innen, während körperliche oder motorische Kompetenzen für die Zuordnung kaum ausschlaggebend sind. Folglich ist eine größere Heterogenität zumindest in diesen Aspekten für das Schulfach Sport wahrscheinlich.

Somit stellen sich für den Sportunterricht in besonderer Weise die Fragen, welche Differenzen der Schüler*innen von Sportlehrkräften im Sportunterricht wahrgenommen werden und welche Bedeutung sie diesen Unterschieden beimessen. Um Antworten auf diese Fragen zu generieren, wird zunächst der theoretische Hintergrund aufgespannt und auf Basis eines systematischen Überblicks der vorhandenen Forschungsliteratur ein Strukturierungsvorschlag entwickelt, der sodann mit Hilfe einer quantitativen Fragebogenstudie mit Sportlehrkräften empirisch angereichert wird.

Begriffliche Einordnung und theoretischer Hintergrund

Wenn in den letzten Jahren die Heterogenität der Schüler*innen sowie ihre Differenzen im wissenschaftlichen Diskurs beschrieben werden, so geschieht dies überwiegend vor dem Hintergrund einer zunehmend vielfältig gewordenen Gesellschaft und den damit verbundenen Forderungen nach schulischer Inklusion. In Anlehnung an Boban und Hinz (2009) verfolgt Inklusion dabei das Ziel, die Angebote und Strukturen der Schule so zu gestalten, dass sich jede*r individuell einbringen kann sowie gefördert wird und somit eine gleichberechtigte Teilhabe aller gewährleistet wird. Die zunehmende Forderung von Inklusion im Kontext der Schule ist eine Konsequenz der Erkenntnis, dass die unterschiedlichen Voraussetzungen von Schüler*innen (z. B. aufgrund der familiären Sozialisation, des Bildungshintergrunds der Eltern), aber auch die ihnen zugeschriebenen Unterschiede (z. B. „als Zugewanderte“, „als Behinderte“) für ihren Bildungserfolg relevant sind, und es der Schule noch nicht genügend gelingt, allen Schüler*innen eine angemessene, individualisierte und diskriminierungsfreie Förderung zukommen zu lassen.

Die von Lehrkräften wahrgenommenen Unterschiede von Schüler*innen bzw. die Unterscheidungen, die Lehrkräfte zwischen ihren Schüler*innen vornehmen, können – vor allem, wenn sie in Stereotype und Vorurteile umschlagen – somit entscheidend für den Bildungserfolg der Lernenden sein (Solga & Dombrowski, 2009). Von Lehrkräften vorgenommene Unterscheidungen dienen einerseits der Diagnostik von Lern- und Leistungsunterschieden der Schüler*innen und können hier relevante Ansatzpunkte für die Förderung der Schüler*innen sein; sie können aber auch auf sozialen Zuschreibungsprozessen und stereotypen Kategorisierungen basieren.

In sportpädagogischen Diskursen werden Unterschiede zwischen Schüler*innen je nach theoretischem Bezugsrahmen mit verschiedenen Begriffen beschrieben, z. B. als „Differenzen“ (Frohn, 2019), „Differenzlinien“ (Block, Giese, & Ruin, 2017, S. 233), „Kategorien“ (Frohn, 2020; Hunger, Radtke, & Tiemann, 2016, S. 7), „Differenzkategorien“ (Haegele, Giese, Wilson, & Oldörp, 2020) und „Heterogenitätsdimensionen“ (Grimminger-Seidensticker & Burrmann, 2017; Tiemann & Radtke, 2017). Inwiefern sich die Begriffe im Detail voneinander unterscheiden und warum welcher Begriff im Einzelnen verwendet wird, ist dabei nicht immer unmittelbar ersichtlich. Als gemeinsamer Kern der Konzepte kann jedoch konstatiert werden, dass es sich hierbei um Unterschiede von Schüler*innen handelt, die für ihre Teilhabe und Inklusion im Schulsport relevant sind.

Darüber hinaus systematisieren Ruin, Tiemann, und Giese (2019) die Konzepte in verschiedene Perspektiven: eine erziehungswissenschaftliche Orientierung (u. a. Frohn, Buhren), eine Orientierung an Konzepten der Adapted Physical Activity/Education (APA/APE; u. a. Doll-Tepper), eine Orientierung an sonderpädagogischen Wissensbeständen (u. a. Giese) und die Perspektive der Dekategorisierung (u. a. Tiemann). Für die beiden letztgenannten Perspektiven stellt Tiemann (2018) heraus, dass der sonderpädagogische Strang in Publikationen einzelne Förderschwerpunkte herausgreife und den praxisorientierten Umgang damit erläutere, hingegen Ansätze der Dekategorisierung von einer Vielfalt der Schüler*innen ausgingen, „ohne die Kategorie des sonderpädagogischen Förderbedarfs als ausschließliche Bezugsgröße in den Mittelpunkt zu rücken“ (S. 19). Dies korrespondiert mit dem fachübergreifenden Diskurs, bei dem in einem eher engen Begriffsverständnis von „Inklusion“ die gleichberechtigte Teilhabe von Schüler*innen mit Behinderungen (oder Förderbedarfen) in Regelschulen assoziiert wird. In einem weiten und hier zugrunde gelegten Verständnis von Inklusion hingegen richtet sich dieser Anspruch nicht nur auf Schüler*innen mit Förderbedarf, sondern auf alle Schüler*innen und ihre unterschiedlichen Voraussetzungen (z. B. hinsichtlich körperlicher Konstitution, kulturellem Hintergrund, sozioökonomischen Verhältnissen oder Geschlecht).

Aus epistemologischer Perspektive könnten solche Unterschiede zwischen Schüler*innen als objektiv existierende Tatsachen beschrieben werden, die sozial- und geisteswissenschaftliche Sicht legt hingegen die konstruktivistische Perspektive an, die den Fokus auf subjektive Wahrnehmungen von Unterschieden legt und dadurch Konstruktionsmechanismen von Differenzen berücksichtigt. Sozialwissenschaftliche Forschung zu Wahrnehmungen folgt daher oftmals dem Paradigma des Konstruktivismus (Übersicht z. B. bei Pörksen, 2011). Demzufolge gibt es keine neutrale Beobachtung und entsprechend auch „nicht die einzige wahre Beschreibung der Wirklichkeit“ (Putnam, 1993, S. 254). Vielmehr konstituieren Subjekte individuell ihre wahrgenommene Wirklichkeit. Zum Beispiel sind Schüler*innen mit Rollstühlen für den einen Sportlehrer ggf. ein „schwieriges Problem“, während sie von einer anderen Sportlehrerin als „positive Herausforderung“ wahrgenommen werden. Zur Rolle des Subjekts postulieren Konstruktivist*innen generell die Relativität von Wahrheitsbehauptungen in Abhängigkeit vom sie konstruierenden Menschen. Der Wahrheitsgrad einer Wahrnehmung kann demnach nicht objektiv bestimmt werden, da u. a. Einstellungen, Vorerfahrungen, Erwartungen und Wertungen des Erkenntnissubjekts mitschwingen (Habermas, 1968).

In der sportpädagogischen Forschung zu Inklusion und Heterogenität lag ein Schwerpunkt bisher auf den Einstellungen von Lehrkräften (u. a. Braksiek, Gröben, Rischke, & Heim, 2019; Hutzler, Meier, & Reuker, 2017; Rischke, Heim, & Gröben, 2017). Dabei sind Einstellungen eng mit Wahrnehmungen verbunden, denn die „subjektive Wahrnehmung wird (…) stark von persönlichen Einstellungen, Erfahrungen und Vor-Urteilen beeinflusst“ (Kulbe, 2009, S. 74). Wahrnehmungen sind demnach u. a. geprägt von zugrundeliegenden subjektiven Einstellungen (Baumert & Kunter, 2006, S. 499), die sich in Verbalisierungen spiegeln können. Für die mit Wahrnehmungen einhergehenden Kategorisierungen und Wertungen von Unterschieden ist die dargelegte konstruktivistisch-erkenntnistheoretische Perspektive besonders bedeutsam und wird z. B. in theoretischen Konzepten des „Othering“ betont. Spivak (1985) versteht darunter Kategorisierungsprozesse, bei denen das ‚Eigene‘ als selbstverständlich und übergeordnet wahrgenommen wird und das ‚Andere‘ als Abweichung von der Norm herabgesetzt wird. Solche „Othering-Prozesse“ durch Sportlehrkräfte wurden z. B. bereits hinsichtlich Schülerinnen mit Fluchterfahrungen untersucht (Bartsch, Hartmann-Tews, Wagner, & Rulofs, 2019). Durch die (abwertende) Abgrenzung von einer gesetzten Norm werden demnach Unterschiede zwischen Schüler*innen erst konstruiert, verfestigt oder verallgemeinert. Ähnlich argumentieren theoretische Konzepte der Disability-Studies im Kontext der Inklusion von Schüler*innen mit Behinderung. Demnach ist Behinderung nicht als abweichende Differenz zur Normalität zu verstehen, sondern als ein Produkt sozialer und kultureller Verhältnisse, die Behinderung erst entstehen lassen, konstruieren, und somit Individuen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten einschränken (Shogan, 1998). Das Wahrnehmen von Unterschieden zwischen Schüler*innen kann also via Normalitätsanspruch und defizitärer Abweichungszuschreibung Einfluss auf soziale Chancen haben, zudem über die Verteilung von Ressourcen und die Zuschreibung sozialer Positionen mitentscheiden und somit bedeutsame soziale Ungleichheiten konstituieren.

Forschungsstand und Systematisierung

Um einen Überblick darüber zu erhalten, wie Lehrkräfte zu Unterscheidungen von Schüler*innen im Rahmen des Sportunterrichts an Schulen gelangen, wurde Forschungsliteratur im Bereich der Erziehungswissenschaften, der Soziologie, der sportbezogenen Diversitätsforschung und der Sportpädagogik herangezogen.

In der allgemeinen Erziehungswissenschaft wird in Bezug auf den Differenzbegriff häufig auf ein Modell von Lutz und Wenning rekurriert (2001, S. 21), welches Unterscheidungen anhand von drei Hauptdifferenzlinien vornimmt: Zu den 1. körperzentrierten Differenzlinien zählen sie dabei Geschlecht, Sexualität, Rasse/Hautfarbe, Herkunft, Ethnizität, Gesundheit und Alter; zu den 2. (sozial‑)räumlich orientierten Differenzlinien gehören Klasse, Nation/Staat, Ethnizität, Sesshaftigkeit/Herkunft, Kultur, Nord-Süd/Ost-West; und zu den 3. ökonomisch orientierten Differenzlinien Klasse, Besitz, Nord-Süd/Ost-West, gesellschaftlicher Entwicklungsstand (Lutz & Wenning, 2001, S. 21). Diese Systematik enthält laut Lutz und Wenning bewusst Überschneidungen der Kategorien.

In der Soziologie und hier insbesondere in Arbeiten zur Intersektionalität wird zur Strukturierung von Differenzen häufig auf einen Ansatz von Winker und Degele (2009) verwiesen, die vier zentrale Strukturkategorien ausmachen. Sie fügen der klassischen Trias „Klasse, Geschlecht, Ethnizität“ (z. B. Anthias, 2001; McCall, 2001, 2005) noch die Kategorie „Körper“ hinzu und differenzieren diese in Merkmale wie Alter, Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Attraktivität aus (Winker & Degele, 2009, S. 38–51).

Für den Kontext des organisierten, außerschulischen Sports bezieht sich Rulofs (2014) auf das Modell der „Four Layers of Diversity“ von Gardenswartz und Rowe, (1995), das allgemein zur Beschreibung von Diversität in Organisationen entwickelt worden ist und aus vier kreisförmigen Dimensionen besteht. Im Mittelpunkt steht die Unterscheidung von Individuen in ihrer Persönlichkeit. Es folgen die sogenannten inneren Dimensionen, die dem Individuum weitestgehend ohne das eigene Dazutun gegeben sind, wie z. B. Geschlecht, Alter. Weiter außen angeordnet finden sich die Dimensionen, die das Individuum auf seinem Lebensweg „erwirbt“, wie z. B. die Ausbildung oder das Einkommen. Die organisationalen Dimensionen ganz außen enthält z. B. die Art des Arbeitsverhältnisses in einer Organisation. Das Vorankommen und die Chancen auf Teilhabe von Individuen in Organisationen, auch in sport- oder bildungsbezogenen Organisationen, können sich somit je nach Zugehörigkeit zu einer spezifischen Dimension unterscheiden.

In der Sportpädagogik geben Reuker et al. (2016) einen Überblick über den internationalen Forschungsstand zum inklusiven Sportunterricht. Ihre Ergebnisse zu inklusivem Unterricht aus Sicht von Sportlehrkräften deuten an, dass positive Grundeinstellungen zu Inklusion sich auch positiv auf die Unterrichtsgestaltung auswirken können (S. 94). Weitere Überblicke liefern Block et al. (2017) zum Kontext von Adapted Physical Activity/Education und Frohn (2015) zu Heterogenität im außerunterrichtlichen Schulsport. Im Detail fokussiert sportpädagogische Forschung zu Unterschieden stark auf die Kategorie „Behinderung“ (u. a. Radtke & Tiemann, 2014; Rischke & Reuker, 2019). Als andere Unterscheidungskategorien werden nach Grimminger-Seidensticker und Burrmann (2017) seit den 1990er Jahren vor allem „Gender“ und „Interkulturalität“ betrachtet. Laut Frohn (2020) existieren sportpädagogische Ansätze zudem zu „Kategorien wie Geschlecht, Migrationshintergrund oder soziale Lage“ (S. 105), es sei aber bislang noch unklar „ob es genau jene Differenzkategorien“ (ebd.) seien, die bedeutsam im Sportunterricht werden. Einen entsprechenden Forschungsbedarf konstituieren auch Haegele et al. (2020, S. 422) und fordern eine Erweiterung, die nicht nur eine Differenzkategorie (wie Behinderung) berücksichtigt, sondern eine Übersicht zu verschiedenen liefert. Erste Arbeiten in diese Richtung finden sich bei Thomas und Leineweber (2018a, 2018b), die heterogene Lerngruppenzusammensetzungen untersuchten, allerdings mit Fokus auf Einstellung, Selbstwirksamkeit und Belastungsempfinden von Sportlehrkräften, wobei die Relevanz von Unterschieden nicht erfragt wurde.

Festzuhalten ist somit, dass in sportbezogenen Publikationen und den Bezugsdisziplinen verschiedene Ansätze zu Differenzkategorien vorliegen, jedoch eine umfassende Strukturierung zu relevanten Unterschieden im Sportunterricht noch nicht existiert.

Von diesen Vorarbeiten ausgehend, wurde für die vorliegende Untersuchung eine Strukturierung entworfen, die die möglichen Unterscheidungen zwischen Schüler*innen in fünf Dimensionen systematisiert. Dazu erfolgte zunächst eine Orientierung am Modell von Lutz und Wenning (2001) und ihren drei Differenzlinien. Inhaltlich wurden diese um die Beschreibung der Strukturkategorie „Körper“ von Winker und Degele (2009) ergänzt, da diese für den Sportunterricht von besonderer Relevanz zu sein schien. Zusätzlich erfolgte die Ergänzung einer vierten „organisational-strukturellen“ Differenzlinie in Anlehnung an Gardenswartz und Rowe (1995). Um für den schulischen Kontext die Perspektive der Lehr-Lern-Forschung auf Merkmale von Lernenden zu berücksichtigen, die in Bezug auf die Optimierung von Unterricht und die Lernleistung oder Bildung wichtig sind (Trautmann & Wischer, 2011, S. 42 ff.), wurden solche Kategorien in einer fünften, kognitiv-personalen Heterogenitätsdimension ergänzt. Somit wurden die fünf Dimensionen der Systematisierung bezeichnet als 1. soziokulturell, 2. ökonomisch, 3. kognitiv-personal, 4. organisational-strukturell und 5. körperzentriert.

Um im nächsten Schritt zu untersuchen, welche Unterschiede von Lehrkräften spezifisch im Sportunterricht wahrgenommen bzw. konstruiert werden, wurden die auf den Sportunterricht bezogenen Forschungsarbeiten gezielt nach Hinweisen auf potenziell bedeutsame Unterschiedswahrnehmungen entlang dieser fünf Dimensionen gesichtet. Ziel konnte es dabei nicht sein, zu allen Unterschiedskategorien den Forschungsstand umfassend aufzubereiten, vielmehr wurde versucht, möglichst viele potenziell relevante Ansatzpunkte zu identifizieren. Dabei ist zu relativieren, dass es sich nur um eine mögliche Systematisierung handelt, die vermutlich trotz Sorgfalt nicht alle Ausprägungen erfasst und eine trennscharfe Zuordnung von Unterschiedswahrnehmungen in genau eine Dimension nicht immer ermöglicht.

Im Hinblick auf die soziokulturelle Dimension enthält die Forschungsliteratur Hinweise darauf, dass Sportlehrkräfte bei ihren Schüler*innen Unterschiede wahrnehmen, die mit der sportbezogenen Sozialisation zusammenhängen sowie insbesondere mit dem Vorwissen und den Vorerfahrungen im Bereich des Sports (z. B. Frohn, 2013; Frohn & Pfitzner, 2011; Wellenreuther, 2007). Zudem rekurrieren Sportlehrkräfte bei der Wahrnehmung von Unterschieden häufig auf den Migrations- oder Fluchthintergrund von Schüler*innen (z. B. Bartsch et al., 2019; Burrmann, 2017). In Studien zeigt sich des Weiteren die Zugehörigkeit zu einem sozialen Milieu oder einer sozialen Schicht (Frohn, 2007; Thomas & Leineweber, 2018a, 2018b) oder zu einer Religion bzw. die Religiosität einer Person als relevant für die Wahrnehmung von Unterschieden. Zudem werden der kulturellen Bildung sowie dem Erziehungsstil der Eltern Unterscheidungspotenziale zugeschrieben (z. B. Altrichter & Hauser, 2007; Leiprecht & Lutz, 2006; Lutz & Wenning, 2001; Trautmann & Wischer, 2011).

In Bezug auf die ökonomische Dimension verweist die Forschungsliteratur darauf, dass ökonomische Rahmenbedingungen die sportlichen Gewohnheiten der Schüler*innen beeinflussen sowie in Überschneidung mit anderen Dimensionen auch das sportbezogene Vorwissen und Vorerfahrungen (z. B. Altrichter & Hauser, 2007; Frohn, 2013; Frohn & Pfitzner, 2011; Wellenreuther, 2007), beispielsweise durch das (nicht) mögliche außerschulische Sportengagement (z. B. Keskin, Hergüner, Dönmez, Berisha, & Üçan, 2017). Ökonomische Ungleichheiten wirken aber auch auf die Möglichkeit, sich mit Sportkleidung (z. B. Norrish, Farringdon, Bulsara, & Hands, 2012) oder Bewegungsmaterial (z. B. Sherman, Tran, & Alves, 2010) auszustatten, und haben somit Einfluss auf die Möglichkeiten zur Sportpartizipation von Schüler*innen. Zusammenhänge mit der Zugehörigkeit zu sozialen Milieus oder Schichten liegen hier nahe (z. B. Lutz & Wenning, 2001; McCall, 2001, 2005; Trautmann & Wischer, 2011).

Auch im Hinblick auf die kognitiv-personale Dimension liegen Publikationen vor, die relevante Hinweise auf mögliche Unterscheidungen von Schüler*innen im Sportunterricht beinhalten. So erörtern Untersuchungen die Bedeutung von Unterschieden in den sportlichen Interessen, bei den sportlichen Vorerfahrungen, bei der Reflexivitätskompetenz sowie allgemeiner bei der Intelligenz von Schüler*innen (z. B. Altrichter & Hauser, 2007; Frohn, 2013; Gieß-Stüber, 2008; Grimminger, 2009; Kastrup, 2009). Auch die Kategorisierung von Wahrnehmungen von Schüler*innen mit und ohne Förderbedarf hinsichtlich der geistigen Entwicklung oder des Lernens wird als bedeutsam für ihre Teilhabe am Unterricht beschrieben. Disparitäten werden in der Fachliteratur auch bezüglich der Motivation (Wolf & Kleinert, 2018) und fachübergreifend bezüglich der Arbeitshaltung bzw. des Sozialverhaltens beschrieben (z. B. Altrichter & Hauser, 2007). Zudem wird u. a. beim Arbeitsverhalten die Einteilung zwischen Kindern mit und ohne Förderbedarf in sozial-emotionaler Hinsicht als relevant angesehen (Wagner, Bartsch, & Rulofs, 2018). Die wissenschaftliche Literatur offeriert des Weiteren Hinweise darauf, dass die Sprachkompetenz oder Förderbedarfe im Bereich der Sprache, der Lerntyp allgemein, das Selbstvertrauen sowie die Lernselbstorganisation auch im Sportunterricht relevant sind und diesbezüglich Unterschiede zwischen Schüler*innen hergestellt werden (z. B. Altrichter & Hauser, 2007; Thomas & Leineweber, 2018a, 2018b; Trautmann & Wischer, 2011; Wellenreuther, 2007).

In Bezug auf die organisational-strukturelle Dimension finden sich in der Fachliteratur Hinweise auf mögliche Unterschiede zwischen Schüler*innen im Sportunterricht, die die Zugehörigkeit zu einer Schulform (z. B. Burrmann & Zander, 2017), einer Schulstufe (z. B. Mercier, Donovan, Gibbone, & Rozga, 2017) oder einer sportspezifischen Förder‑/Talentmaßnahmen betreffen (z. B. Georgakis, Evans, & Warwick, 2015). Vermutlich könnte darüber hinaus die Zugehörigkeit zu außerschulischen Sportteams, schulischen Sportteams, sportlichen Schulschwerpunkten oder besonderen Lerngruppen von Relevanz für die Wahrnehmung bzw. Attribuierung von Unterschieden im Sportunterricht sein (z. B. Frohn, 2015; Hannon & Ratliffe, 2005).

Im Hinblick auf die körperzentrierte Dimension zeigen Arbeiten für den Schulsport auf, dass an der körperlichen Leistungsfähigkeit oftmals Unterschiede zwischen Schüler*innen festgemacht werden (z. B. Grimminger, 2013; Heim & Wolf, 2008; Thomas & Leineweber, 2018a, 2018b). Ebenso werden Unterschiede hinsichtlich der motorischen Begabung bzw. des Talents oder zwischen Schüler*innen ohne und mit Behinderungen (insbesondere hinsichtlich Förderbedarfen der körperlich-motorischen Entwicklung sowie im Bereich des Hörens und Sehens) konstatiert (z. B. Giese & Sauerbier, 2018; Kastrup, 2009; Ruin & Giese, 2018). Weitere Arbeiten belegen auch die Relevanz von Unterschieden bei der körperlichen Konstitution hinsichtlich Größe und Gewicht (z. B. Eler, 2018; Möhwald, Korte, & Grimminger-Seidensticker, 2017).

Die Bedeutung von Geschlecht (bzw. Gender) für den Schulsport wurde intensiv beforscht und dabei insbesondere herausgestellt, dass auf Basis der dichotomen Unterscheidung von körperbezogenen Merkmalen der beiden Geschlechter vielfältige soziale Unterscheidungen hergestellt werden (z. B. Gramespacher, 2011; Mutz & Burrmann, 2014; Sobiech & Günter, 2017).

Hingegen sind folgende Aspekte bisher im Sportunterricht kaum untersucht worden, es liegen aber Hinweise dazu vor, dass sie von Bedeutung sein könnten: Dazu zählen die sexuelle Orientierung (z. B. Block, 2014), die körperliche Attraktivität (z. B. Fisette, 2011) sowie der körperliche Entwicklungsstand (z. B. Mercier et al., 2017).

Insgesamt stellen die hier vorgestellten fünf Dimensionen den Versuch dar, auf Basis vorhandener Erkenntnisse zu einer möglichst umfassenden Systematik an möglichen Unterscheidungen von Schüler*innen durch Sportlehrkräfte im Sportunterricht zu gelangen. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war es nun, die ermittelte Systematik mit der Perspektive der Sportlehrer*innen in der Praxis des Sportunterrichts abzugleichen und mit Hilfe einer Fragebogen-Studie zu untersuchen, welche der möglichen Unterschiede zwischen Schüler*innen von Sportlehrkräften als bedeutsam wahrgenommen werden. Im Detail wurden folgende Forschungsfragen (FF) differenziert:

FF1

Welche Unterschiede zwischen Schüler*innen im Sportunterricht nehmen Sportlehrkräfte in welchem Maß als relevant wahr?

FF2

Wie lassen sich die Unterschiedswahrnehmungen der Sportlehrkräfte systematisieren (insbesondere: Zeigen sich die aus dem Forschungsstand abgeleiteten fünf Dimensionen von Heterogenität in empirischen Daten)?

Methodik

Um die Forschungsfragen zu beantworten, wurde im Projekt „Schulsport2020“ im Jahr 2017 eine Befragung von Sportlehrkräften in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Die Untersuchung wurde durch die Ethikkommission der Deutschen Sporthochschule Köln genehmigt (Nr. 40/2017) und erfolgte durch Fragebögen in einem Paper-Pencil-Verfahren. Die Items wurden dafür auf Basis des Forschungsstandes generiert und für die Zielgruppen in einem Pre-Test kommunikativ validiert und angepasst. Der inhaltliche Einstieg in die Fragebögen erfolgte über soziodemografische Fragen zu den Personen und ihren Schulen, danach folgten Items zu den Themen Inklusion und Heterogenität im Sportunterricht, daran anknüpfend rückte vertiefend der Bereich von Unterschieden der Schüler*innen in den Fokus. Dazu wurde in einen Block von 30 Items mit folgendem Text eingeleitet: „Im Sportunterricht nehmen Sie möglicherweise Unterschiede zwischen Schüler/-innen wahr. Bitte geben Sie an, inwiefern die nachfolgend beschriebenen möglichen Unterschiede zwischen den Schüler/-innen nach Ihrer Meinung im Sportunterricht eine Rolle spielen.“ Die Beantwortung erfolgte anhand von 5 Möglichkeiten (von „trifft völlig zu“ bis „trifft gar nicht zu“). Durch diese sprachliche Gestaltung des einleitenden Textes und durch die fünfstufige Antwortskala, die auch das Ablehnen der Relevanz für den Sportunterricht explizit ermöglichte, wurde eine größtmögliche Offenheit beim Antwortverhalten angestrebt, um das Reifizieren von möglichen Unterschieden bei den Befragten zu vermeiden.

Nach manueller Dateneingabe in SPSS wurde ein Daten-Screening-Verfahren gemäß den Empfehlungen von Tabachnick und Fidell (2013) durchgeführt, einschließlich einer Überprüfung auf nicht plausible Antworten und univariate Ausreißer. Um FF1 zu beantworten, wurden Häufigkeiten (Prozentsätze), Mittelwerte (MW) und Standardabweichung (SD) untersucht. Die Annäherung an FF2 erfolgte mittels explorativer Faktorenanalyse, wobei die Hauptkomponentenmethode angewendet und zur besseren Interpretation eine Rotation mit Kaiser-Normalisierung durchgeführt wurde (Backhaus, Erichson, Plinke, & Weiber, 2018; Bühl, 2010). Gemäß Empfehlungen (Bühner, 2006; Eckey, Kosfeld, & Rengers, 2002) wurde eine (oblique) Promax-Rotation mit dem Exponenten 4 gewählt, um keine Unabhängigkeit der Faktoren vorauszusetzen. Die Items der Faktoren können als metrisch/intervall-skaliert und die Daten jeweils als unabhängige Stichproben aufgefasst werden.

Um bei der Stichprobe eine möglichst große Repräsentativität zu erhalten, basiert die Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe der Sportlehrkräfte auf vorab definierten Kriterien. Dazu gehörten eine Unterrichtstätigkeit im Sportunterricht in in Nordrhein-Westfalen, die Geschlechterverteilung in Anlehnung an die Gesamtgruppe der Sportlehrkräfte in Nordrhein-Westfalen sowie die Berücksichtigung der verschiedenen Schulformen Grund- (GS), Haupt- (HA), Real- (RE), Sekundar- (SEK), Gesamt- (GE), Förder- (FS), Berufsschule (BS) und Gymnasium (GY). Die Rekrutierung erfolgte über direkten Kontakt mit Schulleitungen, Fachleitungen für Sport und praktizierenden Sportlehrkräften. Die teilnehmenden 958 Sportlehrkräfte von den verschiedenen Schulformen aus Nordrhein-Westfalen benötigten durchschnittlich ca. 25 min für das Ausfüllen des Papier-Fragebogens.

Die realisierte Stichprobe besteht aus insgesamt 958 Sportlehrkräften (m: 43,2 % w: 56,8 %; inkl. 165 Referendar*innen) mit einem Durchschnittsalter von 39,7 Jahren. Die Anzahl an Rückmeldungen variiert je nach Item zwischen n = 846 und n = 958. Die Befragten verfügen (inklusive Referendariat, aber ohne Elternzeit und Beurlaubungen) durchschnittlich über knapp 11 Jahre Berufserfahrung (10,75 Jahre; n = 856). Einen Migrationshintergrund, definiert nach Statistischem Bundesamt als eigene nichtdeutsche Staatsangehörigkeit oder ein Elternteil mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, haben 45 (5 %; n = 909) der Lehrkräfte. Bei den Vorerfahrungen geben 69 % der Befragten an, Erfahrungen mit Menschen mit Behinderung zu haben (n = 933) und 2,4 %, dass sie selbst eine Beeinträchtigung oder Behinderung haben (n = 858).

Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse zu den Forschungsfragen dargelegt. Zunächst werden die Heterogenitätswahrnehmungen der Sportlehrkräfte beschrieben, anschließend systematisiert.

Heterogenitätswahrnehmungen im Sportunterricht

Zur ersten Forschungsfrage, welche Unterschiede zwischen Schüler*innen im Sportunterricht von Sportlehrkräften in welchem Maß als relevant wahrgenommen werden, gibt Tab. 1 einen Überblick. Die Anzahl an Rückmeldungen variiert je nach Item zwischen n = 846 und n = 953.

Tab. 1 Übersicht zu den Befragungsitems und den zugehörigen Daten (u. a. prozentuale Zustimmungsangaben), sortiert nach Mittelwert

Die relevantesten Items, in denen sich nach Wahrnehmung der Sportlehrkräfte die Schüler*innen unterscheiden, sind die sportbezogene Motivation und Anstrengungsbereitschaft (MW: 4,34), die außerschulischen Sporterfahrungen (MW: 4,18) und das Sozialverhalten (MW: 4,10). Zudem wird auch dem Selbstvertrauen der Schüler*innen (MW: 3,84) und der Selbstorganisationsfähigkeit (MW. 3,42) erhöhte Bedeutung zugesprochen. Außerdem werden eine Reihe von Items mit Bezug zum Körper als relevant bewertet: das sportliche Können und Talent (MW: 4,00), körperlich-motorische Förderbedarfe (MW: 3,91), das Geschlecht (MW: 3,64), der körperliche Entwicklungsstand (MW: 3,52), das Körpergewicht (MW: 3,51) und das Alter (MW: 3,26).

Unterhalb des theoretischen Mittelwertes (MW: 3,0) werden einige Items als (eher) nicht relevant für den Sportunterricht eingeordnet. Dazu zählen die sexuelle Orientierung (MW: 1,51), die äußerliche Attraktivität (MW: 1,99), die Körpergröße (MW: 2,34) und der familiäre Bildungshintergrund (MW: 2,5). Auch ökonomische Aspekte wie Einkommen und Besitz der Familie (MW: 1,78) oder die Ausstattung mit Sportkleidung (MW: 2,58) werden tendenziell als eher nicht relevant bewertet. Ebenso werden soziokulturelle Items wie der religiöse Hintergrund (MW: 2,03), die Nationalität/Herkunftskultur (MW: 2,32) und Fluchterfahrungen (MW: 2,33) von den befragten Sportlehrkräften als eher nicht von Bedeutung für den Sportunterricht kategorisiert, ähnliches gilt für die Items zur Intelligenz (MW: 2,67) und zum Verständnis der deutschen Sprache (MW: 2,78).

Die Zugehörigkeit zu einer schulsportlichen Talentfördermaßnahme (MW: 2,72) und die Teilnahme an Schulsport-AGs oder Schulsportteams (MW: 2,68) werden als eher nicht relevant für den Sportunterricht eingeordnet.

Die Relevanz der sieben Förderbedarfe wird folgendermaßen angegeben: Die höchste Relevanz für den Sportunterricht hat demnach der Förderbedarf im Bereich körperlich-motorischer Entwicklung (MW: 3,91), gefolgt von sozial-emotionaler (MW: 3,66) und geistiger Entwicklung (MW: 3,43) sowie im Bereich Sehen (MW: 3,33) und Hören (MW: 3,04). Als eher nicht relevant werden Förderbedarfe im Bereich Lernen (MW: 2,62) und Sprache (MW: 2,43) verortet.

Systematisierung der Heterogenitätskategorien

Um die zweite Forschungsfrage zu beantworten, wie sich die Unterschiedswahrnehmungen durch Sportlehrkräfte systematisieren lassen (und ob sich die aus dem Forschungsstand abgeleiteten fünf Dimensionen von Heterogenität in empirischen Daten zeigen), wurde eine Faktorenanalyse durchgeführt. Zunächst sind alle 30 Items in die explorative Faktorenanalyse eingeflossen. Dann wurden iterativ Items mit einer geringen maximalen Faktorladung (<0,4) nach Field (2009) ausgeschlossen, ebenso nichteindeutige Items mit einer erhöhten (>0,4) Ladung auf einem zweiten Faktor (ausgeschlossene Items: außerschulische Sporterfahrungen sowie Fluchterfahrungen, sportliches Können/Talent, Körpergröße, -gewicht und körperlicher Entwicklungsstand). Dadurch verblieben insgesamt 24 Items. Bei der durchgeführten Promax-Rotation mit dem Exponenten 4 resultiert nach 14 Rotationen eine 6‑Faktoren-Lösung, bei der sowohl das Screeplot-Kriterium, das Eigenwertkriterium (>1) sowie eine kumulierte Varianzaufklärung (>50 %) erreicht sind. Als Prüfkriterien zeigen sowohl der Bartlett-Test durch Signifikanz (p < 0,001), der Measure-of-Sampling-Adequacy(MSA)-Koeffizient der Anti-Image-Korrelationsmatrix (überall mindestens > 0,72) als auch das Kaiser-Meyer-Olkin-Maß (KMO-Maß = 0,859) eine gute Güte der Faktorenanalyse. Die sechs Faktoren erklären insgesamt 54,7 % der Varianz.

Es ergeben sich folgende Zuordnungen der Items zu den sechs Faktoren (Tab. 2), die entsprechend des Forschungsstandes folgendermaßen benannt werden:

  • Faktor „Personale Dimension“ mit den drei Items: Sportbezogene Motivation/Anstrengungsbereitschaft, Selbstvertrauen und Sozialverhalten

  • Faktor „Förderbedarfsdimension“ mit den fünf Items: Förderbedarf (FB) Geistige Entwicklung, FB Sehen, FB Körperlich-motorische Entwicklung, FB Hören und Kommunikation und FB Sozial-emotionale Entwicklung

  • Faktor „Körperorientierte Dimension“ mit den zwei Items: Geschlecht, Alter

  • Faktor „Kognitiv-sprachliche Dimension“ mit den sechs Items: FB Lernen, Bildungshintergrund, Sprachverständnis, Intelligenz, Selbstorganisationsfähigkeit und FB Sprache

  • Faktor „Organisational-strukturelle Dimension“ mit den zwei Items: Zugehörigkeit zu schulsportlichen Talentfördermaßnahmen sowie Schulsport-AGs/-Teams

  • Faktor „Soziokulturell-ökonomische Dimension“ mit den sechs Items: Äußerliche Attraktivität, sexuelle Orientierung, Religiöser Hintergrund, Nationalität/Herkunftskultur, Einkommen/Besitz und Sportkleidung

Tab. 2 Zuordnungen der 24 Items zu den sechs Faktoren nach Promax-Rotation mit Kaiser-Normalisierung

Das Ergebnis der Faktorenanalyse stimmt weitgehend mit der im Forschungsstand dargelegten Systematisierung überein; alle fünf dort illustrierten Dimensionen finden inhaltlich Berücksichtigung. Jedoch zeigen sich die theoretisch-analytisch trennbaren Dimensionen ökonomischer und soziokultureller Kategorien in den Daten als ein gemeinsamer, zusammenhängender Faktor. Zudem zerfällt der Bereich kognitiv-personaler Kategorien in einen Faktor kognitiv-sprachlicher Dimension und einen Faktor personaler Dimension. Einen separaten sechsten Faktor konstituieren fünf der sieben abgefragten Förderbedarfe.

Um diese Faktoren differenzierter zu beschreiben und hinsichtlich ihrer Relevanz einzuordnen, wurde je Faktor via arithmetisches Mittel eine Summenvariable aus den zugehörigen Einzelitems gebildet (Tab. 3).

Tab. 3 Kennzahlen der sechs Faktoren

Ein hoher Mittelwert spiegelt eine hohe Relevanz dieser Kategorisierungen von Schüler*innen für den Sportunterricht aus Sicht der befragten Lehrkräfte. Von den sechs Faktoren werden demnach personale Kategorien (MW: 4,09), Kategorien zu den Förderbedarfen (MW: 3,49) und körperorientierte Kategorien (MW: 3,45) in dieser Reihenfolge als relevanter eingeschätzt als kognitiv-sprachliche (MW: 2,74), organisational-strukturelle (MW: 2,70) und soziokulturell-ökonomische (MW: 2,04) (theoretischer Skalenmittelwert: 3).

Für jeden Faktor ist als Maß der internen Konsistenz der zugehörige Cronbach-Alpha-Wert angegeben, wobei die Werte vor dem Hintergrund vergleichsweise geringer Itemanzahlen als befriedigend bis gut bezeichnet werden können und weitere Streichungen von Items nicht zu einer Erhöhung der Cronbach-Alpha-Werte führen.

Interpretation der Ergebnisse

Der Beitrag hat auf Grundlage einer quantitativen Fragebogenstudie untersucht, welche Unterschiede der Schüler*innen von Sportlehrkräften im Sportunterricht als relevant wahrgenommen werden und wie diese Unterschiedswahrnehmungen systematisiert werden können. Dazu wurden durch eine explorative Faktorenanalyse sechs Faktoren identifiziert, die weitgehend mit der im Forschungsstand dargelegten Systematisierung in fünf Dimensionen übereinstimmen. Die beiden Dimensionen zu organisational-strukturellen und körperorientierten Kategorien gehen auch aus den Daten hervor. Jedoch differenziert sich die kognitiv-personale Dimension in einen Faktor kognitiv-sprachlicher Kategorien und einen Faktor personaler Kategorien aus. Des Weiteren hat sich zu den theoretisch-analytisch trennbaren Dimensionen ökonomischer und soziokultureller Kategorien ein gemeinsamer, zusammenhängender Faktor zu soziokulturell-ökonomischen Kategorien herauskristallisiert. Diese Faktoren werden ergänzt um einen separaten sechsten Faktor, der sich aus fünf der sieben abgefragten Förderbedarfe zusammensetzt.

Die höchste Relevanz messen Sportlehrkräfte bemerkenswerterweise den personalen Unterschieden zwischen den Schüler*innen bei (MW: 4,09) und nicht etwa den körperorientierten Unterschieden, was aufgrund der Körperlichkeit des Faches ebenfalls naheliegen würde. Die hohe Relevanz von personalen Unterschieden (wie z. B. der Motivation oder des Sozialverhaltens) belegen weitere Studien, die darüber hinaus wie diese Arbeit zeigen, dass das zugeschriebene Selbstvertrauen eine wichtige Kategorie für die Wahrnehmung von Schüler*innen zu sein scheint (Altrichter & Hauser, 2007; Wellenreuther, 2007). Für den Sportunterricht deuten die Daten von Thomas und Leineweber (2018b) bezüglich der Auftretenshäufigkeit von Unterschieden in eine ähnliche Richtung. Sie argumentieren, dass es sich bei diesen personalen Unterschieden um „wesentliche Voraussetzungen für das Sporttreiben“ handle und dass die „Verbesserung entsprechender Dispositionen (…) gleichzeitig auch ein zentrales Lernziel des Sportunterrichts“ sei (S. 83). Zudem kann nach Gieß-Stüber, Grimminger, und Möhwald (2016) interpretiert werden, dass Unterschiede in der Motivation und der Anstrengungsbereitschaft in ihrer Darstellungsart anders sind, da sie z. B. auf der „Vorderbühne“ sichtbar werden, während z. B. Unterschiede hinsichtlich des sozioökonomischen Hintergrunds eher auf der „Hinterbühne“ wirken, wobei die „Anforderung, in der Schule Leistung zu bringen und sich als Schüler*in gegenüber der Lehrperson und im Klassenverband zu positionieren, (…) im schulischen Kontext als omnipräsent anzunehmen“ ist (ebd., S. 125; „doing pupil“). Es kann somit im positiven Sinne angenommen werden, dass die Wahrnehmung solcher personaler Unterschiede bei Schüler*innen und die Einstufung als hoch relevant für den (Sport‑)Unterricht nicht nur Gegenstand der Diagnostik von Unterschieden ist, sondern auch Anlass für die gezielte und individuelle Förderung von Schüler*innen.

Die zweithöchste Bedeutung (MW: 3,49) attribuieren die Befragten dem Faktor, der sich aus fünf der sieben Förderbereichen zusammensetzt (Hören, Sehen sowie geistige, sozial-emotionale und körperliche Entwicklung). Dies überrascht zunächst insofern, als zumindest für die drei letztgenannten Förderbereiche auch eine Zuordnung zu anderen Faktoren zu erwarten gewesen sein könnte (geistige Entwicklung zur kognitiven, sozial-emotionale zur personalen sowie körperliche zur körperorientierten Dimension). Eventuell haben die Proband*innen aufgrund der Item-Formulierung auf den Schlüsselbegriff „Förderbedarf“ reagiert, was in Folgestudien zu beachten wäre. Gleichwohl lässt sich die Bündelung von mehreren Förderbereichen zu einem eigenen Faktor so interpretieren, dass die durch den Förderbedarf attestierte „Behinderung“ an sich in den Wahrnehmungen der Lehrkräfte eine stark prägende bzw. wirksame Kategorisierung darstellt. Demnach werden Schüler*innen mit Förderbedarf ggf. primär als Menschen mit Behinderung wahrgenommen, was eine segregierende Wahrnehmung dieser Gruppe nahelegt. Zudem suggeriert dies, dass die Mehrheit der Förderbedarfe trotz ihrer Unterschiedlichkeit in einen gemeinsamen Wahrnehmungsbereich (d. h. „in eine Schublade“) kategorisiert wird, was die zugehörigen Schüler*innen pauschal als „behindert“ etikettieren könnte und ggf. mit der Einstellung einhergeht, dass solche Schüler*innen, die einen Förderbedarf attestiert bekommen, von der Norm abweichen und sich grundlegend von solchen ohne attestierten Förderbedarf unterscheiden. In Rückbezug auf die Ausführungen zu den theoretischen Hintergründen ist folglich zu bedenken, dass hinsichtlich des Ziels einer Nicht-Etikettierung als „behindert“ weniger Orientierungen an sonderpädagogischen Einteilungen erfolgen sollten, sondern stärker an Ansätzen der Dekategorisierung, im Einklang mit einem weiten Begriffsverständnis von Heterogenität und Inklusion. Passend dazu zeigen Ergebnisse von Rischke und Reuker (2019), dass aus Sicht von Sportlehrkräften für das Unterrichten von Schüler*innen mit Förderbedarfen andere Kenntnisse nötig seien als in nichtinklusivem Unterricht und dass sich hier Wahrnehmungen von Unterschieden manifestierten. Das legt offen, wie wichtig in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften diesbezüglich Maßnahmen zur Sensibilisierung und Reflexion sind.

Eine Bedeutung für den Sportunterricht sehen die Sportlehrkräfte auch bei körperorientierten Kategorien gegeben (MW: 3,45). Bei den körperorientierten Kategorien Alter oder Geschlecht zeigt sich nicht nur eine erwartungskonforme hohe Relevanzwahrnehmung bezogen auf das „körperliche“ Unterrichtsfach, sondern auch eine Orientierung an offenliegenden, sichtbaren Phänomenen. Alter und Geschlecht konstituieren oftmals wichtige Gruppenkategorien für Heranwachsende (und sind zudem die zentralen Leistungsklassen im Sport), die im Schulalltag über die Zugehörigkeit zu Jahrgangsstufen und geschlechtlich-normierte Vornamen meist transparent offen liegen. Ähnlich zeigt sich auch das Körpergewicht in den Daten auf Einzelitemebene als eher bedeutsam, wobei das Körpergewicht ebenso visuell geschätzt wird und mit der Norm eines (auch medial repräsentierten) sportlich-dünnen Körpers kontrastiert wird. Die Kategorie des Körpergewichts scheint somit bedeutsam, in der Faktorenanalyse konnte es jedoch nicht als Item berücksichtigt werden, so dass hier weitere Studien angezeigt sein könnten. Letzteres gilt ebenso für weitere körperbezogene Items, die auf Einzelitemebene durchaus als relevant eingeschätzt worden sind, aber aus der Faktorenanalyse herausgefallen sind (körperlicher Entwicklungsstand, Körpergröße, sportliches Können und Talent).

Qualitative Studien deuten darauf hin, dass mit den Wahrnehmungen zu körperorientierten Kategorien oftmals Wertungen verbunden sind, die nicht auf graduellen, sondern auf dichotomen Zuteilungen beruhen, von denen ein Part positiv, der andere negativ oder defizitär konnotiert ist (Wagner, Bartsch, & Rulofs, 2020). Dem liegen bestimmte Normvorstellungen des Körpers zugrunde – wie männlich, groß, stark – die den Körper für den Sportunterricht als besonders tauglich und positiv beschreiben, während Abweichungen davon als schwierig oder problematisch wahrgenommen bzw. konstruiert werden. In der Ausbildung von Sportlehrkräften wäre es folglich wichtig, eine solche dichotome Kategorisierung zu problematisieren und Ansatzpunkte aufzuzeigen, die eine Dekategorisierung möglich machen.

Eine vergleichsweise eher geringere Relevanz schreiben die Sportlehrkräfte kognitiv-sprachlichen Kategorien (MW: 2,74) zu. Hierzu zählen nach der Faktorenanalyse die kognitiven Aspekte der Intelligenz, des Bildungsstatus, des Förderbedarfs im Bereich Lernen und der Selbstorganisationsfähigkeit. Dies ist übereinstimmend mit sportspezifischen Studienergebnissen zur Bedeutung sportlichen Wissens und der Reflexivitätskompetenz (z. B.; Gieß-Stüber, 2008; Grimminger, 2009; Kastrup, 2009; Wagner, 2016). Diese kognitiven Kategorien scheinen eng verbunden mit dem sprachlichen Verständnis und einem sprachlichen Förderbedarf, ihre Bedeutung wurde in anderen Fachzusammenhängen bereits herausgestellt (z. B. Altrichter & Hauser, 2007; Trautmann & Wischer, 2011; Wellenreuther, 2007).

Eine im Vergleich zu diesem Faktor ähnliche, d. h. eher geringere Bedeutung, sehen die Sportlehrkräfte in organisational-strukturellen Kategorien (MW: 2,70). Schüler*innen werden im Sportunterricht eher weniger in Abhängigkeit von ihrer Zugehörigkeit zu organisational-strukturellen Gegebenheiten unterschiedlich wahrgenommen, dazu zählen die Zugehörigkeit zu sportspezifischen Förder‑/Talentmaßnahmen (wie auch bei z. B. Georgakis et al., 2015) oder schulischen Sportteams (z. B. Hannon & Ratliffe, 2005). Da hier jedoch nur zwei Items zu diesem Faktor berücksichtigt werden konnten, wäre eine zukünftig ausdifferenzierte Beforschung dieser Kategorien durchaus angezeigt.

Eine in Relation der Faktoren geringste Relevanz (MW: 2,04) attribuieren die Befragten den Kategorien des soziokulturell-ökonomischen Hintergrunds der Schüler*innen. Unterschiede in diesem Bereich, z. B. beim kulturellen, finanziellen oder sozialen Hintergrund der Familien, werden von den Sportlehrkräften in dieser Studie als nicht so relevant für den Sportunterricht eingeschätzt. In ähnliche Richtung weisen Daten zu Grundschüler*innen (Frohn, 2019; Frohn, 2020). Inwiefern diese Einschätzungen jedoch von sozialer Erwünschtheit beeinflusst sind, kann hier nicht beantwortet werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass der kulturelle und soziale Hintergrund oftmals auf subtile Art und Weise die Chancen von jungen Menschen in der Gesellschaft und auch im Sport beeinflussen, so dass die Lehrkräfte zwar – direkt danach gefragt – eine niedrige Relevanz für ihr Schulfach angeben, diese Faktoren jedoch im Hintergrund und langfristig erhebliche Wirkmächtigkeit im Hinblick auf Chancen im Sport entfalten können.

Zu erwähnen ist hier, dass ein Item in der Faktorenanalyse eindeutig auf diesen Faktor geladen hat, das nach bisherigen Studien nicht unbedingt dort (sondern eher bei körperorientierten Kategorien) zu erwarten gewesen wäre. Demnach scheint die „äußerliche Attraktivität“ nach diesen Befunden primär durch eine Attraktivität qua Sozialstatus, Einkommen, Besitz oder kulturellem Hintergrund konstituiert.

Des Weiteren wird durch die Faktorenanalyse tendenziell ein enger Zusammenhang zwischen ökonomischen, sozialen und kulturellen Kategorien belegt, der auch auf Basis des Forschungsstandes plausibel ist. Eine solche Überschneidung zeigte sich in anderen Publikationen bezüglich der Vorerfahrungen (z. B. Altrichter & Hauser, 2007; Frohn & Pfitzner, 2011) und des möglichen außerschulischen Sportengagements (z. B. Keskin et al., 2017) sowie sportunterrichtsunabhängig (z. B. Anthias, 2001; Leiprecht & Lutz, 2006; Lutz & Wenning, 2001; McCall, 2001, 2005; Trautmann & Wischer, 2011).

Insgesamt zeigen die Daten damit eine überwiegend gute Passung zu theoretisch-systematischen Überlegungen, ergänzen und modifizieren diese aber durch den gewählten empirischen Zugang. Damit bieten die Ergebnisse der Studie eine Grundlage für einen systematischen Rahmen, der eine Orientierung dafür bieten kann, welche Unterschiede zwischen Schüler*innen von Lehrkräften für den Sportunterricht als relevant betrachtet werden. Auf Basis der herausgearbeiteten Erkenntnisse sollte somit zur Absicherung und Ausdifferenzierung in einer weiteren Studie eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit einem anderen Datensatz durchgeführt werden.

Für den eingangs formulierten Anspruch nach Inklusion und die gleichberechtigte Förderung aller Schüler*innen, ist zu konstatieren, dass Unterscheidungen von Schüler*innen durch Sportlehrkräfte auf der einen Seite notwendig sind, um geeignete Maßnahmen zur individuellen Förderung zu entwickeln, aber auf der anderen Seite nicht dazu führen sollten, dass Schüler*innen stigmatisiert und in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Es braucht somit einen reflektierten Weg zwischen dem Erkennen und Benennen von Unterschieden, um gleichberechtigte Förderung zu ermöglichen, bei gleichzeitiger Vermeidung von Unterscheidungen, die Schüler*innen als einseitig defizitär labeln und ihnen damit Entwicklungschancen verstellen. Dazu gehört auch, dass Sportlehrkräfte in Fortbildungen und Sportstudierende im Lehramtsstudium Gelegenheit erhalten sollten, bei sich selbst solche Einstellungen und Normvorstellungen kritisch zu reflektieren, die dichotome Kategorisierungen von Schüler*innen hervorbringen und dem Ziel der Inklusion und gleichberechtigten Förderung aller Schüler*innen oftmals im Wege stehen. Die hier vorgeschlagene Strukturierung von möglichen Unterschiedswahrnehmungen bei Sportlehrkräften kann somit auch für das Beschreiten dieses Weges eine hilfreiche Systematik liefern.

Des Weiteren liefert die vorgenommene Strukturierung Hinweise darauf, welche Unterschiede zwischen Schüler*innen aus Perspektive von Lehrer*innen relevant sind. Auffällig ist dabei, dass Unterschiede in der soziokulturell-ökonomischen Dimension als am wenigsten relevant eingestuft werden, obwohl die sozialwissenschaftliche Forschung diese Ungleichheitsdimension durchaus als wirkmächtig für die Chancen von Lernenden in der Schule und auch im Schulsport betont. Dies kann als ein Hinweis darauf gedeutet werden, dass Sportlehrkräften die Relevanz solcher soziokulturell-ökonomischen Faktoren auf die Teilhabe am Schulsport nur wenig bewusst ist und es hierfür einer besonderen Sensibilisierung in der Aus- und Fortbildung bedarf.

Limitationen und zukünftige Forschung

Es liegt im Wesen der hier gewählten quantitativen Vorgehensweise, dass diese zwar dabei helfen kann, einen groben Überblick zu generieren, aber gleichzeitig auch Schwächen bei der Erhebung der inhaltlichen Bedeutung von Unterschieden hat. Auch werden durch die explizite Nachfrage Unterschiede vielleicht erst recht aktualisiert und in der Folge relevanter wahrgenommen. Dieses Dilemma lässt sich bei einer quantitativen Befragung nicht auflösen, gleichwohl wurde durch das Angebot einer mehrstufigen Skala zumindest die Möglichkeit eröffnet, dass Unterschiede auch als nicht relevant eingestuft werden konnten. Auch wurde die Fragestellung so gewählt, dass lediglich auf die Möglichkeit von Unterschieden hingewiesen wurde.

Methodisch ist einschränkend weiterhin festzuhalten, dass es sich um subjektive Wahrnehmungen bzw. Konstruktionen der befragten Lehrkräfte handelt. Es könnte sein, dass die Lehrkräfte derart im Sinne impliziter sozialer Erwünschtheit geantwortet haben, dass z. B. die Relevanz sozialer, kultureller oder ökonomischer Hintergründe unterschätzt worden ist. Zu bedenken ist hierbei außerdem, dass die hier fokussierten Wahrnehmungen von zugrundeliegenden persönlichen, subjektiven Einstellungen beeinflusst werden und das Zusammenspiel in diesem Kontext zukünftig noch genauer zu untersuchen ist.

In ähnlicher Weise könnte es forschungsmethodisch limitierend gewesen sein, wie Diskurse über bestimmte Kategorien in der Gesellschaft oder in der Schullebenswelt geführt werden. Zum Beispiel ist die sexuelle Orientierung von Schüler*innen eher tabuisiert, was zu einer leicht geringeren Anzahl an Antworten bei diesem Item geführt haben könnte. Eine alternative Erklärung wäre hingegen das Fehlen entsprechender Informationen (so auch über familiäre Hintergründe oder einen etwaigen Fluchthintergrund) oder dass bestimmte Kategorien bisher nicht im eigenen Unterricht aufgetreten sind (z. B. Schüler*innen aus allen sieben Förderbereichen).

Inhaltlich wurden durch die Items ein Möglichkeitsraum aufgespannt und für einige zentrale Aspekte der theoretisch hergeleiteten Dimensionen empirische Ergebnisse generiert. Allerdings konnten aus forschungsökonomischen Gründen nicht alle potenziell relevanten Unterschiedswahrnehmungen erfasst oder teilweise vielleicht nicht adäquat operationalisiert werden. Ergänzende Studien zu dem hier vorgelegten Strukturierungsentwurf sind nötig. Hierzu bieten sich Kategorien an, die bisher eher weniger im Kontext von Forschung zu Diversität beleuchtet wurden, beispielsweise in der soziokulturell-ökonomischen Dimension die Zugehörigkeit zu Freundschaftsgruppen und Gleichaltrigen-Cliquen (Balz, Bindel & Frohn, 2017; Frohn, 2019; Frohn, 2020) oder die Bedeutung von Sprachkompetenz in der kognitiv-sprachlichen Dimension.

Des Weiteren haben sich bei einigen Items, die aufgrund von Kennwerten letztlich aus der Faktorenanalyse ausgeschlossen werden mussten (z. B. nichteindeutige Faktorenladungen), interessante Korrelationen gezeigt, die für zukünftige Forschung Hinweise liefern könnte. Demnach wurde der Fluchthintergrund von Schüler*innen in der Wahrnehmung der befragten Lehrkräfte stark mit sprachlichen Kompetenzen sowie Selbstorganisationsfähigkeit assoziiert. Vermutlich, weil Schüler*innen mit Fluchthintergrund in Schulen insbesondere durch fehlende Deutschkenntnisse wahrgenommen bzw. in speziellen Lerngruppen separiert werden, ihnen aber auch durch die Fluchterfahrungen und das resultierende Neuzurechtfinden ein spezifischer Grad an Selbstorganisation zugeschrieben wird.

Der Ausschluss von bestimmten Items aus der statistischen Faktorenanalyse (z. B. Fluchthintergrund, Körpergewicht, Talent), die in theoretischer Hinsicht relevant erscheinen, zeigt auch die Grenzen einer quantitativen Herangehensweise auf und verweist auf die Notwendigkeit von qualitativen Studien. Wie Lehrkräfte dem Fluchthintergrund von Schüler*innen eine Bedeutung für den Schulsport zuschreiben, konnte z. B. in qualitativen Studien schon gezeigt werden (Bartsch et al., 2019).