Neben den genannten Vorteilen der Conjoint-Analyse sind die Anwendungsmöglichkeiten der Conjoint-Analyse aufgrund ihres dekompositionellen Charakters jedoch auch an unterschiedliche Bedingungen geknüpft. Woratschek (1998, 2000) hat diese für Sportdienstleistungen kritisch diskutiert. Die Erfüllung der nachfolgenden Bedingungen wird für den Einsatz der Conjoint-Analyse zur Ermittlung von Preisbereitschaften für Sporteventtickets als elementar erachtet (Woratschek, 1998, 2000):
Tickets aus dienstleistungstheoretischer Sicht
Sportdienstleistungen lassen sich mit Hilfe der Konstrukte Verhaltensunsicherheit (Risikoebene), Integrativität (Prozessebene) und Individualität (Ergebnisebene) charakterisieren (Woratschek, 2000). Die Conjoint-Analyse ist dann für Preisentscheidungen geeignet, wenn die Verhaltensunsicherheit, die Integrativität und die Individualität der Dienstleistung als gering eingestuft werden können. Die Verhaltensunsicherheit beschreibt dabei das empfundene Risiko über das zukünftige Verhalten der Vertragspartner zum Zeitpunkt des Kaufvertrags. Die Integrativität steht für das Ausmaß externer Produktionsfaktoren im Erstellungsprozess einer Sportdienstleistung. Die Individualität beschreibt, inwieweit das Leistungsergebnis maßgeschneidert bzw. standardisiert ist.
Die Verhaltensunsicherheit ist ein zentrales Konstrukt der Informationsökonomik und entsteht aufgrund einer asymmetrischen Informationsverteilung beteiligter Vertragspartner bei Vertragsabschluss. Es ist also unklar, ob die eigenen Erwartungen bei Vertragsabschluss aufgrund möglicher versteckter Absichten oder gar versteckter Handlungen des Vertragspartners wirklich erfüllt werden. So können aus genannten Gründen beispielsweise weder der Verlauf noch das Endresultat einer Physiotherapie vorhergesagt werden. Bei hoher Verhaltensunsicherheit müsste das Risiko endogenisiert werden, wohingegen die Conjoint-Analyse Risiken als exogene Variablen betrachtet. Zudem stehen unspezifische Erwartungen im Widerspruch zu einer exakten Abwägung der Eigenschaften im Experiment. Der Verkauf von Tickets für Sportevents findet in regelmäßigen Abständen statt. Aufgrund der ständigen nachvollziehbaren Wiederholung der Dienstleistung in einem vergleichbaren Kontext ist die Verhaltensunsicherheit hinsichtlich des Ablaufs eines Sportevents für mögliche Zuschauer als eher gering einzustufen, wenn man vom Verlauf und Ergebnis des sportlichen Wettbewerbs absieht. Aus Perspektive der Verhaltensunsicherheit ist daher die Conjoint-Analyse für die Preisanalyse von Tickets grundsätzlich geeignet.
Die Integrativität bezieht sich auf die Einbeziehung des Kunden als externen Faktor in den Dienstleistungsprozess. Eine hohe Integrativität liegt vor, wenn der Kunde in viele Stufen der Wertschöpfungskette eingreift (Eingriffstiefe) und mit dem Kunden bei der Leistungserstellung häufig und intensiv kommuniziert werden muss (Eingriffsintensität) (Engelhardt, Kleinaltenkamp, & Reckenfelderbäumer, 1993). Dies ist beispielsweise bei einer Physiotherapie der Fall. Eine hohe Integrativität erfordert daher die Modellierung vieler Merkmalsausprägungen in den unterschiedlichen Stufen der Leistungserstellung. Eine zu hohe Anzahl von relevanten Merkmalen gefährdet die Validität einer Conjoint-Analyse. Zudem entscheidet in der Akquisephase oft die Reputation des Anbieters darüber, welche Dienstleistung ein Nachfrager kauft. Daher ist es fraglich, ob bei einer hohen Integrativität die Faktoren der bei der klassischen Conjoint-Analyse unterstellten Abwägung einzelner Produktmerkmale überhaupt stattfindet und nicht etwa durch ein aus der Reputation abgeleitetes Pauschalurteil ersetzt wird. Wie dem auch sei, beim Kauf von Tickets eines Sportevents ist der Grad der Integrativität niedrig, weil beim Ticketkauf weder ein Eingriff auf viele Wertschöpfungsstufen erfolgt noch eine intensive Kommunikation mit dem Käufer notwendig ist. Zudem sind auch nur relativ wenige Ticketmerkmale kaufentscheidend, sodass auch aus dieser Perspektive einer Anwendung der Conjoint-Analyse für Kaufentscheidungen von Tickets für Sportevents nichts im Wege steht.
Die Individualität kann auf einem Kontinuum zwischen standardisierten und maßgeschneiderten Leistungsergebnissen dargestellt werden. Maßgeschneiderte Sportdienstleistungen (z. B. individuelle Trainings- oder Physiotherapiepläne sowie Investitionsberatungen für Profisportler) gehen dabei auf die individuellen Ansprüche, Wünsche und Bedürfnisse der Kunden ein. Oft sind diese bei Vertragsabschluss nur grob erfasst und werden erst im Laufe der Leistungserstellung näher definiert, sodass die Merkmale nach Vertragsabschluss noch stärker variieren können. Der Verkauf von Tickets eines Sportevents zeichnet sich durch eine geringe Individualität aus. Die aus dem Ticket abzuleitenden Ansprüche zur Leistungserstellung sind weitgehend standardisiert. Daher ist auch aus dieser Perspektive die Conjoint-Analyse für die Ermittlung von Preisbereitschaften von Tickets geeignet.
Geringe Anzahl an Eigenschaften bestimmt die Kaufentscheidung vollständig
Für die valide Durchführung einer Conjoint-Analyse ist es unerlässlich, dass die Kaufentscheidung durch eine möglichst geringe Anzahl an Eigenschaften bestimmt wird. In der Literatur wird diskutiert, dass zu viele Eigenschaften für die Ergebnisse der Befragung kontraproduktiv sein können. Dies ist zum einen auf die begrenzte menschliche Leistungsfähigkeit, zum anderen aber auch auf forschungsökonomische Gründe zurückzuführen (Weiber & Mühlhaus, 2009). Auch wenn man durchaus reduzierte Designs anwenden kann, führt dennoch die Berücksichtigung einer zu hohen Anzahl an Stimuli zu einer Informationsüberflutung der Befragten (Green & Srinivasan, 1990). Die Umfrage würde zu lange dauern und könnte aufgrund der Überforderung der Probanden auch zu einer hohen Abbruchquote führen. Dementsprechend ist es unerlässlich, sich auf wenige, dafür zentrale Eigenschaften zu konzentrieren. Auch die Anzahl der Eigenschaftsausprägungen muss berücksichtigt werden. Der Number-of-level-Effekt bedeutet, dass eine höhere Anzahl von Eigenschaftsausprägungen eine höhere relative Bedeutung für Eigenschaften mit mehr Ausprägungen nach sich zieht. Dies hat verzerrte Nutzenwerte zur Folge (Verlegh, Schifferstein, & Wittink, 2002; Wittink, Huber, Zandan, & Johnson, 1992).
Im Vergleich zu den Ausführungen von Woratschek (1998, 2000) ermöglichen seitdem entwickelte Varianten der Conjoint-Analyse die Berücksichtigung einer höheren Anzahl an Merkmalen. Diesen methodischen Weiterentwicklungen weisen auch eine höhere Validität auf (Heidbrink, 2008). Aus diesem Grund sollte die Anforderung der geringen Anzahl an Eigenschaften relativiert werden, wobei die Anzahl an Merkmalen in einem zweckmäßigen Forschungsdesign noch immer begrenzt ist.
Im Allgemeinen haben Tickets für Sportevents unterschiedliche Eigenschaften, die die Kaufentscheidung beeinflussen können. Dies kann beispielsweise die sportliche Relevanz (z. B. Ligaspiel vs. Playoffs), der Wochentag, der Startzeitpunkt, die gegnerische Mannschaft, die Sitzkategorie oder sogar der Veranstaltungsort sein. All diese Eigenschaften können die Präferenzen der Verbraucher beeinflussen. Wie jedoch schon diskutiert, führt eine zu hohe Anzahl an Eigenschaften zu einer Überforderung der Probanden. Dementsprechend sind eine möglichst geringe Anzahl und die sorgfältige Auswahl der relevanten Eigenschaften von zentraler Bedeutung. So sind Eigenschaften wie der Wochentag, die Startzeit und auch der Veranstaltungsort eines bestimmten Events zum Verkaufsstart der Eintrittskarten bekannt. Da diese im vorliegenden Fall vom veranstaltenden Verband in Abstimmung mit den übertragenden TV-Anstalten festgelegt werden, können sie nicht vom Ticketanbieter beeinflusst und realisiert werden. Zudem können bei wechselnden Anstoßtagen und -zeiten private oder berufliche Terminkonflikte zum Ausschluss bestimmter Eigenschaftsausprägungen führen. Dies würde zur Verletzung grundlegender Anforderungen an integrierte Merkmale einer Conjoint-Analyse führen (Backhaus et al., 2018). Bei Analysen im Ticketing sollten demnach diese Eigenschaften je nach Betrachtungsweise als konstant betrachtet werden. Eine Unterscheidung der Tickets für ein Sportevent findet regelmäßig auf Basis unterschiedlicher Sitzkategorien und daraus resultierender unterschiedlicher Preise statt.
In dieser Studie gehen wir davon aus, dass der Ticketpreis, die Sitzkategorie und sportliche Relevanz die Kaufentscheidung signifikant determinieren. Insgesamt kann für Tickets eines Sportevents eine realistische Kaufentscheidung bereits mit einer geringen Anzahl an Eigenschaften modelliert werden, sodass eine Conjoint-Analyse mit hoher Validität durchgeführt werden kann.
Hohes Involvement der Kunden
Sportevents sind mit vielen Emotionen verbunden (Biscaia, Correia, Rosado, Maroco, & Ross, 2012; Hanin, 1999). Dementsprechend ist auch die Identifikation mit Sportlern oder Sportteams bei Zuschauern oft stark ausgeprägt (Donavan, Carlson, & Zimmermann, 2005; Ströbel, Woratschek, & Durchholz, 2019; Sutton, McDonald, Milne, & Cimperman, 1997; Wann & Branscombe, 1990, 1993). Ein hohes Involvement der Zuschauer ist bei einem Kauf von Tickets für Sportevents also durchaus anzunehmen. Bei einem hohen Involvement kann man davon ausgehen, dass der in der Conjoint-Analyse unterstellte Trade-off von Produktmerkmalen gegeben ist.
Keine Make-or-buy-Entscheidung
Die Conjoint-Analyse bildet keine Make-or-buy-Entscheidung ab, wie sie sich häufig im Bereich von Dienstleistungen stellen kann. Ein Sportevent auf professionellem Niveau inklusive der Teilnahme beliebter Sportler oder Teams ist nahezu unmöglich nur durch die Eigenleistung des Kunden zu substituieren. Aus diesem Grund kann auch die Frage nach einer Make-or-buy-Entscheidung ausgeschlossen werden.
Kosten unabhängig der Auslastung
Für die Organisation eines Sportevents fallen hohe Fixkosten an (Masterman, 2014). Mietkosten für die Veranstaltungsstätte sowie die Personalkosten für die Sportler, Teams und weitere Akteure des sportlichen Wettkampfs fallen unabhängig von der Auslastung der Veranstaltungsstätte an. Ebendies gilt auch für die Personalkosten rund um die Organisation des Events. Die variablen Kosten für einen einzelnen Zuschauer eines Sportevents sind daher äußerst gering und tendieren gegen null. Daher sind die anfallenden Kosten eines Sportevents zum größten Teil unabhängig von der Auslastung der Veranstaltungsstätte, sodass man für gewinnoptimale Preisentscheidungen die Kostenseite vernachlässigen kann. Die Conjoint-Analyse ermöglicht die Modellierung von erlösoptimalen Preiskalkulationen. Daher ist eine weitere Betrachtung der Kostenseite nicht erforderlich.
Konkurrenzverhalten
Die Conjoint-Analyse wird häufig für Produktentwicklungen und -verbesserungen sowie zur Preisfindung eingesetzt. Dabei werden in der klassischen Conjoint-Analyse grundsätzlich keine Konkurrenzreaktionen modelliert. Eine Besonderheit des Sportmanagements ist jedoch die Tatsache, dass professionelle Sportvereine und -verbände als regionale „Quasi“-Monopolisten agieren. Studien zu Fanidentifikation und -loyalität zeigen eindrucksvoll, dass trotz schlechter Leistungen der Sportler oder Teams und der damit verbundenen Unzufriedenheit der Zuschauer und Fans ein Wechsel des Anbieters oder Klubs oder auch der Sportart nahezu ausgeschlossen ist (Woratschek, Horbel, & Popp, 2018). So ist es nahezu undenkbar, dass ein unzufriedener Fan der deutschen Fußball-Nationalmannschaft dieser den Rücken kehrt, um die niederländische Nationalmannschaft zu unterstützen. Der Einbezug der Konkurrenzreaktionen im Ticketing für Sportevents ist somit vernachlässigbar.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die von Woratschek (1998, 2000) adressierten Anforderungen zum Einsatz der Conjoint-Analyse im Dienstleistungsbereich für das Dienstleistungsangebot des Ticketings für Sportevents weitgehend erfüllt werden. Somit ist die Conjoint-Analyse grundsätzlich für die gewinnmaximale Bestimmung von Ticketpreise gut geeignet.