1 Motivation

Repräsentative Längsschnittdaten für Firmen (Betriebe bzw. Unternehmen) stammen in Deutschland vor allem aus zwei Quellen:Footnote 1

  • Seit 1993 wird im Auftrag des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) jährlich eine repräsentative geschichtete Stichprobe aller Betriebe mit mindestens einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten Person befragt. Die Angaben aus den Befragungswellen werden über die Jahre verknüpft und bilden das IAB-Betriebspanel (Fischer et al. 2009).

  • Die Statistischen Landesämter erheben regelmäßig in Betrieben und Unternehmen aus allen Teilen der Wirtschaft Daten zu einer Vielzahl von Themen. Diese Angaben können über die einzelnen Wellen einer Erhebung sowie über verschiedene Erhebungen miteinander verknüpft und für ganz Deutschland zusammengeführt werden. Die so entstehenden Längsschnittdaten für Betriebe und Unternehmen sind die so genannten AFiD-Panel, wobei das Akronym AFiD für Amtliche Firmendaten für Deutschland steht (Malchin und Voshage 2009).

Wissenschaftler können das IAB-Betriebspanel und die AFiD-Panel für Analysen nutzen. Der Zugang ist jeweils projektspezifisch vertraglich zu regeln und erfolgt über das Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Bundesagentur für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Kohlmann 2005) bzw. über die FDZ des Statistischen Bundesamtes und der Statistischen Ämter der Länder (Zühlke et al. 2004). Aus Nutzersicht ist hierbei wichtig, dass bei der Verwendung der Daten des IAB-Betriebspanels keine Gebühren anfallen; die Kosten für die Nutzung eines AFiD-Paneldatensatzes mit zahlreichen Wellen können dagegen insbesondere dann, wenn projektspezifische Erweiterungen erforderlich sind, erheblich sein.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Paneldatensätzen besteht in der Art ihrer Entstehung und den damit verbundenen Kosten. Während die AFiD-Panel auf vorhandene Datenbestände zurückgreifen können und diese Daten lediglich neu aufbereitet (d.h. unter Verwendung entsprechender Identifikatoren über die Wellen einer Erhebung und dann über mehrere Erhebungen verknüpft) werden müssen, ist für das IAB-Betriebspanel jedes Jahr eine eigenständige Erhebung durch Interviewer eines Befragungsinstituts sowie eine anschließende Aufbereitung der erhobenen Daten erforderlich. Auf der Grundlage meiner umfangreichen Erfahrungen aus zwanzig Jahren Arbeit mit Firmenpaneldaten versuche ich in diesem Beitrag zu zeigen, warum das IAB-Betriebspanel und die AFiD-Panel komplementäre Inputs für die Empirische Wirtschaftsforschung bilden. Beide Datensätze haben spezifische Stärken und Schwächen, die sie zur Analyse von konkreten Fragestellungen jeweils mehr oder weniger gut geeignet machen. Dies soll hier – oft unter Verweis auf eigene empirische Studien von mir – gezeigt werden.

2 Sechs Aspekte für einen Vergleich von IAB-Betriebspanel und AFiD-Panel

2.1 Fallzahlen

Für das IAB-Betriebspanel wird jährlich eine nach Größenklassen und Wirtschaftszweigen geschichtete Stichprobe aller Betriebe mit mindestens einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten Person befragt; zurzeit umfasst diese Stichprobe rund 16.000 Betriebe. Bei den AFiD-Panel handelt es sich vielfach um Totalerhebungen der Grundgesamtheit (teils mit einer Abschneidegrenze z. B. bezüglich der Anzahl der tätigen Personen wie beim Monatsbericht für Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden (Konold 2007)) oder um sehr große Stichproben [wie etwa bei der Kostenstrukturerhebung im Verarbeitenden Gewerbe, im Bergbau sowie in der Gewinnung von Steinen und Erden (Fritsch et al. 2004) oder bei der Strukturerhebung im Dienstleistungssektor Vogel 2009].

Das IAB-Betriebspanel ist aufgrund der Stichprobengröße für kleinräumige Analysen und für Studien zu eng abgegrenzten Bereichen der Wirtschaft nicht geeignet. Hierfür eignen sich die AFiD-Panel sehr viel besser; sie erlauben z. B. Analysen für Betriebe aus spezifischen Industrien in einzelnen Bundesländern [wie eine Untersuchung der Komponenten der Arbeitsplatzdynamik im Industriezweig „Herstellung von Hütten- und Walzwerkeinrichtungen“ in Niedersachsen von 1978 bis 1990 in Gerlach und Wagner (1995)] oder Analysen auf der Ebene von Kreisen bzw. kreisfreien Städten (wie der Arbeitsplatzentwicklung in der Landeshauptstadt Hannover in den Bereichen Spitzentechnik, höherwertige Technik und in der sonstigen Industrie von 1978 bis 1994 in Wagner (1995)).

  • Bei dem Aspekt „Fallzahlen“ liegt der Vorteil bei den AFiD-Panel.

2.2 Fragenprogramm

Das Fragenprogramm der Erhebungen der Amtlichen Statistik, die die Basis der AFiD-Panel bilden, ist jeweils gesetzlich fixiert und umfasst vielfach nur wenige Merkmale. Eine Folge davon ist, dass es nicht möglich ist, die Erhebungen kurzfristig als Reaktion auf aktuelle Entwicklungen und Datenanforderungen zu ergänzen. Ferner werden ausschließlich Fakten erhoben; subjektive Einschätzungen und Erwartungen sind nicht Gegenstand der amtlichen Erhebungen.

Im Gegensatz dazu liegt die Entscheidung über das Fragenprogramm des IAB-Betriebspanels in der Hand der für die Umfrage verantwortlichen Wissenschaftler, wobei diese Entscheidung im Einvernehmen mit den am IAB-Betriebspanel beteiligten Institutionen (IAB, IWH und Länderministerien) getroffen wird. Dieses Fragenprogramm ist sehr umfangreich, eine Reaktion auf aktuelle Geschehnisse ist möglich und subjektive Einschätzungen und Erwartungen der Entscheidungsträger im Betrieb nehmen einen breiten Raum ein.

Ein Beispiel für eine aus ökonomischer Sicht wichtige Angabe, die sich im IAB-Betriebspanel – aber nicht in den AFiD-Panel – findet, ist die Information über die Existenz eines Betriebsrates. Die entsprechende Angabe im IAB-Betriebspanel hat die empirische Mitbestimmungsforschung in Deutschland in erheblichem Umfang gefördert [vgl. z. B. Addison et al. (2003) oder Schank et al. (2004) sowie die umfassenden Überblicke in Jirjahn (2011) und Stegmeier (2012)]; sie bildet damit eine wichtigen Grundlage für eine evidenzbasierte Diskussion der wirtschafts- und gesellschaftspolitisch relevanten Frage nach den ökonomischen Folgen der betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer.

Weitere Beispiele für regelmäßig im IAB Betriebspanel erhobene Angaben, für die entsprechende Informationen in Erhebungen der amtlichen Statistik fehlen, sind die Verbreitung von betrieblichen Bündnissen für Beschäftigung und Standortsicherung, Tarifbindung, Gewinn- und Kapitalbeteiligung, Prozess- und Produktinformationen und Frauen in Führungspositionen. Diese Liste ließe sich lange fortsetzen; die Anzahl sehr informativer und aus wissenschaftlicher sowie politischer Perspektive relevanter Studien auf der Basis dieser Daten ist entsprechend hoch.

Eine weitere Stärke des IAB-Betriebspanels verglichen mit den AFiD-Daten besteht darin, dass das Befragungsprogramm sehr flexibel an laufende Entwicklungen angepasst werden kann. Damit können kurzfristig Informationen für eine repräsentative Stichprobe von Betrieben bereitgestellt werden, die dann in die Analyse aktueller wirtschaftspolitisch relevanter Fragen und eine fundierte Politikberatung einfließen können. Hierbei können im Gegensatz zu den Standardbefragungen der Amtlichen Statistik auch Erwartungen und subjektive Einschätzungen erhoben und ausgewertet werden. Beispiele hierfür sind die erwartete Entwicklung des Umsatzes und die Einschätzung des technischen Standes der Produktionsanlagen.

Die Amtliche Statistik ist, was das Befragungsprogramm betrifft, allerdings nicht vollständig unflexibel. Neben den regelmäßigen Erhebungen mit einem festen Fragenprogramm gibt es auch die in § 7 des Bundesstatistikgesetzes (BstatG) geregelten „Erhebungen für besondere Zwecke“. Hierbei handelt es sich um Bundesstatistiken ohne Auskunftspflicht bei höchstens 20,000 Befragten, die durchgeführt werden können zur „Erfüllung eines kurzfristig auftretenden Datenbedarfs für Zwecke der Vorbereitung und Begründung anstehender Entscheidungen oberster Bundesbehörden …, wenn eine oberste Bundesbehörde eine solche Bundesstatistik fordert“ oder zur „Klärung wissenschaftliche-methodischer Fragestellungen auf dem Gebiet der Statistik“.

Beispiele für solche Sondererhebungen zu aktuellen Fragestellungen sind die in Kooperation mit dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) durchgeführte Piloterhebung zum Thema „International Sourcing“ (Zwania 2008) sowie die Befragung zum „Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln“ (Söllner 2011). Hierbei handelt es sich allerdings jeweils um einmalige Erhebungen (auch wenn der § 7 BstatG in Absatz 5 Wiederholungsbefragungen ausdrücklich zulässt) bei einem jeweils spezifisch abgegrenzten Berichtskreis (bei der Umfrage zum Zugang zu Finanzmitteln z. B. um „unabhängige Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten der nicht-finanziellen Wirtschaft, die vor 2006 gegründet wurden“; Söllner 2011, S. 621). Verlaufsanalysen und Analysen von kausalen Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen sind mit diesen Daten nicht möglich.Footnote 2 Da nur bis zum Zeitpunkt der einmaligen Erhebung überlebende Firmen befragt werden konnten ist zudem mit einem „survivor bias“ zu rechnen. Dies alles führt zu starken Einschränkungen bzgl. der Repräsentativität und Belastbarkeit der Befunde auf der Basis der Daten der Amtlichen Statistik aus diesem Typ von Erhebungen.

  • Bei dem Aspekt „Fragenprogramm“ liegt der Vorteil bei dem IAB-Betriebspanel.

2.3 Teilnahme- und Auskunftspflicht vs. Panelmortalität und Antwortverweigerungen

Die AFiD-Panel entstehen aus Datensätzen, die in Befragungen von Betrieben oder Unternehmen mit Auskunftspflicht erhoben werden; die teilnehmenden Firmen sind also gesetzlich verpflichtet, umfassend und wahrheitsgemäß zu antworten. Antwortverweigerungen in einer Befragungswelle bei der gesamten Befragung (Panelmortalität) oder bei einzelnen Merkmalen (item non-response) stellen demnach hier kein Problem dar. Hiermit verbundene Selektionsprobleme bestehen daher nicht.

Die Situation beim IAB-Betriebspanel ist grundlegend verschieden. Die Teilnahme der Betriebe ist freiwillig, sie kann beim Erstkontakt oder bei Folgebefragungen verweigert werden. Bei einzelnen Fragen, die von den befragten Personen in dem Betrieb als sensibel oder als Geschäftsgeheimnis betrachtet werden (hierzu zählt in vielen Fällen z. B. bereits der Umsatz), kommt es zu Antwortverweigerungen. Dies führt dazu, dass in manchen Fällen gar nicht versucht wird, „harte“ Indikatoren zu erheben und stattdessen auf eher „weiche“ Informationen zurückgegriffen wird. Anders als z. B. in den Kostenstrukturerhebungen der Amtlichen Statistik finden sich daher im IAB-Betriebspanel auch keine Angaben, die die Berechnung einer Renditekennziffer ermöglichen. Stattdessen findet sich eine Frage nach einer subjektiven Einschätzung der Ertragslage als „sehr gut/gut/befriedigend/ausreichend/mangelhaft“. Bei Fragen, für deren exakte Beantwortung umfangreiche Recherchen erforderlich wären, wird vielfach um ungefähre Angaben („ca. × Prozent“) oder um Schätzungen gebeten.

  • Bei dem Aspekt „Teilnahme- und Auskunftspflicht“ liegt der Vorteil bei den AFiD-Panel.

2.4 Kombinierbarkeit von Firmen- und Personendaten

Zahlreiche ökonomische Fragestellungen können überzeugend nur empirisch untersucht werden, wenn neben detaillierten Informationen für die Firmen auch Informationen für die in ihnen tätigen Personen vorliegen. Datensätze, die auf der Mikroebene Informationen von Firmen und Beschäftigten kombinieren, werden als „linked employer-employee (LEE)“ Daten bezeichnet. Aus rechtlichen Gründen ist es nicht möglich, die Betriebs- und Unternehmensdaten aus Erhebungen der Amtlichen Statistik mit Daten zu den darin arbeitenden Personen zu verknüpfen.Footnote 3 Die Situation ist beim IAB-Betriebspanel ganz anders – hier liegt ein LEE-Datensatz vor, der die Daten aus Erhebungen des Betriebspanels und Angaben zu allen in den Betrieben sozialversicherungspflichtig Beschäftigten enthält [vgl. zum LIAB – das Akronym steht für „linked employer-employee dataset at the IAB“ – Alda et al. (2005)].

Ein Beispiel für die Notwendigkeit eines LEE-Paneldatensatzes für eine überzeugende empirische Untersuchung ist der Zusammenhang zwischen der Exporttätigkeit einer Firma und der Entlohnung. Studien mit Firmendaten aus zahlreichen Ländern finden einen positiven Zusammenhang zwischen Durchschnittslohn und Exporten – der Lohn pro Kopf ist in Firmen mit Exporten höher als in Firmen, die ihre Produkte ausschließlich im jeweiligen Inland verkaufen. Diese „Exporteur-Lohnprämie“ bleibt bestehen, wenn in Regressionsschätzungen für beobachtbare Firmeneigenschaften (wie Größe oder Industriezweig) und in Modellen mit Paneldaten und fixen Firmeneffekten zusätzlich für unbeobachtete zeitinvariante Firmeneigenschaften kontrolliert wird. Erst LEE-Paneldaten wie die LIAB-Daten ermöglichen es zu überprüfen, ob sich diese Lohnprämien auch feststellen lassen, wenn für beobachtete und unbeobachtete Eigenschaften der Beschäftigten kontrolliert wird – ob also „gleiche“ Individuen in exportierenden Firmen höhere Löhne erhalten als in „sonst gleichen“ nicht-exportierenden Firmen. Mit den LIAB-Daten finden Schank et al. (2007), dass dies in Deutschland tatsächlich der Fall ist. In einer weiteren Studie mit den LIAB-Daten finden die Autoren, dass diese Lohnprämie in exportierenden Betrieben bereits in den Jahren vor dem Beginn der Exporttätigkeit gezahlt wird und dass sie in den Jahren nach dem Exportstart nicht ansteigt. Die höheren Löhne in exportierenden Betrieben sind also eine Folge der Selbstselektion von produktiveren, besser zahlenden Firmen auf die Exportmärkte und nicht eine Folge der Exporttätigkeit (vgl. Schank et al. 2010).

  • Bei dem Aspekt „Kombinierbarkeit von Firmen- und Personendaten“ liegt der Vorteil beim IAB-Betriebspanel.

2.5 Kombinierbarkeit mit Firmendaten aus externen Quellen

Auch bei einem breit angelegten Fragenprogramm wie dem des IAB-Betriebspanels – und erst recht bei einem eher schmalen Spektrum der erhobenen Informationen, wie es bei den Umfragen der Amtlichen Statistik die Regel ist – gibt es immer wieder spezifische Informationen, die in den verfügbaren Firmenpanel-Datensätzen nicht enthalten sind. Aus Kosten- und Zeitgründen ist es nicht möglich, für die Analyse einer spezifischen Fragestellung ein eigenes Panel zu erheben. Eine themenspezifische Ergänzung des Fragenprogramms des IAB-Betriebspanels über mehrere Wellen hinweg oder eine „Erhebungen für besondere Zwecke“ durch das Statistische Bundesamt mit mehreren Wellen ist ebenfalls kein gangbarer Weg. Was tun?

Ein in vielen Fällen erfolgversprechender Weg ist ein „Andocken“ von Informationen aus externen Quellen an vorhandene Firmenpanel-Daten. Technisch erfordert dies, dass in den Firmenpaneldaten und in den Daten aus der externen Informationsquelle ein für jede Firma identischer Identifikator vorhanden ist, der diese Zusammenführung ermöglicht. Hierbei kann es sich z. B. um die Umsatzsteuer-Nummer eines Unternehmens oder um die Nummer des Handelsregister-Eintrags zusammen mit der Angabe über das zuständige Registergericht handeln. Möglich – wenn auch in vielen Fällen sehr viel komplizierter und mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden – ist auch eine Zusammenführung anhand des Firmennamens und der Firmenanschrift.Footnote 4 Rechtlich muss diese Datenzusammenführung zulässig sein.

Für die AFiD-Panel sind beide Bedingungen in viele Fällen erfüllt. Rechtlich regelt dies das BstatG in § 13a. Hier wird u. a. ausdrücklich gestattet, Firmendaten aus Erhebungen der amtlichen Statistik mit Daten aus „allgemein zugänglichen Quellen“ zusammenzuführen. „Allgemein zugängliche Quellen“ sind hierbei nicht nur kostenlos im Internet verfügbare oder in anderer Form publizierte Daten sondern auch Informationen aus Datenbanken kommerzieller Anbieter, deren Nutzung kostenpflichtig ist.Footnote 5 Technisch ist dies dann ohne großen Aufwand möglich, wenn die externen Daten einen der Identifikatoren enthalten, der auch im Unternehmensregister-System (URS) enthalten ist; hierzu zählen z.B. die Umsatzsteuernummer und die Handelsregisternummer zusammen mit der Angabe des Handelsregistergerichts. Kombinierte Daten aus Erhebungen der Amtlichen Statistik und aus externen Datenquellen werden als AFIDplus-Daten bezeichnet (Wagner 2010).

Ein Beispiel für die Nutzung solcher kombinierter Daten sind Studien zur Verbreitung und zu den Folgen der Drittelmitbestimmung im Aufsichtsrat in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) mit 500 bis 2000 Beschäftigten. Diese GmbHs fallen (vernachlässigt man Details und Ausnahmen) unter das Drittelmitbestimmungsgesetz, wonach ein Drittel der Sitze im Aufsichtsrat von Arbeitnehmern eingenommen wird. Informationen über die tatsächliche Umsetzung dieses Gesetzes (Gibt es in den GmbHs einen Aufsichtsrat? Sind ein Drittel der Sitze mit Arbeitnehmern besetzt?) sind aus keiner Erhebung der Amtlichen Statistik verfügbar. In einer aufwändigen telefonischen Erhebung und unter Verwendung von Angaben aus der kommerziellen Hoppenstedt Datenbank Großunternehmen wurden diese Angaben für GmbHs der genannten Größenklasse für 2007/2008 aufbereitet und die neu erhobenen Daten wurden dann in Arbeitspapieren publiziert. Über die Angabe der Handelsregisternummer und des Handelsregistergerichts wurden diese allgemein zugänglichen Informationen dann unter Verwendung des Unternehmensregister-Systems mit Unternehmensdaten der Amtlichen Statistik aus den Kostenstrukturerhebungen im Verarbeitenden Gewerbe bzw. der Strukturerhebung im Dienstleistungssektor verknüpft. Mit diesen kombinierten Daten konnten erstmals durch einen direkten Vergleich von mitbestimmten und nicht mitbestimmten Unternehmen Untersuchungen zur Verbreitung und zu den ökonomischen Folgen der Drittelmitbestimmung im Aufsichtsrat durchgeführt werden (vgl. Boneberg 2011 und Wagner 2011b). Dies zeigt exemplarisch den hohen Zusatznutzen einer Kombination von AFiD-Panel und Firmendaten aus externen Quellen.

Ein weiteres Beispiel ist ein im Sommer 2012 begonnenes eigenes Projekt, in dem Angaben zur Kreditwürdigkeit von Unternehmen aus den Datenbeständen des Verbands der Vereine Creditreform (VVC) mit dem AFID-Panel Industrieunternehmen verknüpft wurden. Für diese Verknüpfung wurde die sowohl in der VVC-Datenbank als auch im Unternehmensregister verfügbare Kennnummer aus der Hoppenstedt-Datenbank genutzt. Diese so verknüpften Daten ermöglichen z. B. empirische Untersuchungen zu Zusammenhängen von Exporten und Finanzierungsbeschränkungen für deutsche Industrieunternehmen (vgl. Wagner 2012).

Eine Verknüpfung mit externen Informationen ist auch für die Daten aus dem IAB-Betriebspanel möglich. Ein Beispiel hierfür ist die Studie von Bellmann und Kirchhof (2006), in der Angaben zu Unternehmenszusammenschlüssen oder Unternehmensübernahmen aus der Datenbank Thomsen One Banker mit dem IAB-Betriebspanel verknüpft wurden. Die Identifikation der Firmen in den beiden Datenbeständen war hierbei allerdings nur über einen Abgleich der Firmennamen und der Adressen möglich. Erfahrungsgemäß ist ein solches Vorgehen sehr zeitaufwändig und damit sehr teuer. Die Studie von Bellmann und Kirchhof (2006) belegt aber die Machbarkeit.

  • Bei dem Aspekt „Kombinierbarkeit mit Firmendaten aus externen Quellen“ ist kein eindeutiger Vorteil für eines der beiden hier betrachteten Panels erkennbar.

2.6 Internationale Vergleichbarkeit der Daten

Die empirische Wirtschaftsforschung nutzt Firmenpaneldaten für unterschiedliche Zwecke. Hierzu zählen die Aufdeckung bisher nicht bekannter Fakten, Regelmäßigkeiten und Verhaltensmuster, der Test von Hypothesen aus theoretischen Überlegungen und formalen Modellen sowie die Evaluation wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Die Ergebnisse dieser empirischen Forschung liefern dann Beiträge zu einem besseren Verständnis realer wirtschaftlicher Abläufe, sie können Hinweise für eine realitätsorientierte theoretische Modellierung ökonomischer Zusammenhänge liefern und sie können die Grundlage für eine evidenzbasierte Politikberatung bilden.

In vielen Fällen ist es dabei sehr hilfreich, wenn die empirischen Ergebnisse nicht ausschließlich auf Daten aus einem Land beruhen. Zeigen sich Zusammenhänge in identischer oder sehr ähnlicher Form in vielen Ländern, dann können diese Regelmäßigkeiten als stilisierte Fakten gelten und eine breite Gültigkeit beanspruchen. Zeigen sich in Studien mit identisch spezifizierten empirischen Modellen und bei Verwendung identisch definierter Variablen Unterschiede zwischen Ländern, dann führt dies zu der Frage, warum es eben diese Unterschiede gibt. Entsprechende Untersuchungen können dann sehr viel zum besseren Verständnis ökonomischer Zusammenhänge beitragen.

Die Daten der AFiD-Panel liegen in sehr vielen Fällen in identischer Form (Definition der erhobenen Merkmale, Abgrenzung der Grundgesamtheit der Erhebung) für zahlreiche Länder vor. Dies ermöglicht international vergleichende Studien auf der Basis identisch spezifizierter empirischer Modelle mit identisch definierten Variablen. Der Zugang zu den Firmendaten in den einzelnen Ländern ist dabei in der Regel nur Forschern aus den jeweiligen Ländern möglich, was eine ex-ante Koordination entsprechender empirischen Studien erfordert.

Ein Beispiel für eine solche international vergleichende Studie auf der Basis von Daten des Typs der AFiD-Panel aus 14 Ländern ist die Untersuchung der Produktivitätsunterschiede zwischen exportierenden und nicht-exportierenden Industriefirmen, die von der International Study Group on Exports and Productivity (ISGEP) (2008) durchgeführt wurde. Auf der Basis vergleichbarer Firmendaten und identisch spezifizierter empirischer Modelle finden die Autoren, dass exportierende Firmen auch bei Kontrolle beobachteter und unbeobachteter Firmeneigenschaften produktiver sind als nicht exportierende Firmen, dass es eine Selbstselektion produktiverer Firmen auf die Exportmärkte gibt und dass sich kaum Hinweise auf positive Produktivitätseffekte der Exporte nachweisen lassen. Dies ist das aus zahlreichen unabhängig voneinander durchgeführten empirischen Untersuchungen aus vielen Ländern vertraute Bild (vgl. Wagner 2007).

Darüber hinaus können die Autoren aber zeigen, dass sich die Produktivitätsunterschiede zwischen Exporteuren und Nicht-Exporteuren zwischen den Ländern in der Höhe deutlich voneinander unterscheiden – und zwar ohne dass diese Unterschiede durch unterschiedlich definierte Variablen, unterschiedlich abgegrenzte Stichproben oder unterschiedlich spezifizierte empirische Modelle verursacht wurden. In einer Meta-Analyse finden die Verfasser, dass die Produktivitätsunterschiede – wie theoretisch erwartet – höher sind in Ländern mit einer geringeren Partizipationsrate der Firmen am Export, mit einer restriktiveren Handelspolitik, mit geringerem Pro-Kopf Einkommen, mit weniger effizienten Regierungen und schlechterer Regulierungsqualität und in Ländern mit einem höheren Anteil der Exporte zu weiter entfernten Märkten. Damit liefert diese international vergleichende Studie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis eines zentralen Themas aus der Literatur zur mikroökonometrischen Analyse internationaler Firmentätigkeit.

Die internationale Vergleichbarkeit von Daten aus Erhebungen der Amtlichen Statistik ermöglicht international vergleichende Studien auf vergleichbarer Basis. Damit ist es möglich, Ergebnisse von Studien mit Daten aus verschiedenen Ländern zu replizieren und aus Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Ergebnisse zu lernen. Solche Replikationsstudien stellen einen sehr wertvollen Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt dar – auch wenn dies nicht immer von allen am Wissenschaftsprozess beteiligten Akteuren (Autoren, Gutachtern und Herausgebern von Zeitschriften) gesehen wird.Footnote 6

Beim IAB-Betriebspanel ist diese internationale Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Definition von erhobenen Merkmalen der Betriebe und von Einschätzungen und Erwartungen der Entscheidungsträger nicht in diesem Umfang gegeben. Damit lassen sich mit diesen Daten Replikationsstudien oder international vergleichende Untersuchungen nicht im gleichen Umfang durchführen. In vielen Fällen sind aber Firmenpanelerhebungen in verschiedenen Ländern in Teilbereichen der erhobenen Informationen hinreichend ähnlich, um eine tragfähige Basis für international vergleichende Studien zu bieten. Im Bereich der Mitbestimmungsforschung z. B. existieren in Frankreich und Großbritannien mit RESPONSE und WERS zwei für internationale Vergleiche durchaus geeignete Datensätze. Ferner besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einzelne Module des IAB-Betriebspanels mit dem Ziel international vergleichender Studien abzustimmen.

  • Bei dem Aspekt „Internationale Vergleichbarkeit“ liegt der Vorteil bedingt durch die Standardisierung des Fragenprogramms bei den AFiD-Panel.

3 Schlussfolgerungen

Die Diskussion von sechs Aspekten für einen Vergleich von IAB-Betriebspanel und AFiD-Panel hat deutlich gemacht, dass es sich bei diesen beiden Datensätzen um komplementäre und nicht um substitutive Inputs für die Empirische Wirtschaftsforschung handelt. Beide Datensätze haben spezifische Stärken und Schwächen, die sie zur Analyse von konkreten Fragestellungen jeweils mehr oder weniger gut geeignet oder auch völlig ungeeignet machen. Daraus folgt, dass der Werkzeugkasten für die empirischen Forschung mit Längsschnittdaten für Firmen in Deutschland sowohl das IAB-Betriebspanel als auch die AFiD-Panel enthalten muss, denn nur so ist sicher gestellt, dass ein möglichst breites Spektrum von Fragestellungen mit einem jeweils adäquaten Datensatz untersucht werden kann.Footnote 7

Der Befund, dass beide Firmenpanel Stärken und Schwächen aufweisen, legt die Frage nahe, ob sich die jeweiligen Stärken noch verstärken und die jeweiligen Schwächen weiter abschwächen lassen, wenn es gelingen könnte, beide Panel zu kombinieren. Eine solche „Fusion“ steht vor so hohen Hürden, dass es müßig erscheint, hierüber weiter zu spekulieren:

Erstens ist die Beobachtungseinheit in beiden Firmenpanels nicht (immer) identisch. Bei dem IAB-Betriebspanel sind es lokale Produktionseinheiten (Betriebe), bei den AFiD-Panel in sehr vielen Fällen kleinste rechtlich selbständige Einheiten (Unternehmen). Beide Firmentypen sind nur im Fall von Einbetriebsunternehmen identisch – und eine Aggregation der Betriebsangaben auf die Unternehmensebene im Fall von Mehrbetriebsunternehmen ist im IAB-Betriebspanel technisch nicht möglich, da nicht alle Betriebe der Mehrbetriebsunternehmen befragt werden.Footnote 8

Zweitens werden beide Datensätze von unterschiedlichen Datenproduzenten bereit gestellt, und die Zusammenführung von Einzeldaten für Firmen über die Grenzen von Datenproduzenten hinweg erfordert in Deutschland (zumindest gilt dies heute, d.h. im Jahr 2012) eine schriftliche Zustimmung der Firmen. Diese Zustimmung zu erhalten ist nicht unmöglich,Footnote 9 aber dies ist mit einem so hohen Aufwand verbunden, dass im Fall einer Kombination von IAB-Betriebspanel und Betriebsdaten aus Erhebungen der Amtlichen Statistik nach meiner Einschätzung zu erwarten ist, dass die Kosten den erwarteten Zusatznutzen übersteigen.

Wir werden also als empirische Wirtschaftsforscher weiter mit den Stärken und Schwächen von IAB-Betriebspanel und AFiD-Panel leben – nicht müssen, sondern dürfen, und dies hoffentlich noch für lange Zeit!