Die Haut ist das größte Organ des Körpers und erfüllt viele wichtige Funktionen. Die wichtigste Funktion ist dabei ihre Schutzfunktion. Geht diese Funktion verloren oder wird beeinträchtigt, resultieren daraus verschiedenste Symptome, die von leichten Hautirritationen wie Trockenheit, Schuppigkeit, Jucken und Brennen bis hin zu ernsten Hautentzündungen und Hauterkrankungen führen können. Die Pflege der Haut und damit die Gesunderhaltung der Haut sind somit enorm wichtig und nehmen für viele Verbraucher auch einen entsprechend hohen Stellenwert ein. So betrug im vergangenen Jahr der Umsatz mit Hautpflegemitteln in Deutschland 3,3 Mrd. € [1]. Die Tendenz ist weiter steigend.

Obwohl die Bereitschaft zur Hautpflege also generell als gut einzuschätzen ist, ist es bei der heute verfügbaren Produktbreite und -vielfalt dennoch nicht einfach, eine geeignete Hautpflege für den individuellen Bedarf zu identifizieren. Das heißt, oft greift der Verbraucher zu einem Produkt, weil er es aus der Werbung kennt oder einfach weil es schön aussieht oder gut riecht. Es erklärt sich von selbst, dass das nicht unbedingt zielführend ist. Insbesondere dann nicht, wenn die Haut schon vorgeschädigt ist und daher einer besonders intensiven Pflege bedarf. Ziel des Artikels ist es, die neuesten Erkenntnisse über effektive Hautpflegemittel mit präziser Schutz- und Reparaturfunktion vorzustellen.

Corneobiologie

Die Haut besteht aus 3 verschiedenen Schichten, der Subcutis, Dermis und der Epidermis. Die Epidermis ist dabei die äußerste Hautschicht und besteht ebenfalls aus verschiedenen Schichten (Abb. 1). Die unterste Schicht ist hier die Basalzellschicht, gefolgt von der Stachelzellschicht, der Körnerzellschicht und der Hornschicht. Die letztgenannte Schicht wird auch als Stratum corneum (SC) bezeichnet. Ihr kommt nach dem heutigen Kenntnisstand die größte Bedeutung für die Schutzfunktion der Haut zu. Das heißt, man geht heute davon aus, dass ein intaktes SC einen optimalen Hautschutz ermöglicht, und anders herum, dass ein gestörtes SC keinen optimalen Schutz bietet. Moderne Hautpflegekonzepte haben daher das Konzept, das Stratum corneum in gutem Zustand zu halten oder diesen – sollte er gestört sein – wieder herzustellen [2,3,4]. Das Konzept hierfür wird als „Corneotherapie“ bezeichnet, und dermale Formulierungen werden entsprechend als Corneotherapeutika bezeichnet [5, 6].

Abb. 1
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Schema zum Aufbau der Haut, der Epidermis und des Stratum corneum. aStruktur der extrazellulären Lipiddoppelschicht aus [7], mit freundlicher Genehmigung, © Elsevier, alle Rechte vorbehalten

Zur Realisierung dieses Konzeptes sind das Verstehen und individuelle Analysieren des SC essenziell. Daher ist ein Grundbaustein der Corneotherapie die Lehre über die Anatomie, Physiologie und Biologie des SC, welche als Corneobiologie (syn. Korneobiologie, zusammengesetzter Begriff aus den Worten „Stratum corneum“ und „Biologie“) bezeichnet wird. Der Begriff wurde 1978 von Albert Kligman das erste Mal verwendet [6, 8,9,10], sodass dieser oft als „Vater der Corneobiologie“ bezeichnet wird. Natürlich hat die Corneobiologie noch einige weitere „Väter“. Zu nennen sind hier insbesondere Peter M. Elias, Kenneth R. Feingold und Anthony V. Rawlings [9], welche ebenfalls in den vergangenen 50 Jahren wesentlich dazu beigetragen haben, die Struktur des SC und dessen Funktionalität aufzuklären und zu verstehen.

Bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging man davon aus, dass das Stratum corneum eine tote, inerte und passive Membran ist, welche als äußerte Schicht des Körpers den Körper zu seiner Umwelt hin abschirmt und dafür sorgt, dass keine ungewollten Substanzen in den Körper eindringen und andersherum keine Substanzen, insbesondere Wasser, ungewollt oder unkontrolliert aus dem Inneren des Körpers ausdringen [6, 9]. Über das Stratum corneum wurde bis zu diesem Zeitpunkt angenommen, dass es sich aus Ausscheidungsprodukten von Keratinozyten bildet. Es wurde gemutmaßt, dass es sich dabei um Keratinfäden handelt, welche sich lose in Korbgeflecht-ähnlichen Strukturen auf der Haut anordnen [6]. Heute ist diese Annahme eindeutig widerlegt, da gezeigt werden konnte, dass das Stratum corneum eine hochgeordnete Struktur besitzt und dass die Beobachtung der losen „Korbgeflecht-Struktur“ auf einen Artefakt bei der Probenpräparation zurückgeführt werden kann [6].

Einfach betrachtet, besteht das Stratum corneum aus 2 Kompartimenten. Beim ersten Kompartiment handelt es sich um abgestorbene Hautzellen, die sog. Hornzellen. Diese Zellen sind aus Keratinozyten entstanden. Sie sind stark abgeflacht und besitzen keine Zellorganellen mehr. Dafür enthalten sie wichtige Substanzen und Strukturen, die dem Stratum corneum genügend Feuchtigkeit sowie mechanische Festigkeit und eine ausreichende Elastizität ermöglichen. Diese Corneozyten sind untereinander über Corneodesmosomen miteinander verbunden. Man geht davon aus, dass jeder Corneozyt mit ca. 400 bis 600 Corneodesmosomen mit anderen Corneozyten verbunden ist, wodurch sich die enorme Festigkeit und Widerstandfähigkeit eines gesunden Stratum corneum erklären lässt. Eine zusätzliche Festigkeit wird dann noch durch kleine Widerhaken an der Oberfläche der Corneozyten erzeugt, welche es ermöglichen, dass sich die Corneozyten noch zusätzlich ineinander „verhaken“ können [11]. Einen wesentlichen Beitrag für eine ausreichende Feuchtigkeit des Stratum corneum leisten die sog. „natural moisturizing factors“ (NMF), welche primär im Inneren der Corneozyten lokalisiert sind. Beim zweiten Kompartiment des Stratum corneum handelt es sich um eine sehr spezifische Mischung aus verschiedenen lipidischen Strukturen, welche sich als interzelluläre Lipiddoppelschicht zwischen die Corneozyten lagern (Abb. 1). Diese Struktur, bestehend aus Corneozyten und interzellulärer Lipiddoppelschicht, wird als „Ziegel-Mörtel-Struktur“ des Stratum corneum bezeichnet [9, 11,12,13].

Das Stratum corneum besteht je nach Körperregion aus 15 bis 20 Schichten abgestorbener Corneozyten (Hornzellen) und hat eine ungefähre Dicke von ca. 10–40 µm [11], was in etwa der Hälfte eines Haardurchmessers entspricht. Die enorme Widerstandsfähigkeit gegen das Eindringen äußerer Schadstoffe und auch die außerordentliche Fähigkeit, den Wasserverlust aus dem Körper effektiv zu kontrollieren, ist auf die sehr spezielle Anordnung der Lipide im Interzellularraum zurückzuführen. Diese bestehen aus einzigartigen Molekülen, den Ceramiden, sowie aus verschiedenen Fettsäuren und Cholesterol, welche schichtweise auf den Oberflächen der Corneozyten aufgelagert sind. Dadurch entstehen die sog. „cornified lipid envelops“ (CLE), welche fest mit der äußeren Proteinschicht der Corneozyten, den sog. „cornified envelops“ (CE) verbunden sind. Dem CLE sind weitere Lipidschichten als Doppelschichten aufgelagert (Abb. 1). Hier bilden sich immer abwechselnd Doppel-Layer mit kürzeren oder längeren Abständen zueinander [11]. Diese unterschiedlichen Strukturelemente werden als LPP („long periodicity phases“) und als SPP („short periodicity phases“) bezeichnet und sind Gegenstand aktueller Forschung [14, 15]. Es gilt heute als gesichert, dass die Zusammensetzung der Stratum-corneum-Lipide sowohl in Menge als auch in Komposition einen entscheidenden Einfluss auf die Bilayer-Struktur des Stratum-corneum-Lipidfilms hat. Das bedeutet, dass bereits kleinste Änderungen in der Lipidkomposition bzw. -anordnung eine signifikante Strukturänderung und somit eine massive Beeinträchtigung der Barrierefunktion des Stratum corneum bewirken können [9, 15,16,17]. Das Verstehen über den komplexen Zusammenhang zwischen Stratum-corneum-Lipiden und Barrierefunktion ist noch nicht abgeschlossen, jedoch ist das Wissen in den letzten Jahren, insbesondere durch modernste analytische Methoden, sehr stark vorangetrieben worden, sodass es heute schon möglich ist, effektive Formulierungen für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung eines intakten Stratum-corneum-Lipidfilms zu entwickeln [9, 18].

Eine weitere wichtige Entdeckung war, dass es sich bei dem Stratum corneum zwar um „tote Zellen“, eingebettet in einer ebenfalls „toten Lipidschicht“, handelt, jedoch keineswegs um – wie lange angenommen – eine völlig inerte Barriere. Das Stratum corneum ist also nicht „tot“, sondern „hochdynamisch“ an sehr zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt. Ursache dafür sind zahlreiche Enzyme und Mediatoren, welche in das Stratum corneum eingelagert sind und bei entsprechenden Stimuli freigesetzt bzw. aktiv werden. Beispiele sind Proteasen, die am Desquamationsprozess der Haut beteiligt sind; Lipasen, welche freie Fettsäuren aus Triglyceriden bereitstellen; Sulfatasen, welche Cholesterolsulfat aus Cholesterol herstellen; Glycosidasen oder Ceramidasen, welche aus Vorläuferstrukturen die wichtigen Ceramide im Stratum corneum herstellen oder aber Zytokine, welche nach Freisetzung eine Entzündungsreaktion hervorrufen.

Eine veränderte Enzymaktivität kann eine enorme Auswirkung auf das gesamte Stratum corneum, d. h. dessen Struktur und Funktionalität, haben, und da die Enzymaktivität sehr stark von Wassergehalt und pH-Wert abhängig ist, ist nachvollziehbar, dass das Aufrechterhalten einer ausreichenden Hautfeuchtigkeit und eines physiologischen pH-Wertes für die Integrität des Stratum corneum von entscheidender Bedeutung ist [18,19,20]. Heute wird angenommen, dass jede gestörte Hautbarriere, unabhängig woher diese Barrierestörung kommt, durch die Freisetzung von Zytokinen zu einer Entzündungsreaktion führt. Das bedeutet, dass man heute davon ausgeht, dass häufig auftretende entzündliche Hauterkrankungen wie Ekzeme, atopische Dermatitis und Psoriasis mit einer bereits angeborenen Schwäche der Hautbarriere beginnen. Durch die Barriereschädigung kommt es zur chronischen Ausschüttung von Entzündungsmediatoren aus dem „verletzten“ Stratum corneum, wodurch die Entzündung der Haut getriggert und entsprechend dauerhaft aufrechterhalten wird. Derartige Entzündungsreaktionen können zwar durch antientzündliche Substanzen bekämpft werden, jedoch wirken diese nur temporär, wenn nicht parallel die Hautbarriere wieder ordnungsgemäß hergestellt wird. Neue Therapieansätze verfolgen daher beide Strategien, d. h. die medikamentöse Behandlung der akuten Entzündung und die gezielte Reparatur und Pflege des SC.

Das SC verändert sich auch mit zunehmendem Alter, sodass es mit zunehmendem Alter vermehrt zu einer Störung der Hautbarriere kommt [8]. Diese altersassoziierte Barrierestörung ist bereits bekannt. Neu ist allerdings die Vermutung, dass einige altersassoziierte Krankheiten damit in Verbindung gebracht werden können. Ursache dafür ist die vermehrte Entstehung von freien Radikalen. Bekannt ist seit Langem, dass durch ein Zuviel an freien Radikalen Krankheiten getriggert oder verstärkt werden können. Dieses Zuviel an freien Radikalen bezeichnet man als oxidativen Stress [21,22,23,24,25,26]. Oxidativer Stress führt zu chronischen Entzündungen im Körper, die man nicht spürt, weshalb sie als „silent inflammation“ bezeichnet werden. Krankheiten, welche mit oxidativem Stress und der „silent inflammation“ assoziiert sind, sind u. a. kardiovaskuläre Erkrankungen, Tumoren, Alzheimer, Parkinson und Arthrose [24,25,26,27,28,29]. Neu ist nun die Erkenntnis, dass die altersassoziierten Barrieredefekte des Stratum corneum zur chronischen Freisetzung von Entzündungsmediatoren in die Blutbahn führen können, wodurch es dann zur Entstehung der „silent inflammation“ kommt. Inwieweit diese Mediatoren zur Entstehung bzw. zur Befeuerung altersassoziierter Krankheiten beitragen, ist nun Gegenstand aktuellster Forschung [30]. Die bereits vorliegenden Erkenntnisse reichen jedoch aus, um zu belegen, dass der Korrektur des Barrieredefektes im Alter ein sehr hoher Stellenwert zugeordnet werden muss, da nur so einer steigenden Belastung mit chronischen Entzündungsmarkern im Blut effektiv entgegengewirkt werden kann [2].

Auch Luftverschmutzung kann die Hautbarriere schädigen und so Hautkrankheiten verursachen und die Hautalterung beschleunigen [2]. Neben einer Reduktion der Umweltverschmutzung sind daher heute Formulierungen zum Schutz der Haut vor Umweltgiften notwendig. Der Bedarf solcher Produkte führte zur Vermarktung verschiedenster dermaler Anti-Pollution-Produkte, wobei davon die barrierestärkenden Formulierungsstrategien als am vielversprechendsten zu bewerten sind [31]. Ein weiteres, neues Thema in der Corneobiologie ist das Erforschen und Verstehen des Mikrobioms, d. h. der Mikroflora der Haut. Der Einfluss des Mikrobioms auf die Hautgesundheit und eine mögliche Manipulation des Mikrobioms zum Erhalt und der Wiederherstellung einer intakten Hautbarriere sind Gegenstand aktueller Forschungen [2, 31,32,33]. Es ist davon auszugehen, dass auch hier in naher Zukunft viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse entstehen, die dann neue Pflege- und Therapiemöglichkeiten für die Pflege und Therapie der Haut ermöglichen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Erforschung der Struktur und Funktionsweise des Stratum corneum noch nicht abgeschlossen ist, aber dass durch die Forschung der letzten 5 Dekaden ein massiver Wissenszuwachs über die Struktur und die Funktionsweise des Stratum corneum realisiert werden konnte. Während man vor ca. 50 Jahren noch davon ausging das die Funktion des SC ein reiner Diffusionsschutz ist, weiß man heute, dass das SC eine Vielzahl von schützenden als auch dynamischen Funktionen wahrnimmt. Die wichtigsten, heute bereits bekannten Funktionen des Stratum corneum sind in Tab. 1 zusammengefasst. Diese Erkenntnisse über Struktur und Funktion des SC dienen seither als Grundlage für die Entwicklung von effektiven, corneotherapeutischen Konzepten und Formulierungen, welche im folgenden Abschnitt näher vorgestellt werden.

Tab. 1 Übersicht über die heute bekannten Funktionen des Stratum corneum, zusammengestellt aus [2, 6, 9, 34, 35]

Corneotherapie

Der Beginn der Corneotherapie wird mit einer wissenschaftlichen Publikation aus dem Jahr 1975 von den Autoren Tree und Marks in Verbindung gebracht, die beobachtet haben, dass das Auftragen von wirkstofffreien Grundlagen auf die Haut signifikante, antimikrobielle Effekte zeigt [36]. Diese Publikation mit dem Titel „An explanation for the ‚placebo‘ effect of bland ointment bases“ zeigte erstmals, dass reine Grundlagen ohne jeglichen Wirkstoff sehr effektiv die Funktion und Beschaffenheit der Hautbarriere modulieren können. Mit dieser Entdeckung haben Marks und Tree entsprechend den Grundstein der heutigen Corneotherapie gelegt [6]. Der Begriff „Corneotherapy“ wurde dann erstmals von A. Kligman genutzt und eingeführt [37]. Zur Corneotherapie werden Corneotherapeutika eingesetzt. Dabei handelt es sich um dermale Formulierungen mit dem Zweck, das Stratum corneum gezielt und nachhaltig zu pflegen sowie – wenn notwendig – präzise zu reparieren. Im Gegensatz zu vielen anderen Hautpflegekonzepten, welche darauf abzielen, Wirkstoffe in die Haut einzuschleusen (sog. Wirkstoffkosmetik), geht es bei der Corneotherapie darum, dem SC gezielt die Substanzen zuzuführen, die ihm aktuell fehlen. Dieses Prinzip wird als Outside-in-Prinzip bezeichnet, was bedeutet, dass die reparierende „innere“ Wirkung durch das „äußere“ Aufbringen einer Formulierung erreicht wird (Abb. 2). Durch die Zugabe fehlender SC-Bestandteile kann das SC präzise und effektiv repariert werden. Eine corneotherapeutische Behandlung führt daher zu einer effektiven Reparatur und langfristig zu einer gesunden Hautbarriere ohne Nebenwirkungen.

Abb. 2
figure 2

Prinzip der Corneotherapie. Ersetzt werden fehlende Bestandteile des SC. Dazu wird der Zustand des SC individuell erfasst. Die fehlenden Substanzen werden topisch appliziert und reparieren so von außen. Das Prinzip wird daher als Outside-in-Prinzip bezeichnet

Im Laufe der Jahre kamen zahlreiche Erkenntnisse über die Funktionalität und Beschaffenheit des Stratum corneum hinzu, wodurch das corneotherapeutische Prinzip optimiert und effektiviert werden konnte. Heute sind 3 verschiedene Generationen der Corneotherapie verfügbar, welche im Folgenden näher beschrieben werden.

Corneotherapie – 1. Generation

Corneotherapeutika der ersten Generation enthalten Vaseline und/oder Mineralöle. Vaseline und Mineralöl sind natürliche Rohstoffe, welche aus Rohöl gewonnen werden. Rohöl entsteht aus Zooplankton und Algen unter Ausschluss von Sauerstoff bei erhöhtem Druck und erhöhten Temperaturen. Vaseline und Mineralöle sind hoch aufgereinigte Fraktionen aus dem Rohöl und bestehen primär aus vollständig gesättigten Kohlenwasserstoffen. Sie sind hochinert gegenüber Sauerstoff oder Hitze und sind damit chemisch besonders stabil. Nach dem Auftragen auf die Haut bilden diese pallisadenartige Strukturen auf der Haut, wodurch ein schützender Film entsteht, der für andere Substanzen, insbesondere aber für Wasser, undurchdringbar ist [38].

Durch die Bildung des wasserundurchlässigen Films auf der Haut kommt es zu einem Anstauen von Wasser zwischen Haut und Film. Dieser Effekt wird Okklusion genannt und entsteht, da Wasser, welches permanent von der Haut verdunstet, nicht durch den auf der Haut befindlichen Vaseline- bzw. Mineralölfilm penetrieren kann (Abb. 3 – links). Es kommt also zu einem Verdunstungsschutz des Wassers, was in der Fachsprache als Reduktion des transepidermalen Wasserverlustes (TEWL) bekannt ist. Durch das Anstauen von Wasser, d. h. die Reduktion des TEWL, erhöht sich entsprechend die Hautfeuchtigkeit, sodass sowohl Vaseline als auch Mineralöl durch ihre okklusiven Eigenschafen sehr effektive Feuchtigkeitsspender sind. Vaseline bildet aufgrund seiner chemischen Beschaffenheit dabei dichtere Filme, sodass Vaseline im Vergleich zu Mineralöl entsprechend effektiver die Hautfeuchtigkeit erhöht [38].

Abb. 3
figure 3

Übersicht über die unterschiedlichen Wirkprinzipien der Corneotherapie. Links – 1. Generation, Mitte – 2. Generation, Rechts – 3. Generation

Diese hautfeuchtigkeitserhöhenden Eigenschaften machten vaseline- und mineralölbasierte Formulierungen zu den ersten corneotherapeutischen Formulierungen [6, 39]. Detaillierte Untersuchungen zeigen dabei, dass Vaseline und auch Mineralöl zu einem geringen Prozentanteil nicht nur auf der Haut aufliegen, sondern auch in die Lipidstrukturen des SC eingebaut werden. Zusätzlich zur Filmformation auf der Haut unterstützt auch der Einbau die Reparatur einer gestörten Hautbarriere [38, 39]. In weiteren Untersuchungen konnte dann auch gezeigt werden, dass es durch das Auftragen von Vaseline und Mineralöl zu einer teilweisen Verdickung des Stratum corneum kommt – bei Mineralöl (und auch anderen pflanzlichen Ölen) um ca. 10 % und bei Vaseline um bis zu 30 %. Durch das Aufquellen kommt es zu einer leichten Veränderung der Lipidstruktur des SC, welche signifikant, jedoch sehr viel weniger stark ausgeprägt ist als z. B. bei Detergenzien [38, 39]. Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Corneotherapeutika der 1. Generation die Hautbarriere effektiv hydratisieren und auch schützen können, jedoch noch keine optimale Reparatur des SC ermöglichen.

Neben den positiven Eigenschaften von Vaseline, Mineralölen und verschiedenen pflanzlichen Ölen, gibt es auch einige unvorteilhafte Eigenschaften. Zum einen haben vaseline- und mineralölhaltige Formulierungen oft eine nicht sehr schöne Konsistenz und Haptik und hinterlassen nach dem Auftragen auf die Haut einen glänzenden, oft auch unangenehm klebrigen Film, der schlecht einzieht. Das reduziert zwar den „Tragekomfort“ dieser Formulierungen, hat jedoch sonst keine therapeutische Relevanz. Ein wesentlicher Nachteil der Corneotherapeutika der 1. Generation tritt jedoch bei deren Langzeitanwendung auf, da sie bei längerer Anwendung die Barrierefunktion im Vergleich zu unbehandelter Haut eher schwächen [40]. Sprich, nach heutigem Kenntnisstand sind Corneotherapeutika der 1. Generation für die kurze Anwendung empfehlenswert, sollten jedoch nicht über einen längeren Zeitraum regelmäßig auf der Haut angewendet werden [40]. Corneotherapeutika der 1. Generation können daher nach wie vor als effektive „erste Hilfe“ Maßnahmen für den Hautschutz eingesetzt werden. Das sind Situationen, wo kurzer, aber dafür sehr effektiver Hautschutz notwendig ist, beispielsweise bei extremen Wetterbedingungen (Kälte, Sturm) oder bei kurzfristigem Kontakt mit Chemikalien, Desinfektionsmitteln oder hautschädigenden Putzmitteln.

Corneotherapie – 2. Generation

Für eine längerfristige Anwendung stellen die Corneotherapeutika der 2. Generation eine Alternative zu den Corneotherapeutika der 1. Generation dar. Corneotherapeutika der 2. Generationen erhöhen im Vergleich zur den Corneotherapeutika der 1. Generation die Hautfeuchtigkeit nicht durch Okklusion, sondern durch sog. Moisturizer, d. h. Feuchthaltemittel [6]. Feuchthaltemittel sind wasserbindende Substanzen. Das heißt, es handelt sich dabei um chemische, sog. hygroskopische, Moleküle, die unter normalen klimatischen Bedingungen aus der Umgebung Wasser anziehen können und binden. Werden solche Moleküle in Hautpflegeprodukte eingearbeitet, so binden diese Wasser auf der Haut bzw. in der Hornschicht (Abb. 3 – Mitte), wodurch eine gestörte Barrierefunktion erheblich verbessert werden kann [6, 40].

Prinzipiell eignen sich als Feuchtigkeitsspender daher alle hygroskopischen und gut hautverträglichen Substanzen. Jedoch hat sich durch neue Erkenntnisse gezeigt, dass die Haut selbst ein sehr großes Repertoire an körpereigenen feuchtigkeitsspendenden Substanzen enthält. Zu den wesentlichen hauteigenen Feuchthaltemitteln gehören die sog. „natural moisturizing factors“ (NMF), welche bis zu 30 % des Trockengewichtes des gesamten Stratum corneum ausmachen, sowie Glycerol und Hyaluronsäure. Die NMF stellen ein Gemisch aus verschiedenen Substanzen dar. Darunter sind beispielsweise Harnstoff, Milchsäure, verschiedene Aminosäuren, Pyroglutaminsäure sowie verschiedene Salze und auch Zucker. Die meisten NMF sind in den Corneozyten lokalisiert, jedoch werden auch einige außerhalb der Corneozyten angereichert. Hierzu zählen insbesondere Harnstoff, Laktat und Elektrolyte, welche, wie wissenschaftliche Studien gezeigt haben, auch durch die tägliche Reinigung aus der Haut ausgewaschen werden können [41]. Eine Substitution mit diesen Substanzen ist daher bei häufigem Waschen der Haut angezeigt.

Glycerol ist ebenfalls ein natürliches, körpereigenes Feuchthaltemittel. Es gelangt mit dem Sebum auf die Haut oder wird aus tieferen Hautschichten mit speziellen Transportern (Aquaporine) in das Stratum corneum transportiert. Studien belegen den Zusammenhang zwischen geringen Glycerolspiegeln in der Hornhaut und einer geringen Hauthydratation [41]. Eine Substitution von Glycerol ist daher bei feuchtigkeitsarmer Haut ratsam. Glycerol hat vielfältige weitere Effekte. Beispiele sind eine unterstützende Wirkung im Erhalt der Bilayer-Struktur der extrazellularen Lipide, ein verbesserter Schutz der Barriere gegen Auswascheffekte durch ionische Tenside (Abb. 4), eine Reduktion der Hautrauigkeit und -schuppigkeit, sowie antioxidative, antimikrobielle und sogar antivirale Effekte. Glycerol kann daher als optimaler Inhaltsstoff in dermalen Formulierungen betrachtet werden [42].

Abb. 4
figure 4

Prinzip des Hautschutzes durch Anwendung dermaler Produkte mit lamellarer Struktur

Auch Hyaluronsäure, ein zuckerbasiertes Polymer und ein sog. Glykosaminoglykan, welches v. a. in den tieferen Hautschichten, d. h. der Dermis, vorkommt, ist sehr hygroskopisch. In geringen Mengen kommt es auch in der Epidermis vor. Dort stimuliert es die Differenzierung von Keratinozyten und ist an der Regulation der Stratum-corneum-Lipide beteiligt. Hyaluronsäure ist somit indirekt an der Regulation der Hautfeuchtigkeit beteiligt und kann daher auch effektiv als Moisturizer eingesetzt werden. Interessant ist, dass Xylose, ein wesentlicher Bestandteil der Hyaluronsäure, ebenfalls in der Lage ist, die Keratinozyten und die Stratum-corneum-Lipidsynthese zu regulieren. Somit kann auch Xylose als Moisturizer eingesetzt werden [41].

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Haut und insbesondere das Stratum corneum über eine Vielzahl an natürlichen Feuchthaltemitteln verfügt. Fehlen diese natürlichen Feuchthaltemittel oder sind sie in zu geringer Menge vorhanden, wird die Haut trocken, d. h. es wird zu wenig Wasser in der Haut gebunden, wodurch die Struktur und Funktionalität der Hornschicht massiv beeinträchtig wird [43,44,45,46,47,48]. Die Applikation von natürlichen oder auch naturidentischen Feuchthaltemitteln ist daher ein geeignetes Mittel zur Erhaltung und Wiederherstellung einer intakten Hautbarriere [40, 41].

Corneotherapeutika der 2. Generation sind daher kosmetische Mittel, welche durch den Zusatz von Feuchthaltemitteln die Hautfeuchtigkeit erhöhen. Moderne Corneotherapeutika der 2. Generation versuchen dabei die natürlichen Feuchtigkeitsspender besonders gut nachzugestalten, wobei dieser Ansatz sehr individuell und entsprechend anspruchsvoll ist. Grund dafür ist, dass jede Haut und jeder Hautzustand individuelle Defizite hinsichtlich Glycerol, NMF oder Hyaluronsäure hat. Eine geeignete Formulierung mit einem entsprechend geeigneten Mix an Moisturizern und entsprechend geeigneten Konzentrationen muss daher für jede Haut individuell ermittelt werden. Dies erfordert sehr gute Kenntnisse und Erfahrung [40].

Trotz der vielen positiven Eigenschaften geht man heute jedoch davon aus, dass das alleinige Auftragen von Moisturizern nicht ausreichend ist, um zur langfristigen Verbesserung und Wiederherstellung einer intakten Hautbarriere beitragen zu können. Das Stratum corneum besteht – wie oben bereits näher erläutert – aus 2 sehr unterschiedlichen Kompartimenten, zum einen aus den Corneozyten und zum anderen aus der interzellulären Lipidmatrix (Abb. 1). Heute weiß man, dass für eine optimale Funktionalität des Stratum corneum die Funktionalität beider Kompartimente von großer Bedeutung ist. Somit wird klar, dass das alleinige Befeuchten der Haut bei einer gleichzeitig gestörten interzellulären Lipidschicht keine umfängliche corneotherapeutische Lösung darstellen kann [40].

Corneotherapie – 3. Generation

Ziel der Corneotherapie der 3. Generation ist es daher, beide Kompartimente des Stratum corneum entsprechend gut zu erhalten und/oder wiederherzustellen. Da der Zustand des Stratum corneum individuell ist, d. h. je nach Alter, Lebensführung, Gesundheits- und Pflegezustand anders beschaffen ist, ist eine allgemeine Corneotherapie „one fits all“ nicht möglich.

Ein wichtiges Merkmal der modernen Corneotherapie ist daher eine individuell angepasste Behandlung, welche je nach Bedarf unter ärztlicher oder professioneller kosmetischer Beratung erfolgt [5]. Basierend auf der individuellen Anamnese des Hautzustandes werden dann passende Behandlungsstrategien und Formulierungen ausgewählt. Die Verbesserung der Hautfeuchtigkeit wird dabei mithilfe von Moisturizern/NMF weiterhin nach den oben genannten Prinzipien erzielt (s. Corneotherapeutika der 2. Generation). Die Erhaltung bzw. Pflege und Wiederherstellung der interzellulären Lipidschicht nutzt die neuen Erkenntnisse zu Aufbau, Struktur und Funktion der Lipiddoppelschicht.

Insbesondere in der vergangenen Dekade zeigte sich, dass die interzelluläre Lipiddoppelschicht des Stratum corneum eine hochkomplexe Struktur aufweist und dass nur durch eine korrekte Zusammensetzung dieser Struktur eine intakte Hautbarriere aufrechterhalten werden kann. Die Hauptbestandteile der Lipiddoppelschicht sind freie Fettsäuren, Cholesterin und Ceramide, welche in gesunder Haut in einem Verhältnis von ca. 1:1:1 vorliegen. Entsprechend ist das Verhältnis dieser Bestandteile bei krankhaften Zuständen aber eben auch mit zunehmendem Alter gestört. Daraus ergibt sich in der Konsequenz, dass eine effektive Corneotherapie diese fehlenden Komponenten ersetzen muss.

Das komplexe Zusammenspiel zur Neusynthese der unterschiedlichen Lipide ist noch nicht vollständig verstanden, und es ist auch bekannt, dass ein „Zuviel“ einer Substanz die Bildung der anderen SC-Substanzen hemmen kann. Das heißt, eine Überdosierung einer einzelnen lipidischen Komponente sollte möglichst vermieden werden. Dies gelingt in der Corneotherapie der 3. Generation, indem nicht immer nur finale Endprodukte des SC auf der Haut appliziert werden, sondern vielmehr auch Zwischenstufen, d. h. körpereigene Bausteine (z. B. Phospholipide), die der Körper dann individuell und nach Bedarf nutzen kann, um passend genau die Strukturen zu synthetisieren, die gerade benötigt werden (Abb. 3 – rechts).

Ein weiteres Merkmal der modernen Corneotherapie ist der Verzicht auf nichtkörperidentische Substanzen und der Einsatz von hauteigenen bzw. hautidentischen Stratum-corneum-Lipiden oder deren Vorläufern, um eine individuelle Lipidsynthese der Hautbarriere zu ermöglichen. Moderne Corneotherapeutika enthalten daher insbesondere Ceramide, verschiedene Fettsäuren und auch Cholesterol. Weitere Bestandteile sind die oben genannten Moisturizer und Wasser, jeweils in Menge und Zusammensetzung angepasst an den individuellen Bedarf. Künstliche Inhaltsstoffe wie Duftstoffe oder Parfüm sind in Corneotherapeutika der 3. Generation nicht enthalten.

Erste Corneotherapeutika der 3. Generation, welche die 3 Lipidkomponenten zur Pflege atopischer Haut enthalten, wurden 2006 auf den Markt gebracht [9, 49]. Hierbei handelt es sich um ein rezeptpflichtiges Medikament, welches 2006 von der FDA zugelassen wurde [50]. Corneotherapeutische Formulierungen der 3. Generation im Kosmetiksektor zur Pflege und Wiederherstellung einer gestörten Hautbarriere sind unterdessen noch vergleichsweise rar [51]. Jedoch gibt es dennoch einige wenige. Ziel ist es hier, wie oben erwähnt, keine „Standardformulierungen“ zur Verfügung zu stellen, sondern Basisformulierungen, welche dann individuell an die Haut bzw. den individuellen Hautzustand angepasst werden können. Dabei ist es notwendig, zunächst den aktuellen Hautzustand individuell zu bestimmen, um dann ein geeignetes individuelles Behandlungskonzept, welches der Erhaltung und Reparatur der Hautbarriere dient, zu entwerfen. Das Konzept der individuellen Hautdiagnose in Kombination mit der Anwendung individueller Behandlungsstrategien wird als angewandte Corneotherapie bezeichnet.

Angewandte Corneotherapie

Da Corneotherapie individuell erfolgen muss, d. h. immer genau abgestimmt auf den jeweiligen Hautzustand, erfordert dies ein genaues Verständnis über den Aufbau und die Funktion des Stratum corneum. Ebenso müssen grundlegende Kenntnisse über Fehlfunktionen und Möglichkeiten zur Diagnose und Behandlung von Stratum-corneum-Fehlfunktionen vorhanden sein. Neben Hautärzten und Dermatologen können diese speziellen corneotherapeutischen Behandlungen heute auch in einigen speziellen Kosmetikinstituten durchgeführt werden. Hier spricht man von der angewendeten Corneotherapie. KosmetikerInnen mit einer Zusatzausbildung für angewandte Corneotherapie werden als Corneotherapeuten bezeichnet. Internationale Vorreiterin für die Ausbildung von CorneotherapeutInnen und der Etablierung dieser Disziplin ist Florence Barrett-Hill (Auckland, Neuseeland) [52,53,54,55,56,57] sowie die „International Association of Applied Corneotherapy“ [5].

Die angewandte Corneotherapie wird in 3 Schritten durchgeführt und beruht auf 3 Grundprinzipien: individualisierte Pflege – Schutz – Vorbeugung. Im ersten Schritt erfolgt eine genaue Analyse der Haut. Im zweiten Schritt wird ein geeignetes Behandlungskonzept für den Hautzustand selektiert, und es werden entsprechend dafür geeignete dermale Formulierungen individuell zusammengestellt. Auf den Einsatz hautreizender oder allergener Inhaltsstoffe wird generell verzichtet. Der dritte Schritt ist die Behandlung und die fortlaufende Kontrolle über den Behandlungserfolg sowie ggf. die weitere Optimierung der Behandlung und des Pflegesortiments.

Die Herstellung der individuellen Corneotherapeutika erfolgt modular, d. h. mittels Einarbeiten der benötigten Substanzen in corneotherapeutische Basiscremes. Diese Basiscremes zeigen auch ohne weitere Zusatzstoffe bereits hautpflegende sowie hautschützende und -regenerierende Eigenschaften, da sie in ihrer Zusammensetzung und Struktur dem SC nachempfunden sind.

Da die natürliche Struktur der Haut, d. h. Barriereschichten des Stratum corneum, die hauptsächlich aus Ceramiden, Cholesterin und Palmitinsäure bestehen, in Form von Doppelschichten auftreten, liegt es nahe, dass dermale Formulierungen mit einer ähnlichen Zusammensetzung und einer solchen Doppelschichtstruktur verträglicher sind als andere Formulierungen, die keine natürlichen SC-Bestandteile und keine lamellaren Strukturen enthalten.

Ein System, welches eine ähnliche Struktur zu den Lipiddoppelschichten des SC aufweist, ist unter der Bezeichnung Derma-Membran-Struktur (DMS) bekannt. DMS enthält Ceramide, Phytosterole (ähnlich wie Cholesterin) und hydriertes Phosphatidylcholin mit chemisch gebundener Palmitin- und Stearinsäure. Diese Komponenten sind physiologisch und integrieren sich leicht in das natürliche Hautgleichgewicht. Der Vorteil dieser Systeme liegt darin, dass sie frei von synthetischen Emulgatoren sind. Das bedeutet, dass der Auswascheffekt vieler herkömmlicher O/W-Emulsionen sowie mögliche Barriereprobleme, die in diesem Zusammenhang auftreten können, vermieden werden können (Abb. 4). DMS-basierte Formulierungen sind daher optimal für den Schutz und die Reparatur des Stratum corneum geeignet.

Beispiele für angewandte corneotherapeutische Behandlungskonzepte

Corneotherapie ist zur Therapie und Pflege vieler verschiedener Hautzustände geeignet. Beispiele sind neben der Behandlung barrieregestörter Haut, die Behandlung und Pflege von trockener Haut, von zu Akne neigender Haut, von empfindlicher Haut und natürlich die Behandlung und Pflege alternder Haut [51]. Je nach Anwendungsziel werden den Basisgrundlagen dann verschiedene weitere Substanzen zugesetzt. Typische Beispiele sind natürliche Feuchtigkeitsfaktoren (z. B. NMF oder Glycerol), Sonnen- bzw. Lichtschutz, Antioxidantien oder essenzielle Fettsäuren und Ceramide. Welche Zusatzstoffe im Speziellen ausgewählt werden, wird individuell und den aktuellen Erkenntnissen entsprechend angepasst. Unten wird dies am Beispiel für die Corneotherapie der alternden Haut demonstriert.

Corneotherapie bei alternder Haut.

Viele Hautprobleme entstehen im Alter durch Veränderungen in der strukturellen und funktionellen Biochemie der Haut- und Epidermiskomponenten [10]. Eine typische Alterungserscheinung ist dabei eine trockene, juckende, xerotische Haut, welche durch fehlerhafte Epidermis- und Stratum-corneum-Reifung und verminderte Abschuppung hervorgerufen wird. Im Alter kommt es zu einer Abnahme der Stratum-corneum-Lipidspiegel, insbesondere der Stratum-corneum-Ceramidspiegel, wodurch die Mesophasen der lateralen und lamellaren Packung der Stratum-corneum-Lipide verändert werden. Hier sind es besonders die CER-EOS-Linoleat-Defizite, die das Entstehen der LPP und somit die Barriereintegrität beeinflussen. Weiterhin sinken im Alter die Mengen an natürlichem Stratum-corneum-Feuchtigkeitsfaktor (NMF), wodurch ebenfalls die Hautfeuchtigkeit sinkt [41]. Im Alter werden die Corneozyten größer und flacher, und außerhalb des Gesichtes wird das Stratum corneum dicker. Es kommt (außerhalb des Gesichtes) zu einer verminderten SC-Kallikrein-5-Aktivität, was wahrscheinlich zur Expression von seniler Xerose und verminderter Abschuppung beiträgt. Ebenfalls steigt im Alter der Haut-pH-Wert an, wodurch die Enzymaktivität (besonders die Proteaseaktivität) sinkt, und so die Stratum-corneum-Kohäsion vermindert wird. Andererseits bewirkt die pH-Wert-Erhöhung eine Aktivitätssteigerung der Desquamationsenzyme und der entzündlichen Proteasen. Insgesamt steigt der TEWL im Alter, und die Barriereleistung sinkt. Besonders das stärkere Auftreten von Hautxerosen im Alter weist darauf hin, dass die Stratum-corneum-Biochemie sich im Alter zunehmend verändert [8].

Weiterhin ist im Alter die Calciumhomöostase gestört. Ein Calciumgradient ist wichtig für die Bildung von Keratinozyten in der Basalschicht der Epidermis und ist weiterhin wichtig für den Desquamationsprozess der Haut [58,59,60]. Der typische Ca2+-Gradient in gesunder Haut ist eine geringe Ca2+-Konzentration in der Basalschicht und im Stratum spinosum, eine hohe Konzentration im Stratum granulosum und dann wieder eine geringe Konzentration im SC [60]. Mit zunehmendem Alter verliert sich der Ca2+-Gradient, d. h. die Ca2+-Konzentration ist in allen Schichten sehr ähnlich. In Studien konnte der negative Effekt von hohen Ca2+-Konzentrationen im SC auf die Regenerativität des SC und somit der Einfluss auf eine intakte Hautbarriere eindeutig belegt werden. Das Erhalten/Wiederherstellen eines intakten Ca2+-Gradienten ist somit ebenfalls wichtig, um die Barrierefunktion im Alter möglichst lange zu erhalten.

Eine effiziente corneotherapeutische Pflege der 3. Generation für die alternde Haut umfasst somit die Pflege mit Stratum-corneum-identischen Lipiden, d. h. Cholesterol, langkettigen Fettsäuren und Ceramiden – insbesondere mit CER-EOS-Linoleat. Produkte zur Pflege reifer Haut sollten weiterhin einen geringen pH-Wert (ca. 5) haben und NMF bzw. hautidentische Feuchthaltemittel enthalten.

Zukunftstrend – erweiterte Corneotherapie

Zusätzlich zur Reparatur, Regeneration und Pflege des SC mit den oben beschriebenen Corneotherapeutika ist es in verschiedenen Fällen natürlich auch sinnvoll, kosmetische oder ggf. auch pharmazeutische Wirkstoffe auf oder in die Haut einzubringen. Ist diese doppelte Therapie, d. h. sowohl Wirkstoffapplikation als auch Corneotherapie gewünscht, dann spricht man von „erweiterter Corneotherapie“. Ziel ist es hier die Wirkstoffe gezielt an den gewünschten Ort der Haut zu transportieren, wobei dabei wichtig ist, dass insbesondere bei gewünschter intradermaler oder transdermaler Wirkstoffpenetration das SC nicht nachhaltig geschädigt wird, sondern im Sinne der Corneotherapie geschützt und nachhaltig gepflegt wird. Der Einsatz klassischer Formulierungen, welche zur Penetrationsverbesserung von Wirkstoffen oft ionische Emulgatoren und/oder Alkohole enthalten, ist dafür nicht geeignet. Vielmehr kommen hier innovative Wirkstoffcarrier zum Einsatz. Beispiele sind Liposomen, Lipidnanopartikel und Nanokristalle, sog. „smartCrystals“. Diese Carrier ermöglichen einen effektiven Wirkstofftransport ohne das SC zu „verletzen“ [61]. Zusätzlich können Liposomen und Lipidnanopartikel wertvolle Lipide liefern, welche im Sinne der Corneotherapie eingesetzt werden können. Die erweiterte Corneotherapie ist daher nicht nur für kosmetische Zwecke, sondern insbesondere auch für die lokale Therapie von Hauterkrankungen, wie z. B. atopische Dermatitis oder Psoriasis, zweckmäßig. Solche Formulierungen sind leicht in Form von Individualrezepturen realisierbar, indem statt klassischer Grundlagen corneotherapeutische Basisgrundlagen (s. oben) zur Herstellung der Rezepturen eingesetzt werden. Durch den Einsatz solcher Rezepturen gelingt eine synergistische Wirkung. Die Therapie akuter Schübe ist schneller und effektiver, und ein guter, gesunder Hautzustand kann in symptomfreien Phasen längerfristig erhalten werden. Corneotherapie und erweiterte Corneotherapie haben daher auch ein großes Potenzial zur verbesserten, nebenwirkungsarmen Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen.

Fazit für die Praxis

Die gezielte Pflege und Reparatur des Stratum corneum wird als Corneotherapie bezeichnet. Der Corneotherapie liegen ein detailliertes, individuelles Verstehen und Analysieren der Beschaffenheit des Stratum corneum zugrunde – eine Wissenschaft, welche als Corneobiologie bezeichnet wird. Basierend auf der individuellen Beschaffenheit des SC, werden in der Corneotherapie lediglich fehlende SC-Bestandteile ergänzt. Auf unnötige Substanzen, die nicht der Reparatur und Erhaltung des SC dienlich sind wird verzichtet. Corneotherapeutika sind daher besonders effektiv, nachhaltig und hautfreundlich. Sie sollten daher insbesondere dann anderen Produkten vorgezogen werden, wenn die Haut schon vorgeschädigt ist und daher einer besonders intensiven Pflegebedarf hat.