Dieser Beitrag nimmt die Klimaprotestbewegungen, die sich in den letzten Jahren etablierten und vervielfältigten, zum Ausgangspunkt für eine erziehungswissenschaftliche Betrachtung. Dabei stehen die gegenwärtigen Klimaproteste insofern im Kontext des für dieses Themenheft leitenden Diskussionsrahmens im Hinblick auf einen sozialökologischen Bezug, als in ihnen die Frage nach der Lebbarkeit auf diesem Planeten im Sinne einer Gestaltbarkeit von Zukunft aufgegriffen wird. In unserem Beitrag untersuchen wir dementsprechend, wie klimapolitische Proteste mit einer aufklärerischen Bildungsprogrammatik verbunden werden. Wie wir nachfolgend zeigen wollen, ist die Protestforderung nach einer gestaltbaren Zukunft auf spezifische Weise in einen generationalen Bezugsrahmen eingelassen, welcher zum Anlass und Schauplatz politischer Subjektivierungen in Verschränkung mit Bildungspraktiken der Protestbeteiligten (gemacht) wird.

Wir fragen demnach nicht aus der Warte einer Theorie sozialer Bewegungen nach den Artikulationen und Protestformen der Klimabewegungen, sondern vielmehr interessiert uns, wie Gegenwarts- und Zukunftsfragen in gleichermaßen politische und bildungsbezogene Praxis überführt werden und darin Gestalt gewinnen. Der Bezugspunkt der Generationalität ist hier in mehrfacher Weise von Bedeutung, wie wir in unserem ersten Schritt aufzeigen möchten. Daran schließt sich eine Perspektivierung der Klimaprotestbewegungen unter dem Gesichtspunkt ihrer politischen Praxis an, die sich neben Protestformaten wesentlich auch auf Bildungspraktiken bezieht. Dies führt uns dazu, die pädagogischen Motive und Argumentationen der Klimaprotestbewegungen am Beispiel der Public Climate School zu beleuchten. Wir bündeln unsere analytischen Schlaglichter der klimaprotestbezogenen Bildungspraktiken, indem wir sie als politische Subjektivierungen diskutieren und im Horizont ihrer Bezüge auf generationale Ordnungen reflektieren.

1 Generationale Positionierungen in Klimaprotestbewegungen

Der Generationenbezug, der etwa für die klimaaktivistische Gruppierung „Letzte Generation“ identitätsstiftend ist, stellt einen gemeinsamen Rahmen der seit 2018 von Jugendlichen und jungen Erwachsenen getragenen Klimaproteste dar, die insbesondere ihren Ausgang von der Bewegung Fridays for Future nimmt.Footnote 1 Insbesondere in den ersten Jahren wurde Fridays for Future oft medial als Generationenphänomen gedeutet oder hat sich selbst entsprechend inszeniert (vgl. Thunberg 2019; Blome 2023), vornehmlich über den Bezug auf eine Zukunft, die als die eigene Zukunft eingefordert wird.Footnote 2 Auch wissenschaftliche Reflexionen deuten die aktuellen Klimaprotestbewegungen generational (z. B. Hurrelmann und Albrecht 2020; Budde 2020). Sozialstatistisch gesehen spricht einiges für diese These: Laut einer Erhebung von Sommer et al. (2020) ließ sich für deren Demonstrationen des Jahres 2019 eine Mehrheit der Protestierenden von 70 % der Altersgruppe der 14- bis 19-Jährigen zurechnen.

Mit Generationalität ist ein die Moderne prägendes gesellschaftliches Ordnungsmuster angesprochen, das entlang der Differenzlinie jung und alt bzw. heranwachsend und erwachsen Unterscheidungen vornimmt (vgl. Kelle 2005; Ecarius 2008). Wie stark diese Differenzen (noch) sind und ob sich gesellschaftliche Differenzverhältnisse zu größeren generationalen Einheiten homogenisieren lassen, ist seit vielen Jahren umstritten (vgl. Wimmer 1998). Insbesondere in spätmodernen Gesellschaften lässt sich eine konsumorientierte Fluidität von Generationendifferenzen in kulturellen Bereichen beobachten (vgl. ebd.), während gleichzeitig zentrale gesellschaftliche Institutionen wie Recht und Politik an generationale Ordnungen gebunden bleiben, etwa im Hinblick auf Rechts- und Religionsmündigkeit oder das Ausüben des Wahlrechts.

Ohne an dieser Stelle die historischen Situierungen im Rekurs auf generationale Verhältnisse für die Profession und Wissenschaft der Pädagogik umfänglich ausfalten zu können, lässt sich knapp der konstitutive Bezug auf Generationalität im Problem von Tradierung und Weitergabe sehen (vgl. Ecarius 2008). Exemplarisch zeigt sich dies historisch in der Frage Schleiermachers nach dem Anliegen und den Gestaltungsmöglichkeiten im Verhältnis der Generationen, in der die Bedeutsamkeit des generationalen Verhältnisses für pädagogische Prozesse zum Ausdruck kommt. Mit Hans-Rüdiger Müller (1999) ist das Generationenverhältnis als „trianguläre Struktur“ (ebd., S. 796) zu verstehen, in der die „Selbstauslegung und Selbstüberschreitung von Kultur und Gesellschaft“ (ebd., S. 799) zwischen Kindern, Erwachsenen und kulturell-historischen Gehalten zum Gegenstand werden. Diese Perspektive betont den systematischen Ankerpunkt pädagogischer Generationenverhältnisse, der auch dort zum Tragen kommen kann, wo diese nicht über eine Altersdifferenz strukturiert wird. Denn nicht zwangsläufig ist die ‘erwachsene’ Position mit einer souveränen Position des Wissens identifiziert, sodass auch jene „mitunter unvertrauten Erfahrungen dennoch zum Gegenstand bildender Verständigungsprozesse gemacht werden können“ (ebd., S. 797). Anders gesagt: Das Generationenverhältnis wird zu einer pädagogischen Beziehung im Horizont der spannungsreichen Verbindung von Tradierung und Transformation (vgl. Jergus 2023). Systematisch ist auch gegenwärtig für Bildungs- und Erziehungsprozesse die Frage der Weitergabe und das Einfinden(lassen) in soziokulturelle Zusammenhänge – als Konnex von Tradierung und Transformation – im Kern pädagogischer Theorie und Praxis angesiedelt (Brinkmann et al. 2023). Die pädagogische Signatur von Generationenverhältnissen ist darin zu sehen, dass Weitergabe allenfalls gebrochen, im Angesicht des Neuanfangs in der Welt, als Konflikt zwischen dem Bewahren der Welt und dem Einrichten einer zukünftigen Gestaltungsmöglichkeit für die Neuankömmlinge verstanden wird (vgl. Arendt 1958).

Ungeachtet dieser grundlegenden Bedeutsamkeit stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen den Generationen (konkret) ausgestaltet. Jüngst hat Fabian Kessl (2023) dafür argumentiert, in aktuellen Klimaprotestbewegungen eine symbolische Umkehrung des Generationenverhältnisses zu sehen, insofern die Jugend „gegenüber den Erwachsenen den Anspruch auf die Position der Mündigkeit einklagt – und in diesem Sinne auch die Position der Vernünftigen“ (ebd. S. 161). Dies ist nach Kessl ein Novum gegenüber anderen, historischen Jugendprotestbewegungen, die sich eher als „Spiegel der Zukunft“ (ebd. 162) inszenierten. Die gegenwärtigen Klimaproteste hingegen reklamieren im Angesicht einer fraglich gewordenen Lebbarkeit für zukünftige Generationen einen politischen Gestaltungsspielraum (vgl. Jergus und Schmidt 2023). Von einer symbolischen Umkehrung der generationalen Beziehungen spricht Kessl mit Blick auf die Zuweisung von Verantwortlichkeit und Mündigkeitspositionen durch die jugendlichen Aktivist:innen: Diese begnügten sich nicht mit der Einforderung der Mündigkeitsposition, sondern setzten auch die von ihnen adressierten Erwachsenen in Bezug zu dieser Position (Kessl 2023, S. 163; vgl. ähnlich auch Holfelder et al. 2021.). Erwachsene sollen beispielsweise angesichts der einhelligen wissenschaftlichen Befunde zum Klimawandel die Relevanz von Klimaschutzmaßnahmen einsehen und entsprechend handeln. „Das Movens der Verzweiflung innerhalb der gegenwärtigen Jugendbewegung speist sich also aus einem starken Glauben an die Vernunft: In einer wissenschaftlichen, ja naturwissenschaftlichen Grundorientierung greifen die Klimaaktivist:innen auf die ratio, das Symbol der Erwachsenenwelt, zurück“ (Kessl 2023, S. 163). Indem in solchen Äußerungen die Politik als die Erwachsenenposition adressiert wird, die für gesellschaftliche Transformationen zuständig ist, wird die generationale Ordnung im gleichen Atemzug kritisiert und affirmiert (vgl. Schelling 2024, S. 65).

Der generationale Bezugsrahmen in den Klimaprotesten lässt sich so einerseits als strategischer Schritt der Politisierung und Moralisierung von Klimafragen lesen. Andererseits ergeben sich weitere Fragen: Was ist der Gewinn einer Positionierung als „junge Generation“? Wie vermischen sich dabei politische und pädagogische Bezugnahmen? Wie werden Grenzziehungen zwischen Generationen markiert und wie werden diese auch überschritten?

Wir wollen diese Fragen aufgreifen und dabei genauer noch den wissenschaftsaffinen und bildungsbezogenen Praktiken der Klimaproteste nachgehen. In Studien der Protestforschung ist mehrfach herausgearbeitet worden, dass und inwiefern soziale Bewegungen mit Bildungsmöglichkeiten einhergehen und ihren Mitgliedern bzw. Teilnehmenden Bildungsanlässe eröffnen (z. B. Bunk 2018; Miethe und Roth 2016; Thomsen 2019). Jedoch entwickeln nicht alle Bewegungen eigene Formate der Wissensvermittlung und selten verbinden sie Protestpraxis derart mit einem Bildungsauftrag bzw. Aufklärungsanspruch, wie sich dies als herausgehobenes Merkmal für die jüngeren Klimaprotestbewegungen festhalten lässt (vgl. Lay-Kumar 2019 für die kontinuierliche Relevanz von Wissensvermittlung in umweltpolitischen Bewegungen).

In der Organisation der Public Climate Schools, einer regelmäßig stattfindenden Veranstaltungsreihe, die wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen will, engagiert sich insbesondere Fridays for Future hier in exponierter Weise, weshalb wir uns nachfolgend auf diese Gruppierung konzentrieren. Unsere Vermutung ist, dass die Bereitstellung und Organisation von Formen der Wissensvermittlung eine entscheidende Schaltstelle ist, in der pädagogische und gesellschaftlich-politische Problemstellungen miteinander verknüpft werden. In der Art und Weise, wie diese Veranstaltungsreihe einerseits an die Praxen formaler Bildung in Bildungsinstitutionen anschließt (als „School“) und andererseits zu diesen in kritischer Distanz steht („Public Climate“), wird auch die generationale Thematik der Transformation und Tradierung berührt.

2 Klimaproteste zwischen Schulkritik und bildungsbezogenem Aufklärungsanspruch

Wir möchten zunächst einige allgemeinere Gesichtspunkte der Klimaprotestbewegungen im Lichte ihres Bildungsaktivismus’ nachzeichnen, die vor allem durch die seit 2018 global agierende Klimapolitikbewegung Fridays for Future (nachfolgend: FFF) in Erscheinung getreten ist. Inspiriert durch die Proteste der (damals) 15-jährigen Schülerin Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament während ihrer Schulbesuchszeit, war das zentrale Protestmittel der FFF-Bewegung zunächst der Schulstreik. Dieser wurde mittlerweile, u. a. bedingt durch die seit 2020 grassierende COVID-19-Pandemie, von anderen Praktiken wie Demonstrationen und Klimabildungsformaten abgelöst. Zur Positionierung der Klimaprotestbewegung und ihrer Bildungsprogrammatik im generationalen Bezug möchten wir zunächst in exemplarischer Hinsicht auf eine Selbstpräsentation der Bewegung fokussieren, die wir im Kontext der von Students for Future organisierten Public Climate Schools gefunden haben.Footnote 3 Wir ziehen zur Veranschaulichung ein Dokument heran, an dem wir einführend einige wesentliche Merkmale vorstellen möchten.

In Abb. 1 ist das Heftcover des Lokalprogramms der Public Climate School (nachfolgend: PCS) dargestellt, deren lokaler Ableger in Berlin durch das Nachhaltigkeitsbüro, einer studentisch-hochschulpolitischen Initiative der Humboldt-Universität Berlin, organisiert wurdeFootnote 4. Im Cover wird die Berliner PCS über die Platzierung des grünen Erdball-Logos am rechten Bildrand erkennbar mit der FFF-Bewegung verknüpft und in deren Zuständigkeit gestellt. Das in das Cover eingebundene Bild zeigt eine Protestsituation, in der junge Protestteilnehmende ein farbig hervorgehobenes Transparent in die Luft halten und die Parole ausweisen: „We are skipping our lessons to teach you one.“ Wir wollen in analytischer Hinsicht dieses Bild und, vor allem, die darin enthaltene Parole diskutieren, denn es lassen sich hieran einige zentrale Gesichtspunkte der Klimaprotestbewegung bzw. von FFF in zugespitzter Weise ablesen, die wir im Folgenden erläutern wollen:

  • „We …“: Das „We“ dient als Repräsentation gemeinsamer Anliegen unterschiedlicher Personen und Protestbündnisse zur Artikulation einer allgemeinen politischen Forderung nach Klimagerechtigkeit. In diesem Sinne steht es als Referent für inkludierende Vergemeinschaftung und richtet sich global gegen ein antagonistisches „you“. Mit dem „we“ wird zugleich eine Gemeinsamkeit in der Abgrenzung durch den Bezug auf eine Altersgruppe hergestellt, wie wir oben hinsichtlich der Bezugsfolie „Generationalität“ hervorgehoben haben. Die bildlich inszenierte Jugendlichkeit ist hierbei jedoch nur zum Teil ein deskriptives Faktum und für die politische Frage einer gerechten Klimapolitik ist das Alter der Akteur:innen kein ausschließliches Kriterium – weder inhaltlich noch in der Aktionsform, wie sich an zahlreichen Parallelbewegungen wie Students/Parents/Scientists for Future zeigt. Die Mobilisierungsanstrengungen seitens FFF richten sich ausdrücklich an breitere gesellschaftliche Gruppierungen (Rucht und Rink 2020). Jedoch ist für die zentralen Forderungen der Bewegung der Bezug auf Jugend wesentlich, da FFF hieraus das politische und moralische Argument gewinnt, um an die Sorge um lebbare Bedingungen der zukünftigen Generationen zu appellieren (s. oben).

  • „… are skipping our lessons …“: Diese Formulierung verweist auf die (anfänglich) zentrale Protestform des Schulstreiks. Die damit artikulierte Schulkritik bleibt ambivalent, denn einerseits wird das schulisch vermittelte Wissen als nachrangig gegenüber der Sorge um das Klima aufgefasst. Andererseits erscheint das Skipping wie das wagnishafte Opfern eines wertvollen Guts, so dass die Autorität der Schule im Grunde anerkannt bleibt. Wir kommen auf diese Ambivalenz im folgenden Abschnitt ausführlicher zu sprechen.

  • „… to teach you a lesson …“: Der Satz spielt mit der Doppelbedeutung der Übersetzung in Unterrichten/Lehren sowie Lektion/Denkzettel erteilen. Die Kernforderung von FFF besteht seit den ersten Protesten darin, die politische Entscheidungsträger:innen in ihrem Gegenwartsbezug anzusprechen und eine Verantwortung für die Zukunft einzufordern. Zentral greift FFF wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel auf und fordert eine diesen Erkenntnissen angemessene Klimapolitik. Das Teaching ist aber über den Kontext der Einbettung des Bildes in die PCS durchaus auch im Sinne der Wissensvermittlungspraxis zu verstehen.

Abb. 1
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Cover des Programmhefts zum Berliner Lokalprogramm der Public Climate School vom Herbst 2021; das Cover wurde auch über Social-Media-Kanäle verbreitet

Diese Gesichtspunkte, die einen ersten analytischen Zugang zur Gestalt der Bewegung erlauben, möchten wir für den vorliegenden Kontext des Schwerpunktheftes und dessen Frage nach der Verbindung von ökologischen Fragen und sozialen Bewegungen um zwei weitere zentrale Aspekte ergänzen:

Zum einen ist es wichtig, die Formate des Teaching in den Blick zu bringen, denn diese sind Teil einer postdigitalen Konstellation und zentrales Moment der Klimaproteste. Von Anfang an waren für die Aktionen und die Verbreitung der Anliegen von FFF digitale und soziale Medien entscheidende Schaltstellen für die Effektivität politischer Artikulationen sowie für politische Praxis. So bot etwa der Social-Media-Hashtag #FridaysForFuture eine Plattform für die (inter)nationale Vernetzung zur Schaffung eines digitalen öffentlichen Protestraums (vgl. Terren und Soler-i-Martí 2021). Die digitalisierte Gestaltung politischen Engagements jenseits der Formen institutionalisierter Politik folgt dabei einem generellen Wandel politischer Praktiken von Jugendlichen (vgl. Grunert 2022; Jörissen et al. 2020; Dahmen et al. 2024), die in die kulturellen Transformationsprozesse von postdigitalen Gesellschaften eingebettet sind (Stalder 2016). Insgesamt verwandeln FFF digitale Räume und Vernetzungs- sowie Proteststrukturen in innovativer Weise in politische Arenen – wie es generell für digitale Räume gilt, dass sie Jugendlichen neue Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Wissen bieten quer zu eingespurten Logiken der Sphärenteilung in Arenen der formalen resp. informellen Bildung (vgl. Gröschner und Jergus 2024.). Damit entstehen auch transformierte Formen der Partizipation und des Protests (vgl. Gille et al. 2016), die das Verhältnis von Jugend und Politik neu verhandeln.

Zum anderen ist hervorzuheben, dass ein Spezifikum der Klimaproteste im Überschreiten herkömmlicher Register politischer Positionierungen und Praktiken zu liegen scheint: Während im BNE-Diskurs und auch in Teilen der Klimapolitik eine Tendenz zur individualisierenden Responsibilisierung zu finden ist und diese Spuren auch gegenwärtig einen dominanten Strang der Diskussionen um den gesellschaftlichen und politischen Wandel im Umgang mit Klimafolgen darstellt (vgl. z. B. Soneryd und Uggla 2015, Scherrer 2022; Obex und Scherrer 2023; für BNE: Hamborg 2020), lässt sich in den Klimaprotesten an vielen Stellen das Bemühen finden, gegenüber individualisierenden Praktiken auf kollektivierende Formen der Protest- und Bildungspraxis zu setzen. Für die übergreifende Frage nach den Möglichkeiten der Gestaltbarkeit von Zukunft lässt sich die Praxis der Klimaproteste von FFF als Anliegen einer auf Vergemeinschaftung und Kollektivität abzielenden Politik lesen. Offensiv werden Bündnispolitiken betrieben mit gewerkschaftlich und sozial engagierten Protestaktionen. Jedoch nicht nur als Bewegung werden zumeist herkömmliche Klientel- und Partikularpolitiken vermieden, indem auf kollektive Anliegen und Problemlagen in der politischen Forderung nach einer lebbaren Zukunft artikuliert werden. Auch auf der Ebene der politischen Inhalte selbst und nicht zuletzt in der politischen Praxis wird sich um eine Vermeidung individualisierter und personalisierter Positionierungen bemüht. Dies lässt sich etwa im Abwehren einer Verengung der Bewegung auf eine einzige Leitfigur ablesen, indem die mediale Berichterstattung über prominente Figuren wie Luisa Neubauer zu unterlaufen gesucht wird. Die Grenze dieser Entindividualisierungsbemühungen zeigte sich u. a. deutlich in der Auseinandersetzung um die antisemitischen Äußerungen Greta Thunbergs und die durch FFF-Vertreter:innen in Deutschland vorgenommene Distanzierung.

Mit diesen knappen Strichen lässt sich beobachten, wie in der Praxis der Bewegung selbst ein politisches Motiv der Differenzmarkierung gegenüber gegenwärtigen Politikpraktiken hergestellt wird, die auf eine andere als die bisherige Zukunftspraxis Bezug nimmt. Wir wollen nun das Augenmerk auf die bildungsbezogenen Praktiken der Bewegung richten.

3 Die Bildungsprogrammatik in Klimaprotesten – analytische Schlaglichter

In diesem Abschnitt zoomen wir etwas detaillierter in die Bildungsprogrammatik der Klimaproteste hinein und erarbeiten den Einsatz, der hier mit Bildung gemacht wird. Auch hier möchten wir anhand eines digitalen Artefakts einige zentrale Gesichtspunkte herausarbeiten. Zu sehen ist im X‑Feed unter Abb. 2, wie der pädagogische Signifikant „Bildung“ in Claims übersetzt wird. Zunächst möchten wir den Screenshot vorstellen, bevor wir anhand dieser Detailperspektive die Bildungsräume der PCS in den Blick bringen.

Abb. 2
figure 2

Veranstaltungshinweis auf die Public Climate School im Herbst 2021 des lokalen X‑Accounts von Students for Future Halle/S

3.1 Zur Bildlichkeit von Bildung

In Abb. 2 ist der Tweet der Students-for-Future-Gruppe aus Halle/S. dargestellt, welche die Plattformuser von X (damals Twitter) zur Teilnahme an der PCS einlädt.Footnote 5 Infolge unserer Recherche auf der Plattform X wurde er uns als einer der ersten Feeds zum Suchwort „Public Climate School“ angezeigt. In den Tweet eingebunden ist ein Bild, das zu einer Reihe von digitalen Stickern gehört, welche über die zentrale Webseite der PCS-Initiative zum Download zur Verfügung stehen.Footnote 6 Die Sticker sind offenbar zur Verwendung als Werbematerial gedacht. Interessant ist, dass für die Klimabildungswoche aus den insgesamt acht Stickern jener in Abb. 2 ausgewählt wurde, der offensiv auf die Rhetorik von Bildung im Kontext von Protest rekurriert. Dies gibt uns Anlass, das Bild auf seine Symbolik hin näher zu betrachten und daran Aspekte der pädagogischen Programmatik von FFF zu diskutieren.

Anhand der inszenierten Protestsituation des Bildes wird deutlich, welchen Status die Forderung nach Bildung innehat. Bildung wird als Begehrens-Wert affirmiert, der eine „wichtige“ Funktion für Zukunftsvisionen der „Revolution“ einnimmt. Im herkömmlichen Sinne steht die Revolution für einen radikalen Bruch mit der Gegenwart, sie ist das Andere der Geschichte und des Moments; sie zielt auf grundsätzliche Veränderung. Dabei ist die Revolution nicht identisch mit der Zukunft, wie Christoph Menke (2018, S. 76) hervorhebt. Ganz im Gegenteil sind Revolutionen gegenwartsbezogen, insofern, als sie im Vollzug selbst Gestalt annehmen.Footnote 7

Die Ästhetik der in großen und bunten Lettern gehaltenen „Bildung“ erinnert an die in anderen sozialen Protesten (insbesondere der queeren Bewegung) verwendete Regenbogensymbolik und schafft eine Verbindung zu den Forderungen nach Akzeptanz von Diversität, Toleranz und Hoffnung auf Veränderung.Footnote 8 Dies legt nahe, dass mit Bildung der Anspruch einer Inklusion differenter Positionen verbunden ist: Im Einklang mit dem traditionellen Bildungsgedanken der Moderne wird Bildung mit einem universalistischem Zug versehen. Bildung erscheint als Referenz, die unterschiedliche Positionen und Forderungen sammelt (vgl. Jergus 2014).

Dass mit dem Rekurs auf Bildung ein Versprechen der gesellschaftlichen und individuellen Verbesserung artikuliert wird (vgl. Schäfer 2011), lässt sich bis in die Ästhetik des Bilddesigns hinein ablesen. Diese verwenden – im Gegensatz zu den vorherigen Tweets – eine im Comicstil gehaltene Nachzeichnung eines Demonstrationsgeschehens. Im Gegensatz zu Fotografien, die häufig (in anderen Tweets) mit dem Anspruch genutzt werden, eine Wirklichkeit repräsentativ abzubilden und zu bezeugen, wird hier durch zeichnerische Designelemente mit dem Verhältnis von Wirklichkeit und Möglichkeit gespielt. Im Gegensatz zu dieser Verheißung auf der inhaltlichen Ebene in der Adressierung von Bildung, ist auf der bildlichen Ebene der Darstellung jedoch ein anderes Bild gezeichnet: Hier sind Protestierende zu sehen, die als vornehmlich weiße, männliche, adulte Personen zu erkennen sind. Dies steht im Übrigen auch im Gegensatz zu den Erkenntnissen der Protestforschung, die zeigen, dass über 50 % der Teilnehmenden an FFF-Demonstrationen weiblich sind (Sommer et al. 2020). Dieses nichtinklusive Bilddesign markiert eine Kehrseite des Bildungsversprechens, dass nämlich mit diesem stets auch das Risiko einer Reproduktion sozialer Ungleichheit einher geht.

Nicht zuletzt veranschaulicht Abb. 2, wie die Forderung nach Bildung auf die Straße getragen wird und damit die Grenzen der institutionell organisierten Bildungsräume überschritten werden. Gleichzeitig bleibt die Forderung den etablierten Institutionen gegenüber indifferent (in Kontrast zur affirmativen Aufladung von Bildung): „Bildung“ ist hier so allgemein gehalten, dass sie auch zu einem geteilten Anliegen von formalen und protestbezogenen Angeboten werden kann. Dies wird auch erkennbar über den Kontext, in dem das Bild innerhalb des Tweets steht: die Ankündigung der PCS, die eben trotz aller Distanznahme und Kritik am Schulwesen immer noch dem Format des Schulischen verpflichtet bleibt.

Zusammenfassend zeigen sich drei Motive in Bezug auf die pädagogische Programmatik der Klimaprotestbewegung FFF: Erstens eine optimistisch-affirmative Referenz auf Bildung, der ganz im Fahrwasser modernen Aufklärungsdenkens eine inkludierende Qualität und Gestaltungskraft für Transformation zugetraut wird; zweitens ein Zukunftsbezug, der – gegenüber aktueller Realpolitik – Zukunft als anders möglich und gestaltbar entwirft sowie drittens die Proklamation und Schaffung von Bildungsräumen, die mit etablierten Bildungsräumen korrespondieren und diese zugleich überschreiten.

3.2 Public Climate Schools als alternative pädagogische Programmatik!?

Diese Aspekte der pädagogischen Programmatik von FFF, die sich aus dem Tweet heraus ableiten lassen, diskutieren wir nun noch einmal systematischer, indem wir mit der Klimabildungswoche der PCS eine der zentralen klimaaktivistischen Praxen in Augenschein nehmen. Diese Veranstaltungsreihen finden jeweils im Frühjahr (an lokalen Standorten) und im Herbst (lokal und deutschlandweit) statt und adressieren eine breite Öffentlichkeit. Sie werden bislang allein im bundesdeutschen Raum veranstaltet.

In der Selbstbeschreibung der Verantwortlichen, der FFF zugehörigen Gruppierung der Students for Future Germany, artikuliert sich das Anliegen, das die vorgehend erwähnten Motive des Bildungsoptimismus’, der gestaltbaren Zukunft und der alternativen Bildungsräume enthält: „Bei der Public Climate School (PCS) handelt es sich um ein digitales Bildungsprogramm, das von Studierenden der Fridays-For-Future-Bewegung koordiniert und von vielen Wissenschaftler:innen, Expert:innen, Schüler:innen und Lehrer:innen mitgestaltet wird. Sie hat zum Ziel, Bewusstsein und Aufklärung für die herausragende Bedeutung der Klimakrise für eine lebenswerte Zukunft auf dieser Erde zu schaffen und Klimabildung für alle zu ermöglichen“ (studentsforfuture.info).Footnote 9

Maßgeblich für diese Form der kostenlosen Wissensdistribution sind digitale Kanäle wie Livestreams – die integriert sind in das über die Webseite zugängliche EdutainmentFootnote 10-Format des „Klima TV“ – oder ein in YouTube integriertes Videoarchiv der deutschen Students-for-Future-GruppeFootnote 11. Zudem gibt es eigens für Schulen und Universitäten ausgearbeitete Programme, die u. a. hybriden Liveunterricht sowie Online-Workshops vorsehen.

Die Organisation und Durchführung der PCS scheint vergleichbar mit Bildungsangeboten im Weiterbildungssektor und weist eine an professionelle Dienstleistungsangebote erinnernde Gestalt auf: Es gibt ein farblich an die FFF-Bewegung angelehntes Konzeptpapier zur PCS (vgl. Students for Future Germany 2022), in welchem Ansatz und Aufbau der Bildungswochen präsentiert und begründet werden. Darin verankert sind auch Selbstverpflichtungen zur regelmäßigen Evaluation und Weiterentwicklung der Veranstaltungsreihe, begleitet durch eine wissenschaftliche Pilotstudie. Auf dieses Konzeptpapier beziehen wir uns im Folgenden, wenn wir die drei erarbeiteten Motive der Bildungsprogrammatik noch einmal aufnehmen.

3.3 Bildungsoptimismus

Im Konzeptpapier wird die Annahme, Bildung könne einen profunden Beitrag zur Bewältigung gesellschaftlicher Problemlagen leisten, ausbuchstabiert. Bildung wird hier bezogen auf die Rationalität wissenschaftlicher Analysen zum Klimawandel und zudem verknüpft mit dem inklusiven Anspruch, dass diese Bildung allen gilt und alle von ihr erreicht werden sollen. Diese Universalität klingt an in der Forderung „Unite behind the sciene“, die als Hashtag im Konzeptpapier auftaucht (ebd., S. 10). Weiterhin wird Bildung konzipiert als Zusammenspiel von Fachwissen zum Klimawandel mit Handlungskompetenzen. Zwar werden individualisierende Ansprachen weitgehend vermieden und der mit Klimabildung adressierte Wandel richtet sich vornehmlich an das Bildungssystem sowie die Bildungsinstitutionen der Schule und Hochschule: „Wandel fängt mit Bildung an“ (ebd., S. 5). Entgegen dem programmatischen Bemühen um Entindividualisierung und Kollektivierung wird hier jedoch über die Koppelung von Bildung an Handlungskompetenz eine individuelle Ebene ins Spiel gebracht, die durchaus auch in Konzepten wie „Future Literacy“ oder insgesamt im Horizont einer Green Gouvernmentality (vgl. kritisch: Soneryd und Uggla 2015; Scherrer und Obex 2023; Scherrer 2022) vorgefunden werden kann. Auch zitierte psychologische Konzepte wie „Selbstwirksamkeit“, die als Ziel der PCS benannt werden, adressieren eine Individualisierungslogik. Diese wiederum steht in einer ambivalenten Spannung gegenüber den politischen Zielen einer an Kollektivität und Globalität ausgerichteten Praxis der Klimaproteste (s.o.).

3.3.1 Gestaltung von Zukunft

Im Konzeptpapier wird Zukunft kaum ausdrücklich erwähnt, vielmehr wird über unterschiedliche Begriffe wie „Krise“ oder „größte Herausforderung“ (Students for Future Germany 2022, S. 5) Zukunft als unfraglich kommende Bedrohung skizziert. Dem gegenüber wird im Kontext von Erfahrungsberichten teilnehmender Studierender der PCS, die sich ebenfalls im Konzeptpapier finden, von einer Studentin die „Utopie eine[r] klimagerechte[n] Welt“ (ebd., S. 9) als Motiv für die Teilnahme an der PCS benannt. Anders gesagt: Entlang der Pole von Krise und Utopie wird Zukunft als gestaltbar verstanden, und das Scharnier gegenüber einem geschlossenen Zukunftsbild der krisenhaften Unlebbarkeit ist der Bezug auf Bildung. So ist einerseits die Utopie einer Überwindung von Klimaungerechtigkeit durch Bildung anvisiert; andererseits soll Bildung Handlungsfähigkeit in Krisen sichern: „Zukunftsfähige Bildung ist die Voraussetzung, um weiterhin handeln zu können und nicht in Lethargie zu verfallen“ (ebd., S. 1). Durchaus vergleichbar mit anderen gesellschaftlichen Problemlagen, in denen die Lösung in Bildung gesucht wird, wird hier die Aufrechterhaltung menschlicher Handlungsfähigkeit in Relation zur Krise gesetzt, aber zugleich geht es auch – hier ist das Papier uneindeutig – um Krisenlösungen. Diese Bezugnahme auf Bildung als Instrument von Zukunftsgestaltung erinnert durchaus an herkömmliche Lösungsrhetoriken, wie es u. a. auch in einer kompetenzorientierten Beherrschungsrationalität der Bildungspolitik zu finden ist und in weiten Teilen auch den Diskurs um Bildung für nachhaltige Entwicklung prägt (vgl. dazu Hamborg 2020, Obex und Scherrer 2023). Bemerkenswert ist jedoch an dieser Stelle, wie Bildung nicht nur als Voraussetzung und Grundlage für Zukunft gilt, sondern ihrerseits selbst als „zukunftsfähig“ verstanden wird, was eine Kritik am Bildungsverständnis der etablierten Bildungsinstitutionen impliziert, auf die wir nun näher eingehen werden.

3.3.2 Alternative Bildungsräume

Mehrfach wird sich im Konzeptpapier – wie auch insgesamt in den politischen Protesten von FFF von Beginn an – abgegrenzt von den etablierten Bildungsinstitutionen der Schule und der Universität. Den herkömmlichen Bildungsräumen wird nicht zugetraut, die zur Frage stehenden Zukunftsprobleme angemessen erfassen und zu ihrer Lösung beitragen zu können. In der Programmatik der PCS werden diese hingegen als die bessere School ausgewiesen. Problematisiert wird an den etablierten Institutionen sowohl das zu gering mit Klimawandelfragen befasste Curriculum, aber auch die Zugangshürden und deren Vermittlungsformen (z. B. Frontal‑/Offlineunterricht), die allesamt als nicht mehr „auf der Höhe der Zeit“ (ebd., S. 14) attribuiert werden. Bereits das Initiationsmoment der FFF-Bewegung, die globalen Streikaktionen, die als für klimapolitische Jugendbewegungen bis dato einzigartige politische Artikulation gelten (vgl. Rucht und Rink 2020), stellten diese Kritikfigur ins Zentrum ihrer Aktivität. Die Kritik ist jedoch ambivalent, denn sie oszilliert zwischen grundlegender Affirmation von Pädagogik und der Zurückweisung ihrer konkreten rezenten Ausdrucksgestalten. Damit bildet die Kritik einen wichtigen Bezugspunkt für die Selbstermächtigung der FFF-Akteur:innen im Lichte einer eigenständigen Bildungsprogrammatik. Mit der ausdrücklich positiven und offensiven Bezugnahme auf Wissen und Bildung und dem Hinweis, dass dieses in den pädagogischen Institutionen bisher nicht ausreichend vermittelt würde, reklamiert die Bewegung eine Schaffung deinstitutionalisierter pädagogischer Räume, die sich gleichermaßen an herkömmliche Formate der Wissensvermittlung anlehnen, wie sie auch eine kritische Distanz dazu einziehen. Entsprechend ihres durchweg bildungsaffinen und aufklärungsoptimistischen Impetus ist die FFF-Gruppierung zudem intensiv bemüht, mit Vertreter:innen pädagogischer Institutionen wie Schulen und Universitäten zusammenzuarbeiten. Erklärtes Ziel der PCS ist die Rücküberführung des von ihr eröffneten deinstitutionalisierten Bildungsraums in die etablierten Institutionen, um Letztere im Sinne einer umfassenden „Bildungstransformation“ (Students for Future Germany 2022, S. 14) zu erneuern.

Wir verlassen an dieser Stelle die analytischen Blickschneisen zu den Materialien der Klimaprotestbewegung und wollen unsere Überlegungen in einer abschließenden Reflexion bündeln. Anschließend an die Analysen können wir festhalten, dass die Formate der PCS einen instruktiven empirischen Gegenstand darstellen, an dem sich untersuchen lässt, wie ökologische Fragen mit politischen und pädagogischen Praktiken verschränkt werden. Dabei zeigte sich zum einen, wie die bildungsaffine Bewegung – sicher auch im Horizont ihrer eigenen milieubedingten, bildungsbürgerlichen Habitus (vgl. Sommer et al. 2020) – praktisch die Gestaltung von Zukunft angeht, indem sie sowohl die gesellschaftliche als auch die individuelle Seite von Veränderung adressiert. Zugleich lässt sich festhalten, dass Bildung im Verständnis der PCS in einem sehr herkömmlichen, durchaus instrumentellen Sinne in Gebrauch genommen wird. Denn hier wird ein Verständnis von Bildung bzw. Aufklärung genutzt, das in der Lösung gesellschaftlicher Probleme unterstützt – eine in der westeuropäischen Moderne häufig vorzufindende Übersetzung politischer Problemlagen in pädagogische Aufgaben (vgl. Tröhler 2020).

4 Reflexion: Generationale Bezüge in den Klimaprotestbewegungen?

Abschließend zu unserer Auseinandersetzung mit der bildungsaktivistischen Selbstpräsentation der PCS wollen wir deren Gehalt für eine generationale Artikulation der Klimaprotestbewegungen befragen. Welche generationale Positionierung bietet diese Bildungsprogrammatik? Wie verschränken sich dabei pädagogische und politische Anliegen der Klimaprotestbewegung?

Zunächst ist festzuhalten, dass das Einfordern einer lebbaren Zukunft – eine zentrale Forderung der Klimaprotestbewegungen – einen generationalen Bezugsrahmen stiftet. In pädagogischer Hinsicht ist etwa das den pädagogischen Adressat:innen gegenüber gegebene Versprechen auf eine Zukunft eine Quelle pädagogischer Autorität (Reichenbach 2011). Weiterhin ist das Relais von Tradierung und Transformation eine wesentliche, die pädagogischen Generationenbeziehungen strukturierende Problematik (vgl. Jergus 2023). Vor dem Hintergrund dieser Akzentuierungen lässt sich festhalten, dass das bildungsaktivistische Angebot dem Rahmen einer pädagogischen Generationenbeziehung folgt, wie sie als solche auch innerhalb der Bildungsinstitutionen aufrechterhalten wird. Dass etwa Wandel mit Bildung anfange, dieser Slogan der PCS lässt sich mit Arendts generationentheoretischer Figur des „Neuankömmlings“ in Verbindung bringen (Arendt 1958).

Wer dabei wem Bildungsangebote macht und Wandel adressiert, wird hingegen vor dem Hintergrund einer politischen Relevanz der generationalen Positionierungen als Frage virulent (vgl. Schelling 2024; Böttger und Reitschuster 2020). Indem die Protestierenden das Versprechen auf eine Zukunft zum Gegenstand ihres Protests machen, zeigt sich die genuin politische Seite pädagogischer Beziehungen (vgl. Bünger und Jergus 2024). Die Positionierung „for future“ funktioniert auch insofern als eine politische Artikulation, als sich die jungen Protestierenden verweigern, den Erwachsenen im Rahmen einer generationalen Ordnung ein Gegenüber zu sein und den ihnen angedachten Platz einzunehmen (vgl. Kessl 2023), während sie zugleich an die Einhaltung jener generationalen Ordnung appellieren.

Mit Verweis auf Jacques Rancières politiktheoretische Arbeiten lässt sich dies als politische Subjektivierung diskutieren (vgl. z. B. Rancière 2002; Simons und Masschelein 2016). Rancière versteht unter dem Terminus der Subjektivierung das Einfordern einer Gleichheit vonseiten jener, die von hegemonialen gesellschaftlichen Ordnungen ausgeschlossen sind, die in diesen keinen Platz haben oder sich den ihnen zugewiesenen Plätzen verweigern. Während Subjektivierung im Sinne Rancières eine momenthafte Unterbrechung oder Irritation von Ordnungen akzentuiert, die mit Einfordern eines Anteils am Gemeinsamen einhergeht, lässt sich unter Verweis auf die Politiktheorie nach Laclau und Mouffe (1991) ein identitätsstiftendes und verstetigendes Verständnis von Subjektivierung herausstellen. Laclau und Mouffe beziehen sich auf Subjektivierung als einen Konstruktionsmodus kollektiver Identität im Rahmen soziokultureller Artikulationspraxen. Beide Theorien lassen sich aufeinander beziehen, insofern sie einen poststrukturalistischen Denkhorizont teilen und demzufolge von der Kontingenz und sozialen Konstruiertheit politischer Ordnungen ausgehen. Aus unserer Sicht erscheinen beide Verständnisse von Subjektivierung in analytischer Hinsicht weiterführend und lassen sich verbinden mit dem für Generationalität herausgearbeiteten Zusammenhang aus Tradierung und Transformation.

Der Gehalt der Subjektivierung als junge Generation lässt sich in zweierlei Hinsicht herausarbeiten. Zum einen ermöglicht die generationale Positionierung der Protestierenden einen Bezugspunkt der Vergemeinschaftung, der Protestteilnehmende tendenziell über die Grenzen partikularer politischer Haltungen hinweg mobilisiert. Gleich ob links, liberal etc.: Alle sind, sofern sie jung sind und sich als die Erde auch künftig noch bewohnende Menschen verstehen können, von Klimafragen betroffen. Demgegenüber ist die Aufgabe der Klimabildung eine, die programmatisch alle betrifft und von der niemand ausgenommen ist. Im Vergleich zu anderen sozialen Protesten sind die Auswirkungen dessen, wogegen protestiert wird, nicht in gleicher Weise akut in der Gegenwart für breite Bevölkerungsschichten spürbar. Die Positionierung als junge Generation spricht folglich eine geteilte Betroffenheit von der Zukunft her an – als einer kommenden Bedrohung auch für jene noch ungeborenen Angehörige künftiger Generationen. In diesem Zusammenhang lassen sich anhand des Bezugs auf Generationalität auch ethische Anliegen adressieren, etwa die Frage nach Gerechtigkeit, Verantwortung und Schuld zwischen den Generationen im Hinblick auf klimapolitische Maßnahmen (vgl. Meyer 2018; Berndt und Vogt 2020). Zugleich sind Prozesse der Kollektivierung und Mobilisierung auch mit der Problematik konfrontiert, Grenzen der Zugehörigkeit zum Kollektiven verhandeln zu müssen. So wird bezüglich der Klimaprotestbewegung fortwährend die Frage danach virulent, welche politischen Forderungen mit Klimapolitik verbunden sind: Wo beginnt und endet Klimaschutz? Welche Angelegenheiten fallen unter Nachhaltigkeit? Welche Konflikte sind auch klimarelevante Konflikte? Solcherart Fragen und Grenzverhandlungen des Kollektiven finden in der Bildungsprogrammatik der PCS keine Repräsentation; es scheint vielmehr so, als dass ein Verweis auf Bildung und Aufklärung solche Auseinandersetzungen in den Hintergrund rücken könnte.

Zum anderen wird mit der Positionierung als junge Generation und der darin implizierten Vorstellung einer Generationenfolge eine bestimmte Vorstellung von Zeitrationalität, genauer: eine Chrono-Logik, aufgerufen. Indem die Protestierenden Zukunft (zurück)fordern, lehnen sie sich gegen eine Realpolitik auf, die sie als gegenwartsorientiert und zukunftsvergessen kritisieren. Die politisch-pädagogische Praxis der Klimabewegung könnte so auch verstanden werden als chronopolitische Intervention (vgl. Schmidt et al. 2022): ein Einsatz für alternative Zukünfte, in der die Bedingungen des Überlebens auf einem beschädigten Planeten im Sinne der nachfolgenden Generationen berücksichtigt werden. Dies gilt auch dann noch, wenn der im Rahmen der PCS artikulierte bildungsoptimistische Zukunftsbezug vielleicht seinerseits angesichts sich dramatisierender Krisenlagen nicht viel mehr ist als ein „Cruel Optimism“ (Berlant 2011). Hier könnte man die Bildungsaktivitäten als Versuch verstehen, eine durch wissenschaftliches Wissen gestützte Aufklärung über den Klimawandel zu leisten und so auch bildungspolitische Themensetzungen zu machen. Dass dabei selbst ein aufklärungsaffiner Zug zum Tragen kommt, der nur allzu leicht die bildungsbürgerlichen Voraussetzungen einer solchen politischen und pädagogischen Praxis invisibilisiert (vgl. Walther 2024), wäre dabei kritisch anzumerken.

Die Frage, ob Bildung hier zum Zweck der Politik instrumentalisiert wird oder sie einem Anders-Werden und damit der Zukunft Raum lässt, wird einer weiteren Forschung und Analyse vorbehalten bleiben müssen. Dass der Streit um die Zukunft dringlich ist und dabei auch die Frage des Generationenverhältnisses eine politische Seite besitzt, sollte nicht erst durch die Klimaproteste und ihr bildungsaffines Ringen um eine lebbare Zukunft deutlich geworden sein.