Narrationen treten in der Sozialen Arbeit in unterschiedlichen Formen auf. Adressat:innen stellen sich und ihre Lage mit Hilfe von Erzählungen dar und sozialpädagogische Fachkräfte erzählen Geschichten zu einzelnen Situationen, Problemen, Personen und Fällen. Fallgeschichten und Berichte über professionelle und organisationale Arrangements werden in der Forschung und Weiterbildung als bedeutsam adressiert, um Fragestellungen gegenwarts- und zukunftsbezogen zu bearbeiten oder zu reflektieren. In politischen Auseinandersetzungen werden Geschichten referiert, um besondere Sichtweisen auf das Feld der Sozialen Arbeit oder hier identifizierte Herausforderungen und Probleme zu kommunizieren. Trotz dieser auf unterschiedlichen Ebenen und in Bezug auf unterschiedliche Felder und Fragen fast schon als Omnipräsenz anzusehenden Anwesenheit von Narrationen in sozialpädagogischen Praktiken und Diskursen scheinen mit diesen Beobachtungen verbundene Fragen, Gegenstände und Aufgaben bislang in den sozialpädagogischen Fachdiskursen bislang systematisch nicht umfänglich betrachtet und diskutiert zu werden.

Einzelne Bereiche scheinen dieser Beobachtung allerdings zu widersprechen. So wurden und werden Lebensgeschichten von Adressat:innen sozialpädagogischer Arbeit in der Biografieforschung (siehe hierzu auch den Beitrag von Ulrike Deppe und Heinz-Hermann Krüger in diesem Heft) erhoben und in der Handlungspraxis bearbeitet. Narrationen sind diesbezüglich gleichsam ein Material, das in der Forschung, aber auch in der sozialpädagogischen Praxis herangezogen wird. Dies korrespondiert einerseits mit einem hohen Interesse an Methoden der qualitativ-rekonstruktiven wie ethnografischen Forschung sowie andererseits mit Ambitionen, sozialpädagogische Fall- und Feldinterventionen nichtstandardisiert auszurichten. Narrationen stellen somit die Grundlage für unterschiedliche methodologische Konzepte und methodische Zugänge bereit. Das Potenzial einer Analyse von Narrationen ist allerdings damit noch nicht vollständig beschrieben.

Um in einem breiteren Rahmen zu zeigen, welche prominente Bedeutung Narrationen für die Soziale Arbeit aufweisen, wird nachfolgend auf die Möglichkeiten hingewiesen, wie Narrationen in der empirischen Forschung und Theoriebildung anderer Fachkulturen sowie der sozialpädagogisch gerahmten Forschung und Handlungspraxis aufgerufen werden, auch um anzudeuten, welche theoretischen Ambitionen damit verbunden sein könnten. Dies erinnert daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten sehr umfangreich zu Narrationen gearbeitet wurde. Die Soziale Arbeit hat die entsprechenden Arbeiten und Kontroversen allerdings nur partiell aufgenommen (vgl. hierzu auch die nachfolgenden Beiträge im „Blickpunkt“ dieses Hefts).

1 Narration in fachwissenschaftlichen Diskussionen

Narrationen finden in nahezu allen sozial-, human-, kultur- und erziehungswissenschaftlichen Fachkulturen mehr oder weniger explizit Beachtung (vgl. hier auch der Beitrag von Dieter Baacke in der Rubrik „Wiederentdeckt“). Bereits in der Herausbildung dieser Disziplinen deutet sich eine Nähe zu narrationsbasierten Sichtweisen an (vgl. Düwell 2019). In den Konstituierungsphasen der modernen Sozialwissenschaften und Soziologie, der Erziehungswissenschaft, Volkswirtschaft und auch der Psychologie wird erkennbar, dass sich die Entwicklung nicht auf die Etablierung von standardisierten, quantitativ-tatsachenbezogenen Forschungs- und Theorieverständnissen reduziert. Studien, die die Entwicklung sozialwissenschaftlicher Weltvergewisserungen nachzuzeichnen versuchen, weisen darauf hin, dass einer qualitativ-deskriptiven, auch auf Narrationen basierenden vor der Ausdehung der quantitativ-statistischen Wirklichkeitssicht eine große Bedeutung zukam (vgl. Bonß 1982). Skepsis gegenüber den Ansprüchen und Voraussetzungen der quantitativ-experimentellen Empirie einschließend, werden methodisch ausformulierte Forschungszugänge entwickelt, die versuchten, gesellschaftliche Wirklichkeiten durch die exemplarische Analyse von Einzelfällen zu verstehen. Ziel dieser Studien war es, soziale Realitäten subjekt- und situationsspezifisch zu analysieren. Insbesondere abgesichert über Gustav v. Schmollers (1883) Kritik der instrumentellen, quantifizierenden Forschungsstrategien, die die „Messung von Größenverhältnissen“ ermöglicht, aber „über die Natur der Dinge nichts aussagt“ (v. Schmoller 1901, S. 114), konnte sich die induktiv wie indizienorientierte monografische Forschung in volkswirtschaftlichen Erhebungen institutionell realisieren. Über quantitative Daten sich empirisch absichernde und begründende Forschungszugänge sind in breiterer Form in den Sozial- und Volkswirtschaften erst um die Wende zum 20. Jahrhundert wahrzunehmen. Erst ab dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts werden dann standardisierte, quantitativ orientierte Sichtweisen zum dominierenden Paradigma der sozialwissenschaftlichen wie auch der psychologischen Forschung (vgl. Bonß 1982). Entsprechend verliert zu dieser Zeit die qualitativ ausgerichtete Forschungstradition an Bedeutung, ohne allerdings gänzlich in Vergessenheit zu geraten.

Obwohl niemals vollständig verschwunden, gewinnt die auch auf Narrationen basierende Empirie in den Volks- und Sozialwissenschaften sowie in soziologisch-philosophischen, pädagogischen Fachkulturen in den 1920er-Jahren wiederum an Bedeutung. „Jedes Leben kann beschrieben werden, das kleine wie das mächtige, das Alltagsleben wie das außerordentliche“, formuliert schon im Jahr 1910 Wilhelm Dilthey und führt weiter aus: „Die Familie bewahrt ihre Erinnerungen. Die Kriminaljustiz und ihre Theorien mögen das Leben eines Verbrechers festhalten, die psychische Pathologie die eines abnormalen Menschen. Alles Menschliche wird uns zum Dokument, das uns irgendeine der unendlichen Möglichkeiten unseres Dasein vergegenwärtigte“ (Dilthey 1970, S. 305; vgl. Garz 2000). Später und vor anderem theoretischem Hintergrund betont insbesondere Max Horkheimer den synoptischen, interdisziplinären Charakter von Sozialforschung und entwickelt eine Konzeption, die sich der Frage zuwendet, wie Wissen und gesellschaftliche Realität zueinander finden sollen (vgl. Jay 1981). Gegenüber dem zahlenbasierten Forschungsparadigma wendet er ein, dass sich das Ziel der Entzauberung der Welt in dem quantifizierenden Programm reduziere auf die „statistische Aufbereitung (…) über mehr oder minder zahlreiche einzelne Personen (…). Die Dinghaftigkeit der Methode, ihr eingeborenes Bestreben, Tatbestände festzunageln, wird auf ihre Gegenstände, eben die ermittelten subjektiven Tatbestände, übertragen“ (Horkheimer und Adorno 1962, S. 208 f.).

Die in derartigen Überlegungen kommunizierte Kritik an dem Methodenreservoir und den Deutungskompetenzen quantitativer Forschung wird zum inhaltlichen Orientierungspol und zum Votum für eine auf qualitativen Daten und insbesondere auch auf Narrationen basierenden Forschungsmethodologie, an die in den 1970ern zunächst vereinzelt und dann ab Ende der 1980er-Jahre in einer umfänglicheren Form in unterschiedlichen Fachkulturen angeknüpft werden konnte (siehe hierzu den auf die erziehungswissenschaftliche Biografieforschung bezogenen Beitrag von Ulrike Deppe und Heinz-Hermann Krüger in diesem Heft). Die Ursprünge und Traditionen sozialwissenschaftlicher Forschung lediglich schwach erinnernd, wird in der Soziologie und Erziehungswissenschaft primär an wissenssoziologisch inspirierte Überlegungen der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit (Berger und Luckmann 1972), eine ethnomethodologische (Garfinkel 1967) respektive phänomenologische, interaktionistische Theorie (Schütz und Luckmann 2003) angeknüpft, um gegen einen „positivistisch halbierten Rationalismus“ (Habermas 1968) Zusammenhänge von „Erkenntnis und Interesse“ (Habermas 1973) neu zu akzentuieren, mit der Intention, Selbstverortungen von Subjekten und Zusammenhänge der Konstitution von Welt über Lebensgeschichten, Berichte über Beziehungen und personale Netzwerke, Episoden, Situationsbeschreibungen, Beschreibungen von Alltag und Praktiken, Deutungen und Sichtweisen zu verstehen. Narrationen, so wird argumentiert, grundieren Wissen und Einstellungen (siehe hierzu den Beitrag von Freya Sukulla in diesem Heft). Gemeinsam ist den unterschiedlichen wissenschaftlichen Konzeptionen die Erkenntnis, dass die Welt intersubjektiv hergestellt, reproduziert und transformiert wird und Narrationen die damit verbundenen Vorgänge und Sichtweisen kommunizieren. In den Sozialwissenschaften wie in der Erziehungswissenschaft wird, wenn auch nicht unwidersprochen, argumentiert, dass Narrationen nicht lediglich subjektive Positionierungen darstellen, sondern „Muster der individuellen Strukturierung und Verarbeitung von Erlebnissen in sozialen Kontexten“ hervorbringen und dabei immer auch „auf gesellschaftliche Regeln, Diskurse und soziale Bedingungen“ verweisen, „die ihrerseits u. a. mit Hilfe biographischer Einzelfallanalysen strukturell beschrieben und rekonstruiert werden können“ (Dausien et al. 2005, S. 7 f.). Die Analysen thematisieren somit auch die Einbindung von Subjekten in die Modalitäten, „Diskurse, Deutungs- und Handlungsmuster und damit ihre Sozialisation als Gesellschaftsmitglieder“ (Alber 2016, S. 16).

Neben sozial- und erziehungswissenschaftlichen Studien wird seit Beginn der 1980er-Jahre eine mit diesem Wissenschaftsverständnis verbundene Perspektive insbesondere in der Geschichtswissenschaft aufgegriffen und in verschiedenen Projekten systematisch verfolgt (vgl. u. a. Niethammer 1983, 1986; Niethammer und Plato 1985). In der auf Narrationen basierenden Geschichtsschreibung, etwa der Oral History, werden erzählte Erlebnisse und Erfahrungen von Zeitzeugen sowie die durch sie ermöglichten Einblicke in individuelle Geschichten, Lebenswelten, Sitten, Traditionen, gelebten Alltag, Begebenheiten und Zusammenhänge zum Anlass genommen, historische Ereignisse und Entwicklungen sowie biografische Beteiligungen und Herstellungen von Alltag als kollektiv erinnerte und erlebte Geschichten zu rekonstruieren (vgl. u. a. Wierling 2017).

Allerdings wird die Annahme, dass Erinnerungen von konkreten, einzelnen Personen nicht lediglich episodisch von Relevanz sind, sondern über Geschichte aufzuklären vermögen, kontrovers diskutiert. Dem Einwand, dass Narrationen lediglich subjektiv Erinnertes und dem Gedächtnis (noch) Zugängliches mitteilen und „objektive“ Ereignisse nicht darzustellen vermögen, wird mit dem Hinweis begegnet, dass „Mitglieder einer sozialen Gruppe“ zwar „individuelle Erinnerungen entfalten“, sich ihre über Erinnerungen modellierte Narrationen jedoch „auf das kollektive Gedächtnis stützen, um bestimmte Erinnerungen bestätigt zu finden oder um bestehende Lücken in der Erinnerung zu füllen“, auch weil ein kollektiv hergestelltes „kulturelles Gedächtnis (…) die Erinnerung durch eine organisierte und zeremonialisierte Kommunikation über die Vergangenheit dauerhaft fixiert und wach“ hält, „etwa durch Texte, Riten oder Denkmäler“ (Dejung 2008, S. 101).

In Narrationen einmündende Erinnerungen können sich demnach auf kollektives, gesellschaftlich kanonisiertes Wissen beziehen und hierüber grundierte Sinn- und Deutungszusammenhänge kommunizieren. In dieser Perspektive wird betont, dass in Narrationen erinnerte Ereignisse für die Aufschließung von historischen Ereignissen in verschiedener Hinsicht bedeutsam sein können, weil sie unter anderem erstens generell einen Erkenntnisgewinn generieren und ergänzend zu anderen Dokumenten eine narrative Quellenart zugänglich machen können, zweitens über Alltagserfahrungen aufzuklären vermögen, für die beispielsweise keine schriftlichen Dokumente vorliegen, und drittens kollektiv geteilte und diskutierte Sichtweisen auf Geschichte erhellen können (vgl. Dejung 2008, S. 106 f.; v. Plato 2000).Footnote 1

In den Diskursen der Oral History wird in den letzten Jahren auf die über den Forschungszugang sich begründende und hergestellte Interdisziplinarität hingewiesen. Herausgestellt wird, dass inzwischen das „innovative Potenzial interdisziplinären Denkens und Forschens“ Anerkennung findet und die „Oral History (…) davon erheblich profitiert“ sowie „das Aufkommen der cultural studies (…) noch einmal einen bedeutsamen Schub für die methodische Selbstreflexion der Oral History hervorgebracht“ (Wierling 2017, S. 86) hat. Ein solcher „Schub“ wird auch anderweitig festgestellt. Wird Gabriele Lucius-Hoene (2020, S. 630) gefolgt, dann entdecken verschiedene Disziplinen in den vergangenen Jahren, „dass ihre Wissensbestände, ihre Geschichte oder ihre Daten narrative Strukturen aufwiesen.“ Narrationen wurden zum Gegenstand interdisziplinärer Forschungsbemühungen und aufgrund einer sich ausweitenden Forschungslandschaft gewann der „narrative turn“ an Dynamik. Dies wird unmittelbar nachvollziehbar, wenn bedacht wird, dass Narrationen nicht nur als spezifisches Genre konturiert werden können, sondern der Mensch teilweise an sich als erzählendes Wesen und die menschliche Kultur als grundlegend narrativ verfasst bestimmt wird. Menschen, so konstatiert etwa Donald E. Polkinghorne (1988, S. 160), „live immersed in narrative, recounting and reassessing the meanings of our past actions, anticipating the outcomes of our future projects, situating ourselves at the intersection of several stories not yet completed“. Angesichts derart weitreichender Bestimmungen dürfte es kaum verwundern, dass von Narrationen viel und umfangreich gesprochen wird, wissenschaftlich wie auch öffentlich und politisch – möglicherweise sogar schon zu viel, wie mitunter angemerkt wird (vgl. u. a. Maruna und Liem 2021; Reisigl 2021).

2 Narrationen und Soziale Arbeit – sozialpädagogische Narrationen

Für die Soziale Arbeit ist relativ unstrittig davon auszugehen, dass die „Daten“, mit denen sie zu tun hat, in aller Regel narrativ strukturiert sind (Hall und Matarese 2014). In der sozialpädagogischen Praxis werden Fälle als und über Fallgeschichten aufgegriffen und bearbeitet (Klatetzki 2019; Rätz-Heinisch und Köttig 2010; Urek 2005); Aktenführung gründet auf institutionell geprägten, narrativ kommunizierten Sachverhalten (Bereswill et al. 2022); Teams tauschen sich untereinander in und über Fallgeschichten aus (Cook 2020; Riemann 2005); Adressat:innen bzw. Nutzer:innen von Sozialer Arbeit schildern ihre Probleme und biografischen Herausforderungen in Geschichten und orientieren sich bei ihrer Selbstdarstellung gegenüber sozialen Institutionen an deren Erwartungen an legitime Geschichten (Dollinger und Fröschle 2017; Polletta et al. 2011; siehe auch die Beiträge von Katharina Bock, Bernd Dollinger und Julia Rieger sowie von Holger Schmidt in diesem Heft). Zudem werden in der sozialpädagogischen Forschung Narrationen in unterschiedlichen Formaten als Datenquellen verwendet.

Diese Hinweise deuten an, wie unterschiedlich und mit welchen differenten Ansprüchen in der Sozialen Arbeit auf Narrationen Bezug genommen wird. Die jeweiligen Begriffe von Narrationen unterscheiden sich dabei ebenso wie die zugrundeliegenden wissenschaftstheoretischen Zugänge erheblich, so dass ein Konsens zur Bedeutung und zum Verständnis von Narrationen in der Sozialen Arbeit nicht besteht. Im Folgenden sollen Hinweise die Relevanz von Narrationen für die Soziale Arbeit illustrieren.

2.1 Narrationen in der Handlungspraxis – Hinweise zur sozialpädagogischen Arbeit über und mit Fall- und Feldgeschichten

Fallgeschichten können als die Basis sozialpädagogischer Praxis angesehen werden (vgl. u. a. Schütze 2021). Dies konfrontiert mit der Frage ihrer Authentizität, insofern diese von sozialpädagogischen Professionellen erwartet und beansprucht wird, denn Fallgeschichten sollen Wirklichkeit dokumentieren. Fallgeschichten sollen authentisch – im Sinne von realitätsgetreu – erzählt werden, während zugleich davon auszugehen ist, dass Adressat:innen ihre Lebens- bzw. Problemgeschichten einer sozialpädagogischen Fachkraft (auch) strategisch schildern. Diese Annahme ist insofern plausibel, als Adressat:innen Sozialer Arbeit oftmals von spezifischen Folgen ihrer Selbstdarstellung ausgehen müssen. Wenn etwa die Herausnahme eines Kindes aus einer Familie zur Diskussion steht oder wenn die Inhaftierung eines Jugendlichen, der in Kontakt mit der Jugendgerichtshilfe steht, als Möglichkeit im Raum steht, dann wird unmittelbar deutlich, dass Fallgeschichten angesichts der sich abzeichnenden Konsequenzen auf besondere Weise erzählt werden. Damit ist nicht gemeint, dass Adressat:innen – was mitunter durchaus der Fall sein kann – in ihren Ausführungen lügen oder bewusste Verzerrungen vornehmen. Anzuerkennen ist hingegen die Ausrichtung jeder Erzählung an besonderen interaktiven, situativen sowie an konkreten, organisationalen wie institutionellen Bedingungen (Heritage 1990/1991; Sacks 1995), wobei Erzählungen diese Bedingungen ihrerseits in gewisser Weise mitgestalten können.

In Rechnung zu stellen sind hierbei besondere kommunikative beziehungsweise narrative Praktiken, die Eindrücke von Authentizität bestärken oder unterminieren (vgl. hierzu u. a. Hall et al. 2003; Klatetzki 2013; Marks et al. 2018; Messmer und Hitzler 2007; Nünning 2015; Retkowski et al. 2011). Es kann herausfordernd sein, von diesen besonderen Gesprächen auf alltägliche Praktiken und Probleme von Adressat:innen zu schließen. Für Fachkräfte dürfte es zumindest erkenntnisreich sein, im Wissen um diese Problematik bzw. Herausforderung anzuerkennen, dass Authentizität „lediglich durch Verfahren der Produktion und Narration“ (Weixler 2012, S. 8) als solche erfahrbar ist. Fallgeschichten sind keine bloße Abbildung einer außerkommunikativen Realität, sondern institutionell kokonstituierte Bestimmungen dessen, was als Realität eines Falles anerkannt werden kann und soll. Authentizität in Fallgeschichten wird damit nicht negiert, sondern als stets vermittelte Form narrativer Zuschreibung konzipiert; sie ist ein „zielgruppen-spezifisches Zuschreibungsphänomen“ (Weixler 2012, S. 23).

Aus Forschungen zu Narrationen stehen zahlreiche Optionen bereit, um die betreffenden kommunikativen Spezifika näher zu analysieren (vgl. u. a. Martínez und Scheffel 2016). Hohe Aufmerksamkeit für die Mittel sprachlicher Vermittlung ist in diesem Kontext auch deshalb angezeigt, weil die Soziale Arbeit konstitutiv mit Problemlagen befasst ist, die moralisch qualifiziert sind und dies gewisse Besonderheiten mit sich bringt. Adressat:innen soll geholfen werden, da sie von Unsicherheiten, Schwächen, Problemen oder Leiden berichten, denen sie selbst nicht abhelfen können oder wollen. Die darüber getroffenen Zuschreibungen implizieren Diskreditierungspotenziale (Cremer-Schäfer und Steinert 2014), und entsprechend zurückhaltend und implizit werden sie oftmals kommuniziert (Urek 2005). Für Fachkräfte kann dies die Problematik mit sich bringen, entscheiden zu müssen, wie sie mit welchem Recht auf authentische Probleme der Adressat:innen schließen können. Geschärft wird das Problem noch dadurch, dass das Verhältnis von Erzählung, Erinnerung und Erleben komplex ist und wissenschaftlich höchst unterschiedlich konzipiert wird (vgl. etwa Rosenthal 1995 gegenüber Lucius-Hoene und Deppermann 2002).

Diese Problematiken bzw. Herausforderungen sind im Prinzip nicht neu. Sie verweisen auf Aspekte, die in Beiträgen zur sozialpädagogischen Kasuistik (vgl. u. a. Hörster 2012), zur fall- und feldanalytisch fundierten Sozialen Arbeit (Groddeck und Schumann 1994) bzw. zur rekonstruktiven Sozialpädagogik (Jakob und Wensierski 1997) diskutiert werden oder speziell die Debatte um sozialpädagogische Diagnostik betreffen (vgl. u. a. Uhlendorff 2010). Ein Fokus auf Narrationen macht für die Soziale Arbeit in besonderer Weise Herausforderungen deutlich, die die sozialpädagogische Fall- und Feldarbeit prinzipiell kennzeichnen und die in unterschiedlichen Zusammenhängen – speziell auch im Kontext der biografisch-rekonstruktiven Fallarbeit (vgl. Köttig 2007; Hanses 2011; Schulze 2007, 2011) oder der sozialpädagogischen Beratungspraxis (vgl. Loch und Schulze 2010) – auf jeweils besondere Weise sichtbar und ausformuliert werden.

2.2 Narrationen im Kontext und als Gegenstand von Forschung

An dem „narrativ turn“ müsste die Soziale Arbeit aufgrund ihrer Affinität zu Narrationen substanziellen Anteil haben. Allerdings scheint dies zumindest bislang nicht umfänglich der Fall zu sein. Die reichhaltige Tradition narrativer Forschungen wird bislang zurückhaltend aufgenommen, auch wenn sie durchaus zu erkennen ist. Schon in der Frühphase einer sozialpädagogische Fragen beachtenden, aber als psychologisch markierenden Forschung sind Studien zu erkennen, die Narrationen in fall-, feld- und lebensweltbezogen Forschungsvorhaben in Form von offenen Interviews, Spontanberichten, Tagebucheinträgen und Aufsätzen oder von verschriftlichten Beobachtungen verwenden. Vornehmlich orientieren sich auf Narrationen stützende Studien darauf, Lebensumstände und -wege von Heranwachsenden, ihren Alltag und die dort sichtbar werdenden Besonderheiten empirisch aufzuschließen (vgl. u. a. Dehn 1929; Jüngst 1928; Dinse 1932). Wie sehr sich die frühen Varianten der qualitativ-rekonstruktiven (sozial-)pädagogischen Forschung selbstvergewissernd gegenüber der erklärend-quantifizierenden Forschung herausgefordert fühlen, illustriert plastisch der Essener Gewerbe-Oberlehrer Phillip Behler in seiner Dissertation „Psychologie eines Berufsschülers“. Behler begründet, warum die Erforschung von Berufsschülern auf ein verstehendes Paradigma zurückzugreifen und die angewandte Methodik auch Tagebücher, Selbstdarstellungen, Briefe und Gedichte in die Auswertung einzubeziehen hat. Weil diese Materialien aber von jugendlichen Berufsschülern nur ungern der Forschung zur Verfügung gestellt werden, wird die Methode durch beobachtende Zugänge ergänzt, um die „Phänomene aus der Totalität des Jugendlichen“ heraus deuten zu können (Behler 1928, S. 14). Studien wie die von Heinrich Kautz (1929) über Jugendliche im Ruhrgebiet, Claus Stockhaus (1926) über 14- bis 18-jährige Jugendliche aus dem Arbeitermilieu, Rudolf Regnet (1931) oder auch die Kinderstudie von Martha und Hans Muchow (1935) basieren auch oder sogar vornehmlich auf narrativen Dokumenten. In weiteren Studien werden Jugendliche aus einer deutlich sozialpädagogisch akzentuierten Perspektive vorgestellt, indem sowohl die jugendlichen Lebenswelten als auch die darauf orientierten sozialpädagogischen Aufgaben- und Fragestellungen diskutiert werden. Herausgestellt wird diese doppelte Anlage unter anderem in der Studie „Jungen in Not“, in der Peter Martin Lampel seine Beobachtungen als Hospitant in einem Fürsorgeheim literarisch aufarbeitet und über autobiografische Berichte von Jugendlichen zu belegen versucht (Lampel 1929). Auf Narrationen zurückgegriffen wird ferner z. B. auch in der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (1933). Lazarsfeld et al. (1933) versuchen mittels quantitativ-deskriptiver Haushaltserhebungen, Frage- und Zeitverwendungsbögen sowie strukturierten Beobachtungsprotokollen, Interviews und spontanen Gesprächen, den Folgen von Arbeitslosigkeit in der österreichischen Arbeitersiedlung Marienthal nachzugehen, auch um die Palette sozialer Dienstleistungen zu verbessern.

Die genannten Studien verweisen auf Ursprünge einer sozialpädagogischen Forschung (Thole, W. 1999), ohne dass die Autor:innen die Studien als Forschung zu Fragen der Sozialen Arbeit verstanden. Die Studien illustrieren zumindest immerhin, dass sozialpädagogische Fragestellungen mittels Narrationen schon vor den Handlungs- und Stadtteilforschungsstudien der 1970er aufgegriffen wurden (vgl. u. a. Heinze et al. 1975; Haag et al. 1972; Thole, W. 2020). Beispiele für eine systematische Auseinandersetzung der Sozialen Arbeit mit Narrationen – außerhalb der Erhebung von Geschichten insbesondere durch qualitative Interviews – liegen allerdings vorrangig in der englischsprachigen Fachdebatte vor (vgl. als Überblick etwa Hall und Matarese 2014; Riessman und Quinney 2005). Unter anderem versucht Christopher Hall zu zeigen, „how social workers make their work visible and justifiable through their talk and writing“ (Hall 1997, S. 3). Soziale Arbeit konstituiert sich Ch. Hall zufolge aus einer insbesondere durch Narrationen realisierten sprachlichen und textlichen Darstellung. Zugrunde gelegt wird dabei ein weiter Begriff von Narration, der sie als interaktive und performative Hervorbringung versteht, mit dem sich Soziale Arbeit gegenüber Rezipient:innen ihrer Leistungen in Szene setzt und legitimiert (vgl. auch Urek 2005). Halls Studie zeigt in bis heute instruktiver Weise, was es bedeutet, Soziale Arbeit als narrativ verfasst zu verstehen. Andere Studien unterstreichen diesbezüglich meist spezifische Aspekte fachlicher Arbeit, etwa die Konkurrenz unterschiedlicher Professionen, denen gegenüber die Soziale Arbeit mit ihren Falldeutungen bestehen muss (vgl. White 2002). Hingewiesen wird in diesem Kontext auf jeweils besondere Kausalzuschreibungen und fachliche Zuständigkeiten, die mit Problemgeschichten verbunden sind. Beispiele für Versuche, narrative Ansätze für die Praxis fruchtbar zu machen und eine besondere fachliche Sensibilität für Narrationen zu fördern, liefern ferner Karen Dawn Roscoe et al. (2011) und Clive Baldwin (2013), mit Blick auf digitales Geschichtenerzählen Chitat Chan und Melanie Sage (2021). Laura L. Cook (2020) differenziert zudem unterschiedliche Arten von Geschichten, mit denen „child welfare social workers“ sich ihrer fachlichen Rolle versichern.

Meist ohne die Bedeutung von Narrationen theoretisch näher zu diskutieren, werden außerdem seit den 1980er-Jahren Studien vorgelegt, die auf Interviews, Gruppendiskussionen oder anderen, auf Erzählungen basierenden Quellen fußen und diese rekonstruktiv aufzuschließen versuchen (vgl. die Überblicke in Rauschenbach und Thole, W. 1998; Schweppe und Thole, W. 2005; Schweppe 2003; Oelerich und Otto 2011). Literarische Texte, um deren Erkenntnispotenziale sozialpädagogisch fruchtbar zu machen, greifen etwa Hans Thiersch (1966), Klaus Mollenhauer (2008) und Michael Winkler (2022) auf, um sozialpädagogische Problemstellungen zu verdeutlichen. Während diese Bemühungen geisteswissenschaftlich-pädagogisch beeinflusst sind, zeigen sozialwissenschaftliche Traditionslinien gleichfalls die Relevanz von Narrationen für die Soziale Arbeit, unter anderem in Arbeiten zur Soziologie sozialer Probleme, zu Fragen der Integritätsverletzung von Heranwachsenden in Familien und sozialpädagogischen Institutionen oder in Versuchen, sozialpädagogische Praktiken in einzelnen Handlungsfeldern und Sichtweisen von Akteur:innen der Sozialen Arbeit zu identifizieren.Footnote 2

Narrationen sind, so kann mit Blick auf diese exemplarisch genannten Studien konstatiert werden, inzwischen ein beachteter und anerkannter Fokus in der sich sozialpädagogisch verstehenden Forschung wie auch von Studien, die von einem sozialpädagogischen Verständnis motiviert beispielsweise empirisch fundiert jugendliche Kulturen (siehe Katharina Bock, Bernd Dollinger und Julia Rieger in diesem Heft) oder Erzählstrukturen in der Kriminologie (siehe den Beitrag von Holger Schmidt in diesem Heft) diskutieren. Dabei differiert allerdings, wie erwähnt, das Verständnis von Narrationen erheblich. Beispielhaft und als für die Soziale Arbeit besonders wichtiger Punkt sei auf Uneinigkeit zu der Frage hinweisen, wie biografische Erzählungen verstanden werden können (vgl. Hall und Matarese 2014). In zahlreichen Analysen wird rekonstruiert, dass Geschichten in hohem Maße durch jeweils besondere interaktive Rahmenbedingungen geprägt werden, in denen sie hervorgebracht werden. Damit wird anstelle einer „tatsächlich“ gelebten Biografie die Performanz erzählerischer Akte hervorgehoben (Hall 1997; Hall und Matarese 2014, S. 84 ff.; Lucius-Hoene und Deppermann 2002; Mandelbaum 2014; Van de Mieroop 2009). Erzählungen, auch in Forschungsinterviews generierte, werden in dieser Hinsicht als genuin interaktive Leistungen verstanden, in denen durch die Beteiligten wechselseitig Inhalte und Identitäten verhandelt werden (Bamberg 2012). Statt großer, z. B. biografischer Geschichten finden damit zahlreiche andere, gleichsam unscheinbare Geschichten Anerkennung, die oftmals zwar nur angedeutet werden, denen allerdings für die Darstellung moralisierter bzw. diskreditierter oder diskreditierbarer Sachverhalte hohe Bedeutung zukommen kann (Bamberg und Georgakopoulou 2008; für den Kontext digitaler Kommunikation Giaxoglou und Georgakopoulou 2022). Auch durch diese eher kleinen Geschichten kann Interventionsbedarf begründet werden, der an Formulierungen festgemacht wird, die auf Leiden, Passivität, erlittenes Unrecht, Benachteiligung, Erziehungsbedarf und Überforderung hinweisen (Hall et al. 2003; Messmer und Hitzler 2007).

Der sozialpädagogischen Forschung werden über Narrationen und die mit ihnen assoziierten Forschungstraditionen und Debatten Perspektiven und wichtige Anschlüsse eröffnet. So wird in der sozialpädagogisch konnotierten Forschung auf Narrationen in der Adressat:innen‑, Akteur:innen- respektive Nutzer:innenforschung (1), in der Forschung zu Lebensgeschichten, Lebenssituation und -lagen (2) sowie in der Forschung zu Deutungen und Thematisierungsweisen von Selbst- und Weltverhältnissen (3), zu biografischen Verläufen, Veränderungen, Wandlungen und lebensbedeutsamen Brüchen (4) ebenso zurückgegriffen wie in Studien zu kollektiven Deutungs- und Thematisierungsformen (5), Sichtweisen auf Praktiken, Orte, Organisationen der Sozialen Arbeit (6) und in Studien zu den organisationalen und strukturellen Bedingungen Sozialer Arbeit und den hier präsenten Organisationskulturen (7). Zudem finden Narrationen in der Professionalisierungsforschung (8), der Nachzeichnung biografischer Verläufe von professionellen Akteur:innen der Sozialen Arbeit, ihrer beruflichen Identität und ihres Habitus wie ihrem Erleben von beruflichem Alltag, Belastungen und institutionellen Arrangements sowie in der Qualifikationsforschung (9) Berücksichtigung (vgl. hierzu unter anderem die Beiträge in Bock und Miethe 2010; Oelerich und Otto 2011). Erst in den zurückliegenden Jahren sind Studien wahrzunehmen, die die Sozial‑, Kultur‑, Professions- und Theoriegeschichte auch auf Basis von Narrationen aufzuschließen versuchen, beispielsweise indem über biografische Erzählungen die Herausbildung von Wissens- und Theoriekulturen in den frühen 1970er-Jahren (Thole, F. 2023) oder aber aus einer narrationsanalytischen Perspektive theoretische Beiträge zu rekonstruieren versucht werden (siehe den Beitrag von Philipp Sandermann und Sascha Neumann in diesem Heft).

Rekonstruktionen, Analysen, Interpretationen oder hermeneutische Formen des Verstehens von Narrationen sind oftmals durchwoben und grundiert durch gesellschaftliche Rahmungen, organisationale wie institutionelle Bedingungen und verweisen auf gesellschaftlich geteiltes Vorwissen, das im Forschungsprozess präsent ist. Auch forschungsmethodisch noch so gut und eloquent angelegte Unternehmungen, die Authentizität von Wirklichkeit zu identifizieren, unterliegen dem Risiko, in den vorgenommenen Analysen und Interpretationen Artikuliertes zu verdecken, zu übersehen oder zu ignorieren respektive zu verschleiern. Narrationen können demzufolge eine Wirklichkeit konstituieren, die sich ggf. nicht vollends mit der erlebten Realität respektive erzählten Wirklichkeit der Erzählenden deckt, weil es kaum gelingen kann, erstens in Narrationen Geschichten, Erlebtes oder Situationen umfänglich und detailliert zu schildern und zweitens Narrationen kaum umfassend von der Forschung aufgeschlüsselt werden können. Je nach theoretischer und methodologischer Perspektive wird dies unterschiedlich konzipiert, anerkannt oder zurückgewiesen.

Eine mögliche Differenzierung könnte etwa folgendermaßen angelegt werden: Gestaltete und erlebte Wirklichkeiten können als „Realität erster Ordnung“ angesehen werden (vgl. Wahl et al. 1982, S. 146 ff.). Über Narrationen wird eine „Realität zweiter Ordnung“ hergestellt. Die daraufhin für Interpretationen erstellten Transkripte der Narrationen produzieren eine weitere, „neue Wirklichkeit“ – eine „Realität dritter Ordnung“. Letztendlich erzeugen die interpretativen Rekonstruktionen eine Realitätssicht respektive eine „Realität vierter Ordnung“, die bemüht ist, die „Realität erster Ordnung“ nachzuvollziehen, zu verstehen und – soweit möglich – zu erklären (vgl. Wahl et al. 1982, S. 146 ff.). Empirische – quantitativ-statistische wie qualitativ-rekonstruktive – sozialpädagogische Forschung kann folglich niemals mehr sein als ein Versuch, sich den Konstruktionen von Wirklichkeiten anzunähern. Forschung stellt immer eine neue Wirklichkeit her, die auf interpretativ generierten Sichtweisen basiert. Die gelebte, hergestellte und erlebte Wirklichkeit kann umfänglich über und mit Forschung nicht „eingefangen“ werden, weil die Komplexität, Historizität und Ambivalenz von Wirklichkeit sich gegenüber Versuchen, sie umfassend in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit zu erfassen, sperrig zeigt, auch wenn Narrationen sowie auf ihnen beruhende rekonstruktive Texte bemüht sind, „die Empirie so unmittelbar wie möglich abzubilden“ (Wahl et al. 1982, S. 147; vgl. auch Simon et al. 2023).

3 Ausblick – Narrationen als Gegenstand von Forschung und Praxis

Der Bedeutungsgewinn von Narrationen in und für die sozialpädagogische Praxis und Forschung, wie auch für die sozial- und erziehungswissenschaftlichen, historischen und kulturwissenschaftlichen Forschungen in den zurückliegenden dreißig Jahren ist eindeutig.

Narrative Analysen werden, wie in diesem Beitrag erörtert und diskutiert, zu unterschiedlichen Fragestellungen und Herausforderungen mit unterschiedlichen Akzentuierungen herangezogen. Dabei bleibt zu diskutieren, was als Narration – oder Erzählung, Story oder Plot – markiert und bezeichnet werden kann. Es existiert hierzu kein Konsens (Martínez und Scheffel 2016), so dass es ratsam sein dürfte, je nach Erkenntniszusammenhang zu spezifizieren, was als eine Narration verstanden werden und wie dies wissenschaftstheoretisch fundiert werden kann, zumal mit den jeweiligen Begriffen von Narrationen unterschiedliche Forschungsparadigmen respektive handlungspraktische Verfahren assoziiert werden (Hall und Matarese 2014; Lucius-Hoene 2020; Sandberg 2022; vgl. auch die Beiträge u. a. in Bock und Miethe 2010).

Narrationen stärker als bislang in die sozialpädagogische Fachdebatte einzubringen, ist demnach ein voraussetzungsvolles Unterfangen. Um ihm zumindest ansatzweise gerecht zu werden, scheint es unumgänglich, in hohem Maße interdisziplinär anzusetzen, auch um sichtbar zu machen, wie different Narrationen konzipiert werden können und wie gerade aus der entsprechend breiten und heterogenen Forschungslandschaft empirische Erkenntnisse und Theorien gewonnen werden können. Auch wenn keineswegs davon auszugehen ist, dass sie in einen Kanon etablierten Wissens überführbar sind, aber die Differenz der Zugänge zu Narrationen mag als Anregung wirken, um an den geschilderten Themen anzusetzen und weiterzuarbeiten. Zugleich kann der Bezug auf Narrationen die Botschaft enthalten, Transformationen von empirisch generiertem Wissen in sozialpädagogisches Können in der Praxis – und umgekehrt – dialogisch zu konzipieren, und vielleicht auch die Erkenntnis, Theoriebildungsprozesse auch über Narrationen empirisch anzuregen und zu denken.