Von den Fabeln des griechischen Dichters Aesop aus dem 6. Jh. v. Chr. bis hin zu modernen Kinderbüchern – Narrationen dienten neben der Unterhaltung schon immer auch der Vermittlung von Wissen, Normen und Werten. Das Forschungsfeld der narrativen Persuasion widmet sich – vorrangig aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive – der systematischen Untersuchung der Wirkung von Geschichten in ganz unterschiedlichen Themenbereichen, wie Unterhaltung und Gesundheit, Politik und Journalismus oder auch Werbung. Es handelt sich hierbei um ein breites Verständnis von Persuasion, dass nicht nur intendierte sondern jegliche Einflüsse einer Narration auf Wissen, Einstellungen, Intentionen und Verhalten der Rezipierenden erforscht (Bilandzic und Busselle 2013, S. 202–203). Neben beispielsweise Effekten von Gesundheitskampagnen, die mit persuasiver Absicht Rezipierende zu einem gesünderen Lebensstil motivieren oder über bestimmte Gesundheitsrisiken informieren möchten, werden auch Unterhaltungs- oder journalistische Inhalte untersucht, um potenziell nichtintendierte Effekte zu identifizieren.

Für den Kontext der sozialen Arbeit erscheint insbesondere die Forschung zum Entertainment-Education-Ansatz relevant (Singhal et al. 2004; Singhal und Rogers 1999). Bei diesem Ansatz werden informative und prosoziale Inhalte in Unterhaltungsformate wie Fernsehserien oder Radiohörspiele integriert, um gesellschaftlichen Wandel zu Themen wie Geschlechterrollen, häusliche Gewalt oder Schulbildung zu fördern. Studien evaluieren den Erfolg dieser Inhalte und relevante Einflussfaktoren wie beispielsweise das Rezipieren oder den interpersonalen Austausch darüber. Darüber hinaus kommen (fiktionale) Filme oder Bücher auch zum Einsatz in der Ausbildung, beispielsweise im Medizinstudium, um besonders komplexe, moralisch aufgeladene oder abstraktere Themen erfahrbar zu machen und zu reflektieren (Alexander et al. 2005). Nicht zuletzt werden im Kontext der Biblio- oder Cinematherapie Texte bzw. Filme genutzt, um Gespräche anzuregen und die Therapie zu unterstützen (McCulliss 2012; Sharp et al. 2002). Der folgende Überblick über die Forschung zur narrativen Persuasion liefert grundlegende theoretische Erklärungen und empirische Erkenntnisse, die für die genannten Kontexte Information und Inspiration liefern können.

Über die verschiedenen Disziplinen, die sich mit Narrationen beschäftigen, hinweg existiert eine große Bandbreite unterschiedlicher Begriffsverständnisse von Narrationen (vgl. Prince 2003; Ryan 2007). Innerhalb der Kommunikationswissenschaft bzw. Forschung zu narrativer Persuasion werden Narrationen definiert als Repräsentationen zeitlich und kausal verknüpfter Ereignisse, in deren Mittelpunkt handelnde Figuren stehen, die mit spezifischen Konflikten oder Herausforderungen konfrontiert werden (Sukalla 2019, S. 13). Narrationen handeln somit nicht von allgemeinen, abstrakten Zusammenhängen, sondern von spezifischen Ereignissen und Personen in konkreten Situationen (Herman 2009, S. 9). Über die anschauliche Darstellung von Figuren, ihrem Handeln und dessen Konsequenzen können Geschichten somit abstrakte, komplexe, alltagsferne Sachverhalte verständlich machen oder auch neue Perspektiven eröffnen (Carroll 2002). Narrationen ermöglichen ihren Rezipierenden zudem einen Zugang zur inneren Welt der Figuren, also ihren Gedanken und Gefühlen, und somit die Empfindung, wie es sein könnte, in der Situation der Figuren zu sein (Fludernik 1996, S. 12–13).

Dieser Beitrag führt zunächst in die theoretischen Ansätze zur Erklärung der Persuasivität von Narrationen ein und stellt im Anschluss den empirischen Forschungsstand, der überwiegend auf experimentellen Studien beruht, dar. Das Gros der Forschung untersucht dabei fiktionale Narrationen in Text- oder audiovisueller Form. Entsprechend beruhen sowohl die unterschiedlichen theoretischen Ansätze zu narrativer Persuasion als auch die Mehrzahl empirischer Ergebnisse auf diesen, so dass im Folgenden mit dem Begriff Narration vor allem fiktionale Geschichten gemeint sind. Gleichzeitig sollten sich theoretische Überlegungen und empirische Erkenntnisse zu einem großen Grad auf nichtfiktionale Narrationen anderer Modalitäten (z. B. Computerspiele) übertragen lassen (Ryan 2004). Ausblickend werden ethische Aspekte und unerwünschte Effekte von Geschichten thematisiert.

1 Theoretische Erklärungen für die Persuasivität von Narrationen

Zur Erklärung der persuasiven Effekte narrativer Medieninhalte wurden verschiedene Konzepte wie Transportation (Green und Brock 2002) oder Identifikation (Cohen 2001) als zentrale Mechanismen identifiziert. Diese Konzepte sind dadurch gekennzeichnet, dass Rezipierende kognitiv und emotional tief in die Welt der Geschichte eintauchen. Ihre Aufmerksamkeit ist auf die Ereignisse und Figuren der Geschichte gerichtet, und die Realität gerät in den Hintergrund. Zudem sind sie emotional involviert, z. B. indem sie Spannung über den Fortgang der Geschichte empfinden oder sich mit den Figuren über positive Ereignisse freuen. Identifikation unterscheidet sich dabei von Transportation primär darin, dass die Absorption in die Geschichte über die Einnahme der Perspektive einer Figur erfolgt.

Dieser Prozess des intensiven kognitiven und emotionalen Involvements in die narrative Welt und ihre Figuren ist entscheidend für die persuasive Wirkung von Narrationen, indem hierdurch das Ausmaß und die Effektivität des Generierens von Gegenargumenten (Counterarguing) bei den Rezipierenden reduziert wird (Green und Brock 2002; Slater und Rouner 2002). In der Persuasionsforschung stellt das Generieren von Gegenargumenten eine zentrale Strategie für effektiven Widerstand gegenüber beeinflussenden Botschaften dar (Petty und Cacioppo 1986). Während der Rezeption narrativer Medieninhalte, so argumentieren Green und Brock (2002), Slater und Rouner (2002) sowie andere Autor:innen, ist jedoch genau dieses Generieren von Gegenargumenten verringert. Je stärker Rezipierende in eine Geschichte transportiert sind, desto mehr fehlen ihnen aufgrund der intensiven Fokussierung ihrer mentalen Aktivität auf die Narration sowohl die kognitiven Ressourcen, die für die kritische Analyse einer Geschichte notwendig sind, als auch das Bewusstsein des eigenen Selbst und damit der Zugang zu ihrem eigenen Wissen und ihren Erfahrungen. Im Gegensatz zu klassischen persuasiven Botschaften werden in Narrationen Argumente zudem häufig nur über die Handlung impliziert, sodass eine bewusste Elaboration und Verteidigung gegenüber möglichen Effekten erschwert ist (Slater 2002). Weiterhin weist Slater (2002) darauf hin, dass es nicht so einfach ist, Gegenargumente in Bezug auf die gelebten Erfahrungen einer anderen realen oder fiktiven Person zu formulieren. Zum anderen sollte den Rezipierenden die Motivation zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte fehlen, da diese die Transportationserfahrung und damit das Unterhaltungserleben, das ja auch den Reiz von Geschichten ausmacht, unterbrechen würde (Green und Brock 2002). Letztendlich haben Narrationen im Vergleich zu nichtnarrativen oder informativen Inhalten den Vorteil, dass sie aufgrund der mit der Rezeption von Narrationen verbundenen Unterhaltungserwartung Menschen erreichen können, die sich ansonsten nicht den entsprechenden Themen zuwenden würden (Moyer-Gusé 2008; Slater und Rouner 2002).

Über die Reduktion negativer Kognitionen hinaus erzielen Narrationen ihre Wirkung durch die Erzeugung starker Emotionen (Green und Brock 2002; Nabi und Green 2015). Geschichten – egal ob fiktional oder nicht – sind in der Lage, starke und intensive Gefühle gegenüber den Figuren, aber auch in Bezug auf die Handlung insgesamt, hervorzurufen. So schlagen Nabi und Green (2015) beispielsweise das Konzept des Emotional Flow vor, um den Einfluss sich verändernder bzw. abwechselnder Emotionen im Rezeptionsprozess von Narrationen auf persuasive Wirkungen zu erklären. Sie argumentieren, dass Geschichten über ihre Handlungsstrukturen besonders stark durch emotionale Auf und Abs geprägt sind, z. B. von der Angst vor negativen und der Hoffnung auf positive Ereignisse für eine Figur bis hin zur Erleichterung über den Erfolg am Ende der Geschichte. Dieses Wechselbad der Gefühle beeinflusst persuasive Effekte einerseits über die Intensivierung des narrativen Involvements in Form von Transportation oder Identifikation und andererseits indirekt nach der Rezeption über die motivationale Kraft der Emotionen, die weitere Informationssuche, wiederholte Rezeption oder den Austausch mit anderen anregen (Nabi und Green 2015).

Eine zentrale Rolle für persuasive Wirkungen von Narrationen spielen darüber hinaus die Charaktere einer Geschichte und das affektive und kognitive Involvement der Rezipierenden mit ihnen. Als theoretische Grundlage dient in diesem Kontext die sozialkognitive Theorie von Bandura (2004), deren zentrales Konstrukt das Lernen am Modell ist. Insbesondere narrative Medieninhalte bieten mit ihren Charakteren zahlreiche potenzielle Rollenmodelle, deren Einstellungen und Verhalten Rezipierende beobachten und übernehmen können. Entsprechend der Annahmen der sozialkognitiven Theorie stärken attraktive, als ähnlich wahrgenommene und vor allem transitionale Rollenmodelle – also solche Charaktere, die sich im Verlauf der Handlung vom negativen zum positiven Rollenmodell entwickeln – die persuasive Wirkung von Narrationen. Zusätzlich bieten die in der Geschichte dargebotenen Konsequenzen eines Verhaltens motivationale Anreize für dessen Ausführung (Bandura 2004, S. 82–84). Moyer-Gusé (2008) unterscheidet neben Identifikation weitere Interaktionsmöglichkeiten mit den Charakteren, die narrative Effekte begünstigen können. Ein mit der Identifikation eng verwandtes Konstrukt ist „wishful identification“. Wie bereits im Zusatz „wishful“ angedeutet, geht es hier nicht um das Einswerden mit der Figur auf Kosten des Selbst, sondern um den Wunsch, selbst so zu sein, wie eine Figur in der Geschichte (Hoffner 1996). Genau dieses motivationale Bedürfnis der „wishful identification“ gilt auch als Antriebskraft des Beobachtungslernen in der sozialkognitiven Theorie (Bandura 2004) und als Ziel bei der Erschaffung attraktiver Rollenmodelle. Die wahrgenommene Ähnlichkeit mit einem Charakter oder auch Homophilie wiederum ist ein Urteil der Rezipierenden darüber, wie viel sie mit einer Figur gemeinsam haben. Diese Einschätzung kann sich sowohl auf physische Merkmale, wie z. B. das Geschlecht oder Aussehen, beziehen als auch auf die Persönlichkeit, Einstellungen oder Werthaltungen sowie sogar auf die Lebenssituation und Erfahrungen (Hoffner und Cantor 1991). Die Wahrnehmung einer Ähnlichkeit zu einer Figur kann Identifikationsprozesse anstoßen oder auch erleichtern (Cohen 2001). Im Kontext der sozialkognitiven Theorie wird zudem davon ausgegangen, dass die wahrgenommene Homophilie die psychische Distanz der Rezipierenden zum relevanten Geschehen verringert und folglich ihre Selbstwirksamkeit und Motivation erhöhen kann, ein bestimmtes Verhalten zu lernen und auszuführen (Bandura 2004). Eine weitere Form des Involvements mit Charakteren einer Narration ist die parasoziale Interaktion bzw. über die einzelne Rezeptionssituation hinaus die parasoziale Beziehung (Hartmann 2010). Rezipierende nehmen Medienfiguren trotz ihrer Fiktionalität ähnlich wahr wie reale Personen, interagieren entsprechend mit ihnen und entwickeln potenziell über längere Zeit emotionale Bindungen zu ihnen, wobei die Reziprozität interpersonaler Interaktionen und Beziehungen nicht gegeben ist (Hartmann 2010). Es wird davon ausgegangen, dass Rezipierende Charaktere, mit denen sie parasozial interagieren bzw. parasoziale Beziehungen pflegen, eher vertrauen, sich an ihnen orientieren und ihre Aussagen als glaubwürdiger wahrnehmen und entsprechend weniger Gegenargumente generieren (Moyer-Gusé 2008).

2 Aktueller Forschungsstand

Der Forschungsstand zeigt, dass Narrationen im Vergleich zu nichtnarrativen Botschaften persuasive Effekte auf das Wissen, die Überzeugungen, Einstellungen und Intentionen sowie das tatsächliche Verhalten ihrer Rezipierenden haben (Braddock und Dillard 2016).

Narrative Effekte können zudem über die Rezeptionssituation hinaus anhalten. So gaben die Teilnehmer:innen einer Studie von Lemal und Van den Bulck (2010), die eine narrative Botschaft erhielten, nach vier Wochen an, gesundheitsrelevantes Vorsorgeverhalten bezogen auf Hautkrebs viel häufiger durchgeführt zu haben als die Teilnehmer:innen der Kontrollgruppe, die keine Inhalte zu lesen bekamen. Eine weitere Studie, die den Erfolg narrativer Botschaften in Gesundheitsinterventionen evaluiert hat, zeigt, dass die Identifikation mit bestimmten Charakteren die wahrgenommene Bedrohung des eigenen Krebsrisikos sowie Gespräche darüber nach sechs Monaten vorhersagt (Frank et al. 2015). In Bezug auf die Stabilität von Informationen, die Personen während der Rezeption von Narrationen lernen, lassen sich ebenfalls langfristige Effekte finden (Appel und Richter 2007), insbesondere, wenn die Informationen in die zentrale Handlung integriert sind (Dahlstrom 2012). Allerdings gilt dies sowohl für richtige als auch für falsche Informationen (Jensen et al. 2011; Marsh und Fazio 2006).

MetaanalysenFootnote 1 bestätigen ebenfalls die theoretischen Annahmen zu den die narrative Wirkung erklärenden Mechanismen Transportation und Identifikation (Tukachinsky und Tokunaga 2013; van Laer et al. 2014). Je stärker Rezipierende in eine Geschichte transportiert werden, also insbesondere hohe Präsenz und hohes emotionales Involvement mit der Geschichte aufweisen, und je intensiver sie sich mit den Charakteren einer Geschichte identifizieren, desto persuasiver sind Narrationen. Diese Wirkung kann zudem mit der mit diesen Rezeptionsprozessen einhergehenden Reduktion des Gegenargumentierens erklärt werden. In ihrer Metaanalyse finden van Laer et al. (2014) einen signifikanten negativen Zusammenhang zwischen kritischen Kognitionen und Transportation. In weiteren Studien konnte gezeigt werden, dass transportierte Leser weniger wahrscheinlich Fehler und den Tatsachen widersprechende Details in einer Geschichte bemerken, selbst wenn sie explizit dazu aufgefordert wurden (Green und Brock 2000; Marsh und Fazio 2006). Auch zwischen Identifikation und Counterarguing ließ sich eine negative Beziehung finden (z. B. Moyer-Gusé et al. 2011). Ebenso konnten einige Studien zeigen, dass reduziertes Gegenargumentieren die persuasive Wirkung von Transportation oder Identifikation auf Einstellungen und Intentionen vermittelt (z. B. Banerjee und Greene 2012). Darüber hinaus und unabhängig vom Zusammenhang mit Transportation und Identifikation zeigt eine Metaanalyse zum Vergleich narrativer und nichtnarrativer Texte im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, dass Narrationen weniger Counterarguing hervorrufen (Ratcliff und Sun 2020). Insgesamt bestätigen die Forschungsergebnisse also die theoretischen Annahmen, dennoch bestehen zwischen den Studien deutliche Unterschiede in der Stärke der Zusammenhänge als auch Widersprüche in den Ergebnissen. Dies weist darauf hin, dass es Faktoren gibt, die narrative Effekte verstärken oder abschwächen können und Narrationen nicht uneingeschränkt persuasiv sind. Im Folgenden werden relevante Eigenschaften von Narrationen und ihren Rezipierenden sowie des Rezeptionskontexts, die den Persuasionsprozess beeinflussen, genauer betrachtet.

2.1 Fakt, Fiktion und wahrgenommener Realismus

Am häufigsten ist wohl der Einfluss der Werkkategorie einer Narration, d. h. der Fiktionalitätszuschreibung, untersucht worden. Im Großen und Ganzen zeigen die Ergebnisse, dass die Fiktionalität einer Narration weder für Prozesse des narrativen Involvements (Hartung et al. 2017) noch für persuasive Effekte (Braddock und Dillard 2016) eine Rolle spielt. Im Gegensatz dazu trägt ein höherer wahrgenommener Realismus zur Persuasivität einer Geschichte bei (z. B. Caputo und Rouner 2011). Die wahrgenommene Typizität der Ereignisse und Figuren, d. h. die Wahrnehmung inwiefern sie auch in der Realität existieren könnten, ist der stärkste Prädiktor für Identifikation, besitzt aber keinen Einfluss auf das emotionale Involvement mit der Geschichte. Auf der anderen Seite fördern die Plausibilität einer Narration, also inwiefern die Handlung innerhalb der Welt der Geschichte glaubwürdig ist, und die narrative Konsistenz, d. h. wie kohärent die Ereignisse und Handlungen der Figuren sind, ausschließlich das emotionale Involvement (Cho et al. 2014). Insgesamt ist es wohl schlüssig, davon auszugehen, dass sich Transportation bzw. Identifikation und Realismuswahrnehmungen während der Rezeption gegenseitig bedingen können.

2.2 Einbettung der persuasiven Botschaft in die narrative Handlung

Als einer der Gründe für die Persuasivität von Narrationen wird meist auch die Unaufdringlichkeit der persuasiven Botschaft genannt (Green und Brock 2002; Moyer-Gusé 2008). In der Tat zeigte sich in einer Studie von Moyer-Gusé und Nabi (2010), dass eine Episode einer narrativen Dramaserie im Vergleich zu einer nichtnarrativen Sendung zum selben Thema als weniger intentional persuasiv wahrgenommen wurde und deshalb auch weniger Reaktanz bei den Studienteilnehmer:innen erzeugte. Als motivationaler Zustand hoher negativer Erregung als Reaktion auf eine Bedrohung der individuellen Freiheit führt Reaktanz dazu, dass Individuen versuchen ihre Autonomie wiederherzustellen, indem sie sich z. B. der Bedrohung entziehen, die Botschaft ablehnen oder sogar genau entgegen dem Gewünschten reagieren (Brehm und Brehm 1981). Psychologische Reaktanz wird häufig als Grund bzw. als Erklärung dafür gesehen, warum eine bestimmte persuasive Botschaft oder Kampagne nicht erfolgreich war oder sogar unerwünschte, entgegengesetzte Wirkungen, sog. Bumerangeffekte ausgelöst hat (Quick et al. 2013). Ein Vorteil von Narrationen, insbesondere im Unterhaltungskontext, ist somit, dass sie im Vergleich nichtnarrativen Botschaften weniger wahrscheinlich als manipulativ wahrgenommen werden. Zudem können Transportation und Identifikation das Entstehen von Reaktanz reduzieren (z. B. Shen 2010; Sukalla et al. 2017).

Besonders relevant ist der Grad der Unaufdringlichkeit der persuasiven Botschaft bei Narrationen im Werbekontext. Hier zeigt sich zunächst ebenfalls, dass narrative Werbebotschaften als weniger persuasiv intendiert wahrgenommen werden als expositorische und zudem zu mehr Transportation und konsistenten Einstellungen führen. Wird die persuasive Absicht jedoch explizit gemacht, führt dies zu einem Bumerangeffekt, d. h. einer höheren wahrgenommenen persuasiven Absicht, niedrigerer Transportation und entsprechenden negativeren Einstellungen im Vergleich zu expositorischen Werbebotschaften, die durch die Salienz der persuasiven Absicht nicht in ihrer Wirkung beeinflusst werden (Wentzel et al. 2010).

Neben der Unaufdringlichkeit der persuasiven Botschaft ist die Position des persuasiven Inhalts im Kontext der kausalen Handlungskette einer Narration eine relevante Variable (Dahlstrom 2015). Forschungsergebnisse zeigen, dass Informationen an kausalen Punkten der Handlung deutlich besser erinnert und als glaubwürdiger eingeschätzt werden als Informationen an nicht kausal relevanten Stellen. Dieser Effekt ist dabei unabhängig vom Ausmaß der Transportation (Dahlstrom 2012).

2.3 Erzählperspektive

Die Rolle der Erzählperspektive einer Narration für den Rezeptionsprozess und die persuasive Wirkung wurde vor allem im Kontext des Vergleichs zwischen Erzähler:innen erster und dritter Person erforscht. So ergab eine Studie zum Thema HPV-Impfung, dass Narrationen, die aus der ersten Person erzählt werden, persuasiver sind als diejenigen, die in der dritten Person verfasst sind (Nan et al. 2017). In Bezug auf Identifikation konnten Kaufman und Libby (2012) in einer Reihe von Experimenten zeigen, dass eine Narration in der ersten Person im Vergleich zur dritten Person zu stärkerer Identifikation bzw. Perspektivübernahme führt. Dies galt allerdings nur für Charaktere der In- und nicht der Outgroup, es sei denn die Gruppenzugehörigkeit wurde erst im späteren Verlauf der Geschichte aufgedeckt. Dann führte die erste Person auch für Charaktere der Outgroup zu mehr Identifikation (Kaufman und Libby 2012). In ähnlicher Weise führte die erste Person in einer Studie von Kim und Shapiro (2016) nur für Personen mit korrespondierenden Erfahrungen, die zudem Instruktionen für die erfahrungsgeleitete Verarbeitung (im Gegensatz zu analytischer Verarbeitung) erhalten hatten, zu höherer Transportation und höherem wahrgenommenem Risiko von negativen Effekten durch Drogenkonsum. In anderen Studien wiederum zeigten sich keine Effekte der Erzählperspektive (z. B. Chen et al. 2016) oder sogar entgegengesetzte: So führte in einer Studie von Cao und Decker (2015) die erste Person im Vergleich zur dritten Person bei hoher Zugänglichkeit zur inneren Welt einer misshandelten Ehefrau zu einer stärkeren Schuldzuweisung an das Opfer.

Im Gegensatz hierzu sind die Ergebnisse zum Vergleich der Identifikation mit der Figur, aus deren Perspektive eine Geschichte erzählt wird, und der Identifikation mit weiteren Figuren dieser Geschichte eindeutiger (z. B. Hoeken et al. 2016). Rezipierende identifizieren sich stärker mit der Figur, deren Perspektive die Narration einnimmt, selbst, wenn diese eine für Rezipierende dissonante Meinung vertritt (Hoeken und Fikkers 2014).

2.4 Objektive Ähnlichkeit mit den Figuren

Eine häufig untersuchte Rezipierendeneigenschaft, die sich aus der Gegenüberstellung mit dem Text ergibt, ist die Ähnlichkeit mit den Figuren. Dabei lassen sich zwei Formen von Ähnlichkeit unterscheiden, die objektive, aus der externen Perspektive betrachtete, und die subjektive, von Rezipierenden wahrgenommene Ähnlichkeit. Erstere steht hier als externer, die Rezeption beeinflussender Faktor im Zentrum der Darstellung. Es wird davon ausgegangen, dass Gemeinsamkeiten zwischen den Rezipierenden und Charakteren die persönliche Relevanz einer Narration erhöhen sowie das Entstehen kognitiver und emotionaler Nähe zu den Charakteren begünstigen (Cohen et al. 2018). In ihrer Metaanalyse findet Tukachinsky (2014) positive Effekte von Ähnlichkeitsmanipulationen auf die wahrgenommene Ähnlichkeit und auf Transportation, allerdings entgegen der Annahmen keinen Effekt auf Identifikation, wobei sich einzelne Studienergebnisse maßgeblich unterscheiden. Beispielsweise identifizierten sich Rezipierende einer Studie von Chen et al. (2016), deren Alter und Geschlecht mit der Figur übereinstimmten, stärker mit dieser. Auf der anderen Seite ergeben zwei Studien von Cohen et al. (2018) keinen Effekt der Ähnlichkeitsmanipulation über Geschlecht und Nationalität bzw. Alter und Wohnort. In einigen Studien, welche die Ähnlichkeit über die Ethnizität der Figur manipulieren, werden Rezipierende, sowohl Erwachsene als auch Kinder, bei Ingroup-Charakteren stärker transportiert und übernehmen eher deren Perspektive als bei Outgroup-Charakteren (Kaufman und Libby 2012; Lu et al. 2012; van den Hende et al. 2012). Van den Hende et al. (2012) konnten aber auch zeigen, dass dieser Effekt abhängig von der Valenz der Wahrnehmung der Outgroup ist und sich durch Instruktionen verringern oder gar umkehren lässt.

In den meisten Studien wurde Ähnlichkeit über soziodemografische Merkmale manipuliert, jedoch können Ähnlichkeiten auch in Bezug auf psychologische Eigenschaften, z. B. Einstellungen und Werten, oder persönliche Erfahrungen bestehen. Aufgrund ihrer stärkeren Verknüpfung zur Identität der Rezipierenden, gehen Igartua und Cachón-Ramón (2023) davon aus, dass Ähnlichkeitsmanipulationen dieser Natur einen stärkeren Effekt haben sollten als soziodemografische Ähnlichkeit und sich deshalb mit Blick auf die stärkere Ablehnung von Outgroup-Charakteren (Chung und Slater 2013; Kaufman und Libby 2012) insbesondere für die Reduktion von Rassismus und Stigmatisierung eignen. In zwei Studien mit einem marokkanischen bzw. türkischen Immigranten als Protagonisten konnten sie diese Annahmen bestätigen (Igartua und Cachón-Ramón 2023).

Insgesamt sind die Ergebnisse für Ähnlichkeitsmanipulationen sehr heterogen. Somit sind die Bedingungen, unter denen unterschiedliche Formen objektiver Ähnlichkeit eine Rolle für das narrative Involvement und narrative Persuasion spielen, noch stärker zu erforschen. Gleichzeitig wird Narrationen aber auch zugeschrieben, dass gerade sie es ermöglichen, in unbekannte narrative Welten oder Perspektiven einzutauchen (Hakemulder 2000).

2.5 Vorerfahrungen und -wissen

Studien, in denen Vorerfahrungen im Fokus standen, konnten zeigen, dass Rezipierende mit Vorerfahrungen stärker transportiert wurden (Green 2004), sich mehr mit den Charakteren identifizierten (Kreuter et al. 2008) und stärker emotional involviert waren (Morgan et al. 2009). Stehen die Vorerfahrungen aber im Kontrast zur narrativen Botschaft, kann der Einfluss entgegengesetzt sein: So evaluierten Personen, die gewohnheitsmäßig mehr Alkohol trinken, einen narrativen Kampagnenspot zur Prävention von Binge-Drinking negativer und unrealistischer als Personen, die weniger trinken. Zudem generierten sie mehr Gegenargumente, sodass sie ihr persönlicheres Risiko für negative Konsequenzen als geringer einschätzen (Zhou und Shapiro 2017).

Die Ergebnisse von Untersuchungen zum Vorwissen zeigen vor allem einen Zusammenhang mit wahrgenommenem Realismus. Je mehr Vorwissen die Teilnehmer der Studie von Green (2004) über Studentenverbindungen besaßen, desto realistischer schätzten sie die Geschichte ein. Eine weitere Studie von Cui et al. (2017), in welcher Studierende aus den USA und China einen historischen Film über Hitler und den Zweiten Weltkrieg sahen, zeigt, dass Vorwissen insbesondere dann für narrative Persuasionsprozesse relevant ist, wenn es eine zentrale Rolle für das Verständnis der Narration spielt. Der Einfluss ist dabei auch abhängig von den Voreinstellungen bzw. kulturellen Perspektiven und der jeweiligen Position der Narration. So waren die Studierenden, die z. B. Joseph Goebbels nicht kannten, empfänglicher für dessen positive Darstellung (Cui et al. 2017).

2.6 Voreinstellungen

Konsonante Voreinstellungen können Transportation erhöhen (z. B. Slater et al. 2006), tun es aber nicht automatisch (z. B. Cohen et al. 2015). Rezipierende identifizieren sich wiederum stärker mit Charakteren, die mit ihrer Einstellung übereinstimmen, als mit denen, die gegensätzliche Einstellungen aufweisen (z. B. Cohen et al. 2015; Hoeken und Fikkers 2014). Intensivieren konsonante Einstellungen Transportation oder Identifikation, finden sich mal keine persuasiven Effekte (z. B. Slater et al. 2006) und mal verstärkende Effekte der bestehenden Einstellungen (Cohen et al. 2015). Zudem ist der persuasive Effekt von Identifikation für dissonante Figuren geringer als für konsonante Figuren (z. B. Chung und Slater 2013). In einer Studie von Igartua und Barrios (2012) ließen sich dissonante Zuschauer:innen von einer Figur mitnehmen, deren Einstellung zunächst konsonant mit der ihren war, sich aber über den Handlungsverlauf veränderte. Alles in allem scheinen Voreinstellungen in Abhängigkeit ihrer Übereinstimmung mit der narrativen Botschaft narrative Wirkungen zu verstärken bzw. abzuschwächen. Unter Umständen führen inkonsistente Voreinstellungen auch zu starkem Widerstand (Burgess et al. 2019). Werden Transportation und Identifikation jedoch entgegen der dissonanten Voreinstellungen ermöglicht, z. B. durch Figurenentwicklung (Igartua und Barrios 2012), eine spätere Enthüllung der Outgroup-Identität (Kaufman und Libby 2012) oder eine Betonung der Tugendhaftigkeit einer Figur (Cohen et al. 2015), führen sie zu Einstellungsänderungen im Sinne der Narration.

2.7 Rezeptionskontext

Die Rezeption von Narrationen findet nicht im Vakuum statt, sondern in einer Vielzahl an Rezeptionskonstellationen. Einige Studien untersuchen z. B. den Einfluss des Co-Viewings mit Personen der Ingroup oder Outgroup (Tal-Or und Tsfati 2016), der interpersonellen Diskussion nach der Rezeption (Moyer-Gusé et al. 2011) oder des kulturellen Kontexts (Larkey und Hecht 2010). Wiederum andere widmen sich der Rezeption von Narrationen in neuen Medienumgebungen (Wang et al. 2022). Bisher gibt es in diesem Bereich aber nur sehr wenig Forschung. Deshalb ist eine stärkere Berücksichtigung des Rezeptionskontexts in zukünftigen Studien geboten.

3 Ausblick

Das Feld der narrativen Persuasion widmet sich der Entschlüsselung der Wirkungskraft von Geschichten – einer Textform, die in besonderer Weise die Menschheit prägt (Bruner 1991). Die Forschung hat bereits einiges dazu beigetragen, theoretisch und empirisch aufzuarbeiten, wie genau Narrationen ihre Wirkung entfalten. Dabei liegt der Schwerpunkt zu einem Großteil auf den positiven Effekten von Geschichten auf Wissen, Überzeugungen, Einstellungen, Intentionen und Verhalten. Negative Effekte sowie die Reflektion ethischer Aspekte kommen jedoch häufig zu kurz (vgl. Dahlstrom et al. 2017) und sollen deshalb abschließend kurz diskutiert werden.

Im Gegensatz zu journalistischen, informativen oder argumentativen Texten, müssen (v. a. fiktionale) Narrationen keinen Anspruch auf Richtigkeit erfüllen. Es besteht keine Notwendigkeit, Behauptungen zu begründen, vielmehr ist die Geschichte selbst das Argument (Bruner 1991). Unter Umständen kann dies das Lernen falscher Informationen begünstigen (Jensen et al. 2011; Marsh und Fazio 2006). Darüber hinaus zeigen Studien auch unerwünschte Effekte von Geschichten. Zum Beispiel wiesen die Teilnehmer:innen einer Studie von Kimmerle und Cress (2013) nach dem Sehen eines fiktionalen Films stärkere negative emotionale Reaktionen und stärkere Ablehnung gegenüber schizophrenen Personen auf als vorher. In Bezug auf die Netflix-Serie 13 Reasons Why über den Selbstmord einer Jugendlichen verdeutlicht eine Studie von Arendt et al. (2019), dass eine fiktionale Geschichte mit einem Fokus auf Suizid neben positiven Effekten auch die Gefahr eines höheren Suizidrisikos mit sich bringen kann. Sogar Narrationen, die eigentlich für die Gesundheitsprävention erstellt wurden, können nichtintendierte Wirkungen aufweisen und beispielsweise vier Wochen nach der Rezeption bei den Teilnehmer:innen einer Studie zu positiveren Einstellungen zum Rauchen führen als nichtnarrative Inhalte (de Graaf et al. 2017).

Darüber hinaus ist der Einsatz von Narrationen nicht unbedingt in jedem Kontext zu empfehlen, denn Individuen tendieren dazu, Geschichten zu generalisieren, unabhängig davon, wie typisch der Fall ist (Strange und Leung 1999). Diese fehlerhafte Generalisierung von Einzelfällen auf die Allgemeinheit kann möglicherweise zu falschen Entscheidungen bei medizinischen Fragen führen (Winterbottom et al. 2008). Die genannten Beispiele negativer Effekte verdeutlichen die Relevanz ethischer Fragestellungen beim Einsatz von Narrationen.