Die Expansion und Ausdifferenzierung der Aufgabenfelder im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe inklusive der U6-Betreuung (Autorengruppe Kinder- und Jugendhilfestatistik 2021), die Einführung von Ganztagsschulen (StEG-Konsortium 2019; Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland 2021) und die Inklusion von Schüler*innen mit Förderbedarfen ins Regelschulsystem (Heinrich und Lübeck 2013; Huth und Hackbarth 2021) bringen einen erhöhten Bedarf an pädagogischen Fachkräften (Autorengruppe Fachkräftebarometer 2021) mit sich. Insbesondere an Ganztagsschulen ist so eine komplexe und vielschichtige Personalstruktur entstanden von Lehrkräften, Sonderpädagog*innen, Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und nicht pädagogisch qualifiziertem Personal. Dieses Personal mit unterschiedlichen Qualifikationen und Expertisen macht aus einer Schule erst eine Ganztagsschule.

Empirisch bestätigt sich die Vielfalt der Angebote und der Angebotsverantwortlichen, die unterschiedlich pädagogisch qualifiziert sind (keine Qualifikation bis Studium) und mit diversen Sachexpertisen die Ganztagsschule bereichern (Graßhoff et al. 2019a; Idel 2021). Jenseits dieser Heuristik mangelt es an (aktuellen) empirischen Beschreibungen der Personalstruktur. Nicht einmal strukturelles Wissen, wer im Ganztag mit welcher Qualifikation arbeitet, liegt vor,Footnote 1 und die wenigen Studien weisen erhebliche Unterschiede auf. An dem quantitativen wie auch dem qualitativen Desiderat des Wissens über das Personal an Ganztagsschulen setzt das Forschungsvorhaben an.

Für das Projekt anschlussfähig sind frühere Arbeiten von Steiner (2013): In dieser Analyse wird das Feld des Personals am Ganztag vermessen und darauf hingewiesen, dass Laien sich qua Berufserfahrung „qualifizieren“. Aktuellere weiterführende empirische Befunde differenzieren zudem zwischen der von Laien in den Ganztag eingebrachten Sachexpertise, die von der pädagogischen Qualifikation zu unterscheiden ist (Graßhoff et al. 2019b).

Die Entwicklung an Ganztagsschulen fordert auch die Forschung zur pädagogischen Professionalisierung heraus. Die lange Zeit klaren Zuständigkeiten und Aufgaben im Kontext von Schule und damit verbundene Professionalisierungswege verlieren an Trennschärfe. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsprojekt Laien als Akteure im Ganztag (LAKTAT) knüpft an diese Professionsdebatte an. Zwar finden der professionstheoretische Bezug und damit die Unterscheidung zwischen „Lai*innen“ und „Professionellen“ auch in diesem Projekt Berücksichtigung – aber zu Gunsten eines explorativen Forschungsvorgehens sollen diese Bezüge nicht als deduktive Kategorien angelegt, sondern allenfalls reflexiv mitgeführt werden. Die Unterscheidung wird damit zu einer empirisch, d. h. am Material differenziert zu begründenden Frage.

1 Ziele des Vorhabens und methodische Anlage

Ziel des Vorhabens ist es, die Bedeutung von Lai*innen in der Ganztagsschule wie auch deren pädagogische Orientierungen und organisationale Einbindung in Schule in einem Mixed-Methods-Design sowohl quantitativ als auch qualitativ auf den drei Ebenen System, Organisation und Akteur*in zu analysieren und die Ergebnisse in einer explorativen Theorie zu Laien und Laisierung in Schule zu verdichten (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Konzeption der Studie. (LPA latente Profilanalyse)

Um das Phänomen Lai*innen bzw. Laisierung der Ganztagsschule umfassender zu analysieren, werden hier quantitative und qualitative Forschungsstrategien systematisch in drei Teilstudien kombiniert, um multiperspektivisch erzeugte Forschungsergebnisse zur gegenwärtigen Situation des pädagogischen Lai*innenpersonals, seiner organisationalen Eingebundenheit sowie der pädagogischen Orientierungen und Einstellungen zu erzielen.

In Teilstudie A liegt der Fokus auf einer Bestandsaufnahme zum pädagogisch tätigen Personal an Ganztagsschulen. Ziel ist es, allgemeine und aktuellere Daten zur Situation der pädagogisch Tätigen zu generieren, um einerseits einen systematischen Überblick über die Laisierung im Ganztag zu erhalten. Andererseits hat diese vorgeschaltete Befragung zugleich eine forschungspragmatische Bedeutung für den Forschungsprozess. So stützt sich die begründete qualitative Fallauswahl der Teilstudien B und C in Teilen auf die latente Profilanalyse der quantitativen Daten.

Das weitere pädagogische Personal an Ganztagsschulen in drei kontrastierenden Gebietskörperschaften in Niedersachsen wurde zwischen März und Juli 2022 über einen Onlinefragebogen befragt. Insgesamt nahmen 317 Personen aus 53 Schulen an der Umfrage teil, die sich wie folgt auf die Schulformen verteilen: 27 Grundschulen, 8 Gymnasien, 7 Gesamtschulen, 5 Oberschulen und jeweils 3 Real- und Förderschulen.

Aus der Stadt Hannover haben 177 Personen teilgenommen. 83 Personen arbeiten an Schulen im Landkreis Diepholz und 33 Personen geben an, im Landkreis Nienburg tätig zu sein. Im Durchschnitt sind die Befragten 43 Jahre alt (SD 13,67) und seit 6,2 Jahren (SD 5,27) im Ganztag tätig, davon 4,7 Jahre (SD 4,53) an der benannten Schule, was für eine hohe Schulbindung spricht. Die Mehrheit der Befragten (76,3 %) gibt an, weiblichen Geschlechts zu sein. 43 % der Personen weisen eine pädagogische Qualifikation auf, sind also beispielsweise Sozialpädagog*in, Kindheitspädagog*in oder Erzieher*in, die nachfolgend als Expert*innen bezeichnet werden. 33,4 % haben entweder eine spezifische Weiterbildung für den Ganztag begonnen oder absolviert oder befinden sich aktuell in pädagogischer Ausbildung oder Studium. Diese Gruppen bezeichnen wir als Semi-Professionelle. 23 % können als pädagogische Lai*innen bezeichnet werden, da sie weder eine pädagogische Ausbildung noch eine Weiterbildung absolviert haben. Die befragten Lai*innen geben beispielsweise an, eine Ausbildung als Zahnmedizinische Fachangestellte oder Heilpraktikerin absolviert zu haben. Es finden sich jedoch auch Freitextangaben, die auf ein abgebrochenes Studium oder eine abgebrochene Ausbildung hinweisen. Die Mehrheit der Befragten (68,5 %) arbeitet hauptberuflich im Ganztag. Im Schnitt arbeiten sie 17 Wochenstunden (SD 10,12) im Ganztag, wobei sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Expertise-Status erkennen lässt (Tab. 1). Während Expert*innen mit 21,65 h die höchste Wochenstundenanzahl angeben, leisten Lai*innen lediglich 11,16 Wochenstunden im Ganztag. Semi-Professionelle befinden sich mit 15,41 h dazwischen. Der Unterschied ist signifikant (p < 0,001) und zeigt einen hohen Effekt (Cramer‑V 0,727).

Tab. 1 Vergleich Wochenstunden und Expertise

Um projektrelevante Fragestellungen auch explorativ zu beleuchten, wurden latente Profilanalysen (LPA) mit dem Programm R (R Core Team 2022) durchgeführt. Es wurden zwei Skalen zur Eingebundenheit in die Schule (Anzahl der Gespräche mit verschiedenen Akteur*innen und Eingebundenheit in Schule) und zwei Skalen zur pädagogischen Orientierung (Autorität und Schul‑/Kindorientierung) eingebunden. Nicht vollständige Daten wurden mit dem Package MICE (van Buuren und Groothuis-Oudshoorn 2021) imputiert. Bei latenten Profilanalysen wird die Imputation gegenüber dem FIML-Algorithmus als überlegen betrachtet: „Clearly, multiple imputation holds strong potential for more effectively treating missing data than FIML in person-centered analysis like LPA“ (Waldman 2020, S. 191). Bei den für die LPA interessierenden Items, die die Eingebundenheit in die Schule sowie die pädagogischen Orientierungen messen sollten (s. oben), lag die Non-Response-Rate zwischen 14 % und 19 % (und damit unter 25 %, sodass eine Imputation methodisch gut durchführbar ist). Bei der Imputation haben wir uns an das Vorgehen von Wulff und Ejlskov (2017) gehalten. Zunächst wurde überprüft, ob die nicht beantworteten Variablen zufällig erfolgten (Missing at Random – MAR). Anschließend haben wir die Items für die Imputation ausgewählt, ebenso wie Hintergrundfaktoren wie berufliche Qualifikation und Berufserfahrung im Feld. Das Imputationsmodell zeigt eine gute Convergence, ebenso weichen die Mittelwerte der imputierten Variablen im Vergleich zu den nicht imputierten kaum voneinander ab (< 0,2).

Mittels Vignetten, die Wissen, Reflexion und Pädagogische Orientierungen erfassen, konnte eine erste Einordnung der Lai*innen vorgenommen werden, die in anschließenden Interviews vertieft wird. Die Grundlage für die Textvignetten bietet die professionstheoretische Verortung, also unter anderem die Annahme, dass Reflexivität, Wissen und Handeln die Grundlage von Professionalität bilden. Hierzu werden die drei Vignetten, die mittels Freitexteingabe und Matrixskalierung beantwortet werden, in kommenden Analysen ausgewertet (Teilstudie A).

Teilstudie B greift die vorangestellte LPA auf, um Fälle für eine qualitative Netzwerkanalyse auszuwählen. Es werden erzählgenerierende Interviews erhoben, die mit wenig strukturierten Netzwerkkarten kombiniert werden. Das in der Teilstudie C leitende Erkenntnisinteresse konzentriert sich auf die Formationen pädagogischer Habitus von nicht einschlägig pädagogisch qualifizierten, aber sachkompetenten Lai*innen und stellt analog zu den Forschungen zum Lehrer*innenhabitus (Kramer und Pallesen 2018; Kramer 2019) den Versuch dar, die pädagogischen Habitus von Lai*innen zu erschließen.

2 Ausblick

Der nächste Schritt ist nun, die Daten der Teilstudie B und C zu erheben. Die Datenerhebung bei der Teilstudie A hat bereits gezeigt, dass das Feld des sonstigen pädagogischen Personals an Ganztagsschulen weitaus unübersichtlicher ist, als im Vorfeld angenommen. Mit der Befragung erreicht wurden vor allem die pädagogischen Mitarbeiter*innen, die ein relativ hohes zeitliches Committment mit der Schule haben.

Für die abschließende Theoriebildung können die qualitativen Teilstudien die Ergebnisse aus der Befragung ergänzen. In der Habitusrekonstruktion werden die im Fragebogen abgebildeten pädagogischen Orientierungen ausdifferenziert und biografisch gerahmt. Die Netzwerkanalyse wird die Kooperationsstrukturen und die Einbindung in die Schule und den Sozialraum modellieren.

Ziel des Vorhabens ist es, in diesem normativ hoch aufgeladenen Themenfeld Lai*innen als Akteure im Ganztag professionstheoretisch abzubilden. Hier geht es nicht um die Frage, ob Lai*innen für die Ganztagsschule eine Bereicherung darstellen oder aufgrund des Fachkräftemangels einfach gebraucht werden. Es geht zunächst um die Frage, welche pädagogischen Orientierungen Lai*innen mitbringen und wie sie organisational in die Organisation Schule eingebunden sind.