Die Forderung nach mehr Männern in sozialen Berufen lässt sich international seit Ende der 1990er Jahre beobachten und wird seit einigen Jahren auch in Deutschland wiederkehrend diskutiert. So wird sie etwa seit Anfang der 2000er Jahre aufgegriffen und von Kampagnen, wie dem Modellprojekt „Mehr Männer in Kitas“ (MMIK), begleitet (Fegter 2014, S. 17 f.). Der Ruf nach mehr Männern richtet sich dabei auf Tätigkeitsfelder, die alltagssprachlich als „Frauenberufe“ bezeichnet werden, da soziale Berufe sowohl historisch als auch aktuell einen hohen Frauenanteil aufweisen (May und Rose 2014, S. 9). Welche Berufe unter Letztere fallen, ist jedoch nicht eindeutig definiert (Amthor 2003, S. 45 f.). Im Folgenden werden darunter im Anschluss an den Mikrozensus Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagog*innen, Erzieher*innen und Pfleger*innen verstanden (Lepperhoff 2014, S. 119). Diese Berufsgruppen weisen zwar eigene fachliche Profile, professionelle Tätigkeiten und verschiedene Frauenanteile aufFootnote 1, jedoch haben sie gemeinsam, dass ihre Entstehung bzw. Professionalisierung mit „der Entwicklung einer ‚Kultur der Zweigeschlechtlichkeit‘ historisch in eins fällt, da sie den selben [sic!] Motor der Etablierung der bürgerlich/kapitalistischen Gesellschaft haben“ (Kasiske et al. 2006, S. 30). Gemeinsam ist ihnen daher zudem, dass sich in ihnen „die historisch gewachsene, strukturelle Unterbewertung ‚weiblicher‘ Tätigkeiten wider[spiegelt]“ (Schildmann 2017, S. 123).

Vor dem Hintergrund ihrer Entstehung als Frauenberufe (Kasiske et al. 2006, S. 31 ff.; Rerrich 2010, S. 96) im Kontext der gesellschaftlichen Unterscheidung einer öffentlichen, „männlichen“ Sphäre der Produktionsarbeit sowie einer privaten, „weiblichen“ Sphäre der Reproduktionsarbeit (Diewald 2018, S. 11) wurde die quantitative Überrepräsentanz von Frauen in sozialen Berufen lange Zeit als selbstverständlich angesehen (May und Rose 2014, S. 12). Daher kann der Ruf nach mehr Männern als Diskursphänomen bezeichnet werden (Fegter et al. 2019b, S. 274). Aus einer solchen diskurstheoretischen Perspektive ist die Frage nach der Berechtigung der Forderung nach mehr Männern in sozialen Berufen nachrangig. Der Fokus richtet sich vielmehr auf die „Frage, welche(s) Wissen, Gegenstände, Zusammenhänge, Eigenschaften, Subjektpositionen usw. durch Diskurse als ‚wirklich‘ behauptet werden“ (Keller 2011b, S. 265). So wird auch Gender in diskurstheoretischer Perspektive nicht als natürlich angelegte Zweigeschlechtlichkeit, sondern als diskursiv produziertes Wissen verstanden (Butler 1991, S. 8 f.).

Es liegen bereits einige Diskursanalysen zur Forderung nach mehr Männern vor. So untersucht Susann Fegter (2012) anhand von Zeitungsartikeln und -fotografien die Konstruktion von Gender- und Männlichkeitsordnungen im Krisendiskurs um Jungen. Sie zeigt u. a., dass eine Umkehrung des Genderverhältnisses mit einer Benachteiligung von Jungen konstruiert wird, sodass sie Leidende einer mangelnden Wertschätzung seien. Männer werden dabei zu abwesenden Rettern und Frauen als Anwesende problematisiert, die die Bedürfnisse von Jungen nicht erfüllen können oder wollen. Damit wird eine hegemoniale (Jungen‑)Männlichkeit reproduziert und entlang traditionaler Männlichkeitsvorstellungen naturalisiert.

Lotte Rose und Friederike Stibane (2013) analysieren den Fach- und Mediendiskurs um Männer in Kitas und arbeiten drei Argumentationsfiguren heraus: Bei der sozialisationstheoretischen, den Diskurs dominierenden Argumentation werden negative Effekte der quantitativen Unterrepräsentanz von Männern in der frühkindlichen Entwicklung von Jungen konstatiert, da ihnen das männliche Identifikationsobjekt fehle. Die gleichstellungs- und gerechtigkeitspolitische Argumentation deutet das Fehlen von Männern als Benachteiligung selbiger im Sinne des Ideals der Geschlechterparität, sodass ihnen der „Zugang zu ‚Frauen-Terrains‘ eröffnet und erleichtert werden“ (Rose und Stibane 2013, S. 11) soll. Kinder sollen dadurch zugleich Vielfalt erleben. Bei der arbeitsmarktpolitischen, eher hintergründigen und geschlechtsneutralisierten Argumentation wird die Erhöhung des Männeranteils als Lösung des Fachkräftemangels gesehen.

Hierneben untersucht Irmgard Diewald (2018) die Produktion vergeschlechtlichter Wahrheiten im Diskurs um mehr Männer in Kitas in Deutschland und Schweden anhand wissenschaftlicher und politischer Publikationen sowie selbst erhobener Expert*inneninterviews. Es zeigt sich, dass die Abwesenheit von Männern und die Anwesenheit von Frauen problematisiert werden. Deutlich werden eine gleichstellungspolitische Forderung eines Männlichkeitswandels durch die Übernahme von Carearbeit sowie ein arbeitsmarktpolitischer Fokus im Kontext des Fachkräftemangels. Insgesamt zeigt sich, dass der Diskurs „auf einen Geschlechterwandel zielt, jedoch gerade die Geschlechterverhältnisse reproduziert, die verändert werden sollen“ (Diewald 2018, S. 258).

S. Fegter et al. (2019b, S. 275) untersuchen des Weiteren anhand von Gruppendiskussionen, „wie Fachkräfte im Sprechen über professionelles Handeln das Verhältnis von Professionalität und Geschlecht“ im Kontext der Forderung nach mehr Männern in Kitas und der Sozialpädagogischen Familienhilfe (SPFH) ordnen. Es zeigt sich eine Vergeschlechtlichung professionellen Handelns durch Bezüge auf Familie (Fegter et al. 2019b, S. 282), die „Familie historisch als immer schon heterosexuelle Konstellation von Vater und Mutter normalisieren […] [und] eine gelingende Entwicklung von Kindern an diese binäre und komplementäre Familiengeschlechterordnung binden“ (Fegter et al. 2019a, S. 144). Männer in Kitas werden dabei „[u]nter Verweis auf eine zunehmende Anzahl von Familien mit abwesendem oder wenig präsentem Vater im Alltag […] als notwendige Bezugspersonen“ hervorgebracht, während in der SPFH „Thematisierungen einer fehlenden männlichen Bezugsperson in den Familien […] einen geschlechterbezogenen Auftrag als Bestandteil des professionellen Handelns erzeugen“ (Fegter und Sabla 2020, S. 160).

Im Anschluss an den skizzierten Forschungsstand zeigt sich eine Forschungslücke hinsichtlich der Träger in sozialen Berufen. Im Folgenden wird daher auf Basis einer Diskursanalyse gezeigt, wie Gender im Diskurs um „mehr Männer in soziale Berufe“ auf der Ebene der Träger am Beispiel der kirchlichen Wohlfahrtsverbände hervorgebracht wird. Dafür werden zunächst die Konzepte von Gender als diskursiver Konstruktion, der hegemonialen Männlichkeit und der Intersektionalität skizziert. Anschließend wird das methodische Vorgehen der empirischen Analyse erläutert, um sodann deren Ergebnisse darzustellen.

1 Gender als diskursive Konstruktion, hegemoniale Männlichkeit und Intersektionalität

Diskursanalytische Ansätze in der Geschlechterforschung beschäftigen sich mit der Produktivität von Diskursen und Sprache in Bezug auf die Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit. Die wohl bekannteste Vertreterin dieser Forschungsrichtung ist Judith Butler. Sie verortet sich in der Tradition konstruktivistischer, feministischer Ansätze (Villa 2010, S. 148) und fragt entsprechend danach, wie „bestimmte kulturelle Konfigurationen der Geschlechtsidentität die Stelle des ‚Wirklichen‘ eingenommen haben und durch diese geglückte Selbst-Naturalisierung ihre Hegemonie festigen und ausdehnen“ (Butler 1991, S. 60). Im Anschluss an Jacques Derridas Konzept der „Dekonstruktion“ hinterfragt J. Butler außerdem vermeintliche Eindeutigkeiten und zeigt beispielsweise die Instabilität des Geschlechtsbegriffs auf (Villa 2010, S. 148). Zweigeschlechtlichkeit wird J. Butler zufolge darüber hinaus durch Zwangsheteronormativität reguliert, die ebenfalls diskursiv naturalisiert wird (Butler 1991, S. 8 f., 46). Anschließend an die konstruktivistischen Elemente in J. Butlers Arbeiten, wird Geschlecht hier „als diskursives Konstrukt gefasst, welches sich in einer heteronormativen Matrix verortet“ (Diewald 2018, S. 50) und der Begriff „Gender“ verwendet.

Ausgangspunkt des Konzepts der hegemonialen Männlichkeit nach Raewyn Connell (2015) ist in dieser konstruktivistischen Perspektive wiederum, dass sich in jeder Gesellschaft eine hegemoniale Männlichkeit als kulturelles Ideal bildet und normativen Druck erzeugt. Sie zeichnet sich durch eine doppelte Relation zu Weiblichkeit und innerhalb von Männlichkeit aus. Weiblichkeit wird dabei Männlichkeit untergeordnet (externe Dimension), wovon Männer in Form einer „patriarchalen Dividende“ profitieren. Die Relationen innerhalb von Männlichkeit, die interne Dimension, fasst R. Connell als Unterordnung, Komplizenschaft und Marginalisierung. Unterordnung bezeichnet Männlichkeiten, die, etwa aufgrund von Homosexualität, nicht der kulturell dominanten heteronormativen Vorstellung entsprechen. Komplizenschaft bezieht sich darauf, dass nur wenige Männer die hegemoniale Männlichkeit vollständig umsetzen können, jedoch die Mehrzahl der Männer von der patriarchalen Dividende profitiert und die hegemoniale Männlichkeit daher akzeptiert. Marginalisiert sind jene Männlichkeiten, die mit bestimmten Formen anderer abgewerteter Strukturen, wie z. B. Ethnizität, verwoben sind (Connell 2015, S. 130ff.).

In Anlehnung an Sylka Scholz (2004, S. 40) wird nun davon ausgegangen, dass „in ganz konkreten sozialen Praxen ein sehr spezifisches Männlichkeitsideal konstruiert wird, welches nur in diesem Kontext hegemonial ist“. Da davon ausgegangen werden kann, dass Männer in sozialen Berufen gerade aufgrund der Übernahme als weiblich markierter Tätigkeiten eine gesamtgesellschaftlich untergeordnete Männlichkeit verkörpern (Buschmeyer 2013, S. 264), kann im Anschluss daran untersucht werden, wie eine hegemoniale Männlichkeit im Kontext der sozialen Berufe diskursiv konstruiert wird. Die interne Dimension hegemonialer Männlichkeit unter Männern und die externe Dimension einer männlichen Hegemonie in Bezug zu Weiblichkeit werden dabei im Anschluss an Ann-Dorte Christensen und Sune Qvotrup Jensen (2014) getrennt betrachtet, um auch eine hegemoniale Männlichkeit in der internen Hierarchie von Männern fassen zu können, die nicht auf der Unterordnung von Frauen basiert. Eine solche wird etwa von Anna Buschmeyer (2013) als „alternative Männlichkeit“ bezeichnet, während Michael Tunç (2012) eine „progressive Männlichkeit“ konzeptualisiert, um feministische Orientierungen und politische Bewegungen marginalisierter Männlichkeiten sichtbar zu machen.

An R. Connells Konzept der hegemonialen Männlichkeit wurde häufig dessen Unschärfe hinsichtlich der Unterschiede zwischen Männlichkeiten kritisiert. Um diese genauer analysieren zu können, bietet sich eine intersektionale Perspektive an (Christensen und Jensen 2014). Kennzeichnend für diese „ist der analytische Blick auf das Zusammenwirken verschiedener sozial konstruierter, aber für die Strukturierung der sozialen Welt relevanter Differenzen, ausgehend von der Trias Geschlecht, Ethnizität, Klasse“ (Riegel 2010, S. 66). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Basis einer intersektionalen Perspektive bereits im Konzept der hegemonialen Männlichkeit in Form der marginalisierten Männlichkeit angelegt ist. Mithilfe Letzterer kann jedoch nicht gezielt erfasst werden, ob die Marginalisierung auf Differenzkategorien beruht und wie diese zusammenwirken. Eine intersektionale Sichtweise ermöglicht hingegen die Analyse der teilweise widersprüchlichen Positionierungen innerhalb von Privilegierung und Marginalisierung (Tunç 2012, S. 2ff.). Daher gerät durch die Verbindung der beiden Ansätze in den Blick, dass „selbst marginalisierte Männlichkeiten meist Zugang zu Ressourcen aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit […] [haben] – auch wenn diese Ressourcen durch Marginalisierung bzgl. anderer sozialer Differenzlinien begrenzt werden können“ (Tunç 2012, S. 5). Zusätzlich wird damit deutlich, dass die Verkörperung einer Männlichkeitsform keine vollständig freie Wahl ist, sondern u. a. durch die Zugehörigkeiten zu unterschiedlichen sozialen Gruppen bzw. deren Wechselwirkungen sowie daran anknüpfende Erwartungen an Männlichkeiten bestimmt wird (Meuser 2011, S. 278f.).

Insgesamt stellt das um eine intersektionale Perspektive erweiterte Konzept hegemonialer Männlichkeit eine Analyseperspektive dar, die an J. Butlers diskurstheoretische Überlegungen anschlussfähig ist, da die Kategorien „Frauen“ und „Männer“ bzw. „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ zwar reproduziert, aber zugleich in ihrer Pluralität erkannt werden. Im Kontext des Diskurses um „mehr Männer in soziale Berufe“ werden somit die Hegemonie bzw. Ausschließungen bestimmter Männlichkeiten und Weiblichkeiten sichtbar. Gleichzeitig lassen sich damit auch andere Differenzlinien bzw. deren Wechselwirkungen als diskursiv konstruiert verstehen.

2 Methodologie und methodisches Vorgehen

Als Perspektive und Orientierung für den Forschungsprozess diente die wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) nach Reiner Keller (2011a). Sie verknüpft die Wissenssoziologie in der Tradition von Peter L. Berger und Thomas Luckmann mit diskurstheoretischen Ansätzen, insbesondere der Diskurstheorie von Michel Foucault (Keller 2011a, S. 58). Diskurse „lassen sich [dabei] als mehr oder weniger erfolgreiche Versuche verstehen, Bedeutungszuschreibungen und Sinn-Ordnungen zumindest auf Zeit zu stabilisieren und dadurch eine kollektiv verbindliche Wissensordnung in einem sozialen Ensemble zu institutionalisieren“ (Keller 2011a, S. 8). Sie beinhalten zugleich Sprecher*innenpositionen, die von Akteur*innen mit bestimmten Machtressourcen, wie Geld oder formalen Qualifikationen, eingenommen werden können. Davon abzugrenzen sind „Subjektpositionen“, die als diskursiv erzeugte Identitäts- und Positionierungsangebote für potenzielle Adressat*innen definiert werden (Keller 2011a, S. 55, 73 f.). Die WDA ermöglicht, den diskursiven Konstruktionsprozess von Gender, hegemonialer Männlichkeit sowie möglicher weiterer Differenzlinien im Kontext der Forderung nach mehr Männern zum Forschungsgegenstand zu machen.

Als Diskursebene wurden die Träger in sozialen Berufen festgelegt und am Beispiel der kirchlichen Wohlfahrtsverbände untersucht. Letztere stellen gemessen an der Mitarbeitenden- und Einrichtungsanzahl die größten der sechs Wohlfahrtsverbände dar (Aner und Hammerschmidt 2018, S. 142), sodass „[d]ie Arbeitsmärkte im Bereich Kinderbetreuung und -erziehung sowie Altenpflege […] durch eine Dominanz kirchlicher Träger gekennzeichnet“ sind (Sachverständigenkommission zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2017, S. 88). Auch in der Kinder- und Jugendhilfe sind die freien Träger die Hauptakteure, wobei die kirchlichen Wohlfahrtsverbände mit 52 % wiederum den größten Beschäftigtenanteil selbiger aufweisen (Schilling 2012, S. 789 f.). Damit geht ein großer Einfluss im Feld der sozialen Berufe einher, der durch vielfältige Kooperationen mit anderen freien und öffentlichen Trägern sowie staatlichen Behörden erhöht wird (Aner und Hammerschmidt 2018, S. 143 ff.). Zugleich wurde der Diskurs auf den Zeitraum ab 2009 eingegrenzt, da eine explizite Jungen- und Männerpolitik erstmals von der schwarz-gelben Koalition von 2009–2013 verankert wurde. In diesem Kontext wurde auch das Modellprojekt MMIK initiiert (Diewald 2018, S. 24f.), sodass ab diesem Zeitpunkt mit einer hohen Veröffentlichungsanzahl gerechnet wurde.

Das Material für den Datenkorpus wurde mithilfe einer Internetrecherche gesammeltFootnote 2. Entstanden ist dadurch ein Datenkorpus mit 38 Dokumenten, die sich auf den Caritasbundesverband, den Zusammenschluss Caritas NRW und 9 Diözesan-Caritasverbände verteilen, sowie 22 Dokumenten, die vom Diakoniebundesverband, 5 Landes- sowie 6 Regionalverbänden der Diakonie herausgegeben wurden.

Ausgehend von jeweils einem Schlüsseldokument pro Verband wurden anschließend mithilfe des „theoretical sampling“ der Grounded Theory Methodology (GTM) Artikel zur Feinanalyse ausgewählt. Da alle Artikel im Korpus der Forderung nach mehr Männern positiv gegenüberstehen, wurden als Anhaltspunkte zur Kontrastierung verschiedene thematische Schwerpunkte, eine verdichtete, eindeutige oder eher abwägende Positionierung, der soziale Beruf, auf den sich die Forderung nach mehr Männern bezieht, sowie die Abdeckung des Landes- bzw. Regionalverbands- und Textgattungsspektrums ausgewählt. Die Feinanalyse wurde für die beiden Verbände getrennt durchgeführt, um eventuell verbandsspezifische Besonderheiten im Diskurs erfassen zu können.

Für die Feinanalyse des Materials schlägt R. Keller (2011a, S. 97) „die Analyse seiner Situiertheit und materialen Gestalt, die Analyse der formalen und sprachlich-rhetorischen Struktur und die interpretativ-analytische Rekonstruktion der Aussageinhalte“ vor. Im Kontext Letzterer werden die Phänomenstruktur, Deutungsmuster und narrativen Muster des Diskurses herausgearbeitet. Der Fokus der Feinanalyse wurde daran anschließend auf die Rekonstruktion von Deutungsmustern gelegt. Sie werden verstanden als „grundlegende bedeutungsgenerierende Schemata, die durch Diskurse verbreitet werden und nahelegen, worum es sich bei einem Phänomen handelt“ (Keller 2011b, S. 243). Diskurse „vermögen jedoch auch […] neue Deutungsmuster zu generieren und auf der gesellschaftlichen Agenda zu platzieren“ (Keller 2011b, S. 243; im Original z. T. hervorgehoben). Somit kann erfasst werden, wie, d. h. anhand welcher Deutungsmuster, Gender und Männlichkeiten diskursiv konstruiert werden. Aufgrund der heterogenen Textgattungen wurden zugleich die Situiertheit sowie die formale und sprachlich-rhetorische Struktur der Diskursfragmente analysiert. Das Auswertungsverfahren orientierte sich in Anlehnung an R. Keller (2011a) ebenfalls an der GTM, sodass nach dem Verfahren des offenen, axialen und selektiven Kodierens vorgegangen wurde. Folgende Unterfragen wurden für die Analyse gestellt: (1) Welche Formen von Männlichkeiten in sozialen Berufen werden gefordert und damit als (vergeschlechtlichte) Subjektpositionen hervorgebracht? (2) Wie wird eine (auf soziale Berufe beschränkte) Form hegemonialer Männlichkeit konstruiert? (3) Auf welche Weise werden Verschränkungen mit anderen Differenzlinien hervorgebracht? (4) Auf welche Weise wird eine (Veränderung der) Verwobenheit von Weiblichkeit und sozialen Berufen erzeugt?

3 Ergebnisse der empirischen Analyse

Hinsichtlich der Situiertheit des Materials, v. a. des institutionell-organisatorischen Kontexts, zeigt sich, dass viele Diskursfragmente der Caritas vom Bundesmodellprojekt MMIK geprägt sind, das in der Diözese Köln als Teilprojekt „Männer arbeiten in Kitas“ (MAIK) umgesetzt wurde. Entsprechend finden sich programmatische und abwägende Diskursfragmente zum Thema „mehr Männer in Kitas“, etwa als Redemanuskripte für Fachtagungen, die im Rahmen von MAIK initiiert wurden. Während die Themen „Männer“, „Männlichkeit“ und/oder „Gender“ in den Dokumenten der Caritas meistenteils im Fokus stehen, finden sich bei der Diakonie mehrere Dokumente, bei denen sie nur einen Teilaspekt darstellen. Im gesamten Datenkorpus überwiegen Artikel zum elementarpädagogischen Bereich, worauf die Pflege und zuletzt die Soziale Arbeit folgen.

Trotz teilweise heterogener Situiertheit der Diskursfragmente der Caritas und der Diakonie zeigten sich kaum Unterschiede, sodass verbandsübergreifende Deutungsmuster und Genderkonstruktionen ausgemacht und nach R. Keller (2011a) in drei Interpretationsrepertoires gebündelt wurden: ein sozial-bürgerlicher Geschlechterdiskurs, ein wissenschaftlich orientierter Genderdiskurs sowie ein genderneutraler Arbeitsmarktdiskurs. Sie zeigen zwar einen Konsens dahingehend, dass die Forderung nach mehr Männern in sozialen Berufen positiv bewertet wird. Es gehen damit jedoch verschiedene Gender- und Männlichkeitsvorstellungen einher, die in den einzelnen Diskursen anhand der Deutungsmuster legitimiert werden.

3.1 „Der stark ‚weiblich‘ geprägten Frühpädagogik fehlen männliche Vorbilder, insbesondere für die Jungen“Footnote 3 – der sozial-bürgerliche Geschlechterdiskurs

Das erste Interpretationsrepertoire kann als sozial-bürgerlicher Geschlechterdiskurs bezeichnet werden. Im Zuge des fortschreitenden Projekts MAIK wurde er durch eine explizite Abgrenzung von ebenjenem bei der Caritas zu etwas nicht Sagbarem, sodass er sich nach 2011 bei dieser nicht mehr bzw. nur noch in Teilen, die mit den anderen Interpretationsrepertoires kompatibel sind, finden lässt. Eine solche Veränderung lässt sich bei der Diakonie nicht feststellen. Vielmehr wird er von verschiedenen Diakonieverbänden weiterhin (re)produziert. Er ist zumeist an die Sprecher*innenpositionen der Leitungs- und männlichen Fachkräfte sowie der kirchlichen Amtsträger gebunden. Die Gender- und Männlichkeitskonstruktionen werden dabei anhand von fünf Deutungsmustern hervorgebracht.

Das erste Deutungsmuster Männlichkeit als knappes Gut beschreibt die diskursiv konstruierte Problemwahrnehmung der quantitativen Unterrepräsentanz von Männern in sozialen Berufen. Sie werden „als die absolute Minderheit“ (Mendelin 2018, S. 135) profiliert, sodass eine Klassifikation in anwesende Frauen und abwesende Männer stattfindet. Männer werden dadurch zu einem wertvollen Gut, das es zu erschließen gilt. Sprachlich wird diese Perspektive anhand von Metaphern für Männer in sozialen Berufen, wie „Exoten“ (Mendelin 2018, S. 135) oder „seltene Exemplare“ (Diakonie Frankfurt am Main 2013, S. 2), vermittelt, was die Assoziation mit Wertvollem unterstützt und die Männer, die bereits in sozialen Berufen tätig sind, als schutzbedürftig darstellt. Diese Idealisierung wird allerdings nicht offensichtlich gemacht, sondern als Benachteiligung verhandelt, sodass Männer „vom Status des ‚Exoten‘ […] befreit werden“ (Ruffing 2013) und ihnen das „von Frauen dominierte[.] Berufsfeld“ (Diakonie Frankfurt am Main 2013, S. 2) oder der „weiblich geprägte[.] Kita-Alltag“ (Els 2012, S. 33) eröffnet werden sollen. Der Begriff „dominiert“ impliziert dabei ein Herrschaftsmoment von Frauen in sozialen Berufen.

Im zweiten Deutungsmuster Naturalisierung wird konstatiert, dass Männer etwas in soziale Berufe einbringen können, das an ihre biologische Geschlechtszugehörigkeit geknüpft ist. Es wird eine Klassifikation biologisch determinierter, komplementär angelegter Männlichkeit und Weiblichkeit sichtbar. So zeigt sich etwa eine stereotype Zuschreibung von Männern als aktiv, die als „urmännlich[.]“ (Kattinger 2013) bezeichnet und somit naturalisiert wird. Dabei findet zugleich eine Homogenisierung von Weiblichkeit und Männlichkeit statt, da diese „Urmännlichkeit“ von allen Männern ausgefüllt werden kann, aber nicht von Frauen. Die Reproduktion stereotyper Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen geht erneut häufig mit einer Idealisierung von Männlichkeit einher. Sie ist für die männlichen Fachkräfte, die häufig als Sprecher fungieren, selbstverständlich. Sie verstehen sie als Ressource im Beruf und als einen Grund, soziale Berufe zu ergreifen. Während Frauen und Weiblichkeit in diesem Kontext bei der Caritas nur vereinzelt erwähnt werden, zeigt sich in den Diskursfragmenten der Diakonie teilweise eine explizite Abwertung selbiger, die an die Sprecherposition der männlichen Fachkräfte gebunden ist: „Toben und Kämpfen in der Turnhalle sei bei Erziehern eher üblich als bei Erzieherinnen. Auch dürfe es mal ein bisschen lauter werden. Kinder machten mit Männern eher Quatsch und könnten besser Spinnen einfangen. Da gebe es dann manchmal auch bevormundende Blicke von Kolleginnen, so ein Teilnehmer. Der Hang zum Ausdiskutieren bei Teamsitzungen sei für Männer oft nervig“ (Diakonie Rheinland Westfalen Lippe 2014).

Als eine Folge der Naturalisierung ließ sich ein drittes Deutungsmuster von Mann zu Mann im Material identifizieren. Hier wird davon ausgegangen, dass Männer nur untereinander bestimmte Themen besprechen und verstehen können, da Frauen keinen Zugang zu männlichen Eigenschaften haben. Deshalb wird etwa die Fachtagung „Irgendwie anders – Männer in Kitas“ (Diakonie Rheinland Westfalen Lippe 2014) hervorgehoben, die die Essentialisierung von Gender bereits im Titel verdeutlicht, da Männer in Kitas als Andere dargestellt werden und somit erneut die Komplementarität von Männlichkeit und Weiblichkeit reproduziert wird. In diesem Kontext scheint wieder die Metapher der weiblichen Prägung des Berufsfeldes auf, aufgrund derer eine Vernetzung der Männer nötig sei: „Humorvoll und auch emotional wurden Erlebnisse, Widerfahrnisse und Geschichten aus dem weiblich geprägten Kita-Alltag als Mann wiedergegeben“ (Els 2012, S. 33).

Als nächstes Deutungsmuster lassen sich männliche Rollenvorbilder rekonstruieren. Damit ist die Vorstellung angesprochen, dass Kinder Gendervorstellungen nur am Modell lernen können, was die quantitative Unterrepräsentanz von Männern als besonders problematisch für Jungen hervorbringt. So heißt es etwa, dass „[d]er stark ‚weiblich‘ geprägten Frühpädagogik […] männliche Vorbilder [fehlen], insbesondere für die Jungen“ (Els 2012, S. 33). Damit richtet sich die Benachteiligungsperspektive nicht nur auf Männer, sondern auch auf Jungen, die ebenfalls als homogene Gruppe dargestellt werden. Der Beitrag von Männern wird dadurch die Erfüllung spezifischer, naturalisierter Neigungen von Jungen, die sich durch eine Betonung von Körperlichkeit und Aktivität auszeichnen. So wird thematisiert, dass sich Jungen „auseinandersetzen“ (Mendelin 2018, S. 135) sowie „raufen und toben“ (Wieczorek 2010, S. 15) wollen, wozu sie eine männliche Bezugsperson benötigen. Dies wird naturalisiert, wenn es etwa heißt, dass Jungen „[e]in größerer Bewegungsdrang […] angeboren“ (Diakonie Rheinland Westfalen Lippe 2014) sei. Dabei werden Männer in sozialen Berufen zusätzlich als Ausgleich für „einen möglichen Mangel an männlichen Bezugspersonen im familiären Bereich“ (Caritas in NRW 2011, S. 36) angeführt, was auf die Subjektposition der abwesenden Väter verweist und somit die auf Heteronormativität basierende, bürgerliche Kleinfamilie als Ideal reproduziert. Besonders angesprochen werden dabei Jungen mit Migrationshintergrund, die sich „oft hin- und hergerissen [fühlten] zwischen den Traditionen der Herkunftsfamilie und den Vorstellungen von Familie und Gesellschaft, die sie im deutschen Alltag antreffen“, was „Schwierigkeiten mit der schulischen Konzentration und im Umgang mit Aggressionen“ (Caritas in NRW 2009, S. 37) zur Folge habe. Somit wird die deutsche Gesellschaft als modern dargestellt, während ein Migrationshintergrund mit veralteten Traditionen gleichgesetzt wird, was die Förderung von Integration notwendig mache.

Im Kontext der Deutung von Männern als Ressource für soziale Berufe lässt sich das letzte Deutungsmuster Aufwertung sozialer Berufe rekonstruieren, das die weibliche Dominanz nicht nur direkt als Ursache der quantitativen Unterrepräsentanz von Männern benennt, sondern auch indirekt, da Männer in diesen Berufen gesellschaftlich abgewertet werden. Dabei wird nicht die gesellschaftliche Abwertung von Frauen und weiblich konnotierten Berufsfeldern kritisiert, sondern die Unterordnung von Männlichkeiten in ebendiesen. Entsprechend wird in den Diskursfragmenten betont, dass Männer etwas genuin Männliches in soziale Berufe einbringen, etwa indem es sich um „eine körperlich sehr anstrengende“ (Diakonie Deutschland o.J.) oder „notwendige pädagogische Arbeit“ (Wieczorek 2010, S. 15) handele. Somit bleibt die Aufwertung sozialer Berufe auf den Kontext der Steigerung des Männeranteils beschränkt, sodass die Nachteile, die auch weibliche Fachkräfte aus der gesellschaftlichen Abwertung erfahren, sowie die intraberufliche Segregation unsichtbar bleiben.

Insgesamt konstruiert dieses Interpretationsrepertoire eine naturalisierte Zweigeschlechtlichkeit in einer heterosexuellen Matrix (Butler 1991, S. 8), wie sie kennzeichnend für den bürgerlichen Diskurs ist. Die hervorgebrachten Subjektpositionen sind durchweg vergeschlechtlicht, wobei die weiblichen ebendieser zumeist nur die Hintergrundfolie darstellen, auf der die männlichen Subjektpositionen profiliert werden können. Es zeigt sich eine Verschiebung der weiblichen Konnotation sozialer Berufe, die jedoch auf dem Gleichheitstabu nach Gayle Rubin (2010) beruht, indem Männer und Frauen in sozialen Berufen im Sinne der Zweigeschlechtlichkeit nicht den gleichen Tätigkeiten nachgehen, sondern etwas naturalisiertes Männliches bzw. Weibliches verkörpern sollen. Die geforderte Form von Männlichkeit kann somit als sozial-bürgerlich verstanden werden, da eine traditionelle Männlichkeit Einzug in soziale Berufe halten soll. Sie lässt sich als komplizenhaft einordnen, indem sie sich in der externen Dimension durch die Abwertung von Weiblichkeit kennzeichnet und die patriarchale Dividende als Selbstverständlichkeit hervorbringt. Letztere kann nach Christine L. Williams (1992, S. 263) als „glass escalator effect“ bezeichnet werden, da die gesellschaftliche Zuschreibung von Männern in weiblich konnotierten Berufen als untergeordnete Männlichkeitsform kritisiert wird, während die Bevorzugung bei der Einstellung und Beförderung als Ressource für Männer in sozialen Berufen konstruiert wird. Die interne Dimension hegemonialer Männlichkeit scheint v. a. in Form der Abwertung von Männlichkeiten, die nicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft entsprechen, und somit anhand der Strukturierung von Gender durch Ethnizität auf. Diese kulturalisierende Zuschreibung ermöglicht Kritik an marginalisierten Männlichkeiten, während die Privilegien der Männlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft ausgeblendet werden (Tunç 2012, S. 16). Zugleich soll die gesamtgesellschaftliche Unterordnung von Männlichkeiten in sozialen Berufen aufgehoben werden, sodass sie nicht mehr komplizenhaft, sondern vereinbar mit dem hegemonialen Männlichkeitsideal wird.

3.2 „Männer in Kitas können dazu beitragen, traditionelle Männlichkeitsbilder zu erweitern“Footnote 4 – der wissenschaftlich orientierte Genderdiskurs

Das zweite Interpretationsrepertoire ist der wissenschaftlich orientierte Genderdiskurs. Er steht bei der Caritas zumeist im Kontext des Projekts MAIK, das sich „an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft“ (Diewald 2018, S. 14) verorten lässt und somit vom wissenschaftlichen Spezialdiskurs geprägt ist. Damit gehen charakteristische Sprecher*innenpositionen einher, die durch die Nennung akademischer Titel bzw. der Tätigkeit als Projektreferent*in für MAIK als Expert*innenpositionen profiliert werden und somit an ein hohes symbolisches Kapital geknüpft sind. Bei der Diakonie steht der Diskurs in heterogenen Kontexten, etwa dem Diversity Management oder Gender Mainstreaming. Die Sprecher*innenpositionen sind jedoch ebenfalls häufig Expert*innenpositionen, etwa als Fachreferent*innen oder Akteur*innen der sozialen Männerarbeit. Im Folgenden werden die rekonstruierten Deutungsmuster vorgestellt.

Das erste Deutungsmuster Genderparität setzt Gendergerechtigkeit als Ziel der Erhöhung des Männeranteils in Form der zahlenmäßig gleichen Besetzung von Teams mit Frauen und Männern. Als Ideal dient eine von Männern und Frauen geteilte Care-Verantwortung, wozu auch Bezug auf das Gender Mainstreaming als politische Strategie genommen wird. Auch hier werden Metaphern, wie „die Gärten der Frauen“ (Kunert-Zier 2013, S. 15) oder „Exot“ (Kunert-Zier 2013, S. 16) genutzt und der Wert von Männern in sozialen Berufen somit durch seine Seltenheit hervorgebracht. Ihm wird allerdings keine Dominanz von Frauen, sondern anhand der Metapher des Gartens eher eine Frauenkultur entgegengestellt. Eine Abwertung von Frauen wird zudem abgelehnt und der sozial-bürgerliche Geschlechterdiskurs damit explizit relativiert bzw. problematisiert. Dazu wird auch Bezug auf wissenschaftliche Studien und Fachbegriffe, wie „Gender“ oder „geistige Mütterlichkeit“, genommen. Mit der Ablehnung stereotyper Gendervorstellungen geht im Rahmen von MAIK zusätzlich die Forderung nach pädagogischer Genderkompetenz bzw. bei der Diakonie nach Fachkompetenz einher, die als weitere Relativierungsstrategie dient. Entsprechend heißt es, dass „[e]in Mann allein […] noch kein Qualitätsmerkmal“ (Wismath 2018) sei, sondern „Männer und Frauen eine geschlechterbewusste Grundhaltung entwickeln und sich im Team mit geschlechtsbezogenen Fragen und Themen auseinandersetzen“ (Rohrmann 2012, S. 8) müssen. Damit wird zugleich eine Benachteiligung von Männern entfaltet, die sich zum einen auf ihre Idealisierung im sozial-bürgerlichen Diskurs und zum anderen auf den „Generalverdacht“ bezieht, mit dem Männern im Sinne des bürgerlichen Genderverständnisses das Interesse an der Arbeit mit Kindern abgesprochen und männlichen Fachkräften in sozialen Berufen daher pädophile Motive unterstellt werden. Im Gegensatz zum ersten Diskurs werden Frauen jedoch nicht als bereits gleichberechtigt, sondern noch immer benachteiligt aufgezeigt. Dabei wird teilweise auch die Zweigeschlechtlichkeit selbst kritisiert. Bei der Diakonie steht die Erhöhung des Männeranteils auch im Kontext von Frauen- bzw. Familienförderung und wird somit als Beitrag zur Gleichstellung von Frauen anstatt als Ausgleich einer Benachteiligung von Männern entfaltet.

Trotz der erwähnten Kritik an der Zweigeschlechtlichkeit zeigt das zweite Deutungsmuster der Kulturalisierung, dass etwas Männliches angenommen wird, das soziale Berufe bereichern kann. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden auf ihre Sozialisation zurückgeführt, sodass es etwa heißt, dass „[m]ännliche Pädagogen […] durch ihre Lebenserfahrung als Junge und Mann Qualitäten und Ideen in die Kindertagesstätte einbringen, die dort oft fehlen“ (Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln 2013, S. 6). Somit wird weniger eine Naturalisierung, sondern vielmehr eine Kulturalisierung von Genderunterschieden hervorgebracht, da sie als erworbene Eigenschaften dargestellt werden, die spezifische Wahrnehmungs- und Handlungsweisen produzieren. Im Rahmen der Klassifikation von genderhomogenen und -heterogenen Teams zeigen sich zudem Hinweise auf andere Differenzlinien, wenn es etwa heißt, „dass in den Teams nicht nur Männer und Frauen arbeiten sollten, sondern zum Beispiel auch Fachkräfte mit Migrationshintergrund. „Am besten sind gemischte Teams, weil sie ein breites Spektrum an Lebenshintergründen und Erfahrungen mitbringen““ (Wismath 2018). Somit zeigt sich auch hier eine Kulturalisierung, die als bereichernde Diversität von Sichtweisen hervorgebracht wird, sodass Menschen mit Migrationshintergrund ebenfalls als Andere dargestellt werden. Dabei zeigen sich weitere Hinweise auf ein intersektionales Verständnis, sodass Gender in Bezug zu Kategorien wie Klasse, Ethnizität oder Sexualität gesetzt wird: „Für Zwischentöne und Vielfalt jenseits bipolarer Konstruktionen von Geschlecht bleibt kein Raum. Dabei sind die Lebenswelten von Kindern heute von vielfältigen Lebensformen und Identitäten, von unterschiedlichsten Familienverhältnissen und sexuellen Orientierungen geprägt“ (Rohrmann 2012, S. 7).

Im Anschluss daran lässt sich das dritte Deutungsmuster Erweiterung von Männlichkeitsvorstellungen nennen. Es setzt das Aufbrechen traditioneller Rollenbilder als weitere Funktion der Erhöhung des Männeranteils in sozialen Berufen. Entsprechend werden das bürgerliche Männlichkeitsverständnis und die daraus folgenden Erwartungen an Männer in sozialen Berufen als Problem entworfen. Dazu wird zeitlich klassifiziert, indem eine moderne, gendergerechte Gegenwart betont wird, die implizit eine rückständige, benachteiligende Vergangenheit konstruiert. Dabei wird die Vorstellung ersichtlich, dass Kinder ihre Genderrolle über Identifikation mit Bezugspersonen bilden und das Fehlen dieser zu schwierigen Verhaltensweisen, v. a. bei Jungen, führe. Ihnen sollen daher Rollenvorbilder zur Verfügung gestellt werden, die sich vom hegemonialen Männlichkeitsideal unterscheiden, da dieses als „einengend[.]“ (Kunert-Zier 2013, S. 15) dargestellt wird. In der Nebenerzählung umfasst dies auch Mädchen, denen Männer als „Andere“ (Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln 2013, S. 6) gegenübergestellt werden. Die alternative, moderne Männlichkeit wird dabei v. a. an der Übernahme weiblich konnotierter Tätigkeiten, etwa „Kinder zu betreuen, zu erziehen und zu bilden“ (Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln 2013, S. 6) festgemacht. Hierzu werden häufig Vergleiche zur bürgerlichen Kleinfamilie gezogen und somit Heteronormativität reproduziert, wenn es etwa heißt: „Mütter und Väter kümmern sich um die Erziehung der Kinder. Auch in den Kitas soll es Normalität werden, dass Frauen und Männer gemeinsam den Erziehungs- und Bildungsauftrag umsetzen“ (Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln o.J.). Dabei finden sich auch Hinweise auf andere Differenzlinien, indem Männlichkeiten bestimmter Klassen abgewertet werden: „Dazu kommt, dass die vorhandenen familiären Vorbilder nicht unbedingt den Erwartungen an moderne männliche Rollenbilder entsprechen müssen, was besonders für traditionelle und sozial schwache Milieus zutrifft“ (Vornweg 2011, S. 9). Ähnliches lässt sich auch für Ethnizitäten feststellen, die nicht der deutschen Mehrheitsgesellschaft entsprechen: „In der Arbeit mit Menschen unterschiedlichen Hintergrunds, zum Beispiel Migrantinnen und Migranten unterschiedlicher Herkunft, wird mit der Reflexion traditioneller Rollenbilder und unterschiedlicher kultureller Sichtweisen der inklusive Ansatz gepflegt“ (Diakonie Deutschland 2013, S. 15). Trotz der geforderten Genderkompetenz zeigt sich zudem die Annahme, dass die Erhöhung des quantitativen Männeranteils allein ausreicht, um die Vielfalt männlicher Rollenvorbilder zu vergrößern, da „[b]ei mehr Männern […] auch deren Lebenslagen und Lebensthemen in den Kitas ‚mit drin‘“ (Hensel 2013, S. 3) seien. Der Frauenanteil wird entsprechend mit Weiblichkeitsvielfalt gleichgesetzt. Damit scheint erneut die Klassifikation in anwesende Frauen und abwesende Männer auf, die sich hier allerdings auf soziale Berufe beschränkt. Die Subjektposition des Vaters wird hingegen als Anwesender hervorgebracht, was wiederum zur Legitimation der Forderung von männlichen Fachkräften herangezogen wird: „Vielleicht sind Männer in Kitas aber auch gerade deswegen wichtig, weil es auch in den Familien mehr aktive Väter gibt. Kitas sollten diese veränderte gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden“ (Rohrmann 2012, S. 6). Damit geht es mit der Forderung nach mehr Männern in sozialen Berufen nicht um den Ausgleich familiärer Defizite, sondern um ein Abbild und das weitere Vorantreiben des bereits in der privaten Sphäre stattgefundenen Wandels.

Ein viertes Deutungsmuster lässt sich erneut, jedoch mit Differenzierungen im Vergleich zum sozial-bürgerlichen Geschlechterdiskus, als von Mann zu Mann rekonstruieren. Damit wird der Austausch unter Männern und Jungen zur Reflexion traditioneller Männlichkeitsbilder als bedeutsam konstruiert, wobei männlichen Fachkräften für Väter und Jungen eine Vorbildfunktion zukommt. Der gleichgeschlechtliche Austausch wird zum Schutzraum, da die Abweichung von bürgerlichen Männlichkeitsvorstellungen für Männer als schamhaft hervorgebracht wird. Männliche Fachkräfte sollen Männer, die vom hegemonialen Männlichkeitsideal abweichen, in der Öffentlichkeit sozialer Angebote repräsentieren. So heißt es etwa, „dass Männer in die Beratung kommen, wenn sie die Sicherheit haben, dort auf gestandene Männer zu treffen, die sich ganz bewusst dazu bekennen, Fachmann für Männerfragen zu sein. […] So erleben die Ratsuchenden die Beratung eher als Gespräche auf Augenhöhe zwischen Männern und weniger als Ausdruck von Schwäche, weil sie sich Unterstützung gesucht haben“ (Jähne 2016).

Als letztes Deutungsmuster lässt sich auch hier die Aufwertung sozialer Berufe rekonstruieren, bei der im Anschluss an die Erweiterung von Männlichkeitsvorstellungen die gesellschaftliche Anerkennung von Männern, die weiblich konnotierten Tätigkeiten nachgehen, gefordert wird. Dabei wird erneut der sozial-bürgerliche Geschlechterdiskurs relativiert, indem der Widerspruch der gesellschaftlichen Abwertung von Männlichkeiten in sozialen Berufen und der Forderung nach genuin männlichen Eigenschaften in ebendiesen angesprochen wird. Gegen die Unterordnung von Männern in sozialen Berufen sollen demnach nicht männlich konnotierte Anteile sozialer Tätigkeiten betont, sondern „gezielter für ein Männerbild geworben werden, das Care als integralen Bestandteil männlicher Identität versteht“ (Ruffing 2013).

Insgesamt lässt sich anhand der Deutungsmuster ein Genderkonzept feststellen, das von einem formbaren sozialen Geschlecht ausgeht, die Zweigeschlechtlichkeit jedoch mit Bezug auf eine geschlechtsspezifische Sozialisation reproduziert. Letztere wird v. a. über die postulierte Nähe des Erzieher*innenberufs zur bürgerlichen Kleinfamilie in einer heterosexuellen Matrix verortet. Vereinzelt zeigen sich konstruktivistische Momente, indem etwa das System der Zweigeschlechtlichkeit hinterfragt oder die Heteronormativität relativiert werden. Dies lässt sich ebenfalls als Hinweis auf die Differenzlinie Sexualität lesen. Auf die Kategorie Klasse wird hierneben als „sozial schwache Milieus“ eingegangen, während sich Ethnizität als „Migrationshintergrund“ finden lässt. Damit geht vereinzelt eine Relativierung von Gender als Masterkategorie einher, allerdings sind die hervorgebrachten Subjektpositionen überwiegend vergeschlechtlicht, wobei weibliche ebendieser auch hier eine nachgeordnete Rolle einnehmen. Mit der Erhöhung des Männeranteils wird von diesem Diskurs explizit eine Veränderung der weiblichen Konnotation sozialer Berufe gefordert, die allerdings die geschlechtliche Aufladung dieser nur auf Männer verschiebt. Die Männlichkeitsform kann als moderne Männlichkeit bezeichnet werden, da sie sich einerseits durch die Ablehnung des hegemonialen Männlichkeitsideals und andererseits durch die zeitliche Klassifikation mit der Ablehnung traditioneller, rückständiger Männlichkeiten auszeichnet. Bei der Caritas geht damit eine Veränderung des Sagbaren einher, da am Anfang des Projekts MAIK noch Bausteine des ersten Interpretationsrepertoires zu finden waren, die mit Fortschreiten desselben vom vorliegenden Diskurs abgelöst wurden. So können der wissenschaftlich-orientierte Genderdiskurs für die Caritas als dominant und die moderne Männlichkeit als hegemonial für soziale Berufe bezeichnet werden, während sich bei der Diakonie keine Tendenz zu einem hegemonialen Diskurs feststellen lässt. In der externen Dimension hingegen lässt sich ein Widerspruch ausmachen, indem die Abwertung von Frauen explizit abgelehnt wird, Männer in sozialen Berufen aber implizit als Vorbilder idealisiert werden. Gleichzeitig werden die patriarchale Dividende, von der auch die gesamtgesellschaftlich untergeordnete Männlichkeit in sozialen Berufen profitiert, und die intraberufliche Segregation nicht sichtbar. Trotzdem handelt es sich um eine Männlichkeitsform, die nicht eindeutig eine männliche Hegemonie unterstützt.

3.3 „Nachwuchskräfte sind begehrt, durchaus auch männliche“Footnote 5 – der genderneutrale Arbeitsmarktdiskurs

Das letzte Interpretationsrepertoire ist der genderneutrale Arbeitsmarktdiskurs. Er ist am seltensten im Datenkorpus vertreten und steht häufig als Nebenerzählung im Kontext der ersten beiden rekonstruierten Diskurse. Entsprechend konnte kein Zusammenhang zu bestimmten Sprecher*innenpositionen oder Textgattungen festgestellt werden. Mit Rückgriff auf die gängige sozialstrukturelle Kategorisierung in Männer und Frauen wird auch in diesem Diskurs Zweigeschlechtlichkeit konstruiert. Insgesamt bleiben Männlichkeiten allerdings unbedeutend und Frauen und Weiblichkeiten unsichtbar, da sie eine quantitativ überrepräsentierte Gruppe in sozialen Berufen darstellen.

Das erste Deutungsmuster Männer gegen den Fachkräftemangel setzt als Ziel der Erhöhung des Männeranteils in sozialen Berufen die Deckung des steigenden Bedarfs an Fachkräften. Entsprechend wird nicht der geringe Männeranteil, sondern der Fachkräftemangel als Problem konstruiert. Dabei wird ein Krisenszenario gezeichnet, wozu auch dramatisierende Ausdrücke, wie „drohende Katastrophe“ (Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg 2009) genutzt werden. Deutlich wird daran, dass weniger eine spezifische Form von Männlichkeit im Vordergrund steht, sondern Männer als bisher nicht ausgeschöpftes Fachkräftepotenzial angesehen werden, sodass es beispielsweise heißt: „Bei dem oben beschriebenen Fachkräftemangel können es sich künftig die Kita-Träger jedoch nicht mehr leisten, Männer bei der Stellenbesetzung außen vor zu lassen“ (Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln o.J.). Somit dominiert eine zweckorientierte Perspektive, die keine gesellschaftliche Veränderung anstoßen, sondern ein akutes Problem lösen soll.

Hierneben lässt sich das Deutungsmuster Unterrepräsentierte Gruppen anwerben rekonstruieren. Dieses unterstreicht, dass Männer nur der Personalgewinnung dienen, da auch andere Gruppen, die in sozialen Berufen unterrepräsentiert sind, angesprochen werden. So sollen etwa „ältere Bewerber“ oder „Personen aus mittel- und osteuropäischen Staaten“ (Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg 2009) gewonnen werden. Dies kann als Hinweis auf die Differenzkategorien Ethnizität und Alter gelesen werden, die jedoch nicht miteinander oder mit Gender verwoben, sondern als einzelne soziale Gruppen hervorgebracht werden. Gender wird erneut als qualitative Dimension unsichtbar und stellt nur eine der quantitativ unterrepräsentierten Gruppen dar.

Als letztes Deutungsmuster zeigt sich die Aufwertung sozialer Berufe. Damit ist angesprochen, dass zur Gewinnung unterrepräsentierter Gruppen die Attraktivität des Berufsfeldes erhöht werden muss. Es lässt sich sowohl genderneutral als auch hinsichtlich der Anwerbung von Männern finden, bei der eine Klassifikation in männlich konnotierte Berufe, die zunehmend an Bedeutung verlieren, und den weiblich konnotierten sozialen Berufen, die gesamtgesellschaftlich immer wichtiger werden, vorgenommen wird. Folglich soll ein Verlust beruflicher Ressourcen für Männer verhindert werden, indem ihnen die „zukunftsträchtigen“ (Hensel 2013, S. 2) sozialen Berufe eröffnet werden. Insbesondere im Kontext des Projekts MAIK wird dies erneut als gleichstellungspolitische Maßnahme in Form der Erweiterung des Berufswahlspektrums von Jungen verortet. Demgegenüber werden häufig anhand der Sprecherposition der männlichen Fachkräfte die „schlechte Bezahlung, ungünstige Arbeitszeiten und geringe Aufstiegschancen als weitere Faktoren […], die den Beruf für Männer zudem unattraktiv machen“ (Ruffing 2013) hervorgebracht. Trotz der Irrelevanz von Männlichkeiten für diesen Diskurs wird damit das Bild des Ernährers reproduziert, da die Verbesserung von Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten allein in den Kontext der Erhöhung des Männeranteils gestellt wird, was diese Faktoren als für Frauen unbedeutend konstruiert. Gleichzeitig wird innerhalb der Diskursfragmente der Diakonie ein genderneutraler Ansatz zur Gewinnung von Männern sichtbar, indem teilweise die persönliche Sinnstiftung durch die Ausübung sozialer Berufe dargestellt wird.

4 Fazit

Insgesamt zeigten sich kaum Unterschiede zwischen der Caritas und der Diakonie, sodass verbandsübergreifende Deutungsmuster sowie Gender- bzw. Männlichkeitsvorstellungen ausgemacht wurden. Es ließ sich jedoch nicht „der“ Diskurs der kirchlichen Wohlfahrtsverbände rekonstruieren. Stattdessen zeigten sich drei Interpretationsrepertoires, die spezifische Männlichkeiten konstruieren und sich teilweise explizit voneinander abgrenzen.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Ergebnisse wird deutlich, dass eine Verschiebung des Sagbaren eintritt, indem der Fokus im Kontext einer postulierten Veränderung von Genderrollen von Frauen- zu Männerförderung verschoben wird. Damit wird die Wahrnehmung von Männern als das „‚Allgemein-Menschliche‘ und daher körper- und geschlechtslose Wesen“ (Buschmeyer 2013, S. 97) hin zur Betonung von Männlichkeiten verändert. Somit wird die Verwobenheit von Gender und sozialen Berufen nicht aufgebrochen, sondern nur verschoben, indem die weibliche Konnotation sozialer Berufe kritisiert und durch einen spezifisch männlichen Beitrag für dieselben ergänzt wird. Damit tritt auch eine Verschiebung der geschlechtlichen Arbeitsteilung ein, indem Männer in „Frauenberufen“ tätig werden sollen, diese aber zugleich als unattraktiv für Männer und daher als aufwertungsbedürftig hervorgebracht werden. Dies verweist auf eine zunehmende Verunsicherung berufszentrierter Männlichkeitskonstruktionen (Meuser und Scholz 2012, S. 31), die v. a. im letzten Diskurs als Bedeutungsverlust von „Männerberufen“ angesprochen wird. Überwiegend nicht sagbar bleiben Subjektpositionen jenseits der heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit. Abschließend zeigt sich somit, dass Gender trotz der hervorgebrachten, heterogenen Männlichkeitsideale diskursiv als Zweigeschlechtlichkeit in einer heterosexuellen Matrix konstruiert wird, wobei innerhalb der Diskurse das Verhältnis von Natur und Kultur als Ursache dieser variiert.