1 Dresdner Fenster

Die rechtspopulistische Gruppierung Pegida lädt 2018 auf der social-media Plattform facebook zu einer „Großen Geburtstagskundgebung“ ein. „4 Jahre Widerstand“ feiern die Anhänger*innen auf dem Dresdner Neumarkt. Erstmalig gewinnen der Gegenprotest dazu und das Symbolisieren von Weltoffenheit das zahlenmäßige Kräftemessen. In der historischen Altstadt treffen sich nach wie vor nahezu montäglich „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida). Es scheint, als hätten sich die sogenannten „Montagsmahnwachen“ schon in den Dresdner Alltag eingefügt. Sie sind vielleicht „keine Dresdner Angelegenheit“ (Hermann 2017, S. 13) – für mich als Dresdnerin sind sie aber eine „Angelegenheit“, die mich in besonderer Weise tangiert. Der Blick aus dem Dresdner Fenster jedenfalls verunsichert und besorgt mich zutiefst. Ich lese in „Gegen den Hass“ über das „Klima des Fanatismus“, über „jene Parteien und Bewegungen, die von einem homogenen Volk oder einer homogenen Nation träumen“ (Emcke 2016, S. 126). Was sind ökonomische, soziale, politische, kulturelle Bedingungen für die Entstehung von Rechtspopulismus? Welche Möglichkeiten von Gegenstrategien und zur Stärkung demokratisch-emanzipatorischer Gesellschaften bestehen in den Feldern Sozialer Arbeit? Das sind die zentralen Fragen, die sich mir stellen.

Der Zuschnitt des Beitrags, Rechtspopulismus von Pegida ausgehend zu betrachten, begründet sich zweifellos auch in meinem Fensterblick. Zugleich ist die Fokussierung für die hier verfolgte Auseinandersetzung geeignet, denn das Phänomen ist nicht nur als „rechtspopulistische Empörungsbewegung“ (Vorländer et al. 2016, S. 139) zu verstehen, sondern mit Pegida „als Symptom eines Gezeitenwechsels des politischen Klimas“ (Schenke et al. 2018, S. 70 f.) lassen sich insgesamt gesellschaftliche Verhältnisse in den Blick nehmen.

Im vorliegenden essayistisch gestalteten Beitrag versuche ich, Herausforderungen Sozialer Arbeit angesichts des erstarkenden Rechtspopulismus in hinterfragender und explorativer Absicht einzuholen. Für die im ersten Schritt verfolgte Annäherung an Rechtspopulismus wird die Metapher und Konstruktion „Unbehauste“ zur Veranschaulichung und Problembeschreibung genutzt. Die widerspruchs- und konfliktbehafteten Subjekte und die gesellschaftlichen Verhältnisse werden auf diese Weise in den Mittelpunkt gerückt. Aufgegriffen werden in diesem Zusammenhang auch die Ängste der Menschen, die ein relevantes und ebenso umstrittenes Deutungsmuster in der (Rechts‑)Populismusforschung bilden (vgl. Droste 2019).

Basierend auf der Problematisierung wird im zweiten Schritt über Behausungen nachgedacht, um Handlungserfordernisse in der Sozialen Arbeit zu generieren. Zentral ist dabei die Frage, welche emanzipatorischen Gegenstrategien zum Rechtspopulismus und zu ausgrenzenden Diskursen entwickelt und wie Handlungsräume gestaltet werden können. Schon die Frage zeigt, dass die Auseinandersetzung – das sei vorweggenommen – zweifelsfrei von normativen Bewertungen unterlegt ist. Dies ist einerseits darin begründet, dass Prinzipien und Leitkonzepte der Sozialen Arbeit wie soziale Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die Achtung der Vielfalt in ihrer „Grundkonstitution normativ voraussetzungsvoll“ (Otto et al. 2019, S. 143) sind. Andererseits fordern das politisch aufgeladene Thema, die vom Rechtspopulismus ausgehenden Bedrohungen und Veränderungen im sozialen Miteinander und nicht zuletzt die Verwobenheit der Sozialen Arbeit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen Positionierungen und Haltungen und eine Verständigung über diese.

Der Beitrag reiht sich in jene Auseinandersetzung in der Sozialen Arbeit ein, mit der gegenwärtig den Herausforderungen angesichts des erstarkenden Rechtspopulismus und der Demokratiegefährdung nachgegangen wird (vgl. exemplarisch Fischer und Dunn 2019; Köttig und Röh 2019). Die Notwendigkeit einer derartigen Auseinandersetzung ergibt sich unter anderem aus dem Anspruch Sozialer Arbeit, in ihren Angeboten demokratische Prinzipien zu verwirklichen, allen Menschen die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und ausgrenzenden Diskursen entgegenzuwirken. Soziale Arbeit begründet sich über spezifische gesellschaftliche – insbesondere krisenhafte – Verhältnisse (vgl. Dollinger 2008, S. 32). Gegenwärtig zeichnen sich die Verhältnisse durch ein politisches Klima aus, das sich mit der „Normalisierung und Enttabuisierung rechtspopulistischer Positionen“ (Schenke et al. 2018, S. 59) charakterisieren lässt.

2 Die verängstigten Unbehausten

Mit dem Begriff und der Metapher der „Unbehausten“ werden in der (Fach‑)Literatur verschiedene Gegenstände und Phänomene beschrieben. Hans Egon Holthusen (1951), ehemaliger Nationalsozialist und früheres Mitglied der SS, verwendet die Metapher zur Beschreibung gesellschaftlicher Zustände. Er erfasst in seiner Essay-Sammlung „Der unbehauste Mensch“ die kollektive Befindlichkeit der Kriegsgeneration im Deutschland der 1950er Jahre. Unbehaust/e ist auch ein Begriff, der aktuelle Buchtitel ziert. 2016 erschienen Geschichten über das Fremdsein, herausgegeben in einer Anthologie von Alexander Broicher (2016) mit dem Titel „Unbehauste“, ein „Lesebuch, das in fremde Welten einführt“ (Broicher 2016, S. 10). Erzählt werden „persönliche Geschichten über das Unbehaustsein – Gefühle der Fremde, Unzugehörigkeit, Ängste und Sehnsüchte“ (Broicher 2016, S. 10). Elke Brüns (2017) schreibt in ihrem Essay „Unbehaust“ über obdachlose Menschen. Sie fragt danach, welche Rolle Behaustsein und Unbehaustsein heute spielen. Der „Obdachlose“ steht demnach für das „unbehauste Leben“. Es geht dabei nicht nur um „ein Dach über dem Kopf“, sondern vielmehr darum, ob ein Mensch „beschützt und behütet oder eben ausgesetzt und schutzlos“ ist (Brüns 2017, Kap. 1). Diejenigen, die „Platte machen“, die „überall und nirgends“ (Brüns 2017, Kap. 1) sind, die auf Parkbänken oder in Schaufensternischen nächtigen, repräsentieren wohl am augenscheinlichsten die Unbehaustheit.

Mit dem unbehausten Leben der obdachlosen Menschen haben die islam-, vielfalts- und menschenfeindlich eingestellten Menschen, die sich rechtspopulistischen Bewegungen anschließen, auf den ersten Blick nichts gemein. Gleichwohl versuche ich, eben diese in ihrer Abhängigkeit von gesellschaftlichen Strukturen und ihrer Involviertheit in die Verhältnisse als Unbehauste beschreibbar zu machen. Die Anregung dafür gab eine der ersten umfassenden Studien zu Pegida (Geiges et al. 2015), in der die Menschen, die sich der Bewegung anschließen, als die „lebensgeschichtlich unbehausten und ängstlichen Bürger“ (Geiges et al. 2015, S. 188) bezeichnet werden. Ihre Enttäuschungen und Verunsicherungen bieten den Verfassenden einen Ansatz, um das Phänomen des Rechtspopulismus zu erklären.

Aus den intensiven empirischen Erhebungen zu den Anhänger*innen von Pegida, insbesondere zwischen Herbst 2014 und Winter 2016/2017, gingen eine Reihe von Publikationen mit wissenschaftlichen Einordnungs- und Deutungsversuchen hervor (u. a. Rehberg et al. 2016; Vorländer et al. 2016; Geiges et al. 2015), die seitdem durch weitere ergänzt wurden (vgl. Schenke et al. 2018). Mittlerweile bindet Pegida weitaus weniger wissenschaftliches Interesse. Es wird versucht, das als normalisiert, stagniert, ausgebrannt oder als institutionalisiert eingeschätzte Protestphänomen in größere gesellschaftspolitische Zusammenhänge einzubinden (Schenke et al. 2018, S. 70). Wenngleich hier ein spezifischer Blickwinkel eingenommen wird, um die Unbehausten zu fassen, ist zu berücksichtigen, dass sich Rechtspopulismus keineswegs monokausal erklären lässt. Die Verfassenden der Studie „Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?“ (Geiges et al. 2015) suchen eine Erklärung für die Entwicklung des Protestphänomens in der kulturellen Entfremdung und der politischen Heimatlosigkeit. Besondere Aufmerksamkeit erfahren die „Enttäuschungen und Verunsicherungen der lebensgeschichtlich unbehausten und ängstlichen Bürger“ (Geiges et al. 2015, S. 188). Es war, so die Autor*innen, kein Zufall, dass Pegida seinen Nährboden vorrangig in Sachsen fand: „Populismus mithin gedeiht vorwiegend in gesellschaftlichen Räumen, die durch den Niedergang von zuvor die Lebenswelten prägenden Vergemeinschaftungen und Normen sozialkulturell entleert wurden“ (Geiges et al. 2015, S. 188). Nach 1989 „rutschte den Bürgern der früheren DDR der Boden in ‚diesen Trümmerjahren ihrer Identität‘ nahezu vollständig unter den Füßen weg“ (Geiges et al. 2015, S. 187). Die Spezifika Dresdens und Sachsens zu analysieren, zählt zu den prominenteren, medial aufgegriffenen und mittlerweile ausdifferenzierten Erklärungsansätzen.

Erzählt wird in der Studie exemplarisch die Geschichte von Freital, jener sächsischen Stadt, die sich als Wohnort von Pegida-Gründer Lutz Bachmann und durch asylfeindliche Proteste einen Namen gemacht hat. Gegründet wurde die Stadt erst 1921 von der sozialdemokratischen Kommunalmehrheit. Mit dem Namen – Freies Tal – setzte man „die Hoffnung und den Anspruch auf eine Kommune ohne ‚Ausbeutung und Unterdrückung‘“ (Geiges et al. 2015, S. 192). Die Rekonstruktion der Geschichte beginnt dementsprechend mit den 1920er Jahren, in denen die Gemeinde „Hochburg der Arbeiterbewegung“ und ein „Ort sozialdemokratischer Superlative“ war (Geiges et al. 2015, S. 188). Zu den Entwicklungen in der Zeit des Nationalsozialismus resümieren die Verfassenden: „An den Braunen ging das Rote in Freital zwischen 1933 und 1945 noch nicht zugrunde“ (Geiges et al. 2015, S. 191). Die Sozialdemokratie kehrte nach der Zeit des Nationalsozialismus wieder vollständig zurück. Erst mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) begann die „Tragödie von Freital und der Sozialdemokratie. […] Von der sozialdemokratischen Tradition [blieb] buchstäblich nichts mehr übrig“ (Geiges et al. 2015, S. 191). Die Autor*innen stellen heraus, dass die Enttäuschungen über die negativen Entwicklungen in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und den real existierenden Sozialismus, der nicht als befreiende Kraft wirkte, in Freital größer waren als anderswo. Nach 1989 zerfraß dann „die Massenarbeitslosigkeit […] das industriestädtische Selbstbewusstsein von ehedem“ (Geiges et al. 2015, S. 191 f.). An frühere Traditionen konnte im (Um‑)Bruch nicht mehr angeknüpft werden. Die Bewegung von rechts versprach neue Bindungen und Zugehörigkeiten (vgl. Geiges et al. 2015). Die Attraktivität von Pegida lag nun darin, dass sie sich als „Solidargemeinschaft“ (Geiges et al. 2015, S. 191 f.) anbot und das Erlebnis von Zugehörigkeit vermittelte. Am Beispiel Freital wird sichtbar, welche Transformationsprozesse die mentale Lage der Gegenwart prägen und wie makrostrukturelle Entwicklungen und individuelle Erfahrungshintergründe zusammenspielen. In der lebensgeschichtlichen Unbehaustheit spiegelt sich die Bedeutung von sozialstrukturell und historisch eingebetteten, lebensgeschichtlich akkumulierten Erfahrungsmaterial wider.

Angesichts der lebensgeschichtlich unbehausten Freitaler*innen stellt sich die Frage: „Ist Sachsen anders?“ (Dannenberg et al. 2017). Es war eine der zentralen Fragen, die in Medien und Wissenschaft in den letzten Jahren durch das Aufkommen von Pegida, die massiven Proteste gegen die Aufnahme von Geflüchteten und die Häufung von rassistischen Übergriffen in Sachsen Konjunktur hatte. Neben den DDR- und Wendeerfahrungen wird im medialen und wissenschaftlichen Diskurs über sächsisches Heimatbewusstsein, den Rechtskurs der sächsischen Christlich Demokratischen Union (CDU) und die Ausblendung rechtsradikaler Tendenzen diskutiert, um die Dynamik zu erklären (vgl. Dannenberg et al. 2017). Die „Formel von den ost- beziehungsweise ‚dunkeldeutschen‘ Pegidist/-innen“ hielt sich zunächst auch als „das dominante Interpretationsschema“ (Schenke et al. 2018, S. 57) des Phänomens. Dresden ist zweifelsfrei der Ort, an dem sich die Protestbewegung dauerhaft halten konnte. Zugleich ist von einer „national-sozialen Gefahr“ (Dörre 2016, S. 260) in ganz Europa und in den USA auszugehen. Pegida gilt nunmehr als „Katalysator von Großveränderungen der politischen Kultur der Bundesrepublik“ (Schenke et al. 2018, S. 49). Nationalchauvinistische und fremdenfeindliche Einstellungen finden sich in der gesamten Bundesrepublik (vgl. Schenke et al. 2018, S. 58). Die weite Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in der bundesdeutschen Gesellschaft wird in empirischen Langzeitstudien belegt (vgl. Decker und Brähler 2018b; Zick und Klein 2014; Heitmeyer 2012). Der tiefer reichende „gesellschaftliche Gärungsprozess“ (Schenke et al. 2018, S. 70 f.) lässt sich jedenfalls keineswegs auf sächsische Lokalspezifika reduzieren (Schenke et al. 2018, S. 49).

Populistische Parteien und Bewegungen werden als „ein Produkt von Modernisierungskrisen“ (Decker 2018, S. 356) interpretiert. In diesem Zusammenhang symbolisiert die Unbehaustheit die Sinn- und Orientierungsverluste in einer problematisch empfundenen Moderne. Sinnverlust, Orientierungslosigkeit, Wurzellosigkeit, Entfremdung „bilden das Schreckgespenst für den Zusammenhalt von Gesellschaften“ (Imbusch 2015, S. 229). Die Unbehaustheit kann auch für die ausgedünnte oder längst zusammengebrochene soziale, kulturelle, wirtschaftliche oder auch politische Infrastruktur im ländlichen Raum stehen (Lob-Hüdepohl 2018, S. 156 f.). Von ihr wird angenommen, dass sie rechtspopulistische Einstellungen mit hervorbringt. Die Unbehaustheit illustriert „die politische Verwaisung“ und die „weltanschauliche Leere“ (Geiges et al. 2015, S. 192), die sich in Pegida ausdrückt. Rechtspopulistische Bewegungen bieten eine Behausung im „trostlosen Vakuum“ (Lob-Hüdepohl 2018, S. 156). Rechtspopulist*innen konstruieren Heimat in Zeiten der Heimatlosigkeit. Sie schaffen mit ihren Vorstellungen von Familie und Sexualität Übersichtlichkeit und Klarheit in den unübersichtlichen postmodernen Lebensformen. Der Aufstieg des Rechtspopulismus wird mit Gegenreaktionen zum Wertewandel und zur Entwicklung multiethnischer und -kultureller Gesellschaften begründet (u. a. Reckwitz 2017).

Rechtspopulistische Bewegungen und Parteien setzen an den (subjektiven) Verunsicherungen in den Lebensverhältnissen, am Bedürfnis nach Sicherheit in der unsicheren Gesellschaft an. Dieses Bedürfnis und die Rahmenerzählung „Wir sind das Volk“ verbindet die Unbehausten. Rechtspopulistische Agitator*innen versprechen Schutz, Zugehörigkeit und die Absicherung von Privilegien. Sie stellen Zugehörigkeit her, indem sie Wir-Bilder auf der Basis von Kollektiveigenschaften wie nationale Zugehörigkeit, Sprach- und Geschlechtsgemeinschaft und ethnische Herkunft konstruieren (vgl. Bescherer 2017, S. 2). Sie produzieren die Imagination der gefährdeten „Volksgemeinschaft“ (Bargen 2019, S. 186). Sie postulieren einen einheitlichen imaginären Volkswillen. Gerade auch die Gegenüberstellung von einfachem Volk und abgehobener Elite ist prädestiniert dafür, das Volk als homogene Einheit zu konstruieren (vgl. Decker 2018, S. 136). Im Rechtspopulismus „spukt“, so Markus Metz und Georg Seeßlen (2018), das völkische und das identitäre Denken. Pluralität wird „als Angriff auf die eigene Identität“ verstanden (Bescherer 2017, S. 15). Die wichtigste Quelle der Identität im Rechtspopulismus bildet die Nation, die, so Frank Decker (2018), „eingebettet ist in ein nationübergreifend-gemeinsames, (west)europäisches Verständnis von kultureller Zugehörigkeit, dessen Gegenbild die überwiegend nicht-westliche Zuwandererbevölkerung verkörpert“ (Decker 2018, S. 137).

Zu den Menschen, die sich rechtspopulistischen Bewegungen und Parteien anschließen oder diese wählen, zählen jene Menschen, die sich bedroht fühlen von sozialem Abstieg, die den „Absturz in die Marginalität der Abgehängten und Ausgeschlossenen befürchten“ (Lob-Hüdepohl 2018, S. 156 f.). Jene, die den Absturz befürchten, fühlen sich offenbar angesprochen von rechtspopulistischen und identitätspolitischen Kernaussagen der Zuwanderungsbegrenzung und Multikulturalismuskritik, von den Ideologien der Ungleichwertigkeit. Die Unbehausten gehören keiner Minderheit an (vgl. Bescherer 2017, S. 10). Sie zählen eher nicht zu den Armen, nicht zu den aufgrund von Hautfarbe oder sexueller Orientierung Diskriminierten, nicht zu den Menschen mit Migrationsgeschichte. Die „Gesellschaft der Angst“ (Bude 2014) verweist vielmehr auf die sich in ihrem sozialen Status bedroht fühlende „Mehrheitsklasse“. Wenn auch die eigentlich abgesicherten Menschen die Angst vor dem Abstieg ergreift und sich extrem-rechte und autoritäre Einstellungen im gesellschaftlichen Zentrum verbreiten, liegt es nahe, über die „unbehauste Mitte“ der Gesellschaft nachzudenken. Die Dresdner Demonstrierenden erscheinen als Repräsentant*innen der (ost-)deutschen gesellschaftlichen „Mitte“ (vgl. Schenke et al. 2018, S. 59). Die weltanschauliche und sozialstrukturelle Nähe von Pegida zur sogenannten Mitte zeigt: „Das rechte Gedankengut will überall hin, und es kommt von überall her“ (Metz und Seeßlen 2018, S. 19).

Der rechtspopulistische Anführer spricht den Unbehausten „aus der Seele“ (Metz und Seeßlen 2018, S. 77 f.) – er gibt ihnen eine Sprache. Er gibt ihren Ängsten Ausdruck. Denn angetrieben werden die Unbehausten von Ängsten. Sie haben Angst, unter dem sozialen Druck der Globalisierungs‑, Flexibilisierungs- und Digitalisierungsfolgen zu ersticken (vgl. Schenke et al. 2018, S. 70 f.). Sie haben Angst, „den durch persönliche Privilegien (noch) geschützten gesellschaftlichen Zusammenhalt angesichts einer multiethnischen und multikulturellen Zukunft Deutschlands zu verlieren“ (Schenke et al. 2018, S. 70 f.). Sie haben Angst vor den „gefährlichen Anderen“, die die „Volksgemeinschaft“ bedrohen. Sie haben Angst vor dem Verlust einer „Volksgemeinschaft“, die angesichts einer diagnostizierten „Islamisierung“ und „Überfremdung“ imaginiert wird (vgl. Bargen 2019, S. 181). Rechtspopulistische Kräfte schüren und verstärken die Ängste. Angst steht im Zentrum der politischen Mobilisierung im Rechtspopulismus (vgl. Biskamp et al. 2017, S. 205). Der Rekurs auf die Angst der Unbehausten darf nicht ungesehen machen, dass Rechtspopulist*innen gerade nicht zur Gruppe schwacher Akteur*innen gehören, denen es an Artikulations- und Organisationsmacht mangelt (vgl. Lob-Hüdepohl 2018, S. 154). Rechtspopulistischen Kräften gelingt es, erfolgreich zu verbreiten, „warum sie die Aufklärer seien, warum sie die Wahrheit sagen“ (Milbradt 2017, S. 24). Der Rekurs auf die Angst als Erklärungsversuch des „Rechtsrucks“ ist nach M. Metz und G. Seeßlen (2018) gerade auch deshalb problematisch, weil die Angst die Klientel rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien entmündigt und entschuldet.

Den Autor*innen der Leipziger Autoritarismus-Studie (2018) zufolge, wird die Gesellschaft von einer „autoritären Dynamik beherrscht“ (Decker und Brähler 2018a, S. 10). Das auf Theodor W. Adorno zurückgeführte Konzept des autoritären Syndroms dient vor allem in der politischen Kulturforschung (siehe die Mitte-Studien) als sozialpsychologischer Erklärungsversuch von antidemokratischen Einstellungen, Rechtsextremismus und Pegida. Die Widersprüche und Unsicherheiten moderner Gesellschaften werden demnach durch eine Sehnsucht nach einem starken Kollektiv und Führerfiguren, denen man sich unterordnen kann, verarbeitet (vgl. Biskamp et al. 2017, S. 211). Der Rechtspopulismus bietet Sortierungen und Lösungen, welche die gesellschaftliche Komplexität reduzieren. Als problematisch erachten Floris Biskamp und Kolleg*innen (2017) „das identitäre Bedürfnis der Angsthabenden nach gefährlichen Anderen, gegen die man sich abgrenzen kann“ (Biskamp et al. 2017, S. 201). Rechtspopulistische Agitator*innen aktivieren, verstärken, bündeln und strukturieren die Ängste. Auf diese Weise werden sie politisch relevant und können, so F. Biskamp und Kolleg*innen (2017), in Wahlerfolge umgesetzt werden. Der in der Bevölkerung existierende Autoritarismus hat „durch den autoritären Nationalradikalismus der Alternative für Deutschland (AfD) ein neues politisches ‚Ortsangebot‘ bekommen“ (Heitmeyer 2018, S. 237). Pegida spielt dabei als „‚natürlicher Verbündeter‘“ (Heitmeyer 2018, S. 241) der AfD in die Hände.

Die Unbehausten sehen sich „als Verlierer einer Politik, […] die Minderheiten gleichstellt“ (Bescherer 2017, S. 10). Sie fühlen sich selbst in die Position einer Minderheit gedrängt und forcieren zugleich gesellschaftliche Ausgrenzungen von sozialen, ethnischen und religiösen Minderheiten. Dabei sind die Unbehausten keineswegs per se unsolidarisch. Als Menschen, die sich dem „einen Volk“ zugehörig fühlen, sind sie solidarisch mit jenen, die zu „dem einen Volk“ zählen (vgl. Möhring-Hesse 2019). Sie engagieren sich als deutsche Bürger*innen unter anderem für deutsche wohnungslose Menschen, für „unsere“ Hilfebedürftigen. Die Bewegungs- und Parteiakteur*innen des Rechtspopulismus stellen einen „Zusammenhalt durch Ausgrenzung“ (Zick und Küpper 2012, zit. n. Heitmeyer 2018, S. 170 f.) angesichts des wahrgenommenen gesellschaftlichen Zerfalls her. Sie konstruieren eine exkludierende Solidargemeinschaft als Behausung für die verängstigten Unbehausten.

3 Behausungen

Mittlerweile sind im Diskurs der Sozialen Arbeit fundierte Auseinandersetzungen mit dem Phänomen des Rechtspopulismus erschienen (vgl. Veröffentlichungen in sozialmagazin 11–12/2017; Widersprüche 147/2017; Köttig und Röh 2019; Fischer und Dunn 2019). Es besteht Einigkeit darin, dass rechtspopulistische Ausschluss- und Ungleichheitsideologien im Widerspruch zum humanistischen und menschenrechtsorientierten Selbstverständnis der Profession stehen (vgl. Schäuble 2017, S. 62). Die Auseinandersetzung mit den (Un)Möglichkeiten, Rechtspopulismus zu begegnen und emanzipatorische Gegenstrategien zu den Ausgrenzungsdiskursen zu entwickeln, setzt im Kern an der Selbstvergewisserung der Sozialen Arbeit an. Was kann den gemeinschaftsstiftenden Aktionen und Losungen rechtspopulistischer Akteur*innen und dem rechtspopulistischen Angebot an Behausungen in der Praxis entgegengesetzt werden? Welchen Beitrag kann Soziale Arbeit zu einer (re)politisierten, partizipativen Gestaltung von Gemeinschaftlichkeit leisten? Wie kann der von einer „autoritären Dynamik“ beherrschten Gesellschaft begegnet werden?

Die Chance ist in Räumen und Angeboten zu sehen, die Selbstwirksamkeitserfahrungen durch Partizipation und demokratische Aushandlungsprozesse ermöglichen sowie solidarische Netzwerke stärken. Das ist nicht neu. Eine Schwierigkeit dürfte dabei wohl darin liegen, dass es Soziale Arbeit auch mit Adressat*innen zu tun hat, „die unter der Zurückweisung rechtsradikaler Ideologien rechtsradikale Ideologien verbreiten […]. Denkbar ist jedoch, dass gerade hier, also in dem Widerspruch von (‚demokratischem‘) Anspruch und rechtsextremer Wirklichkeit ein Ansatzpunkt für entsprechende Interventionen liegen könnte“ (Milbradt und Wagner 2016, S. 286; Hervorh. im Orig.). Soziale Arbeit lässt sich in diesem Sinne dann als Arbeit an und mit den gesellschaftlichen Widersprüchen, die sich in den Einstellungen und Handlungen der Subjekte abzeichnen, verstehen. Wie können Räume gestaltet werden, die das Subjekt transformieren und andere Subjektentwürfe als Unterwerfung und die Reproduktion von Macht und autoritären Einstellungen ermöglichen? Ein erster Ansatzpunkt ist hier bereits, dass in der Regelarbeit – ob nun in der Heimerziehung oder der Wohnungslosenhilfe – entmündigende und paternalistische Hilfeansätze von Sozialarbeitenden zurückgewiesen werden (vgl. u. a. Gillich und Nagel 2010).

Die Problematisierung der Angst wirft die Frage auf, ob und wie im Rahmen Sozialer Arbeit für die Unbehausten Unterkünfte, Zugehörigkeit, Sicherheit hergestellt werden sollten. Wie viel Raum wird der Bearbeitung und Transformation von Gefühlen der Bedrohung und des Verlusts gegeben? „Ganzheit, Echtheit, und Stabilität“ – ergänzend (subjektive) Sicherheit vor sozialem Abstieg – erscheinen als „Relikte einer vergangenen Zeit, die ein übermächtiger Modernisierungsprozess erodieren ließ“ (Dollinger 2012, S. 79). Die Unbehaustheit legt für die theoretische Vergewisserung nahe, dass der Bezug auf den Verfall von Gemeinschaften, Sinnhorizonten und Traditionen im Modernisierungsprozess, aus dem heraus Soziale Arbeit in der Vergangenheit Aufgaben und Zuständigkeiten abgeleitet hat, nach wie vor einen Ankerpunkt bilden könnte. Gleiches gilt für die Dimension der Anerkennung als grundlegende Dimension des Gesellschaftlichen. Denn sie erlaubt, sich zugehörig zu fühlen und Andere als zugehörig anzuerkennen (vgl. Bereswill et al. 2018, S. 7). Gefragt sind in diesem Zusammenhang theoriegeleitete Analysen, die den subjektiven Deutungs- und Bewältigungsmustern der verängstigten Menschen, der biographischen (Nicht‑)Bewältigung lebensgeschichtlicher Unbehaustheit und der sozialen Bedingtheit der Ängste nachgehen.

Wie kann Soziale Arbeit im „Angstraum“ zu einem demokratischen und solidarischen Verständnis von Gesellschaft beitragen? Wie lässt sich mit den Veränderungs- Verlust- und „Überfremdungs“-Ängsten umgehen? Martha Nussbaum (2019), die die Bedeutung von Emotionen für das Zusammenleben untersucht hat, zeigt, wie Angst die Demokratie gefährdet. Angst führt dazu, dass gesellschaftliche Krisen eskalieren. Die Frage, ob und wie die Ängste der Menschen von Politiker*innen ernst zu nehmen sind, wird im medialen und wissenschaftlichen Diskurs vor allem dahingehend diskutiert, inwiefern es sich dabei um ein adäquates Mittel in der Politik handelt (vgl. u. a. Biskamp et al. 2017).

Möglicherweise sind in der Sozialen Arbeit zwei Seiten der Medaille von Bedeutung. Einerseits könnte die Wahrnehmung von Ängsten und Verunsicherungen der Menschen die Orientierung an den Alltags- und Lebenswelten der Menschen sicherstellen. Die Chance liegt darin, Verständigungsprozesse über Lebensformen und die Anerkennung von Verschiedenheit anzuregen und diese ergebnisoffenen und demokratisch zu gestalten. Andererseits können Potenziale der Bildungsarbeit in der Sozialen Arbeit für eine Auseinandersetzung mit der sozialen Bedingtheit der Ängste und dem Rechtspopulismus als „Angstmacher*in“ genutzt werden. Dabei geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit der rechtspopulistischen Gemeinschaftserzählung (vgl. Bargen 2019, S. 192). Indem etwa innere Widersprüche und Paradoxien der Argumentation expliziert werden, kann den Ängsten der Anschein von Unmittelbarkeit und Natürlichkeit genommen werden. Auf diese Weise kann ihnen ihre Wirkmächtigkeit als Rechtfertigung für rassistischen Hass entzogen werden (vgl. Biskamp et al. 2017, S. 209).

Mit Blick auf die „unbehauste Mitte“ ist davon auszugehen, dass Sozialarbeiter*innen den Unbehausten in all ihren Räumen und in den eigenen Reihen begegnen. Wie Soziale Arbeit selbst rassistische Haltungen und die gesellschaftliche Dynamik mit hervorbringt, erscheint im Diskurs Sozialer Arbeit als eine zentrale Frage (vgl. sozialmagazin 42, Heft 11–12, neue Praxis Sonderheft 15/2018). Neben der Entwicklung von Handlungsstrategien und der Verständigung um Aufgaben erscheint es folglich notwendig, den analytischen Blick in die eigenen Behausungen zu werfen und im Sinne kritischer Adressat*innenforschung die Handlungsbeschränkungen und -möglichkeiten der Adressat*innen zu rekonstruieren. Unentbehrlich ist es, eigene Bearbeitungs-, Streit-, Reflexions- und Ver(un)sicherungsräume herzustellen. Der Gewinn solcher Räume liegt darin, einerseits Umgangsweisen mit vielfalts- und menschenfeindlichen Adressat*innen zu entwickeln. Andererseits können sie dazu genutzt werden, Möglichkeiten auszuloten, die nicht oder weniger sicht- und hörbaren marginalisierten Individuen und Gruppen, die unter anderem von rechtspopulistischen Abwertungs- und Ausgrenzungsstrategien betroffen sind, dabei zu unterstützen, sicht- und hörbarer zu werden. Angesichts der Artikulations- und Organisationsmacht der Unbehausten und ihrer Anführer*innen ist diese Aufgabe Sozialer Arbeit hervorzuheben.

Dem Angebot an rechtspopulistischen Behausungen können „Räume des Zusammen- und Miteinander-Seins der Verschiedenen“ (Hark 2019, S. 34) entgegengesetzt werden, in denen Sozialarbeitende die „gemeinwesenbasierte Erfahrung der Stärkung solidarischer gegenkultureller Räume aufgreifen“ (Schäuble 2017, S. 67). Dies ist angesichts rechtspopulistischer Strategien gegen bzw. Angriffe auf eine menschenrechts- und diversitätsorientierte Soziale Arbeit und der Besetzung von Räumen der Sozialen Arbeit (u. a. der Jugendarbeit) durch rechte Kräfte durchaus als herausfordernd einzuschätzen. Aber was ist die Alternative? An Barbara Schäuble (2017) anschließend ist insofern hervorzuheben, dass Handlungsvollzüge in der Sozialen Arbeit als solidarische, humanistische und menschenrechtliche thematisiert und gelebt werden können und auf diese Weise Sozial- und Bildungsarbeit verknüpft werden kann (vgl. Schäuble 2017, S. 66). Behausungen sind in sozialräumlicher Perspektive Ausdruck von menschlichen Handlungen, von Beziehungen, Interaktionen und sozialen Verhältnissen. Behausungen, in denen sich ohne Angst verschieden sein (Adorno 1951) lässt, können entstehen, wenn solidarische und menschenrechtliche Handlungsvollzüge in der Sozialen Arbeit gelebt werden. Durch solidarisches Handeln, das sich an dem Recht Aller auf ein menschenwürdiges Leben orientiert, konstituiert sich eine solidarische und offene Gesellschaft.

4 Fazit

Der Umgang mit der Angst der Unbehausten bleibt gerade deshalb ein Dilemma, weil sich im rechtspopulistischen Lautwerden der Angst der Hass offenbart (vgl. Jessen 2019, S. 37). „Aus Angst wird Wut wird Hass“ (Franke 2017, S. 89). Die Frage nach dem Umgang mit der Angst der Unbehausten ist auch deshalb schwierig, „weil man Angst haben muss vor Leuten, die Angst zu haben behaupten“ (Jessen 2019, S. 37), weil der Blick auf diejenigen, die berechtigte Angst vor rechtspopulistischen Angriffen und rechtspopulistischer Propaganda haben, und auf jene, die angegriffen und bedroht werden, ausgeblendet wird. Insofern ist abschließend zu betonen:

„Menschen-, demokratie- und vielfaltsfeindliche Äußerungen und Handlungen sind als solche zu kennzeichnen, um sich entschieden gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus zu positionieren. Denn: „Wo […] die Rechte die […] Diskurse bestimmt, da hat das Projekt einer weiteren Demokratisierung, das Versprechen einer menschlicheren und gerechteren Gesellschaft keine Chance“ (Metz und Seeßlen 2018, S. 15).

Die Unbehausten lassen sich als eine zeitgenössische Sozialfigur begreifen (vgl. Milbradt 2017). Sie gehören zu den „zeitgebundenen historischen Gestalten, anhand derer ein spezifischer Blick auf die Gegenwartsgesellschaft geworfen werden kann“ (Moebius und Schroer 2010, S. 8). Im öffentlichen Diskurs nehmen die Rechtspopulist*innen eine Schlüsselstellung ein. Interpretationen wie die „unbehauste Mitte“ der Gesellschaft, verweisen darauf, dass sie durch „die gesamte Gesellschaft […] vagabundieren“ (Moebius und Schroer 2010, S. 8). Gleichzeitig zeigt sich, dass diese Sozialfigur nicht nur zu einem „charakteristischen Merkmal der gegenwärtigen Gesellschaft mutiert“ (Moebius und Schroer 2010, S. 8), sondern ihr in linken Kämpfen etwas entgegenzusetzen versucht wird. Ist es nicht auch Aufgabe von einer Sozialen Arbeit, die emanzipatorisch ausgerichtet zu einer solidarischen und gerechteren Gesellschaft beitragen will, Behausungen herzustellen, welche die Zivilgesellschaft in die Lage versetzt, ihre Stärken zur Geltung zu bringen? Stärken wie „ihre Intelligenz, ihre Offenheit, ihre Beweglichkeit, ihre Fähigkeit, den Einzelnen zugleich Rückhalt und Freiraum zu bieten, ihre analytische Energie, ihre Kreativität, ihren Stolz, ihre Vielfalt, ihre Kommunikativität, ihren Humor, ihr geteiltes Wissen […]. All das, was wir entfalten können, wenn wir nicht vor Angst, Depression, Enttäuschung und Verzweiflung gelähmt sind“ (Metz und Seeßlen 2018, S. 20).

Aus dem Dresdner Fenster zu schauen, verstehe ich als hinterfragendes Hinsehen, mit dem Beobachtetes neu bedacht und in Frage gestellt werden kann. Passivität, Taten- und Widerstandslosigkeit könnten mit dem Schauen assoziiert werden. Dieser Rückzug ins Behagliche, hinter ein Fenster, könnte im Widerspruch zu einer, die gesellschaftlichen Verhältnisse verändernden Praxis der Sozialen Arbeit stehen. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass bereits die Analyse, die von in den Feldern der Sozialen Arbeit Tätigen vorgenommen werden kann, einen Eingriff in die Verhältnisse darstellt (vgl. Vogel 2017, S. 20). Das Fenster eröffnet erst die Möglichkeit jener analytisch-reflexiven Perspektive, die für die Vergewisserung einer in gesellschaftliche Verhältnisse eingelassenen Sozialen Arbeit unverzichtbar ist.