Zusammenfassung
Dieser Beitrag befasst sich mit den intersubjektiven Dimensionen von Scham und Beschämung in professionellen Beziehungen der Sozialen Arbeit. Von einer analytischen Position aus soll aufgezeigt werden, dass sich in der Interaktionsbeziehung zwischen Nutzern und Professionellen sozial-situative Kontexte konstituieren können, in denen die Hilfesuchenden Schamgefühle empfinden oder Beschämungen erleben. Hierfür werden zwei Momente in der professionellen Beziehung untersucht, um Scham generierende und beschämende Deutungs- und Handlungsmuster sichtbar zu machen. Zum einen wird angenommen, dass die Nutzer Schamgefühl im Akt des Sprechens über die alltagsweltlichen Problemzusammenhänge entwickeln, wenn sie ihre Integrität nicht schützen können, zum anderen wird nach dem Moment der Beschämung durch die Professionellen im Äquivalenzverhältnis von Hilfe und Dankbarkeit gefragt. In diesem Zusammenhang sieht Bolay den Abbau Scham generierender und beschämungsträchtiger Strukturen als ein wesentliches Qualitätsmerkmal der Sozialen Arbeit (vgl. Bolay 1998).
Abstract
This article deals with the intersubjective dimensions of shame and embarrassment with respect to professional relationships in the field of social work. From an analytical position it is to show that the interaction relationship between users and professionals can constitute social-situational contexts in which the clients feel ashamed or experience embarrassment. For this, two factors are examined in the professional relationship to make moments interpretive and action patterns of shame visible. Firstly, it is assumed that the users develop a sense of shame in the act of talking about the relation of everyday problems if they do not protect their integrity. On the other hand it is looked for the moment of shame on behalf of the professionals in an equivalence ratio of support and gratitude. In this context, Bolay sees the reduction of shame structures as a major quality characteristic of social work (see Bolay 1998).
Notes
Durch die Repräsentation gesellschaftlicher Normerwartungen im Bewusstsein des Subjekts können diese auch in Abwesenheit anderer im Selbst wirksam bleiben, sodass für das Entstehen von Schamgefühlen die physische Präsenz anderer Subjekte nicht unbedingt eine notwendige Voraussetzung darstellt, um sich vor sich selbst oder vor jemandem zu schämen (vgl. Hafeneger 2013).
Dadurch grenzt sich der Gesprächskontext von alltäglichen Kommunikationsprozessen ab. Das Handeln der Professionellen ist eingebunden in ein institutionelles System, das sozialstaatliche und gesetzlich kodifizierte Aufgaben bearbeitet und damit auf einen Zweck gerichtet und zielbestimmt ist. Professionelle Handlungsmechanismen basieren auf wissenschaftlichen, rechtlichen, institutionellen, methodischen, reflexiven und praktischen Wissens- und Erfahrungsbeständen, sodass das Handeln der Sozialpädagogen professionellen Maßstäben und institutionellen Richtlinien folgt (vgl. Dewe und Otto 2005).
Anzumerken ist, dass nicht alle Nutzer freiwillig mit der Sozialen Arbeit in Kontakt kommen. Oftmals steht hinter der Entscheidung professionelle Hilfen in Anspruch zu nehmen ein sozialer Druck oder gar Zwang durch Familienangehörige, Freunde oder anderweitige Institutionen (bspw. Schule, Jugendamt etc.).
Die Verhaltenserwartungen können bspw. darin bestehen, dass die Nutzer mitarbeiten, zu den Terminen erscheinen, Tipps und Ratschläge annehmen, sich kooperativ verhalten oder sich zum Positiven verändern (vgl. Klatetzki 2010).
„Je unkritischer und je weniger reflexiv distanziert sich Personen dem vorherrschenden Leistungs- und Äquivalenzsyndrom gegenüber verhalten (können), desto eher sind sie beschämungsanfällig“ (Bolay 1998, S. 37).
Im Gegensatz dazu ist das Arbeitslosengeld I oder aber auch die Rente von einer solchen Äquivalenzstruktur gekennzeichnet, da man durch das Einzahlen von Beiträgen „Ansprüche erworben“ (Bolay 1998, S. 36) hat und das äquivalente Verhältnis dem Strukturprinzip „Leistung gegen Leistung“ (Bolay 1998, S. 36) folgt. Die Inanspruchnahme dieser Transferressourcen ist sowohl von der gesellschaftlichen, als auch von der individuellen Perspektive her gesehen weitestgehend legitim (vgl. Bolay 1998).
Darüber hinaus sind ein zum Ausdruck gebrachtes Desinteresse an der Person und unverhältnismäßige sowie aus dem Rahmen fallende Prüfungen der Hilfebedürftigkeit weitere Beispiele für beschämende Handlungen, in denen die Nutzer in ihrem Status herabgesetzt werden.
Zum Beispiel können die Nutzer in Bemächtigungsmomenten in eine beschämende Situation gedrängt werden, indem die Professionellen die Problemdeutung der Nutzer infrage stellen oder das ursprüngliche Anliegen umdefinieren (vgl. Bolay 1998). Die professionelle Sicht macht das (vermeintliche) Unvermögen der Hilfesuchenden offenkundig, die eigenen Probleme richtig zu deuten, sodass sich die Nutzer aufgrund des Gefühls der Unterlegenheit der Problemdeutung der Fachkräfte unterwerfen und diese unhinterfragt übernehmen (vgl. Bolay 1998).
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Schröder, C. Schamgenerierende und beschämende Momente in der professionellen Beziehung. Soz Passagen 5, 3–16 (2013). https://doi.org/10.1007/s12592-013-0133-7
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