Zusammenfassung
Die von privaten und industriellen Verbrauchern in Deutschland zu entrichtenden Strompreise gehören mit zu den höchsten in Europa. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Förderung der Erzeugung grünen Stroms via Einspeisevergütungen. Um die Stromkosten-Belastung der Verbraucher nicht weiter zu erhöhen, wurde in jüngster Zeit eine Vielzahl an Vorschlägen unterbreitet, die im Hinblick auf deren Verteilungswirkungen, Umsetzungskosten und politische Realisierbarkeit sowie in Bezug auf die Kostenbelastung für die Industrie und die Auswirkungen auf die Kosteneffizienz, die mit dem künftigen Ausbau der Erneuerbaren verbunden ist, sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Die in diesem Beitrag vorgenommene qualitative Bewertung der meistdiskutierten Vorschläge ergibt, dass alle mehr oder weniger große Mängel bezüglich der hier angelegten Kriterien aufweisen. Vor diesem Hintergrund ist die Politik gefordert, ihre Klimaschutzziele und vor allem die Erneuerbaren-Ziele grundsätzlich zu überdenken. In jedem Fall sollte die Kosteneffizienz des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien erhöht werden, um so künftige Strompreisanstiege zu dämpfen.
Abstract
Germany’s private and industrial consumers have to bear electricity prices that are among the highest in Europe, a major reason being the massive subsidization of green electricity via feed-in tariffs. To dampen future electricity cost increases, numerous suggestions were published recently. They differ substantially with respect to their distributional impacts, transaction costs, political feasibility, and their impact on the cost-effectiveness of the future promotion of renewable technologies. This article’s qualitative evaluation of the most prominent proposals indicates that, more or less, they all fall short with respect to these evaluation criteria. In conclusion, decision-makers would be well advised to reconsider Germany’s renewable energy goals. Consideration should be given to either abolishing these ambitious goals or to improving the cost-effectiveness of the future expansion of renewable energy technologies to dampen the likely continued increase in electricity prices.
Notes
Schienenbahnunternehmen und stromintensive Unternehmen können durch die Besondere Ausgleichsregelung nach dem EEG bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen Antrag auf Reduktion der EEG-Umlage stellen. Im Jahr 2016 kamen laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) 2044 Unternehmen oder selbstständige Unternehmensteile sowie 132 Schienenbahnunternehmen mit 2886 Abnahmestellen in den Genuss der Besonderen Ausgleichsregelung (BMWi 2017c).
Bei einem Stromsteueraufkommen von ca. 6,6 Mrd. € im Jahr 2016 (BMF 2017) bedeutet eine Absenkung des Stromsteuersatzes von heute 2,05 auf 0,1 ct/kWh für private Haushalte und 0,05 ct/kWh für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes einen Steuerausfall von bis zu 6,3 Mrd. €.
In der politischen Realität würde eine Umwidmung des Solidaritätszuschlags zu einem Energiesoli wohl nicht von einem Jahr auf das andere und auch nicht in Gänze erfolgen, sondern erst mittelfristig und allenfalls in Teilen, da der Solidaritätszuschlag nach den Plänen der großen Parteien erst ab dem Jahr 2020 abgeschmolzen bzw. teilweise abgeschafft werden soll.
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Danksagung
Für wissenschaftliche Vorarbeiten und Kommentare bin ich Lukas Tomberg und Stephan Sommer besonderen Dank schuldig. Ich danke dem Verband der chemischen Industrie (VCI) für die finanzielle Unterstützung dieses Beitrags.
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Frondel, M. Die Verteilung der Kosten des Ausbaus der Erneuerbaren. Z Energiewirtsch 42, 103–116 (2018). https://doi.org/10.1007/s12398-018-0219-1
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