1 Hintergrund, Ziel und Bereich

Moose eigenen sich für die Erfassung der Anreicherung atmosphärisch deponierter Stoffe wie Metalle und Stickstoff und werden zu diesem Zweck auf lokaler, regionaler und bis hin zur kontinentalen Ebene eingesetzt (Bealey et al. 2008a, b; Forster et al. 1993; Genßler et al. 2001; Herpin et al. 2004; Kostka-Rick et al. 2001; Mohr 1999, 2007; Rühling und Tyler 1968, 1969, 1970; Schröder et al. 2008; Tyler 1990; Wappelhorst et al. 2000; Zechmeister et al. 2006). Deutschland beteiligt sich seit 1990 alle fünf Jahre an den Heavy Metals in Mosses Surveys, die von der UNECE auf Grundlage des Genfer Luftreinhalteabkommens (Convention on Long-Range Transboundary Air Pollution, CLRTAP) im Fünfjahresturnus an mindestens 1,5 Standorten pro 1000 km2 europaweit durchgeführt werden. Dabei werden die Anreicherungen von Metallen (seit 1990) und Stickstoff (seit 2005) ermittelt und in Berichten der Working Group on Effects (WGE) der CLRTAP und des Programmzentrums des International Cooperative Programme on Effects of Air Pollution on Natural Vegetation and Crops (ICP Vegetation) veröffentlicht (http://icpvegetation.ceh.ac.uk/) (Harmens et al. 2008). Einen Überblick der Metall- und Stickstoffgehalte in Deutschland zwischen 1990 und 2005 geben Schröder et al. (2009).

Chemische Analyse und Datenauswertung der deutschen Moosmesskampagnen erfolgen im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA). Die Bundesländer übernehmen die Moosprobenentnahme. Der Arbeitskreis Bioindikation/Wirkungsermittlung der Landesämter und -anstalten für Umweltschutz (AKB) und ein Vertreter des UBA begleiten das Moosmonitoring als wissenschaftlicher Beirat. Neben den europa- und bundesweiten Auswertungen sind auch räumlich differenziertere Auswertungen auf der Ebene der Bundesländer von Interesse. Dieser Artikel behandelt die Kartierung der Metallanreicherung in Mecklenburg-Vorpommern seit 1990, der Stickstoffanreicherung 2005 sowie die räumliche Varianz der Metallbioakkumulation in Abhängigkeit von Eigenschaften der Probeentnahmestellen und ihrer Umgebung bei Berücksichtigung der modellierten Gesamtdeposition (EMEP – Ilyin et al. 2006; Ilyin 2009) von Cd, Hg und Pb.

2 Material und Methoden

2.1 Datenerhebung

In Mecklenburg-Vorpommern wurden 1990 an 37 Standorten Moose beprobt, 1995 an 114, 2000 an 113 und 2005 an 49 Stellen. Das entspricht einer räumlichen Beprobungsdichte von 1,6, 4,9, 4,9 und 2,1 Sammelstellen pro 1000 km2. Damit werden sowohl die entsprechenden deutschlandweiten Werte (1,7, 2,9, 2,9, 2,0) sowie die Mindestvorgabe der Richtlinie (1,5 Moosprobenentnahmestandorte pro km2, Harmens 2005) erfüllt. Die Messnetzausdünnung zwischen 2000 und 2005 erfolgte ohne signifikante Auswirkungen auf die geostatistische Validität und Landschaftsrepräsentanz des Moosmessnetzes für das Bundesgebiet und jedes einzelne Bundesland (Pesch et al. 2008; Schröder et al. 1991, 2004; Schröder und Schmidt 2000). Die Entnahme und chemische Analyse der gesammelten Moose erfolgte nach der europaweit verwendeten Richtlinie (Harmens 2005). Die Massenkonzentrationen der Elemente Aluminium (Al), Barium (Ba), Calcium (Ca), Kupfer (Cu), Eisen (Fe), Kalium (K), Magnesium (Mg), Mangan (Mn), Natrium (Na), Strontium (Sr), Titan (Ti) und Zink (Zn) wurden in der Aufschlusslösung mit ICP-OES nach DIN EN ISO 11885 (E 22) und VDLUFA Methodenbuch 2.2.2.6 gemessen. Die Massenkonzentrationen der Elemente Arsen (As), Cadmium (Cd), Kobalt (Co), Chrom (Cr), Molybdän (Mo), Nickel (Ni), Blei (Pb), Antimon (Sb) und Vanadium (V) wurden mit ICP-MS nach DIN 38406-29 (E 29) und VDLUFA Methodenbuch 2.2.2.5 bestimmt, die Gehalte von Quecksilber (Hg) in den Moosen mit einem Quecksilberanalysator (thermostatisierte Zweiwegzelle) nach DIN EN 1483 und VDLUFA Methodenbuch VII. Die Massenkonzentration vom Gesamt-N (Gesamtstickstoff) wurde mit einem C/N-Analyser (Wärmeleitfähigkeitsdetektor) nach VDLUFA Methodenbuch II 3.5.2.7 durch die Verbrennung von 0,2 g Moosprobenmaterial im Sauerstoffstrom ermittelt. Die Qualität der Messungen und Probenentnahmen wurde, beginnend mit der Planung und der Schulung der Moosprobensammler, in mehreren Schritten sichergestellt und kontrolliert (Funk et al. 2006; Schröder et al. 1991, 2004, 2009): Die analytischen Kontrollen erfolgten durch die Messung der von Steinnes et al. (1997) beschriebenen Referenzmaterialien M2 (hohe Metallkonzentrationen) und M3 (Hintergrundwerte) in jeder Messserie sowie durch Austausch und Messung von Moosproben, die auf beiden Seiten der Grenzen Deutschlands zu benachbarten Staaten gesammelt wurden. Die Daten wurden von den Teilnehmerstaaten und nachfolgend auch vom Programmzentrum des ICP Vegetation daraufhin überprüft, ob sie den Anforderungen nach Steinnes et al. (1997) entsprechen. In Deutschland erfolgte dies zuvor durch den Arbeitskreis Bioindikation/Wirkungsermittlung der Landesanstalten und -ämter für Umweltschutz: Auffällige Messwerte, die entweder über dem bundes- oder dem landesweiten 98. Perzentil lagen, wurden anhand der Metadaten im WebGIS MossMet (Abschn. 2.2) zusammen mit Geoinformationen u. a. zur Landnutzung in der Umgebung der Moosprobenentnahmeorte geprüft. Hierzu wurden die über das WebGIS MossMet zugänglichen Probenentnahmeprotokolle und Standortbeschreibungen analysiert sowie Probensammler und ortskundige Fachleute befragt. Ferner wurde ermittelt, ob die Daten derselben Messpunkte bereits bei vorangegangenen Surveys auffällig waren. Anschließend wurde eingeschätzt, ob die Werte der regional zu erwartenden Belastung entsprechen. Erschien der gefundene Wert auch danach nicht erklärbar, so wurde dieser nicht weiter berücksichtigt.

2.2 Datenauswertung

Die flächenhafte Kartierung der Anreicherung atmosphärischer Depositionen erfolgte mit geostatistischen Verfahren (Matheron 1965; Webster und Oliver 2001). Die Qualität dieser geostatistischen Flächenschätzungen wurde durch Kreuzvalidierung ermittelt (Johnston et al. 2001; Pesch 2003; Pesch et al. 2007b). Für die Berechnung des Multimetallindizes (MMI) wurden pro Element 10 Perzentilklassen gebildet. Jedem Mess- und Schätzwert wurde dann je nach Zugehörigkeit zu einer Perzentilklasse ein Indexwert zwischen 1 (niedrige Akkumulation) und 10 (hohe Anreicherung) zugewiesen. Der MMI1990–2005eines jeden Moossammelortes oder eines geostatistisch interpolierten Rasterschätzwertes entspricht dem Durchschnitt der dort ermittelten elementspezifischen Indexwerte der Konzentrationen von As, Cd, Cr, Cu, Fe, Ni, Pb, V, Ti und Zn, die durchgängig 1990, 1995, 2000 und 2005 in Mecklenburg-Vorpommern gemessen bzw. geostatistisch geschätzt wurden.

Die Messdaten der Monitoringkampagnen 1990, 1995, 2000 und 2005 sowie die daraus berechneten MMI wurden im WebGISMossMet dokumentiert und sind darüber dem Bund, den Ländern sowie dem ICP Vegetation zugänglich (Kleppin et al. 2008b; Pesch et al. 2007a). Ferner wurden in das Informationssystem folgende Daten eingebaut: 1. standortspezifische Informationen: ökologische und topografische Eigenschaften des Moosbeprobungsortes, Ablauf und meteorologische Randbedingungen der Moosprobenentnahme, 2. flächenhafte Informationen über: Klima, Höhenlage über NN, Flächenanteile forstlicher, agrarischer und urbaner Landnutzung nach CORINE Land Cover (Keil et al. 2005), atmosphärische Depositionen aus dem EMEP-Luftmessnetz des Umweltbundesamtes (wet onlyFootnote 1), aus dem ICP-Forest-Messnetz (Freiland- und Bestandesdeposition), bundesweite Flächenschätzungen der modellierten Nass-, Trocken- und Gesamtdeposition von Cd, Pb (Gauger et al. 2002) sowie europaweite Flächenschätzungen der modellierten Gesamtdeposition von Cd, Hg und Pb (EMEP).

Stärke und Richtung der statistischen Zusammenhänge zwischen Metallkonzentrationen in Moosen und gemessenen Depositionen (bulkFootnote 2 und Wet-only-Freiland, Bestandesdeposition), zwischen Metallgehalten und modellierter Nass-, Trocken- und Gesamtdeposition (Gauger et al. 2002) sowie zwischen Metallkonzentrationen in Moosen und europaweit modellierter Gesamtdeposition wurden durch (Rang-)Korrelationskoeffizienten bzw. durch das Kontingenzmaß CramérsV quantifiziert. Zur Identifikation von mehrdimensionalen Interaktionsnetzen wurden zusätzlich multivariat-statistische Korrelationsmuster mit Chisquare Automatic Interaction Detection (CHAID, Kass 1980) am Beispiel der Cu-Konzentrationen 2005 berechnet. Dabei dienten die standortbeschreibenden Metainformationen sowie flächenhaft vorliegende Daten zur Umgebungsbeschreibung als Prädiktoren.

In dichten Waldbeständen werden Moosproben, die innerhalb des Kronentraufenbereichs entnommen wurden, stärker mit Ammonium und Nitrat beaufschlagt als solche Proben, die außerhalb des Kronenraumes gesammelt wurden. Dadurch kann es zu einer Verzerrung des großräumigen Verteilungsmusters kommen (Mohr 2007). Um diesen in manchen Regionen unvermeidbaren Einfluss zu berücksichtigen, erfolgte eine Umrechnung der Stickstoffkonzentrationen mit den Schwefelgehalten in den Moosen; denn die S-Konzentrationen in Moosen variieren bei den gegenwärtig niedrigen SO2-Immissionen großräumig nur gering (Mohr 1999), sodass Unterschiede der S-Gehalte vorrangig auf abweichende Depositionsbedingungen am Probenentnahmeort zurückzuführen sind. Aufgrund der hohen Korrelation sedimentierender S- und N-Einträge im Niederschlag (Dämmgen 2005) sowie solcher in den untersuchten Moosen (2005: r = 0,83, p < 0,0001) kann der S-Gehalt als Indikator für den Traufeeinfluss der Begleitvegetation (vornehmlich Bäume und Sträucher) und zur Standardisierung der N-Gehalte herangezogen werden. Die Umrechnung basiert auf der folgenden empirischen Formel: Nkorrigiert = [1000/S – Konzentration] × Ngemessen. Hierbei entspricht 1000 µg g–1 S der zu erwartenden S-Bioakkumulation unter Freilandbedingungen. Dieser Wert wurde in Niedersachsen unter Freilandbedingungen festgestellt. Höhere S-Konzentrationen resultierten aus Probenentnahmen in Entfernungen < 10 m zu Gehölzbeständen (Mohr 2007).

3 Ergebnisse

Scleropodium purum ist in Mecklenburg-Vorpommern die am häufigsten gesammelte Moosart, Pleurozium schreberi mit Ausnahme vom Jahr 2000 das zweithäufigste (Tab. 1). Hypnum cupressiforme war 2000 das zweithäufigste Moos und erreichte 1995 einen Anteil von 10,5 %, wurde jedoch in den Kampagnen 1990 und 2005 nicht berücksichtigt. Die räumliche Struktur des Messnetzes und der in Mecklenburg-Vorpommern gesammelten Moosarten zeigt Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Messnetzverteilung und beprobte Moosarten in Mecklenburg-Vorpommern 1990–2005

Tabelle 1 Beprobte Moosarten in Mecklenburg-Vorpommern 1990 bis 2005

Tabelle 2 gibt anhand der Perzentilstatistik und des zusammenfassenden MMI einen Überblick der zeitlichen Entwicklung der Bioakkumulation der zwölf Standardmetalle. Von 1990 bis 2005 nahmen As, Cu, Fe, Ni, Pb, Ti, V und MMI signifikant ab, Cr und Zn signifikant zu (Tab. 3). Die Cr- und Zn-Werte in 2005 überschreiten sogar diejenigen, die in den Moosen 1990 gemessen wurden. Auffällige Cr-Gehalte, die 2005 mit durchschnittlich (Median) 7,18 mg kg–1 deutlich über dem bundesweiten Durchschnittswert (3,71 mg kg–1) lagen, wurden auch in anderen Bundesländern festgestellt – allerdings nicht so deutlich ausgeprägt (Schröder et al. 2009).

Tabelle 2 Deskriptiv-statistische Maßzahlen der Elementgehalte in Mecklenburg-Vorpommerschen Moosen 1990–2005 (Maßeinheit für die Perzentilangaben: µg/g)
Tabelle 3 Inferenz-statistische Analyse der Entwicklung der Stoffanreicherungen in Mecklenburg-Vorpommern 1990–2005

Die räumliche Differenzierung der in Tab. 2 beschriebenen zeitlichen Entwicklung der Stoffanreicherung wird am Beispiel des MMI1990–2005 in Abb. 2 und für Stickstoff in Abb. 3 kartografisch veranschaulicht. Die Trendumkehr der Metallexposition sowie die beiden Zentren der Stickstoffanreicherung gehen aus den Karten klar hervor.

Abb. 2
figure 2

Zeitlicher Verlauf der Akkumulation von Metallen in Moosen in Mecklenburg-Vorpommern 1990–2005

Abb. 3
figure 3

Stickstoffakkumulation in Moosen in Mecklenburg-Vorpommern 2005

Bei der Untersuchung von statistischen Zusammenhängen zwischen der Metallanreicherung und möglichen Einflüssen wurden die bei der Moosprobenentnahme erhobenen Informationen über Eigenschaften der Sammelorte und ihrer Umgebung berücksichtigt, welche die Landnutzung und insofern potenzielle Quellen für Metalle und Stickstoff in ihrer Umgebung kennzeichnen. Ferner standen die Cd-, Hg- und Pb-Konzentrationen der für Europa flächendeckend modellierten Gesamtdeposition (EMEP) zur Verfügung.

Die Ergebnisse der bivariaten Korrelationsanalysen werden für metrische Daten in Tab. 4 in Form des Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman (rs) und in Tab. 5 für die kategorialen Daten durch das Kontingenzmaß Cramérs-V-Werte präsentiert. Die Werte dieser beiden Zusammenhangsmaße liegen, sofern statistisch signifikant, überwiegend zwischen 0,3 und 0,6. Die in den Moosen Mecklenburg-Vorpommerns gemessenen Stickstoffgehalte rangieren zwischen 1,3 und 2,3 % und sind negativ korreliert mit dem Waldflächenanteil und im selben Maße (rs ≈ │0,4│) positiv korreliert mit dem Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen in der Umgebung der Beprobungsstellen. Außer Cd, Pb und Sb sind alle Metallkonzentrationen in den Moosen negativ mit dem Waldflächenanteil korreliert (│0,2│ ≤ rs ≤│0,4│). Im selben Maße sind alle Metalle außer Cd positiv mit dem Agrarflächenanteil im Umfeld der Beprobungsorte assoziiert. Mit Ausnahme von Cr sind alle Metallkonzentrationen in den Moosen negativ mit den Niederschlagssummen im o. g. Wertebereich korreliert. Nur die Cu- und Zn-Gehalte der Moose weisen keine bzw. eine negative Korrelation mit der Bestandeshöhe auf, für alle anderen Stoffe außer Zn werden positive Zusammenhänge nachgewiesen (max. rs = 0,48). Alle Stoffe außer Cr sind mit Art, Wuchsform und Häufigkeit der Moose an den Beprobungsorten signifikant assoziiert (│0,29│ ≤ rs ≤│0,56│). Zwischen der modellierten Gesamtdeposition und den Konzentrationen von Cd, Hg und Pb in den Moosen (nicht aufgeführt in der Tab. 4) konnten für Hg bei p < 0,1 keine Korrelationen nachgewiesen werden. Für Pb betrug 1995 r = 0,52 bei p = 0,012. Für die anderen Erhebungsjahre ließen sich keine Korrelationen mit p < 0,05 finden.

Tabelle 4 Korrelationsanalytische Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Stoffakkumulation in Mecklenburg-Vorpommerschen Moosen 1990–2005
Tabelle 5 Kontingenzanalytische Untersuchung von Einflussfaktoren auf die Stoffakkumulation in Mecklenburg-Vorpommerschen Moosen 1990–2005

Die CHAID-Analyse identifiziert die statistisch wichtigsten Begleitmerkmale der Cu-Akkumulation in Moosen (Abb. 4). Hierbei handelt es sich um die Häufigkeit der Moosarten am Beprobungsort, die Moosart sowie die Entfernung der Moossammelstelle zu Autobahnen und Ostsee. Der mittlere Akkumulationswert der an 49 Orten im Jahr 2005 beprobten Moose betrug 9,4 µg Cu/g Trockensubstanz Moos. Wird an den Beprobungsstellen das zu beprobende Moos häufig gefunden, was an 25 Standorten der Fall war, dann beläuft sich der durchschnittliche Wert angereicherten Kupfers auf 8,3 µg/g. An diesen Standorten gesammeltes Pleurozium schreberi enthielt rund 6,7 µg Cu/g Moostrockensubstanz, Scleropodium purum 9,0 µg/g. An Beprobungsorten mit seltenem Moosvorkommen sind die Cu-Konzentrationen negativ korreliert mit der Entfernung zu Autobahnen, hingegen positiv mit der Distanz zur Ostsee.

Abb. 4
figure 4

CHAID-Dendrogramm der Cu-Anreicherung in Moosen Mecklenburg-Vorpommerns 2005

4 Diskussion

Auch in Mecklenburg-Vorpommern lässt sich mit dem Moosmonitoring aus den Jahren 1990 bis 2005 nachweisen, dass die abnehmenden Metallemissionen und -depositionen in Deutschland auch zu sinkenden Metallkonzentrationen in Moosen führten. Allerdings belegt das Moosmonitoring auch, dass die Gehalte einiger Metalle von 2000 bis 2005 statistisch signifikant angestiegen sind. Wie im gesamten Bundesgebiet war dieser Trend bei Cr auch in Mecklenburg-Vorpommern zu beobachten, dort jedoch am deutlichsten. Da vorhandene Depositionsmessdaten keine Hinweise zu möglichen Immissionseinflüssen ergaben, erfolgte im Jahr 2007 eine wiederholte Beprobung an ausgewählten Punkten in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. In den drei erneut beprobten Regionen bestätigten sich die hohen Cr-Konzentrationen tendenziell (Mohr et al. 2009). Häufig wiesen die Cr-belasteten Proben einen starken Besatz mit Grünalgen auf, was auf das humide Klima und die in dieser Region erhöhten N-Depositionen zurückzuführen ist (Mohr 2007). Grünalgen weisen ein hohes Potenzial zur Biosorption von Schwermetallen auf. Untersuchungen der aus coccalen und fädigen Algen bestehenden Gallerte ergaben zum Teil sehr hohe Cr-Konzentrationen zwischen 2 und 38 mg kg–1(Klimmek 2003). Der Eintrag von Cr erfolgt offensichtlich überproportional über die trockene Deposition (Tab. 4). Durch ein Zusammenwirken dieser und anderer Umweltbedingungen erhöht sich möglicherweise die Bioverfügbarkeit von Cr. Der durch erhöhte N-Depositionen zunehmend auch an anderen Umweltmedien festgestellte Algenbesatz (Mohr 2007) könnte dabei eine Rolle spielen: Bei Zugabe von Cr3+ in Grünalgenkulturen kommt es zu einer raschen Oxidation zum stärker löslichen und im Extrakt messbaren Cr6+. Die Ergebnisse des Moosmonitoring geben die Cr-Depositionen möglicherweise nicht ausreichend wieder, aufgrund der Toxizität von Cr6+ erhalten diese Ergebnisse dennoch eine besondere Bedeutung.

Die Korrelationsanalysen zeigen, dass die statistischen Beziehungen zwischen den in den Moosen akkumulierten Metallen und Stickstoff sowie Eigenschaften der Beprobungsorte und ihrer Umgebung plausibel und überwiegend niedrig bis mittelstark ausgeprägt sind. Diese Zusammenhänge vermögen es, kleinräumige Varianzen der Metall- und Stickstoffgehalte zu erklären. Die Korrelationen zwischen den modellierten EMEP-Depositionsdaten lassen sich – bezogen auf das Territorium Deutschlands – für einige Orte und Stoffe mit Daten aus Depositionsmessnetzen tendenziell bestätigen: Bulk-Depositionsdaten stehen im Bundesgebiet für Freiland und Bestand im Falle von Cd von n = 18 Standorten und bei Pb von n = 19 Standorten zur Verfügung. Wet-only-Depositionsdaten (Freiland) sind für Cd von sechs Standorten des UBA-Luftmessnetzes und des ICP Integrated Monitoring nutzbar, Pb wird hier nicht bestimmt (Schröder et al. 2009). Vergleichend lassen sich ferner bundesweite Depositionsmodellierungen für Cd und Pb (Gauger et al. 2002) hinzuziehen. All diese zum Vergleich genutzten Daten zeigen, dass die Rangkorrelationen zwischen den Metallkonzentrationen in Moosen einerseits und den verfügbaren Depositionsdaten sowie modellierter Nass-, Trocken- und Gesamtdeposition andererseits nach Stoffen und Depositionspfad variieren. Bundesweit ergeben sich auf der Grundlage der wenigen Messstationen (s. o.) hohe und sehr hohe Korrelationen zwischen den Konzentrationen von Cd in Moosen und in der Wet-only-Deposition (Schröder et al. 2010). Keine bis niedrige Korrelationen (0,0 ≤ rs ≥ 0,2) weisen die Konzentrationen von Cd und Pb in Moosen und Kronentrauf-bulk-Depositionen auf. Die statistischen Beziehungen zwischen der Cd- und Pb-Konzentration in der Bulk-Deposition im Freiland und in Moosen beläuft sich auf 0,0 ≤ rs ≥ 0,5. Die Korrelationen von Cd in Moosen und den modellierten Depositionen sind niedrig und variieren zeitlich, stoffspezifisch und nach modelliertem Depositionspfad: Die höchsten Korrelationen bestehen zwischen den Konzentrationen von Cd in Moosen und in der Gesamtdeposition (rs ≈ 0,35) (Schröder et al. 2009). Cd in der Gesamtdeposition und in Moosen sind europaweit mit rs = 0,65 korreliert (Schröder et al. 2010).

Inwieweit Eigenschaften der Moosprobenentnahmestellen und ihrer Umgebung mit den Stoffgehalten in den Moosen statistisch verknüpft sind, wurde bivariat- und multivariat-statistisch untersucht. Die Befunde bestätigen zum Teil diejenigen für das Bundesgebiet oder einzelne Bundesländer. Es zeigt sich jedoch, dass es regionale Besonderheiten gibt. Diese bestehen in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise in dem Einfluss der Distanz zum Meer und zu Autobahnen, der räumlichen Dichte des beprobten Mooses und vor allem dem starken Anstieg der Cr-Anreicherungen. Was die Begleitfaktoren der Akkumulation angeht, bestehen die engsten Beziehungen außer zu den zuvor genannten Einflüssen und den Depositionen zu den Moosarten, der Entfernung zu Gehölzen an der Probenentnahmestelle sowie der Landnutzung in ihrer Umgebung. Für Deutschland wurden entsprechende Untersuchungen anhand der Daten aus dem Moosmonitoring 2000 bereits von Kleppin et al. (2008a), Pesch und Schröder (2006) sowie Schröder und Pesch (2005) vorgestellt, für Frankreich von Holy et al. (2009b), für mehrere europäische Länder anhand der Monitoringdaten 2000 von Schröder et al. (2008) sowie für alle Teilnehmerstaaten des Moosmonitorings anhand der Messkampagne 2005 von Holy et al. (2009a).

Diese Untersuchungen sowie die vorliegende Studie zeigen, dass die Verknüpfung der Messdaten mit den Eigenschaften der Moossammelorte sowie deren Umgebung plausible Erklärungen für die lokale und regionale Messwertvarianz liefern. Die diesbezügliche Aussagekraft ist gegenüber den bis zum Jahr 2008 veröffentlichten Studien dadurch gestiegen, dass Informationen über Emissionen erstmals in die Auswertungen einbezogen wurden (Holy et al. 2009a). In Frankreich und Deutschland werden die höchsten MMI-Werte für Gegenden mit hohem Flächenanteil urbaner Landnutzung ermittelt. Während in Frankreich auch eine positive Korrelation der MMI (2005) mit der Höhenlage über NN gefunden wurde (Holy et al. 2009b), konnte dies von Schröder et al. (2009) anhand der deutschlandweiten Daten aus dem Jahr 2005 ebenso wenig bestätigt werden wie von Pesch et al. (2007b) auf Grundlage der Daten aus dem Jahr 2000. In den für einzelne Bundesländer durchgeführten Auswertungen hingegen zeigen sich elementspezifische Korrelationen zwischen der Höhe über NN und den Konzentrationen in Moosen. Die Dichte der Moosdecke wurde in Frankreich und Deutschland als weiterer wichtiger Standortfaktor für die Metallakkumulation identifiziert (Holy et al. 2009b, Pesch et al. 2007b).

5 Schlussfolgerungen

Die hohen Cr-Werte in den Moosen Mecklenburg-Vorpommerns sind ein Beleg dafür, dass es zweckmäßig ist, methodisch komplementäre Umweltbeobachtungssysteme wie z. B. das Moosmonitoring und Depositionsmessnetze nebeneinander zu betreiben. Biomonitoringverfahren sind anders als physikalische Messnetze in der Lage, Auswirkungen von Wechselwirkungen sich wandelnder Umweltbedingungen zu erfassen. Hierauf deutet die Tatsache hin, dass das Moosmonitoring einen z. T. drastischen Anstieg der Cr-Exposition belegt, dies jedoch von Depositionsmessungen nicht bestätigt wurde. Die hinter dem Cr-Phänomen möglicherweise stehenden Ursachen wurden andiskutiert, eine Klärung alleine aus dem Datenbestand des Moosmonitorings ist jedoch nicht möglich. Dennoch stellt das Moosmonitoring eine wichtige Ergänzung zu den Depositionsmessnetzen dar. Diese liefern gegenüber dem Moosmonitoring zeitlich besser aufgelöste Informationen. Die hohe räumliche Auflösung der Daten aus dem Moosmonitoring ist für die räumliche Modellierung der Deposition nützlich, denn es liefert derzeit die einzige Datengrundlage für eine Validierung ihrer räumlichen Differenzierung. Das Moosmonitoring gibt Auskunft darüber, welche Stoffe in welcher Höhe an natürlichen Rezeptoren der atmosphärischen Deposition ankommen. Zudem ist die Bioakkumulation von Stoffen in der Umwelt für die ökotoxikologische Bewertung der Erheblichkeit von Stoffeinträgen z. B. in Naturschutzgebieten und FFH-Gebieten aussagekräftiger als die gemessene atmosphärische Deposition. Das Moosmonitoring ermöglicht nicht nur die Bestimmung der Umweltkonzentration von Stoffen, sondern immissionsschutzrechtlich relevante Beiträge zur Wirkungsermittlung, denn die Stoffanreicherung in einem Organismus ist die Vorstufe einer potenziellen physiologischen Wirkung. Insofern ist das passive Expositionsmonitoring mit Moosen insbesondere im Hinblick auf Vorsorgemaßnahmen wichtig. Technische Depositionsmessungen und die Bestimmung der Akkumulation von Stoffen in Ökosystemkompartimenten resultieren in Informationen zu verschiedenen, aufeinanderfolgenden Schritten in der Prozesskette Emission, Immission, Deposition sowie Akkumulation/Wirkung. Das Moosmonitoring ist ein wichtiges Bindeglied zwischen technischen Depositionsmessungen und biologischen Wirkungen. Ein Schwermetallindikator auf Grundlage der Moosmonitoringdaten liegt für einzelne Naturräume, Bundesländer und Schutzgebiete vor.

6 Empfehlungen und Ausblick

Das Moosmonitoring sollte zukünftig enger mit dem Humanbiomonitoring verknüpft werden, denn die räumlich differenzierte Erfassung der Beziehungen zwischen der inneren Exposition von Probanden durch Humanbiomonitoring einerseits sowie der äußeren Exposition innerhalb und außerhalb von Gebäuden durch Umweltmonitoring andererseits fehlt (Pesch et al. 2009). Eine methodische Verknüpfung von Indoor- und Outdoorexpositionsmonitoring könnte durch die Verwendung derselben Schadstoffrezeptoren im Indoor- und im Outdoorbereich ermöglicht werden. Untersuchungen zeigen, dass Moos ein sehr gut geeignetes Rezeptormedium für das Indoor- und Outdoorexpositionsmonitoring ist. Ziel sollte es sein, eine Biomonitoringmethode für die Langzeiterfassung organischer und anorganischer Schadstoffe mit einem Rezeptor zu entwickeln und zu erproben, der über ein breites Spektrum von Stoffen und Klimabedingungen im Indoor- und Outdoormonitoring einsetzbar ist und die Beziehungen zwischen innerer Exposition und äußerer Exposition (indoor, outdoor) zuverlässig erfasst (Zechmeister et al. 2007).