Zusammenfassung
Im Entwurf der Solvency II Rahmenrichtlinie wird auch die Aufsicht über Versicherungsgruppen grundlegend umgestaltet. Das neue Konzept etabliert eine eigenständige Gruppenaufsichtsbehörde (sog. „Group Supervisor“), auf den die derzeitigen gruppenaufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten der nationalen Solo-Aufsichtsbehörden konzentriert werden. Als Gruppenaufsichtsbehörde fungiert regelmäßig diejenige nationale Aufsichtsbehörde, welche das letzte (also auf höchster Ebene) beteiligte Versicherungs- oder Rückversicherungsunternehmen zugelassen hat. Doch die Kompetenzverlagerung geschieht nicht konsequent genug – neben der Aufsicht über die gesamte Gruppe im EU-Raum durch die Gruppenaufsichtsbehörde besteht für die Mitgliedsstaaten das Wahlrecht, ihren Aufsichtsbehörden die zusätzliche Beaufsichtigung nationaler Teilgruppen und mitgliedsstaatenübergreifender Teilgruppen zu gestatten.
Zentrale Bestimmungen sind die Regelungen zur Ermittlung der Solvabilität der Gruppe, die entweder nach dem Standardmodell oder einem von der Gruppenaufsichtsbehörde zu genehmigenden internen Modell berechnet werden kann. Erfreulicherweise können hier auch Diversifikationseffekte berücksichtigt werden, allerdings – unerfreulicherweise – nur bei Zugrundelegung des konsolidierten Abschlusses. Die Gruppe bekommt ferner die Möglichkeit, ein Unterstützungssystem (sog. „Group Support“) zu etablieren. Gruppenangehörige Unternehmen können in diesem Rahmen einen Teil der Solo-Solvabilitätsanforderung durch eine Unterstützungszusage des Unternehmens an der Gruppenspitze abdecken. Obwohl die Gruppenaufsichtsbehörde in den Bereichen Gruppensolvabilität und Group Support die wesentlichen Entscheidungen trifft, haben die nationalen Solo-Aufsichtsbehörden eine Reihe von Kompetenzen, die bewirken, dass das Ziel der „Aufsicht aus einer Hand“ nicht vollkommen erreicht wird.
Trotz einiger Defizite stellt die Modernisierung der Gruppenaufsicht aber eine erhebliche Verbesserung des rechtlichen Rahmens für Unternehmen und Aufsicht dar.
Abstract
The proposal of the Solvency II Framework Directive substantially changes the supervision of insurance groups. The new concept establishes a genuine authority for group supervision (Group Supervisor) that takes over the competences for group supervision from the national solo-supervisory authorities. The national supervisory authority that has authorized the group’s top-level insurance or reinsurance undertaking regularly acts as Group Supervisor. However, the shift of competences does not go far enough – alongside the supervision of the entire group within the territory of the EU by the Group Supervisor, the Member States are authorized to allow their national supervisory authorities the additional supervision of national subgroups and subgroups covering several Member States.
The provisions concerning the determination of the group’s Solvency Capital Requirement (SCR) are of pivotal importance: The SCR can be calculated on the basis of either the standard formula or an internal model approved by the Group Supervisor. As a highly welcome development, diversification effects can be taken into account in the calculation. On the negative side, this possibility is restricted to those groups, calculating on the basis of the consolidated account. Furthermore the group may implement a group support system. Within this system, subsidiaries may cover a part of their solo-SCR by obtaining a commitment of support of the group’s top-level undertaking. Even though the Group Supervisor makes the essential decisions in the field of group solvency and group support, the national supervisory authorities are also provided with some competencies. This leads to the conclusion that the objective of creating a coherent supervision has only been partly achieved.
In spite of these shortcomings the modernization of the group supervision is a major improvement of the legal framework for both, companies and supervisory authorities.
Notes
CEIOPS (2008), Hinweis: Dem Vortrag lag noch der am 25. Februar 2008 veröffentlichte Entwurf (CEIOPS CP 02/08) zu Grunde, der hinsichtlich der hier behandelten Aspekte allerdings keine wesentlichen Änderungen erfahren hat.
Artikelbezeichnungen ohne Angaben der Normquelle beziehen sich auf den Kommissionsentwurf der Solvency II-Rahmenrichtlinie [KOM (2008) 119].
Auf europäischer Ebene ist ferner das „Protocol Relating to the Collaboration of Supervisory Authorities of the Member States of the European Union with Regard to the Application of Directive 98/78/EC […]“ (sog. „Helsinki-Protokoll“) der Versicherungsaufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten vom 11. Mai 2000 zu nennen, das eine Vertiefung und Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden bezweckt. Ferner hat CEIOPS auf Basis von Gruppenrichtlinie und Helsinki-Protokoll in verschiedenen Veröffentlichungen Richtlinien für die Kooperation der Aufsichtsbehörden entwickelt. Auch die „International Association of Insurance Supervisors“ (IAIS) hat in verschiedenen Veröffentlichungen Standards für die Gruppenaufsicht erstellt, vgl. International Association of Insurance Supervisors (2003); (2008); (2000); (2002).
Die in die Beaufsichtigung der Gruppe einbezogenen Aufsichtsbehörden sind jedoch zur Verbesserung der Kooperation angehalten, sog. „Coordination Commitees“ („CoCos“) zu bilden (Art. 2.2, Helsinki Protokoll), dessen Arbeit durch einen „Key Coordinator“ oder einen „Lead Supervisor“ koordiniert bzw. maßgeblich durchgeführt wird (vgl. Art. 2.3 in CEIOPS 2005; vgl. auch CEIOPS 2007 (Doc. 16/07) und 2008 (Doc. 07/08). Fast alle Aufsichtsbehörden der in der EU aktiven Versicherungsgruppen sind dieser Aufforderung gefolgt (CEIOPS 2007 (Doc. 17/07), Rn. 6 ff.)).
Der regelmäßige Austausch wesentlicher Informationen wird bereits in der Richtlinie vorgesehen, siehe etwa Art. 253 (1); zur Optimierung von Kooperation und Informationsaustausch vgl. auch IAIS (2008), Rn. 37.
Eine eigenständige Gruppenmindestkapitalanforderung ist demgegenüber nicht zu berechnen. Allerdings darf das Gruppensolvenzkapital nicht unter der Summer der MCRs der gruppenangehörigen Einzelunternehmen liegen (Art. 228 (2) UA 2 a).
Art. 228 (1); diese Ungleichbehandlung gegenüber der Berechnung nach der Abzugs- und Aggregationsmethode – hier können Diversifikationseffekte nicht berücksichtigt werden – ist vor dem Hintergrund des ungeschriebenen gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht unproblematisch.
Die Regelungen der Art. 234–246 gelten sowohl für Versicherungsunternehmen die Tochter eines Versicherungsunternehmens sind, als auch für Versicherungsunternehmen, die Tochter einer Versicherungsholdinggesellschaft sind, Art. 247.
U. a. müssen die betroffenen Tochterunternehmen in die Gruppenaufsicht einbezogen sein, das Risikomanagement wie auch die internen Kontrollmechanismen des Mutterunternehmens müssen auch das Tochterunternehmen mit einschließen und das Mutterunternehmen muss die zuständigen Aufsichtsbehörden von der umsichtigen Führung seines Tochterunternehmens überzeugen, Art. 234 a), b).
Zwar existiert hier keine dem Art. 250 (4) UA 3 entsprechende, ausdrückliche Regelung. Die Tochterunternehmen sind in Art. 260 allerdings nicht ausdrücklich von ihrer Publikationspflicht befreit worden, weswegen nach Art. 211 (1) UA 2 die Veröffentlichungspflicht auf Einzelebene fortbesteht.
Freilich existieren daneben – gerade in Deutschland – auch eine Vielzahl von kleineren, regionalen Gruppen.
Literatur
Bürkle, J.: Die rechtliche Dimension von Solvency II. Z. VersR. 34, 1595–1601 (2007)
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: Konzept einer kooperativen Gruppenbeaufsichtigung (2007), abrufbar unter www.gdv.de
Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors: Advice to the European commission in the framework of the Solvency II Project on sub-group supervision, diversification effects, cooperation with third countries and issues related to the MCR and SCR in a group context. CEIOPS-Doc. 05/06 (2008)
Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors: Advice to the European Commission on aspects of the Framework Directive Proposal related to insurance groups. CEIOPS-Doc. 25/08 (2008)
Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors: Guidelines for Coordination Committees. CEIOPS-Doc. 02/05 (2005)
Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors: Guidelines on information exchange between lead supervisors and other competent authorities. CEIOPS-Doc. 16/07 (2007)
Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors: Report on the functioning of the coordination committees. CEIOPS-Doc. 17/07 (2007)
Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors: Statement on the role of the lead supervisor. CEIOPS-Doc. 07/08 (2008)
International Association of Insurance Supervisors: Insurance core principles and methodology. (2003), abrufbar unter www.iaisweb.org
International Association of Insurance Supervisors: Principles on group-wide supervision. (2008), abrufbar unter www.iaisweb.org
International Association of Insurance Supervisors: Supervisory standard on group coordination. (2000), abrufbar unter www.iaisweb.org
International Association of Insurance Supervisors: Supervisory standard on the exchange of information. (2002), abrufbar unter www.iaisweb.org
Wandt, M.: Rechtliche Implikationen von Solvency II. Versicherungsrundschau 3, 33–37 (2007)
Wandt, M.: Solvency II: Wird die Aufsicht zum „Mitunternehmer“? Versicherungswirtschaft 7, 473–476 (2007)
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Gekürzte Fassung des Vortrags auf der Jahrestagung des Deutschen Vereins für Versicherungswissenschaft in Dresden am 5. März 2008.
Der Autor ist Rechtsanwalt und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Versicherungsrecht im House of Finance der Goethe-Universität Frankfurt.
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Sehrbrock, D. Gruppenaufsicht unter Solvency II. ZVersWiss 97 (Suppl 1), 27–36 (2008). https://doi.org/10.1007/s12297-008-0031-9
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