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Wenn nicht jetzt, wann dann? Zur Reform der Pflegeversicherung

Wait and see? Reforming the German Compulsory Long-term Care Insurance

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Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft

Zusammenfassung

Die mit der Reform jüngst beschlossene Dynamisierung der Leistungen hatte zum Zweck, das reale Leistungsniveau der Pflegeversicherung aufrecht zu erhalten. Angesichts der Umlagefinanzierung bedeutet sie aber eine deutliche Lastverschiebung auf zukünftige Generationen. Deren gesamte Belastung durch die Pflegeversicherung beträgt nach unseren Berechnungen ein Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres. Mit einem sukzessiven Übergang in die Kapitaldeckung könnten die zukünftigen Generationen fast vollständig entlastet werden. Diese Umverteilung ginge jedoch auf Kosten der Übergangsgenerationen. Wartet man andererseits mit der Reform nur wenige Jahre, verringert sich die Entlastungswirkung für zukünftige Generationen deutlich.

Abstract

The recent reform of the German compulsory long-term care insurance provides for an adjustment of the benefits. According to our calculations, the reform proposal will fail to ensure constant benefits in real terms, due to an increase of the demand for long-term care associated with population ageing. Furthermore, as long-term care insurance is payroll based and pay-as-you-go financed, it will substantially burden future generations. For this reason, further reforms are needed if sustainability is to be achieved. A transition from a pay-as-you-go to a funded system would disburden future generations almost completely, at the cost of transitory generations whose payments would markedly increase. Delaying the reform even a few years would however increase the burden for future generations again.

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Abb. 1
Abb. 2
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Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9

Notes

  1. Im Folgenden wird der Ausdruck „Soziale Pflegeversicherung“ durch „Pflegeversicherung“ vereinfacht.

  2. So steht im Koalitionsvertrag von CDU/CSU/SPD (2005): „Um angesichts der demographischen Entwicklung sicherzustellen, dass die Pflegebedürftigen auch in Zukunft die Pflegeleistungen erhalten, die sie für eine ausreichende und angemessene Pflege zu einem bezahlbaren Preis brauchen, ist die Ergänzung des Umlageverfahrens durch kapitalgedeckte Elemente als Demographiereserve notwendig.“

  3. Bei der Skalierung werden die einzelnen alters- und geschlechtsspezifischen Profile so angepasst, dass sie – gewichtet mit den entsprechenden Kohortenstärken – die entsprechenden Budgetposten widerspiegeln. Zur Anpassung und den verwendeten Daten vgl. Fetzer (2006).

  4. Wir verwenden als Basis die mittlere Variante der 10. koordinierten Bevölkerungsprojektion (vgl. Statistisches Bundesamt 2003).

  5. Diese Annahme erscheint zwar nicht sehr realistisch, da bislang schon eine Verschiebung hin zu den teueren Pflegeleistungen zu verzeichnen war und diese zukünftig vermutlich noch weiter zunehmen wird. Aber hier soll zunächst als Referenz nur der demographische Effekt bei gleich bleibender altersspezifischer Leistungsinanspruchnahme modelliert werden.

  6. Für den (realistischeren) Fall, dass das nominelle über dem realen Wachstum liegt, also Inflation vorherrscht, wäre in diesem Szenario sogar noch ein höheres Leistungsniveau möglich.

  7. Ab 2015 soll alle drei Jahre über eine weitere Dynamisierung gemäß der Inflationsentwicklung entschieden werden (vgl. BMG 2007a,b).

  8. Würde man vom vorhandenen Vermögen absehen, so ist dies nichts anderes als der prozentuale Anteil der in Abb. 2 skizzierten Beitragseinnahmenentwicklung in Prozent der Ausgabenentwicklung.

  9. Zu den einzelnen Effekten sowie der Wirkung unterschiedlicher Dynamisierungsraten auf die Entwicklung des Pflegeniveaus vgl. Häcker (2008).

  10. Für das Szenario 1 ist die Frage uninteressant. Denn wenn die Ausgaben weniger stark wachsen als die Einnahmen, kann das Leistungsniveau kontinuierlich ansteigen.

  11. Die hier zugrundeliegende Methode ist eine Modifikation der Generationenbilanzierung, die Anfang der 1990er Jahre von Auerbach et al. (1991, 1992, 1994) entwickelt wurde. Die modifizierte Version wurde von Felder (1997) entwickelt und kam für die Nachhaltigkeitsanalyse von verschiedenen Gesundheitsreformoptionen bereits in einem Gutachten für die Kassenärztliche Bundesvereinigung zur Anwendung (vgl. Ulrich u.a., 2005).

  12. Konkrete Vorschläge zum Umstieg auf die Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung gibt es beispielsweise von der Kommission Soziale Sicherheit (2003), dem Kronberger Kreis (2006) oder Häcker u. Raffelhüschen (2004).

  13. Dieses Modell wurde bereits von Felder u. Fetzer (2008) für eine Reform der GKV vorgestellt und analysiert. Allerdings ist dort ein Systemwechsel ab einem Alter von 40 Jahren vorgesehen.

  14. Damit ähnelt dieses Modell dem so genannten Auslaufmodell von Häcker u. Raffelhüschen (2004). Allerdings wird in diesem die beitragsfinanzierte Pflegeversicherung für die alten Kohorten noch zusätzlich in ein System von Kopfpauschalen überführt.

  15. Ein weiterer Vorteil der institutionellen Trennung kann sich ergeben, wenn die Pflegekapitalrücklage mit anderen Versicherungsprodukten gekoppelt wird. Hier könnten die Versicherungsbeiträge relativ günstig angeboten werden, wenn die Pflegeabsicherung zusammen mit anderen Produkten versichert werden, die in ihrer Schadenseintrittswahrscheinlichkeit eine negative Korrelation zur Pflegeeintrittswahrscheinlichkeit aufweisen.

  16. Grundsätzlich würde dieses Modell auch funktionieren, wenn wie bei der Kommission Soziale Sicherheit (2003) ein kollektiver Kapitalstock in staatlichen Händen aufgebaut würde. Allerdings besteht bei einem kollektiven Kapitalstock selbst für den Fall, dass seine Verwaltung einer unabhängigen Institution übergeben würde, die Gefahr, dass der Staat diesen für sachfremde Zwecke in Anspruch nimmt. Daneben gibt es gegen die Bildung eines kollektiven Kapitalstocks in staatlicher Obhut ordnungspolitische Bedenken, dass eine staatliche Instanz Einfluss auf die Allokation am Kapitalmarkt nimmt (vgl. SVR 2004).

  17. Die Anknüpfung der Überforderungsgrenze am gesamten Haushaltseinkommen und nicht nur am Lohn sieht z. B. auch das Kopfpauschalenmodell der Rürup-Kommission (vgl. BMGS 2003) wie auch die meisten anderen Modelle zur Kopfpauschaleinführung vor.

  18. Das hier zur Anwendung kommende altersspezifische Steuerprofil wurde als gewichtetes Mittel der skalierten Profile aus der Freiburger Generationenbilanz 2003 bestimmt (vgl. Fetzer 2006).

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Felder, S., Fetzer, S. Wenn nicht jetzt, wann dann? Zur Reform der Pflegeversicherung. ZVersWiss 97, 144–161 (2008). https://doi.org/10.1007/s12297-008-0011-0

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