1 Einleitung

Frauen sind in Parlamenten deutlich unterrepräsentiert (vgl. Brodocz und Kautz 2021). Das Ausmaß ihrer Unterrepräsentation unterscheidet sich je nachdem, welche Parlamente in den Blick genommen werden. In den Landesparlamenten lag die Spannbreite des Frauenanteils 2022 zwischen 27,3 % in Bayern und 43,9 % beim Ausreißer Hamburg. Der Durchschnitt auf der Landesebene lag bei 31,1 %.Footnote 1 Nach der Bundestagswahl 2013 waren 36,3 % der Mandate in Frauenhand. Mit dem (Wieder)Einzug von FDP und AfD sank der Frauenanteil des Deutschen Bundestags 2017 auf 30,9 %. Nach der Bundestagswahl 2021 erhöhte er sich wieder auf 34,9 %, was jedoch an der Grundkonstellation einer sich kaum verbessernden Situation wenig ändert. Mehr noch: Parlamente bilden nur die Spitze eines Eisbergs des größeren Gesamtzusammenhangs Partei, der in der Parteienforschung in verschiedene Handlungsfelder wie die „party in public office“ oder die „party on the ground“ ausdifferenziert wird (vgl. Katz und Mair 2002).

Ein einflussreicher Erklärungsansatz für den geringen Frauenanteil in Parteien und Parlamenten ist der Links-Rechts-Gegensatz, der linke Parteien mit ihren progressiven gesellschaftlichen Vorstellungen über Gerechtigkeit und Feminismus von rechten Parteien, die eher für traditionelle Rollenmodelle der Geschlechter eintreten, unterscheidet (vgl. Caul-Kittilson 2006; Norris 1985; O’Brien 2018). Der niederländische Populismusforscher Cas Mudde hat in seiner Monografie „Populist Radical Right Parties in Europe“ den deutschen Begriff der „Männerpartei“ (Mudde 2007, S. 90–118) geprägt. Obwohl Mudde diesen Terminus ursprünglich parteiübergreifend verstand, fand er in der internationalen Populismusforschung breiten Anklang. Soweit ersichtlich, geht er zurück auf Abhandlungen des sozialdemokratischen Politikers und Politologen Joachim Hofmann-Göttig über die Neue Rechte, die Ende der 1980er-Jahre veröffentlicht wurden (siehe Hofmann-Göttig 43,44,a, b).

Ein Problem beim Begriff der „Männerpartei“ ist, dass mit seiner Engführung auf rechtspopulistische Parteien das zahlenmäßige Missverhältnis der Geschlechter bei den anderen Parteien aus dem Blick geraten kann. So wies Mudde auf einen „feminist bias“ hin. Dieser basiere auf zwei fehlerhaften Annahmen: Geschlechtergleichheit sei der gesellschaftliche Normalzustand, und Frauen würden generell moderne Ansichten über Geschlechterrollen vertreten. „These feminist and selection biases have led to overstated claims of specific gender inequality and traditional gender views within populist radical right parties“ (Mudde 2007, S. 91). Mudde führte fort, dass die Unterschiede von Rechtsaußenparteien und konservativen sowie anderen rechten Parteien nicht sonderlich groß seien.

Der vorliegende Artikel untersucht mit einem explorativen Forschungsprogramm, inwiefern der Begriff der „Männerpartei“ in Deutschland nicht nur auf die AfD zutrifft, sondern mit ihm auch die sechs weiteren derzeit im Bundestag vertretenen Parteien klassifiziert werden können. Zunächst werden Muddes Überlegungen zur „Männerpartei“ erläutert und der Forschungsstand referiert. Wie aufzuzeigen sein wird, stellt die Geschlechterdimensionen vor allem auf der Mitgliederebene rechtspopulistischer Parteien ein Forschungsdesiderat dar (vgl. dazu auch den Literaturbericht von Heinze 2022). Zum Genderthema in der Programmatik und beim Wahlverhalten dagegen wurden für derartige Parteien bereits erhellende Forschungsarbeiten vorgelegt.

Im empirischen Teil wird deskriptiv geprüft, ob sich Unterschiede zwischen der AfD und den so genannten bürgerlichen Parteien CDU und CSU, FDP sowie den Parteien im linken Lager aus SPD, Bündnisgrünen und Linkspartei ausmachen lassen.Footnote 2 Die primären Untersuchungseinheiten sind die Mitglieder dieser Parteien, die sich an offiziellen Veranstaltungen zur Kandidierendenaufstellung (vgl. dazu jüngst Reiser 2022) im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 als Auswählende bzw. formale Gatekeeper beteiligt haben. Diese Personen werden stellvertretend für die aktiven Mitglieder der Parteien herangezogen (für Angaben zur innerparteilichen Aktivität siehe Spier 2011). Jeweils separat für die sieben Bundestagsparteien nach Geschlecht analysierte Untersuchungsbereiche sind folgende klassische Felder der parteiensoziologischen Forschung: die Soziodemographie, die politischen Einstellungen und die innerparteiliche Partizipation der aktiven Mitglieder von Parteien. Abschließend sollen das Konzept „Männerpartei“ im Lichte der empirischen Befunde zusammenfassend beleuchtet und Schlussfolgerungen zu seiner Weiterentwicklung gezogen werden.

Das Anliegen dieses Artikels ist es, Muddes womöglich aus dem Blick geratene ursprüngliche These der Radikalisierung von verbreiteten gesellschaftlichen Einstellungen bzw. einer „Pathological Normalcy“ (Mudde 2008, S. 11) in den politischen Parteien einer aktuellen empirischen Überprüfung zu unterziehen. So urteilte Birgit Sauer, dass es sich bei dem ubiquitären Rechtspopulismus um kein genuin neues Phänomen handelt, sondern um die „Zuspitzung der immer schon existierenden Geschlechterungleichheit und des Sexismus kapitalistischer Gesellschaften und liberaler Demokratien“ (Sauer 2017, S. 14–15). Im Grunde sind alle Parteien, die sich nach dem konflikttheoretischen Ansatz im Zuge europäischer Nationalstaatswerdung und Industrialisierung herausgebildet haben (siehe Lipset und Rokkan 1967), „Männerparteien“. Ihre Vorläuferorganisationen sind in einer historischen Phase entstanden, in der Frauen über keine (vollwertigen) politischen Repräsentations- und Mitspracherechte verfügten (vgl. Phillips 1998). Diese Entstehungskontexte wirken wie eine DNA bis heute in den Parteien fort (siehe Panebianco 1988). Maskuline Parteiprägungen sind daher ein parteiübergreifendes Phänomen, auch das linke politische Spektrum betreffend, und kein Außenseiterkriterium rechter Parteien, wenngleich sich die Geschlechtersituation in Parteien jüngeren Gründungsdatums anders darstellen kann. Beispielsweise strebten grüne Parteien, die aus den Neuen Sozialen Bewegungen hervorgingen (wozu der Feminismus gehörte) von vornherein eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an, für die sie noch heute u.a. auf freiwillige Geschlechterquoten oder das Frauenplenum setzen (vgl. Ahrens et al. 2020, Wiechmann 2019).

2 Forschungsstand zur „Männerpartei“

Der Begriff „Männerpartei“ findet in der Populismusforschung Resonanz, auch, weil sich diese bis vor wenigen Jahren mit der geschlechtlichen Dimension des Rechtspopulismus kaum beschäftigt hat (kritisch dazu siehe Abi-Hasan 2017, S. 426; Streichhahn 2021). Wie bereits ausgeführt, hat Mudde den Begriff nicht erfunden, dafür aber verschiedene Dimensionen vergleichend herausgearbeitet und den internationalen Diskurs stimuliert. Nach seinen Abhandlungen zur „Männerpartei“ können drei Bereiche voneinander abgegrenzt werden: das Elektorat, die Ideologie und die Parteiorganisation (mit dem hier im Mittelpunkt stehenden Teilbereich der Mitgliederebene, die in Parteiführung, Abgeordnete und aktive Basismitgliedschaft ausdifferenziert werden kann). Der Begriff „Männerpartei“ scheint intuitiv plausibel und wurde daher sogar in der medialen Berichterstattung verwendet (vgl. u. a. Oestreich 2014; Bender 2017; Dahmer 2021). Jedoch geht mit ihm aufgrund seines dünnen theoretischen Gehalts eine Begriffsunschärfe einher, die in der Populismusforschung zu einer mitunter einseitig auf rechte Parteien bezogenen Verwendung beigetragen hat (vgl. bspw. Glaser et al. 2018; Siri und Lewandowsky 2015; Rashkova und Zankina 2017; Weeks et al. 2022; vgl. aber auch Kürschner 2009 zur CSU).

Muddes Einschätzung, dass sich rechtspopulistische Parteien in geschlechterpolitischer Hinsicht von anderen Parteien unterscheiden, regte vor allem innerhalb der Wahlforschung Aktivität an (vgl. u. a. Erzeel und Rashkova 2017, S. 816; Harteveld et al. 2015; Spierings und Zaslove 2015, S. 159). So stellt die Analyse des Elektorats einen Schwerpunkt in der internationalen und nationalen Populismusforschung dar (vgl. bspw. Blum und Rahner 2020; Itta und Katsioulis 2020; Miller-Idriss 2020). Regelmäßig wird bei der Wahl rechtspopulistischer Parteien ein „electoral gender gap“ festgestellt (vgl. u. a. Harteveld et al. 2015; Pickel 2019; Schmitt-Beck 2017; Spierings und Zaslove 2015, 2017; Stockemer und Normandin 2022). Diese Lücke unterscheide sie von konservativen Parteien (siehe Mudde 2007, S. 111). Tatsächlich bestand das AfD-Elektorat bei der Bundestagswahl 2017 zu zwei Dritteln aus Männern (siehe Celik et al. 2020, S. 158; Arzheimer und Berning 2019). Die CDU hingegen – eine Männerpartei mit Frauenstimmen – wird seit ihrer Gründung mehrheitlich von Frauen gewählt (siehe Richter 2020, S. 277).

Bezüglich der Ideologie sei das Bild bei rechtspopulistischen Parteien nicht eindeutig, sondern traditionelle Geschlechtervorstellungen in der Programmatik rechtspopulistischer Parteien hätten eine gewisse Modernisierung erfahren (siehe Mudde 2007, S. 93; vgl. auch Sauer 2017, S. 7). Für das daraus resultierende Nebeneinander von regressiven und modernen Zielbeschreibungen wurde der Begriff der „kalkulierten Ambivalenz“ (Reisigl 2020) eingeführt. Die Programmatik der AfD ist für den Bereich der Familien- und Geschlechterpolitik in einigen Studien untersucht worden (vgl. Kemper 2016; Siri 2016). Die anfängliche Spannung in der Gründungszeit der Partei „zwischen liberalen Gleichheitsversprechen und radikal-konservativen Familienidealen“ (Siri 2016, S. 74) wurde durch eine rigide Ablehnung geschlechtlicher Gleichstellungsmaßnahmen abgelöst. Mit Begriffen wie „Gender-Wahn“ oder „Gender-Gaga“ werden rechte Termini für eine milieu- und aktionsformenübergreifende Mobilisierung bedient (siehe Strube 2021). Juliane Lang (2017, S. 63–64) zeigt, dass sich die Orientierung an dezidiert traditionellen Geschlechterarrangements sowie einer vergeschlechtlichten Arbeitsteilung in der noch jungen Parteigeschichte verstärkt hat. Auch völkische Entwürfe, die auf eine rassistische Bevölkerungspolitik zielen, hätten weiter an Einfluss gewonnen (siehe Kemper 2016). Ein Vergleich mit den Programmen der anderen Bundestagsparteien im Hinblick auf das Gender-Thema ist bislang nicht geleistet worden (vgl. jedoch Franzmann 2019). Es ist zu vermuten, dass der geschlechter- und familienpolitische Kurs der AfD sowohl im Umfang als auch im Inhalt ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Parteienlandschaft darstellt. Dennoch dürften sich punktuell auch rhetorische Parallelen finden lassen, etwa wenn im CSU-Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2016 von „Gender-Ideologie“ und „Frühsexualisierung“ die Rede ist (siehe Christliche-Soziale Union 2016, S. 10).

Der Fokus der vorliegenden Untersuchung liegt auf der Mitgliederebene (vgl. Kleinert 2018). Die Mitgliedschaft als Teilbereich der Organisation von rechtspopulistischen Parteien (vgl. Ellinas 2020; Heinisch und Mazzoleni 2016; Vittori 2020) und die Rolle von Frauen darin sind nach Muddes Worten „[o]ne of the least studied subfields of the populist radical right“ (Mudde 2007, S. 97; siehe dazu auch die Literaturdiskussion bei Scrinzi 2017, S. 870–871). Die wichtigsten Gründe dafür liegen in einer mangelhaften Datenlage. Diese kann von der Forschung nur behoben werden, wenn die Bereitschaft seitens der Parteien besteht, Auskunft zu geben, die entsprechenden Informationen innerparteilich überhaupt erhoben werden, oder sich die Parteien für wissenschaftliche Studien öffnen (vgl. Damhuis und de Jonge 2022). Letzteres stellt eine besondere Herausforderung für die Populismusforschung dar, da in rechtspopulistischen Parteien ein ausgeprägter Hang zu beobachten ist, die Wissenschaft dem „offiziösen Komplex“ (Manow 2018; vgl. auch Mudde 2007, S. 97) zuzuordnen, den sie aus anti-pluralem Verständnis und Anti-Intellektualismus heraus ablehnen (vgl. auch Eberl et al. 2023). Trotz des Datenproblems konstatiert Mudde (2007, S. 107), dass die Partizipation von Frauen in rechten Parteien gering sei.

Mit Blick auf rechtspopulistische Parlamentsfraktionen zeigt sich eine Diskrepanz zwischen dem populistischen Anspruch, „Das Volk“ zu repräsentieren, und ihrer tatsächlichen, oft nur schmalen deskriptiven Repräsentation (vgl. z. B. Heinisch und Werner 2019; Schroeder und Weßels 2019; Rütters 2020; Kamenova 2023). Die Soziodemographie der Parteiführungen ist vor allem für die kommunale und regionale Ebene kaum aufgearbeitet. Aufgrund der medialen Präsenz von weiblichen Führungsfiguren in rechtspopulistischen Parteien gerät die Dominanz von Männern innerhalb der „party on the ground“ mitunter in den Hintergrund (vgl. Glaser et al. 2018, S. 30). Marine Le Pen von der Rassemblement National oder Giorgia Meloni von der Fratelli d’Italia werden in Szene gesetzt (vgl De Giorgi 2023), wodurch eine Spannung zwischen regressiven Kernüberzeugungen der Partei und der „emanzipierte[n] Performanz“ (Dietze 2018, S. 35–36) entsteht. Dies sei jedoch nicht als störender Widerspruch zu interpretieren, so Gabriele Dietze, sondern „als konstituierendes Element für den derzeitigen historischen Erfolg des europäischen Rechtspopulismus“. Schließlich wurde in Gender-Studien aufgezeigt, dass Frauen in der Politik gender-stereotypisiert wahrgenommen werden, was Vertreterinnen rechtspopulistischer Parteien als „weicher“ erscheinen lässt (vgl. Campus 2020; Eagly und Carli 2003; Snipes und Mudde 2020). Diese Perzeption nutzen sie, um kontroverse Themen wie Abtreibung anzusprechen und den Resonanzraum für rechtspopulistische Agitation über die angestammte elektorale Klientel hinaus auszudehnen (vgl. Weeks et al. 2022).

3 Datengrundlage und methodische Vorgehensweise

Die Leitfrage nach der männlichen Prägung des Mitgliederlebens (nicht nur) von (rechtspopulistischen) Parteien wird durch einen querschnittartigen Vergleichsansatz bearbeitet. In Abhängigkeit der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht werden in den drei Analysebereichen Mitgliedersoziodemographie, politische Einstellungen und innerparteiliche Partizipation Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Bundestagsparteien herausgearbeitet. Zwar kann staatenübergreifende Komparatistik zu Parteien ein hohes Maß an Generalisierung hervorbringen. Ihre Sensorik ist jedoch weniger darauf ausgerichtet, das Spezielle detailliert in den Blick zu nehmen. Dies ist ein Vorzug des binnenstaatlichen Parteienvergleichs wie er im vorliegenden Artikel zur Anwendung kommt. Methodenterminologisch formuliert werden externe Einflüsse konstant gehalten und parteiinterne Ursache-Wirkungszusammenhänge adressiert. Vorgefundene Differenzen sollen auf parteispezifische Organisationszusammenhänge, die die Einstellungen und das Handeln von Parteimitgliedern inkludieren, zurückgeführt werden.

Die Primärdaten stammen aus einer schriftlichen Befragung von nominierungsbefugten Parteimitgliedern im Vorfeld der Bundestagswahl 2017. Sie wurden auf Aufstellungsversammlungen in 104 Wahlkreisen und 52 Landesverbänden, von denen 90 Wahlkreisveranstaltungen und 48 Landesveranstaltungen Teil des hier verwendeten „Zufallssamples“ waren, mit standardisierten Fragebögen erhoben. Die Feldforschung im Rahmen des IParl-Forschungsprojekts #BuKa2017 zur Nominierung der Direkt- und Listenkandidierenden fand zwischen Herbst 2016 und Frühjahr 2017 statt. Die zufallsbasierte Stichprobenziehung seitens des Meinungsforschungsinstituts Policy Matters aus Berlin wurde so vorgenommen, dass alle ausgewählten Parteien gleich viele Wahlkreis- und Landesveranstaltungen stellten. Auf der Landesebene wurden pro Partei acht und damit die Hälfte aller Aufstellungsversammlungen ausgewählt (bei der CDU sieben plus der CSU-Listenparteitag in München). Für die wenigen Fälle, bei denen die Befragung nicht genehmigt wurde, bestimmte das Meinungsforschungsinstitut durch Los einen nachrückenden Parteiverband. Aufgrund ihrer Mitgliederstäke und der daraus ableitbaren Bedeutung für die jeweilige Gesamtpartei wurden in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen alle Listenversammlungen besucht.

15.459 auswahlberechtigte und anwesende Parteimitglieder stellten die Grundgesamtheit dar (Vollerhebung auf den ausgewählten Nominierungsversammlungen; die Fragebögen wurden von den Parteimitgliedern selbst ausgefüllt). Mit 7923 zurückgegebenen Fragebögen (ganz überwiegend während der Versammlung bei einem Team von Projektmitarbeitenden, in wenigen Einzelfällen postalisch) betrug die Rücklaufquote 51,3 % (siehe Tab. 1). Das „Zufallssample“ ist repräsentativ für diejenigen Parteimitglieder, die die Kandidierenden zur Bundestagswahl aufgestellt haben. Sie können zum Kern der aktiven Parteimitglieder gezählt werden, die bei der Kandidierendenaufstellung die Funktion der formalen Gatekeeper ausüben (siehe Höhne 2013; vgl. auch Cross und Katz 2013). Ergänzend zu den Primärdaten wurden für den nachfolgenden Abschn. 4.1 Sekundärdaten ausgewertet.

Tab. 1 Ausschöpfung der Parteiaktivenbefragung, nach Parteizugehörigkeit

4 Wie männlich geprägt ist die AfD im soziologischen Parteienvergleich?

4.1 Frauen als führende Repräsentantinnen, Mitglieder und Aktive von Parteien

Anders als der Terminus „Männerpartei“ nahelegen könnte, wurde und wird die AfD auch von Co-Sprecherinnen angeführt (Frauke Petry von 2013 bis 2017, Alice Weidel seit 2022). Dabei fügt sich die AfD in einen Trend ein, der Frauen in Rechtsaußenorganisationen zunehmend in Führungsverantwortung sieht (siehe Erzeel und Rashkova 2017; Gutsche 2018; Campus 2020). Demgegenüber werden derzeit weder CDU oder CSU noch FDP von einer Frau geleitet. Während bei den Christdemokraten bereits einmal eine Frau Bundesvorsitzende war (Angela Merkel von 2000 bis 2018), stand bei Christsozialen und Liberalen noch nie Eine an der Spitze. Im linken Parteienspektrum stellt sich die geschlechtsspezifische Führungssituation mit Ausnahme der Bündnisgrünen kaum befriedigender dar. Bei der SPD wurde erst vor wenigen Jahren erstmals eine Frau Bundesvorsitzende (Saskia Esken seit 2019). Die Linkspartei bzw. ehemalige PDS konnte mehr Erfahrungen mit weiblichen Leitungskräften sammeln. Sie wird aber erst seit dem Jahr 2010 von einem Tandem gelenkt, das sich geschlechterparitätisch zusammensetzt. Allein in der grünen Partei ist (seit 1982) immer wenigstens eine Sprecherin Teil der Dreier- bzw. Doppelspitze (seit 1991).

In den jeweiligen engeren Parteivorständen, die als Parteipräsidien bzw. geschäftsführende Vorstände bezeichnet werden, bewegt sich der Frauenanteil im „bürgerlichen“ Spektrum aktuell zwischen 25 % (FDP), 27,8 % (CDU) und 35 % (CSU). Die AfD nimmt innerhalb dieser Vergleichsgruppe mit 28,6 % keine Außenseiterposition ein.Footnote 3 Allerdings beträgt der Frauenanteil im SPD-Bundesvorstand 53,8 % und bei den Bündnisgrünen sowie der Linkspartei 50 %.

Im Bundestag bildet die AfD-Fraktion mit einem Frauenanteil von 13,8 % derzeit das Schlusslicht.Footnote 4 CDU und CSU, die in einer Fraktionsgemeinschaft miteinander verbunden sind, befinden sich ca. zehn Prozentpunkte über jenen und kommen zusammen auf 23,4 %. Die FDP erreicht mit 25 % ein geringfügig höheres Niveau als die beiden Unionsparteien. Während die drei „bürgerlichen“ Parteien somit ungefähr ein Viertel weibliche Abgeordnete aufweisen, liegen die Werte der SPD mit 41,7 %, die der Linkspartei mit 53,8 % und die der Bündnisgrünen mit 59,3 % erneut deutlich darüber.

Ein zentraler Einflussfaktor der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung der Parteispitzen, ihrer Führungsgremien und Bundestagsfraktionen sind freiwillige Frauen- bzw. Geschlechterquoten der Parteien. Die Parteien links der politischen Mitte arbeiten üblicherweise mit verbindlichen paritätischen Regeln (vgl. Norris 1985, 2000; Ahrens et al. 2020). Rechts der Mitte können sie innerparteilich als unzulässiger Eingriff in den „freien“ Wettbewerb abgelehnt oder nur „halbherzig“ und auf geringerem Niveau (wie z. B. das frühere „Frauenquorum“ der CDU) implementiert sein. Dabei gelten christdemokratische Parteien im Vergleich zu konservativen Parteien als aufgeschlossener gegenüber Quoten (siehe O’Brien 2018). Die CSU hat erst im Jahr 2010 eine Frauenquote verabschiedet, die nur für innerparteiliche Führungsgremien gilt, nicht aber Parlamentswahlen. In der CDU wurde nach langjährigen Debatten auf dem Bundesparteitag im Jahr 2022 die stufenweise Einführung einer paritätischen Frauenquote bis 2025 beschlossen (siehe Kissler 2022). Diese soll erstmal nur bis 2029 gelten. Ihr 1996 eingeführtes „Frauenquorum“ hatte sich aufgrund mangelnder Verbindlichkeit als wenig wirksam erwiesen. Bei der FDP ist die Ablehnung der Quote Teil ihres neoliberalen Anti-Feminismus, „der das Argument der individuellen Leistungsorientierung gegenüber der Frauenförderung in der Gleichstellungspolitik ausspielt“ (Höcker et al. 2020, S. 257), und dabei gesellschaftliche Ungleichheitsverhältnisse patriarchalischen Ursprungs ignoriert. Schließlich quotiert auch die AfD ihre Parteiämter und Wahllisten nicht.

Für die Mitgliederebene lagen bisher kaum mehr als basale soziodemographische Angaben aus wissenschaftlich aufbereiteten Parteimitgliederstatistiken vor (siehe Niedermayer 2022, S. 391): Diesen zufolge verzeichnete die AfD am Stichtag 31. Dezember 2021 mit 18,7 % den niedrigsten Frauenanteil unter den im Bundestag vertretenen Parteien. Bei der FDP (20,1 %) und der CSU (21,6 %) sah es kaum besser aus; die CDU kam auf einen Wert von 26,6 %. In der SPD waren ein Drittel der Mitglieder weiblich (33,1 %) und in der Linkspartei 36,8 %. Spitzenreiter waren die Bündnisgrünen, die die Parität mit 42,3 % aber ebenfalls verfehlten.

Nach der Parteizugehörigkeit der Befragten, die sich entsprechend obiger Definition weitgehend deckungsgleich zu den Aktiven in den Parteien verhalten, bildet sich eine ähnliche Rangordnung heraus: Am niedrigsten liegt die AfD mit einem Frauenanteil von 16,6 % (siehe Abb. 1). Es folgen die CSU mit 22 %, die FDP mit 23,3 % und die CDU mit 27,5 %. Mit ca. 40 % befanden sich die Frauenanteile von SPD (39,5 %), Linkspartei (42,5 %) und Bündnisgrünen (42,6 %) wieder deutlich über den Werten der „bürgerlichen“ Parteien. Im Vergleich zu den Mitgliederzahlen der Parteien zeigt sich, dass in allen Parteien prozentual etwas mehr Frauen an den Kandidierendenaufstellungen teilgenommen haben. Diese Differenz fiel bei den Parteien des linken Spektrums größer als bei denen des rechten Spektrums aus und erklärt sich auch daraus, dass bei der Wahl von Delegierten in den linken Parteien Frauenquoten zum Tragen kommen (siehe dazu detaillierter den Abschn. 4.3 weiter unten).

Abb. 1
figure 1

Frauenanteil unter Parteimitgliedern und -aktiven (Es konnten auch nicht-binäre Gender-Selbstzuordnungen angegeben werden. Diese wurden in diesem Artikel jedoch nicht einbezogen, da sich das Forschungsinteresse ausschließlich auf die beiden dominanten Geschlechter richtet und ferner das N nicht-binärer Gender-Selbstzuordnungen für statistische Analysen zu gering ausfiel; N : AfD = 997; CDU = 1402; CSU = 363; FDP = 1117; SPD = 1584; Bündnis 90/Die Grünen = 1171; Die Linke = 756). (Mitgliederdaten nach Niedermayer 2017; der Stichtag 31. Dezember 2016 lag ungefähr in der Mitte des Erhebungszeitraums der Parteiaktivenbefragung)

Im nächsten Schritt werden die beruflichen Hintergründe der aktiven Parteimitglieder beleuchtet. Auf Basis der soziodemographischen Primärdaten zeigt sich, dass in CSU (17,5 %) und AfD (22,3 %) der Anteil unter den weiblichen Personen, die sich selbst einer politischen oder politiknahen Tätigkeit zugeordnet haben, geringer als in den anderen fünf Parteien war (siehe Tab. 2). Für die CSU liegen mehrere Interpretationen nahe. Das durch den Katholizismus geprägte Bild der männlich dominierten Einernährerfamilie scheint in der bayerischen Union eine stärkere Rolle als in der CDU zu spielen. Auch kann ihr Volksparteianspruch noch eher als bei CDU oder SPD als intakt gelten, was sich anhand ihrer ungefähr doppelt so großen gesellschaftlichen „Rekrutierungsfähigkeit“Footnote 5 aufzeigen lässt. Dementsprechend dürften in den Reihen der Christsozialen mehr ausschließlich ehrenamtlich engagierte Mitglieder vorzufinden sein, die die Verschiedenheit der Bevölkerung besser widerspiegeln, wohingegen in den anderen beiden großen Parteien der Anteil von Mitgliedern höher ist, die Politik in erster Linie beruflich betreiben. Für die im Parteienvergleich sehr junge AfD (sie wurde Anfang 2013 gegründet), die sich gegen eine professionelle politische KlasseFootnote 6 ausspricht, vermag der eher geringe Anteil der Kategorie „politische oder politiknahe Tätigkeit“ kaum zu überraschen. Anders verhält es sich mit den aktiven AfD-Mitgliedern, die als Berufsbezeichnung „Hausfrau“ angekreuzt haben. Deren niedriger Anteil von nur 5,4 % lag gleichauf mit der FDP und unterhalb der beiden Unionsparteien. Beim Erwerbsstatus der befragten AfD-Frauen können somit traditionelle Rollenmuster eine geringere Rolle spielen als erwartet.Footnote 7 Es kann aber auch ein Effekt sozialer Erwünschtheit vorliegen, sich und die eigene Partei einen modernen Anschein zu geben (vgl. Bergmann und Diermeier 2017).

Tab. 2 Beruflicher Hintergrund von weiblichen Parteiaktiven

Die komparative Analyse der Altersverteilung von weiblichen Parteiaktiven hat zwischen der AfD und den anderen Parteien ein ähnliches Verteilungsmuster zutage gebracht (siehe Abb. 2). Anders als beim Elektorat der AfD – üblicherweise machen jüngere und ältere Menschen bei Wahlen eher einen Bogen um diese Partei, wohingegen mittlere Jahrgänge stärker vertreten sind (vgl. Bieber et al. 2018, Goerres et al. 2018) – stellte die Altersgruppe der 60- bis 69-jährigen Frauen mit einem Anteil von 23,8 % die zweitgrößte Gruppe innerhalb der befragten AfD-Frauen dar (siehe dazu auch Tab. 4 im Anhang). Mit 35,8 % waren die 50- bis 59-Jährigen am stärksten vertreten. Dies ist auch bei den anderen Parteien der Fall; Ausnahme ist nur Die Linke, bei der die 60- bis 69-Jährigen dominierten. Am schwächsten vertreten waren Frauen in der AfD, die zwischen 30 und 39 Jahre alt waren. Ihr Anteil betrug 6,6 %. In allen anderen Parteien lag deren Anteil in dieser Altersgruppe fast doppelt oder dreimal so hoch.

Abb. 2
figure 2

Alter von weiblichen Parteiaktiven

Bei der Verteilung der Bildungsabschlüsse innerhalb der Gruppe der weiblichen Parteiaktiven zeigte sich für die AfD ein niedriger Anteil von Hochschulabschlüssen (36,7 %), der als eine gewisse akademische Ferne interpretiert werden kann (siehe Tab. 3). Diese Einschätzung scheint mit der Wissenschaftsaversion rechtspopulistischer Parteien zu korrespondieren, worauf weiter oben bereits eingegangen wurde. In dieses Bild fügt sich mit Blick auf die hier ausgewerteten Daten, dass für die AfD mit 45,8 % die geringste Ausschöpfungsquote erzielt wurde (siehe Tab. 1 weiter oben). Frauen, die als höchsten Bildungsabschluss das Abitur angegeben haben, stellten sowohl innerhalb der AfD (53 %) als auch im Vergleich zu den anderen Parteien die größte Gruppe. Ein ähnliches Muster wie bei der AfD bot sich nur bei der CSU: 35 % ihrer befragten Frauen verfügten nach eigener Angabe über einen Hochschulabschluss, 48,8 % über das Abitur. Allerdings wiesen fast 14 % einen Hauptschulabschluss auf, was im Parteienvergleich einen Spitzenwert darstellt und wofür erneut obiger Erklärungsansatz zum Berufsstatus herangezogen werden kann. Dagegen lag die AfD beim Anteil an Hauptschulabschlüssen mit 6,6 % ungefähr gleich auf mit CDU (7 %), SPD (6,4 %) und Linkspartei (6,2 %).

Tab. 3 Bildungsabschlüsse von weiblichen Parteiaktiven

4.2 Politische Einstellungen von Parteiaktiven

Die befragten Mitglieder der AfD verorteten sich auf einer Links-Rechts-Skala erwartungsgemäß rechts von den anderen Bundestagsparteien (siehe Abb. 3). Mit Blick auf eine geschlechtsspezifische Einstellungskomponente kann festgestellt werden, dass die AfD-Frauen im Mittel etwas mehr nach links tendierten als die AfD-Männer. Diese Geschlechterdifferenz bei einer zentralen politischen Einstellung wurde ähnlich bereits in einer ländervergleichenden Untersuchung von Kandidatinnen und Kandidaten aus Parteien des rechten politischen Spektrums nachgewiesen (siehe De Geus und Shorrocks 2020). Interpretiert wurde dieses Muster als größere Distanz der weiblichen Personen zu ihrer eigenen Partei. Dieses Distanz-Argument trägt jedoch nicht nur für die AfD, sondern auch für die anderen Parteien (siehe Abb. 3). Ausgehend von der Feminismus-Forschung zu politischen Repräsentationsfragen (vgl. Phillips 1998) wäre die naheliegende Interpretation dafür, dass Frauen in allen Parteien bei politischen Einstellungen mit Gerechtigkeitsbezug mehr nach links neigen als Männer, was sich als feministische Reaktion auf patriarchalische Parteiorganisationen lesen lässt. Diese Distanzen fallen in den linken Parteien tendenziell niedriger aus als in den Parteien rechts der Mitte.

Abb. 3
figure 3

Selbstverortung auf der Links-Rechts-Skala, Parteiaktive nach Geschlecht (Die Frage lautete: „Wenn Sie einmal an Ihre eigenen politischen Ansichten denken, wo würden Sie sich auf einer Skala einordnen, bei der 1 ‚links‘ bedeutet und 11 ‚rechts‘?“; N : AfD = 963; CDU = 1834; CSU = 441; FDP = 1099; SPD = 1793; Bündnis 90/Die Grünen = 1477; Die Linke = 843)

Sowohl bei der Frage nach dem Vertrauen in die repräsentative Demokratie, die langfristige, grundlegende Einstellungen messen soll, als auch bei der Zufriedenheit mit dem Funktionieren des Bundestags, die sich stärker auf outputabhängige Einstellungen richtet, zeigte sich eine weitgehend fehlende Unterstützung der aktiven AfD-Mitglieder beider Geschlechter (siehe Abb. 4 und 5). In der AfD bekundeten nur fünf Prozent der Männer und 4,2 % der Frauen ihre Zufriedenheit „mit der Art und Weise, wie der Deutsche Bundestag funktioniert“ (siehe Abb. 5). Das politische Vertrauen der AfD-Befragten war etwas höher, lag aber immer noch weit unter dem Niveau der anderen Parteien. Dieses Einstellungsmuster unterstreicht das „systemtransformative Potenzial“ der AfD (siehe Mannewitz und Panreck 2020; sowie jüngst Lewandowsky 2022) auf deren Mitgliederebene (detailliert zu den Einstellungen der AfD-Mitglieder siehe Höhne 2018). Eine Geschlechterdiskrepanz lag innerhalb der AfD vor allem beim politischen Vertrauen vor: Frauen (7,2 %) vertrauten noch weniger als Männer (14,6 %) „in die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik Deutschland“. Dafür dürfte eine ähnliche Begründung wie bei der stärkeren Linksverortung von weiblichen Parteimitgliedern zutreffend sein, wie sie im vorherigen Absatz angesprochen wurde (vgl. Phillips 1998). Artikuliert wurde somit nicht nur bei der AfD eine größere Distanz zur maskulin geprägten repräsentativen Demokratie, sondern auch bei Linkspartei, FDP, Bündnisgrünen und SPD (siehe Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Vertrauen in die repräsentative Demokratie, Parteiaktive nach Geschlecht (Die Frage lautete: „Wie viel Vertrauen haben Sie ganz allgemein in die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik Deutschland?“ Angabe des summierten Anteils der Frauen/Männer, die auf diese Frage mit „sehr großes Vertrauen“ oder „großes Vertrauen“ geantwortet haben; N Frauen: AfD = 166; CDU = 385; CSU = 80; FDP = 260; SPD = 625; Bündnis 90/Die Grünen = 499; Die Linke = 321; N Männer: AfD = 820; CDU = 1015; CSU = 283; FDP = 856; SPD = 959; Bündnis 90/Die Grünen = 671; Die Linke = 432)

Abb. 5
figure 5

Zufriedenheit mit dem Bundestag, Parteiaktive nach Geschlecht (Die Frage lautete: „Wie zufrieden sind Sie mit der Art und Weise, wie der Deutsche Bundestag funktioniert?“ Angabe des summierten Anteils der Frauen/Männer, die auf diese Frage mit „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ geantwortet haben; N Frauen: AfD = 166; FDP = 260; CDU = 385; CSU = 80; SPD = 625; Bündnis 90/Die Grünen = 499; Die Linke = 321; N Männer: AfD = 820; FDP = 856; CDU = 1015; CSU = 283; SPD = 959; Bündnis 90/Die Grünen = 671; Die Linke = 432)

Um diesen Abschnitt abzuschließen, wird der innerparteiliche Stellenwert des Themas Gender bei der Kandidierendenaufstellung beleuchtet. Nach einer bereits veröffentlichten Analyse ist die AfD die einzige Partei, die den Ausgleich zwischen den Geschlechtern auf den Listen zur Bundestagswahl deutlich ablehnt (siehe Höhne 2020, S. 110–112). Dagegen befürworteten in der CDU 62 % der Befragten den Geschlechterausgleich. Auch in CSU und FDP fand sich eine absolute Mehrheit von 56 % bzw. 55 %. Bei einem Unterstützungsniveau von über 80 % lagen SPD, Grüne und Linkspartei. Parteienübergreifend zeigte sich, dass die Wichtigkeit des Geschlechterausgleichs auf Landeslisten stärker von Frauen als von Männern betont wird. Bei der AfD fiel die Prozentpunktdifferenz zwischen den Geschlechtern am geringsten aus. Dagegen war sie bei CDU, CSU und FDP größer als bei den übrigen drei Parteien. Ferner konnte für einige Parteien eine altersspezifische Komponente herausgearbeitet werden. Bei der AfD bestanden kaum Differenzen nach dem Alter der befragten Frauen, d. h. diese Partei bzw. ihr weiblicher Teil war sich unabhängig vom Alter darin einig, Gleichstellungsmaßnahmen abzulehnen. Bei CDU und FDP wurde der Ausgleich der Geschlechter auf Wahllisten von jungen Frauen deutlich weniger unterstützt als von den mittleren oder älteren Jahrgängen (siehe Höhne 2020, S. 112). Gerade junge Frauen positionieren sich in diesen beiden Parteien vehement gegen die Frauenquote, offenbar, weil sie sie für ihr eigenes berufliches Vorankommen als entbehrlich erachten (vgl. Herrmann und Koopmann 2022; Kissler 2022). Kurzum: Es fanden sich in sechs Parteien Mehrheiten, die ein Problembewusstsein bei der Frage von Repräsentation und Geschlecht aufwiesen, während dieses in der AfD nur für eine Minderheit von ca. einem Drittel auszumachen war.

4.3 Innerparteiliche Partizipation von Parteiaktiven

Sind Frauen in der AfD weniger engagiert als in den anderen Bundestagsparteien und tragen sie dadurch zu einer Reduzierung ihres – wie weiter oben gezeigt – quantitativ ohnehin schon geringeren innerparteilichen Einflusspotentials infolge ihres Repräsentationsdefizits bei? Gefragt nach ihrem regelmäßigen Zeitaufwand für die ehrenamtliche Parteiarbeit ergab sich keine gravierende Abweichung zwischen den AfD-Frauen und den Frauen der anderen Parteien (siehe Abb. 6). Etwas niedrigere Partizipationsniveaus fanden sich bei CSU und FDP, höhere bei der Linkspartei.

Abb. 6
figure 6

Boxplots zur ehrenamtlichen Parteiarbeit von weiblichen Parteiaktiven, nach Parteien (Die Frage lautete: „Wenn Sie einmal den Wahlkampf außer Acht lassen, wie viel Zeit wenden Sie regelmäßig für die ehrenamtliche Parteiarbeit auf?“ Die Stundenzahl pro Monat konnte in einem offenen Eingabefeld eingetragen werden; N AfD = 166; CDU = 385; CSU = 80; FDP = 260; SPD = 625; Bündnis 90/Die Grünen = 499; Die Linke = 321)

Abschließend wird untersucht, in welchem Verhältnis die von Frauen bekundete Partizipation zu deren tatsächlicher steht. Frauen traten auf den Mitgliederversammlungen, die in den Wahlkreisen vorherrschend sind, bei der AfD mit einem Anteil von 19,4 % seltener in Erscheinung als bei den anderen Parteien (siehe Abb. 7). Die mit Abstand höchste Beteiligungsquote erreichten die Bündnisgrünen mit 42,1 %. Auf der Landesebene fielen die AfD-Beteiligungswerte noch unter deren geringes Niveau in den Wahlkreisen. Mit einem Frauenanteil von nur 16,4 % wurde dort sogar derjenige in der Mitgliedschaft unterschritten, der Ende 2016 bei 16,8 % lag (siehe Abb. 7 und 1 weiter oben). Die Mitgliederversammlung bietet eine inklusive und basisdemokratische Beteiligungsmöglichkeit. Formal ermöglicht sie jedem Mitglied zu partizipieren. Faktisch finden Selbstausschließungen statt, die verschiedene Ursachen haben. Beispielsweise kam die CDU am Ende des Jahres 2016 insgesamt auf einen Frauenanteil von 27,5 % in ihren Reihen, bei den Mitgliederversammlungen hingegen nur auf 21,7 %. Dies zeugt davon, dass die AfD stärker als die CDU in der Lage ist, ihre weiblichen Mitglieder zu mobilisieren. Selbiges gilt auch im Vergleich zur SPD und Linkspartei.

Abb. 7
figure 7

Frauenanteil auf Mitgliederversammlungen, nach Wahlkreis- und Landesebene sowie Partei (Ein fehlender Balken bedeutet, dass keine Mitgliederversammlung abgehalten wurde; N Wahlkreis-Ebene: AfD = 134; CDU = 484; FDP = 269; SPD = 103; Bündnis 90/Die Grünen = 330; Die Linke = 135; N Landesebene: AfD = 568; CDU = 0; FDP = 114; SPD = 0; Bündnis 90/Die Grünen = 78; Die Linke = 0)

Die AfD bildet bei einem Frauenanteil der Landesdelegiertenversammlungen von 16,5 % das Schlusslicht unter den Parteien (siehe Abb. 8). Der Zugang zur Delegiertenversammlung, die auf der Landesebene den vorherrschenden Typus darstellt, ist an bestimmte innerparteiliche Wahlvoraussetzungen geknüpft. Daraus können verschiedenartige soziologische Zusammensetzungen im Vergleich zur Mitgliederversammlung resultieren, insbesondere beim Ausmaß der Funktionärsdurchdringung (vgl. Schindler 2021). Hinzu kommen geschlechtsspezifische Delegiertenschlüssel. Diese tragen dazu bei, dass z. B. die Christdemokraten auf der Landesebene mit im Durchschnitt 32,6 % einen viel größeren Frauenanteil realisierten als in den Wahlkreisen mit 26,8 % (siehe Abb. 8). Neben der CDU quotieren auch SPD, Grüne und Linkspartei ihre Delegiertenkontingente nach Geschlechtszugehörigkeit. Es zeigt sich, dass die AfD Frauen bei Delegiertenversammlungen auf der Landesebene weniger mobilisieren kann als die CSU (19 %) und die FDP (22,9 %). Das Beteiligungsgefälle zwischen Frauen und Männern auf der Wahlkreis- und Landesebene wird durch den Versammlungstyp als intervenierender Faktor durchbrochen. Dies zeigt sich besonders bei AfD und CSU. In der AfD wurden fast ausschließlich inklusive Mitgliederversammlungen für die Nominierungen in den Wahlkreisen und auf deren Listen abgehalten. Nur die AfD-Landesverbände Nordrhein-Westfalen und Sachsen hatten eine Delegiertenversammlung einberufen. Die CSU dagegen hat sich ausschließlich auf die exklusive Zusammenkunft von Delegierten festgelegt. Somit können beim innerparteilichen Ebenenvergleich innerhalb von AfD und CSU verzerrende Effekte in Abhängigkeit der beiden Versammlungstypen vernachlässigt werden.

Abb. 8
figure 8

Frauenanteil auf Delegiertenversammlungen, nach Wahlkreis- und Landesebene sowie Partei (Ein fehlender Balken bedeutet, dass (auf der Wahlkreisebene) keine Delegiertenversammlung abgehalten wurde; N Wahlkreis-Ebene: AfD = 0; CDU = 317; CSU = 305; FDP = 9; SPD = 637; Bündnis 90/Die Grünen = 0; Die Linke = 45; N Landesebene: AfD = 284; CDU = 599; CSU = 58; FDP = 724; SPD = 844; Bündnis 90/Die Grünen = 762; Die Linke = 573)

Bei der AfD betrug der Frauenanteil der Landesdelegierten- und Landesmitgliederversammlungen jeweils rund 16,5 % gegenüber 19,4 % auf den Wahlkreismitgliederversammlungen. Bei der CSU verdeutlichte sich eine ähnliche Abstufung. Deren „Landesdelegiertenversammlung zur Bundestagswahl“ verbuchte einen Frauenanteil von 19 %, wohingegen der Frauenanteil in den Wahlkreisen mit 22,6 % darüber lag (siehe Abb. 8). Dieses Gefälle kann bei der CSU anders als bei der AfD weniger durch die faktische Diskriminierung von Frauen infolge höherer Ressourcenerfordernisse interpretiert werden. Vielmehr scheinen es die CSU-Frauen schwerer zu haben, sich für das Delegiertenamt auf der Landesebene durchzusetzen. Bei der AfD hemmt die ressourcenintensivere Partizipation auf einem Landesparteitag, die teils an mehreren Wochenenden hintereinander stattfanden, die Beteiligungsbereitschaft von Frauen im Vergleich zur weniger zeitaufwendigen Mitwirkung bei der dezentralen Ein-Personen-Aufstellung im Wahlkreis. Dabei spielt es eine Rolle, dass Frauen noch immer überproportional von der Mehrfachbelastung aus Haus‑, Pflege- und Lohnarbeit betroffen sind, in deren Kontext parteipolitisches Engagement weiterhin wenig kompatibel erscheint (vgl. dazu Meyer 1992; Geißel 2008; Sanbonmatsu 2006; Heidar und Pedersen 2006; Coffé et al. 2022; Holtkamp und Wiechmann 2022).

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die empirischen Analysen der soziodemographischen Mitglieder‑, Einstellungs- und Partizipationsdaten aus den sieben im Bundestag vertretenen Parteien haben mit Blick auf das theoretisch dünne Konzept der „Männerpartei“ (Mudde 2007) keine genderbezogenen Befunde in dem Sinne zutage gefördert, dass sich die rechtspopulistische AfD immer eindeutig von den anderen Parteien in Form eines distinktiven, eigenständigen Typs unterscheiden würde (siehe dazu auch die Tab. 5, 6 und 7 im Anhang). Zwischen der AfD und den anderen Parteien ließen sich bei den herangezogenen Indikatoren mitunter keine oder nur schwache Differenzen feststellen. So traten beim Frauenanteil in den Parteivorständen oder Alter der weiblichen Parteiaktiven kaum Unterschiede zwischen der AfD und den „bürgerlichen“ Parteien auf. Bei den politischen Einstellungen verorteten sich die Frauen in der AfD genau wie die Frauen der anderen Parteien jeweils etwas weiter links von den Männern. Auch nahm die AfD nicht durchweg eine Außenposition ein, sondern lag beispielsweise beim unteren Bildungsniveau der innerparteilich aktiven Frauen zwischen der CSU auf der einen Seite sowie CDU und FDP auf der anderen Seite.

Dennoch konnte eine Tendenz aufgedeckt werden, dass die AfD bei den meisten hier herangezogenen Indikatoren die stärkste männliche Prägung aufwies. Zu den klaren Differenzen gehörte die Einstellung zum Listenausgleich nach Geschlechtszugehörigkeit, der nur in der AfD mehrheitlich keine Zustimmung fand. Eine maskuline Organisationsprägung manifestierte sich auch in den anderen Parteien, dort jedoch überwiegend in abgeschwächter Intensität. Dabei konnte wiederum zwischen den „bürgerlichen“ Parteien und den linken Parteien differenziert werden, wobei zu letzteren tendenziell die größten Unterschiede auszumachen waren. Zeithistorisch gesehen wirkt aber auch in den linken Parteien SPD und Linkspartei die „zähe“ Beharrungskraft von tradierten Geschlechtervorstellungen fort, wie es Hedwig Richter (2020, S. 26) formuliert. Dies unterstreichen auch Sexismus-Skandale jüngeren Datums in SPD oder Linkspartei (vgl. Heid 2022), die durch Selbstbezeichnungen von Führungsfiguren wie Olaf Scholz als Feminist nicht kaschiert werden können (siehe Dausend 2021). Abstriche von dieser Pfadabhängigkeit können bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen vorgenommen werden. Sie unterscheidet sich, auch aufgrund ihres feministischen Entstehungskontextes, der nach wie vor eine identitätsstiftende Funktion innehat, besonders bei der geschlechtergerechten Partizipation am stärksten von den anderen Parteien.

Summa summarum kann Mudde (2007) beigepflichtet werden, dass die empirische Wirklichkeit durch modellhafte Gegenüberstellungen mitunter nicht befriedigend abzubilden ist: Dies gilt innerparteilich für „die Frauen“ vs. „die Männer“ und gender-parteientypologisch für rückwärtsgewandte „Männerparteien“ vs. feministische Linksparteien. Ausgehend von der hier analysierten Geschlechterdimension auf der Mitgliederebene von Parteien erscheint eine graduelle Unterscheidung rechtspopulistischer Parteien von Parteien, die den Pluralismus befürworten, sinnvoller als eine distinktive.

Entsprechend der dargelegten empirischen Vielfalt ist die wissenschaftliche Brauchbarkeit des Begriffs „Männerpartei“ zu hinterfragen. Ein passgenauerer Terminus zur genderspezifischen Kennzeichnung einer Partei müsste in der Lage sein, präzisere Angaben zur organisatorischen (darunter insbesondere die hier betrachtete Mitglieder‑, Einstellungs- und Partizipationsdimension), ideologischen und elektoralen Ebene zu unterbreiten und dabei nicht auf die beiden dominanten Geschlechter verengt sein (vgl. Davidson-Schmich 2022). In Bezug auf rechtspopulistische Parteien könnte ein maskulin anti-feministischer Grundtyp gebildet werden. Sowohl „maskulin“ (Kaiser 2020) als auch „anti-feministisch“ (Höcker et al. 2020) wären dann nach der spezifischen Ausprägung auf der ausgewählten Analyseebene zu differenzieren. Solch einen Ansatz zu entwickeln, wäre für empirische Forschungsprogramme gewinnbringend – auch im Hinblick auf die nicht-populistischen Parteien und deren wie gezeigt ebenfalls maskuline Prägung. Er böte den Vorzug einer schwächeren normativen Aufladung als die „Männerpartei“, wenngleich er im öffentlichen Diskurs vermutlich weniger griffig wäre.

Zukünftige Forschung kann an die hier vorgelegten deskriptiven Befunde anknüpfen und mit multivariaten Forschungsansätzen nach den aktuellen Ursachen für Geschlechterdifferenzen sowohl innerhalb der Parteien als auch zwischen diesen suchen. In Bezug auf die Zukunft der AfD und für weitergehende Forschung stellt sich die Frage, wie sich der in den ostdeutschen Landesverbänden schon seit einiger Zeit vollziehende Rechtsaußenkurs (siehe Arzheimer 2015; Weisskircher 2020; Pesthy et al. 2021; Pytlas und Biehler 2023) mit Sogwirkung auf die Gesamtpartei auf deren geschlechtsspezifische Prägung auswirken wird. Die Daten des vorliegenden Artikels wurden in den Jahren 2016 und 2017 erhoben – nunmehr gilt die AfD als weithin rechtsextrem (vgl. Schroeder und Weßels 2021; Hensel 2022). Eine Frage wird folglich sein, welche Rolle Frauen in der radikalisierten rechtspopulistischen bis offen rechtsextremen Partei spielen (vgl. Dietze 2020).

Diese Rolle zu analysieren, ist für die Gender- und Populismusforschung von Bedeutung, denn Frauen aus rechten Parteien unterminieren manche Forschungsgewissheit, wie beispielsweise die (einstige) Frauenferne rechter Parteien (vgl. O’Brien 2018) oder die im Rahmen dieser Studie aufgedeckte Differenz bei der Mobilisierung von weiblichen AfD-Mitgliedern vor Ort in den Wahlkreisen (gemessen am Frauenanteil in der eigenen Mitgliedschaft teils stärker als bei den anderen Parteien) und auf der Landesebene (eher schwächer als bei den anderen Parteien). Rechtsaußenakteurinnen stehen einer homogenen Sicht auf die „Frau“, wie sie von der Intersektionalitätsforschung kritisiert wird (vgl. Lorde 2019 [1984]), von rechter Seite entgegen. Dabei zeigt sich, dass Diskriminierungs- und Marginalisierungserfahrungen, die Abgeordnete aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit einst gesammelt haben können, keine emanzipatorische Prägekraft auf deren politisches Handeln entfalten. Vielmehr wirken Frauen, die in Rechtsaußenparteien international auf dem Vormarsch sind, selbst an der Verbreitung anti-feministischer Regression mit (vgl. Kantola und Lombardo 2019; Celik et al. 2020; Weeks et al. 2022). Dadurch tragen sie aktiv zur Aufrechterhaltung von ungleichen Geschlechterverhältnissen in den westlichen Demokratien des 21. Jahrhunderts bei. Dadurch erbringen sie aber auch Repräsentationsleistungen, die es genauer in den Blick zu nehmen gilt (vgl. Celis und Childs 2012). Auf Basis eines ausdifferenzierten Verständnisses des Gender-Problems in den Parteien können schließlich Lösungsstrategien entwickelt werden, die der Geschlechterungleichheit in den Parteien und Parlamenten passgenau begegnen.