Klinische Präsentation und Diagnostik

Eine 80-jährige Patientin stellte sich im Februar 2018 bei ihrem niedergelassenen Zahnarzt mit zunehmenden Schmerzen in der linken Gesichtshälfte vor. Nach erfolgter Primärevaluation und konventioneller Röntgenbildgebung erkannte dieser im Orthopantomogramm (OPG) eine Verschattung der linken Kieferhöhle. Daraufhin erfolgte die Überweisung in die Klinik und Poliklinik für Mund‑, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie mit der Verdachtsdiagnose einer Mukozele der linken Kieferhöhle.

In der klinischen Untersuchung imponierten zudem ein Exophthalmus und Bulbushochstand des linken Auges sowie eine Hypästhesie im Versorgungsgebiet des N. infraorbitalis links (Abb. 1). Auf Nachfrage klagte die Patientin über eine Visusverschlechterung des linken Auges.

Abb. 1
figure 1

Klinische Untersuchung. a Bulbushochstand des linken Auges. b Exopthalmus des linken Auges. c Senkungseinschränkung des linken Auges mit vertikaler Verlagerung nach oben

In der dreidimensionalen Bildgebung mittels Computertomographie zeigte sich eine große Raumforderung im Bereich des linken Sinus maxillaris mit teilweiser Arrosion knöcherner Begrenzungen, zentralen Verkalkungen und Einbruch in die linke Orbita mit Kranialverlagerung des M. rectus inferior und konsekutivem Exophthalmus (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Das Computertomogramm (a koronare Schicht, b axiale Schicht) zeigt eine tumoröse Raumforderung der Orbita links mit knöcherner Arrosion des linken Orbitabodens und einer Kranialverlagerung des M. rectus inferior links, weiterhin ist ein Exophthalmus zu erkennen

Bei hochgradigem Verdacht auf eine maligne Raumforderung bestand die Indikation für eine Probenentnahme zur histopathologischen Aufarbeitung.

Es erfolgte die Entscheidung zur Biopsie der Raumforderung im Sinus maxillaris über einen intraoralen Zugang bei bereits arrodierter fazialer Kieferhöhlenwand in Lokalanästhesie. Nach Entnahme einer repräsentativen Probe kam es intraoperativ zu einer hämodynamisch relevanten Blutung, die durch forcierte Tamponage des schlecht einsehbaren Operationssitus sistierte, jedoch eine stationäre postoperative Überwachung erforderlich machte.

In der histologischen Aufarbeitung zeigten sich im Präparat verstreut zellige Infiltrate rundlicher Zellen mit stark zugunsten des Zellkerns verschobener Kern-Zytoplasma-Relation. Immunhistochemisch waren die Zellen für das Antigen Melan A positiv. Melan A findet als Marker in der Untersuchung von Melanozyten und melanozytären Läsionen Anwendung.

Als ergänzende bildgebende Diagnostik erfolgten eine Computertomographie (CT) von Hals, Thorax und Abdomen sowie eine Magnetresonanztomographie (MRT). In der CT wurden mehrerer, dignitätsunklare pulmonale Rundherde und kleinere, metastasensuspekte Raumforderungen rechts retroperitoneal subdiaphragmal nachgewiesen. Intrakranielle Raumforderungen konnten im MRT ausgeschlossen werden.

Zur Komplettierung der Staginguntersuchung stellten wir die Patientin in der Klinik für Dermatologie vor. Die dermatologische Ganzkörperuntersuchung war unauffällig. Bei anamnestischer Visusveränderung erfolgte eine Vorstellung bei den Kollegen der Augenheilkunde, die diese nicht objektivieren konnten. In der orthoptischen Untersuchung zeigte sich jedoch eine Senkungseinschränkung des linken Auges mit vertikaler Verlagerung nach oben und ein Exophthalmus des linken Auges.

Wie lautet Ihre Diagnose?

In Zusammenschau des histologischen Ergebnisses sowie der Bildgebung wurde die Diagnose eines ausgedehnten, metastasierten malignen mukosalen Melanoms des linken Sinus maxillaris (pT4b cN0 cM1) gestellt. In der nachfolgenden molekulargenetischen Untersuchung ließen sich BRAF-, NRAS- und cKIT-Wildtyp-Mutationen nachweisen.

Klinischer Verlauf

Nach Vorstellung in unserer interdisziplinären Tumorkonferenz wurde aufgrund des ausgedehnten Tumorbefunds mit nachgewiesenen Fernmetastasen von einer chirurgischen Therapie abgesehen. Bei positivem BRAF-Status wurde die Empfehlung zu einer lokoregionären Radiatio in Kombination mit einer zielgerichteten, systemischen Immuntherapie mit dem monoklonalen Antikörper Pembrolizumab ausgesprochen. Als Ziel der palliativen Therapie wurde die Tumorkontrolle definiert. Im weiteren Verlauf zeigte sich jedoch unter laufender Immuntherapie ein Tumorprogress, sodass die Therapie um die Antikörper Nivolumab und Ipilimumab erweitert wurde. Nachdem die Therapie aufgrund immunvermittelter Nebenwirkungen mehrmals abgebrochen wurde, verstarb die Patientin  zwei Jahre nach Erstdiagnose.

Diskussion

Maligne Melanome treten extrem selten im Bereich der Schleimhaut auf [1,2,3,4]. Mehr als 70 % aller malignen Schleimhautmelanome befinden sich im Kopf-Hals-Bereich [4]. Die schlechte Prognose mukosaler Melanome gründet sich darauf, dass sie erst bei schon bestehender Metastasierung diagnostiziert werden. Aufgrund der hohen Rate an Rezidiven und Fernmetastasen liegt die 5‑Jahres-Überlebensrate zwischen 13–45 % [3,4,5]. Die Lunge ist mit 33 % der häufigste Manifestationsort von Fernmetastasen [6].

Wenn das maligne Melanom an uneinsehbaren Schleimhäuten entsteht, können unspezifische Symptome wie Kopf- und Gesichtsschmerzen sowie Exophthalmus auftreten [4].

Die im vorliegenden Fall nachgewiesene knöchernen Arrosion der Kieferhöhle ist hochgradig karzinomverdächtig und bedarf einer histologischen Sicherung. Differenzialdiagnostisch muss in solchen Fällen neben einem Schleimhautmelanom auch an andere maligne Tumoren, wie Sarkome, Plattenepithelkarzinome oder entzündliche Prozesse, gedacht werden. Zudem muss bei Verdacht auf einen malignen Tumor der Kieferhöhle das erhöhte Blutungsrisiko und die erschwerte Möglichkeit der chirurgischen Blutungskontrolle bedacht werden. Insbesondere bei zusätzlich bestehenden Risikofaktoren, wie z. B. Antikoagulation, ist die Indikation zur stationären Nachblutungskontrolle gegeben.

Die aktuelle Therapieempfehlung der malignen Schleimhautmelanome basiert auf einzelnen Fallbeschreibungen und retrospektiven Studien mit geringer Studienpopulation [5].

Die chirurgische Therapie mit adjuvanter Radiatio ist bei Schleimhautmelanomen ohne Metastasierung weiterhin Therapie der Wahl [4]. Sie wird limitiert durch Inoperabilität sowie mögliche postoperative Einschränkungen der Lebensqualität [2, 5].

Diagnose: malignes Melanom der Schleimhaut

Fortschritte in der Therapie mit Immunmodulatoren im letzten Jahrzehnt haben diese zu einem wichtigen Pfeiler in der Therapie nichtoperabler Melanome gemacht [3]. In der molekulargenetischen Untersuchung zeigen sich bei Schleimhautmelanomen typischerweise eine BRAS-, NRAS- und cKIT-Wildtyp-Mutation [3]. Eine Chemotherapie kann bei Metastasierung in Kombination mit einer Immuntherapie als weitere adjuvante Therapieoption indiziert sein, verliert jedoch zunehmend an Bedeutung [3]. Bei Tumorprogress unter Radiatio und Immuntherapie mit Pembrolizumab wird der CTL-Antigen-4-Blocker Ipilimumab eingesetzt, der in Studien zu einem signifikanten Anstieg der mittleren Überlebensdauer führte [3]. Eine Kombinationstherapie mit Ipilimumab und dem Checkpoint-Inhibitor Nivolumab zeigte eine höhere Ansprechrate als die jeweilige Monotherapie [3].

Die Therapieoptionen bei nichtoperablen Melanomen sind komplex. Gerade deshalb ist die interdisziplinäre Therapie von Melanomen jeglicher Lokalisation in Hauttumorzentren unerlässlich.

Fazit für die Praxis

  • Das Schleimhautmelanom ist eine seltene Erkrankung und wird meist in späten Stadien diagnostiziert.

  • Die chirurgische Resektion mit ausreichendem Sicherheitsabstand in Kombination mit adjuvanter Radiatio ist die primäre Therapie, solange die Operabilität gegeben ist.

  • Die Immuntherapie ist ein wichtiger Therapiepfeiler bei metastasierten malignen Schleimhautmelanomen.

  • Die Therapie eines mukosalen Melanoms im Rahmen eines interdisziplinären Hauttumorzentrums ist obligat.