Zusammenfassung
Odontogene Zysten sind Läsionen, die im Patientengut der Mund‑, Kiefer- und Gesichtschirurgie oft zu finden sind. Sie sind um etwa 20-mal häufiger als echte odontogene Tumoren. Allen voran rangiert die entzündlich bedingte radikuläre Zyste, gefolgt von der entwicklungsbedingten follikulären Zyste. Gemeinsam ist allen odontogenen Zysten wie auch Tumoren, dass sie sich radiologisch als Osteolysen manifestieren und sichere radiologische Unterscheidungsmerkmale zwischen den einzelnen Entitäten oftmals fehlen. Klarheit bringt in vielen Fällen erst die histopathologische Untersuchung. Allerdings ist zu beachten, dass eine akkurate Entitätsdiagnose nur in einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit möglich ist. Aus histopathologischer Sicht kann der Pathologe/die Pathologin nur eine dezidierte Diagnose stellen, wenn auch ihm/ihr das klinische Bild (Vitalitätsstatus des assoziierten Zahns, Zufallsbefund oder symptomatisch, Lockerung der Zähne etc.) sowie das radiologische Erscheinungsbild (Lokalisation der Osteolyse, Präsenz retinierter Zähne, parallel vorhandene radiologische Auffälligkeiten etc.) bekannt sind. Die Begutachtung des radiologischen Bildes erfordert dabei in aller Regel die Einsicht des gesamten Datensatzes eines digitalen Volumentomogramms oder eines Orthopantomogramms in guter Auflösung, da unvollständige Ausschnitte oder Beschreibungen Fehlinterpretationen begünstigen können. Die zunehmende Digitalisierung ist hier von großem Vorteil und ein Datenträger mit allen relevanten (insbesondere präinterventionellen) Bildern wird von erfahrenen Oralpathologen immer gern entgegengenommen. In jedem Falle sollte bei Diskrepanzen zwischen histopathologischer Diagnose und klinisch-radiologischem Bild bzw. schwierigen oder ungewöhnlichen Fällen eine interdisziplinäre Diskussion angestrebt werden.
Abstract
Odontogenic cysts are frequently found in oral and maxillofacial surgery patients. They are about 20 times more common than true odontogenic tumors. The inflammatory radicular cyst is the most common, followed by the developmental dentigerous cyst. Common to all odontogenic cystsand cystic tumors is the lytic appearance in imaging analyses and the lack of reliable radiological features to distinguish the individual entities. In many cases, only a biopsy can provide clarity. However, it should be noted that an accurate diagnosis is only possible in the context of close interdisciplinary cooperation. From a histopathological point of view, the pathologist can only make a definite diagnosis if they are also familiar with the clinical picture (vitality status of the associated tooth, incidental or symptomatic findings, loosening of the teeth, etc.) and the radiological appearance (site, presence of retained teeth, parallel radiological abnormalities, etc.). Evaluation of the radiological image usually requires the entire data set of a cone-beam CT or an orthopantomogram in sufficient resolution, since incomplete data or descriptions can facilitate misinterpretations. The progress made in digitalization is thereby of great advantage and the (pre-interventional) images will always be welcomed by experienced oral pathologists. In case of discrepancies between the histopathological diagnosis and the clinical-radiological image, and in difficult or unusual cases, an interdisciplinary discussion is strongly recommended.
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Die verschiedenen Entitäten der odontogenen Zysten wurden 2017 nach zwischenzeitlichem Ausscheiden wieder in die aktuell gültige WHO-Klassifikation für Kopf-Hals-Tumoren aufgenommen [1] Unterschieden werden hierbei odontogene Zysten entzündlichen Ursprungs, wie die radikuläre Zyste und die entzündliche kollaterale Zyste, von entwicklungsbedingten Zysten, wobei hier die Trennlinie zwischen odontogenen Tumoren und Zysten konzeptionell unscharf bleibt (Tab. 1). Die in der vorangegangenen WHO-Klassifikation als keratozystischer odontogener Tumor bezeichnete und somit als Neoplasie klassifizierte Läsion wurde in der aktuellen Klassifikation wieder zu der seit jeher bekannten (nichtneoplastischen) odontogenen Keratozyste. Das Gleiche gilt für die kalzifizierende odontogene Zyste, die in der vorangegangenen Klassifikation als kalzifizierender odontogener Tumor bezeichnet wurde [1]. Allgemein wurde argumentiert, dass zwar im Falle der odontogenen Keratozyste Mutationen im Gen PTCH1 gefunden wurden, dieser Umstand aber nicht ausreiche, gerade im Lichte ihres klinisch benignen Verlaufs die Läsion sicher als Neoplasie zu klassifizieren. Dies ist sicherlich eine nachvollziehbare Sichtweise, allerdings würde es nicht verwundern, wenn sie angesichts der rekurrenten Mutationen [2], die einen klonalen Ursprung der Läsion unterstützen, in der nächsten WHO-Klassifikation wieder den Neoplasien zugeordnet werden würde.
Odontogene Zysten entzündlichen Ursprungs
Radikuläre Zyste
Der Hauptvertreter dieser Gruppe der entzündlich bedingten Zysten ist die radikuläre Zyste. Sie stellt die häufigste Ursache periapikaler Osteolysen dar und macht mit über 50 % die häufigste odontogene Zyste überhaupt aus [3, 4]. Die radikuläre Zyste tritt trotz breiter Altersverteilung häufig bei Patienten/Patientinnen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen, und die häufigste Lokalisation ist die anteriore Maxilla, wobei auch andere Lokalisationen nicht selten vorkommen [5]. Pathogenetisch wird davon ausgegangen, dass sie durch eine entzündliche (meist kariesbedingte) Pulpanekrose mit assoziierter Proliferation apikal im parodontalen Ligament gelegener Malassez-Zellreste verursacht wird, die dann durch den entzündlich bedingten erhöhten hydrostatischen Druck auseinandergedrängt werden [6]. Hieraus erschließt sich auch, dass für die Diagnose ein assoziierter avitaler Zahn vorliegen muss.
Für die Diagnose der radikulären Zyste muss ein assoziierter avitaler Zahn vorliegen
Oftmals wird die apikale Osteolyse per Zufall entdeckt, wobei aber auch eine Schmerzsymptomatik aufgrund einer starken Entzündung vorhanden sein kann. Radiologisch können zusätzlich zur apikalen Osteolyse auch eine Wurzelspitzenresorption und/oder eine Auftreibung des Kiefers auftreten und gelegentlich kann auch ein Bezug zum Sinus maxillaris beobachtet werden. Histopathologisch kommt ein i. d. R. breiter, fibrosierter Zystenbalg zur Darstellung, der ein mehrschichtiges Plattenepithel in Assoziation zu einem gemischtzelligen akuten und chronischen Entzündungsinfiltrat aufweist. Hier sei darauf hingewiesen, dass eine Abgrenzung zu entzündlich überlagerten anderen Zystenentitäten aus rein histopathologischer Sicht wie z. B. zur entzündlich überlagerten follikulären Zyste erschwert bzw. unmöglich sein kann (Abb. 1a, b) und auch seltener „ausgebrannte“, d. h. entzündungsarme, radikuläre Zysten existieren. Die Residualzyste als Sonderform der radikulären Zyste lässt sich naturgemäß nur im radiologischen Kontext diagnostizieren (Osteolyse bei fehlendem Zahn). Insgesamt kann eine korrekte Einordnung also nur gelingen, wenn sämtliche klinischen (avitaler assoziierter Zahn bzw. Status nach Zahnextraktion) und radiologischen Informationen (kein retinierter Zahn, ggf. wurzelbehandelter assoziierter Zahn oder fehlender assoziierter Zahn) vorhanden sind. Eine Übermittlung dieser Angaben an den Pathologen/die Pathologin ist somit unerlässlich. Sollte histologisch kein Zystenepithel nachweisbar sein, ist die Läsion bei praktisch identischem klinisch-radiologischen Kontext als apikales Granulom einzuordnen [7].
Inflammatorische kollaterale Zyste
Die entzündliche kollaterale Zyste ist in der aktuellen WHO-Klassifikation als eigene Entität vertreten [1]. Sie lässt sich histopathologisch nicht von einer radikulären Zyste unterscheiden. Das Besondere ist aber, dass der assoziierte Zahn vital bleibt und die Zysten bukkal neben kürzlich durchgebrochenen oder noch nicht ganz durchgebrochenen Zähnen entstehen. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese als Folge einer Entzündung des paradentalen Gewebes entwickeln. Der Erkrankungsgipfel liegt demzufolge auch etwas früher als jener der radikulären Zyste, d. h zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr [8, 9]. Unterschieden werden 2 Unterarten: die paradentale Zyste, die sich typischerweise an den unteren dritten Molaren befindet und meist mit einer (lang anhaltenden) Perikoronitis vergesellschaftet ist, und die mandibuläre bukkale Bifurkationszyste, die sich am unteren ersten oder zweiten Molaren entwickelt [8]. Die paradentale Zyste ist aber, wie der Name bereits vermuten lässt, seitlich lokalisiert und schließt nicht die gesamte Krone ein, wodurch sie sich leicht von der follikulären Zyste abgrenzen lässt.
Odontogene Zysten entwicklungsbedingten Ursprungs
Follikuläre Zyste
Die follikuläre Zyste ist mit über 20 % aller odontogenen Zysten die zweithäufigste nach der radikulären Zyste [4]. Sie haftet der Zahnhalsregion eines nicht durchgebrochenen Zahns an und umgibt dessen Krone. Die perikoronale Osteolyse ist deshalb für diesen Zystentyp charakteristisch, wenn auch nicht beweisend. Pathogenetisch entsteht sie durch Ansammlung von Flüssigkeit zwischen dem reduzierten Schmelzepithel und der Kronenoberfläche. Die Mandibula ist 2,8-fach häufiger als die Maxilla betroffen [10]. Hellhörig sollte man bei bilateralen und multiplen follikulären Zysten werden, da diese eine systemische bzw. syndromale Erkrankung anzeigen können. Hierzu gehören Mukopolysaccharidosen (Maroteaux-Lamy Syndrom), die cleidokraniale Dysplasie oder die zerebrofaziothorakale Dysplasie (Pascual-Castroviejo-Syndrom; [11,12,13]).
Bilaterale und multiple follikuläre Zysten können eine syndromale Erkrankung anzeigen
Die Eruptionszyste ist eine Variante, die oberhalb eines durchgebrochenen Zahns im darüberliegenden Weichgewebe zu finden ist und ein Durchbruchshindernis darstellt.
Histologisch zeigt sich bei der follikulären Zyste ein Zystenbalg mit häufig abgeflachtem Plattenepithel mit 2 bis 5 Zelllagen. Eine sekundäre Entzündung ist möglich. Oft ist der Zystenbalg auch myxoid umgewandelt, was bei abgeschilfertem Epithel differenzialdiagnostisch die Frage nach einem Myxom aufkommen lässt. Auch Anteile der Dentalpapille sind bei myxoidem Stroma differenzialdiagnostisch denkbar. Beide Diagnosen lassen sich jedoch bei vorliegender Radiologie schnell und zuverlässig ausschließen. Gelegentlich finden sich bei nur kleinen zystischen Veränderungen mit radiologischer perikoronaler Aufhellung histologisch hyperplastische Zahnfollikel, die vermutlich den follikulären Zysten vorausgehen [14].
Orthokeratinisierende odontogene Zyste
Die orthokeratinisierende odontogene Zyste (OOZ) ist eine relativ neu definierte Entität, die früher als Variante der odontogenen Keratozyste eingeordnet wurde. Typischerweise zeigt sie ein häufigeres Auftreten bei Männern. Sie findet sich prädominant im Unterkiefer, dort zumeist posterior, und weist klassischerweise eine scharf begrenzte Osteolyse mit häufig sklerotischem Randsaum auf [1]. Etwas weniger als die Hälfte zeigt eine Assoziation zu einem impaktierten Zahn in der posterioren Mandibula, ähnlich einer follikulären Zyste [15]. Histologisch zeichnet sich die OOZ i. d. R. durch ein entzündungsfreies mehrschichtiges Plattenepithel ohne Reteleisten, Hypergranulose mit feinlamellärer Verhornung und praktisch ohne Parakeratose aus (Abb. 1c). Wichtig zu wissen ist jedoch, dass bei ausschließlichem Nachweis von feinlamellärem Hornmaterial in bioptischem Material neben einer odontogenen Keratozyste oder selten auch reaktiv veränderten follikulären Zyste differenzialdiagnostisch auch eine OOZ in Betracht kommt. Eine basale Palisadierung wie bei der odontogenen Keratozyste besteht nicht. Rezidive sind im Vergleich zur odontogenen Keratozyste äußerst selten (< 2 %; [1]).
Odontogene Keratozyste
Die odontogene Keratozyste (OKZ) wurde in der aktuellen WHO-Klassifikation wieder den Zysten zugeschrieben. Sie macht etwa 10 % aller odontogenen Zysten aus [4]; 60–80 % befinden sich im Unterkiefer, davon 50 % posterior; 10 % treten multipel auf, häufig assoziiert mit dem Gorlin-Goltz-Syndrom („nevoid basalcell carcinoma syndrome“ [16]), insbesondere bei Lokalisation in der posterioren Maxilla. Alle Lebensalter (60 %: 10–40 Jahre) sind betroffen [5].
Die OKZ unterscheidet sich von den oben beschriebenen Zystenentitäten durch ihre hohe, therapieabhängige Rezidivneigung. Auch Spätrezidive bis zu 25 Jahre nach Erstdiagnose sind möglich [17]. Molekular scheint bei ihrer Entstehung eine Alteration des Sonic-Hedgehog (SHH)-Signalwegs im Vordergrund zu stehen. Sowohl bei mit dem Gorlin-Goltz-Syndrom assoziierten als auch bei sporadischen OKZ zeigte sich eine identische PTCH1-Mutation oder ein Allelverlust von 9q22.3–q31 im PTCH1-Gen, der zu einer Aktivierung des SSH-Signalwegs führt [2, 18]. Allerdings spielt dieser Signalweg auch bei der Zahnentwicklung eine entscheidende Rolle und ein „loss of heterozygosity“ der 9q22.3-Region wurde auch in anderen odontogenen Zysten entwicklungsbedingten Ursprungs gefunden [19, 20]. Zum derzeitigen Zeitpunkt reichen die Argumente nicht aus, um die Annahme, dass es sich bei der OKZ tatsächlich um eine Neoplasie handelt, aufrechtzuerhalten [21].
Histologisch ist die OKZ sehr charakteristisch und könnte grundsätzlich auch ohne Bildgebung und klinische Angaben (was aber insgesamt dennoch nicht zu empfehlen ist) sicher diagnostiziert werden. Sie weist ein 5 bis 8 Zelllagen dickes Epithel auf, das lumenwärts durch eine wellige Parakeratoseschicht begrenzt wird und zur Epithelbasis eine einreihige Schicht chromatindichter, palisadierter Epithelien zeigt (Abb. 1d).
Laterale parodontale Zyste
Die sog. laterale parodontale Zyste ist eine entwicklungsbedingte odontogene Zyste, die von einem nichtverhornenden Epithel ausgekleidet wird und zwischen den Wurzeln durchgebrochener Zähne oder seitlich eines Zahns gelegen ist [1, 22]. Sie ist insgesamt selten (< 1 % der odontogenen Zysten) und betrifft praktisch alle Altersgruppen mit einem Gipfel in der 5.–6. Dekade, wobei Männer allenfalls minimal häufiger betroffen sind [23, 24]. Radiologisch zeigt sie typischerweise eine interdentale tropfenförmige Morphologie, zumeist anterior der Molaren in der Mandibula [25].
Abzugrenzen ist davon die bereits genannte paradentale Zyste, die zu den inflammatorischen kollateralen Zysten gezählt wird und typischerweise mit partiell eruptierten, vitalen dritten mandibularen Molaren und länger andauernder Perikoronitis assoziiert ist [26].
Weiterhin zu nennen ist die botryoide odontogene Zyste, die multilokuläre Variante der lateralen parodontalen Zyste [24]. Histologisch zeigt sie ein schmales, nichtverhornendes Plattenepithel (ein-/zweireihig) mit plaqueartigen, oft wirbelförmigen Epithelverdickungen sowie zusätzlich manchmal aufgehelltes Zytoplasma. Klassischerweise finden sich keine entzündlichen Infiltrate, gelegentlich kann ein hyalinisiertes subepitheliales Band beobachtet werden (Abb. 2a; [1]).
Gingivale Zyste
Die gingivale Zyste ist praktisch das extraossäre Korrelat der lateralen parodontalen Zyste. Histologisch zeigt sie ein gleichartiges Spektrum mit einer typischerweise direkt unter der oralen Mukosa gelegenen, von flachem kuboidalen Plattenepithel ausgekleideten Zyste mit fokalen plaqueartigen bzw. wirbelartigen Verdickungen [1]. In der Regel präsentiert sie sich in der Gingiva mit einem blasenartigen Aspekt, gelegentlich sind Erosionen des darunterliegenden Knochens beschrieben [27]. Zumeist findet sich diese Entität bei Neugeborenen, nicht selten multipel, wobei sie sich zumeist spontan zurückbildet und i. d. R. als Normvariante aufgefasst wird, die ca. 50–90 % aller Neugeborenen (abhängig von der Ethnie) aufweisen [1, 28, 29]. Der Alveolarfortsatz des Oberkiefers ist hierbei häufiger betroffen als der Unterkiefer. Unterschieden werden je nach Lokalisation 3 Formen: am Gaumen (Epstein-Perle), auf dem Alveolarfortsatz sowie seitlich am Alveolarfortsatz (Bohn-Knötchen; [30,31,32]). Bei Erwachsenen ist diese Entität sehr selten (< 0,5 % der odontogenen Zysten; [23]). Rezidive nach Exzision wurden äußerst selten beschrieben [24].
Kalzifizierende odontogene Zyste
Die kalzifizierende odontogene Zyste ist eine einfache Zyste, die von einem ameloblastomähnlichen Epithel ausgekleidet ist und Ansammlungen sog. Geister- oder Schattenzellen sowie Kalzifizierungen aufweist (Abb. 2b). Sie zeigt sich über ein breites Altersspektrum verteilt, wobei ein Gipfel um das 20. Lebensjahr zu vermerken ist. Auch eine Kombination mit anderen odontogenen Tumoren wie z. B. einem Odontom oder sogar Ameloblastom kann vorkommen [1]. Männer sind minimal häufiger betroffen, die Verteilung auf Ober- und Unterkiefer ist etwa gleich. Meist handelt es sich um einen asymptomatischen Zufallsbefund einer scharf umschriebenen, unilokulären Osteolyse mit Expansion und gelegentlich einer Kortikalisperforation. Wurzelresorptionen und Zahnverlagerungen sind ebenfalls möglich. Rezidive kommen hingegen selten vor (ca. 4 %; [33]). Differenzialdiagnostisch ist diese Zyste zusammen in einem Spektrum mit dem sog. dentinogenen Geisterzelltumor und der Rarität des odontogenen Geisterzellkarzinoms zu nennen. Beide zeigen ein infiltratives Muster mit tumorbildender Masse, ähnlich einem Ameloblastom, wobei das Geisterzellkarzinom zusätzlich atypische histologische Kriterien für Malignität ausbildet [33, 34].
Glanduläre odontogene Zyste
Die glanduläre odontogene Zyste (GOZ) ist eine entwicklungsbedingte Zyste, deren Epithel Speicheldrüsengewebe nachahmt bzw. eine drüsige Differenzierung aufweist und die von Resten der Zahnleiste abstammt. Sie findet sich typischerweise in der anterioren Mandibula und zeigt häufig ein expansives Wachstum mit multilokulärem Bild [35]. Gelegentlich kann ein symptomatisches Bild mit Kortikalisperforation vorkommen; Zahnverlagerungen und Wurzelresoption wurden gelegentlich beschrieben [36]. Histologisch zeigt sich eine Kombination verschiedener Veränderungen (Abb. 3a), u. a. eosinophile kuboidale Zellen, Mikrozysten und apokrine Fortsätze, wobei für eine affirmative Diagnose 7 von 10 Kriterien erfüllt sein sollten [37]. Histologisch können metaplastische Veränderungen in follikulären Zysten ein sehr ähnliches Bild aufweisen, wobei sich glanduläre odontogene Zysten allenfalls als absolute Rarität mit dem klassischen radiologischen Bild einer follikulären, perikoronalen Zyste präsentieren [1].
Die glanduläre odontogene Zyste ist vom intraossären mukoepidermoiden Karzinom abzugrenzen
Eine weitere wichtige Differenzialdiagnose umfasst das (zentrale, intraossäre) mukoepidermoide Karzinom (MEK), das ebenfalls eine sehr ähnliche, zystische Morphologie aufweisen kann (Abb. 3b). Hierbei kann eine molekularpathologische Untersuchung des MAML2-Gens (z. B. mittels Fluoreszenz in situ Hybridisierung) hilfreich sein. Dieses Gen zeigt in > 70 % der MEK ein Rearrangement [38] und wurde auch in intraossären Varianten beschrieben [39]. In einer größeren Arbeit konnten keine MAML2-Translokationen in glandulären odontogenen Zysten gefunden werden [40]. Allerdings existieren diesbezüglich kontroverse Daten in der Literatur, einerseits ist der Ausschluss eines MEK bei negativem MAML2-Status u. U. schwierig [41], andererseits wurden offenbar MAML2-Translokationen in odontogenen Zysten mit Mukus sezernierenden Zellen gefunden [42].
Anzumerken sei die relativ hohe Rezidivrate der GOZ von ca. 20–50 % [36, 37], z. T. auch erst nach einigen Jahren, sodass ähnlich wie bei der Keratozyste adjuvante therapeutische Optionen und eine längerfristige klinische Nachkontrolle in Erwägung zu ziehen sind.
Fazit für die Praxis
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Das Spektrum odontogener Zysten ist breit und beinhaltet Entitäten mit unterschiedlichem klinischen Verhalten und unterschiedlicher Rezidivfreudigkeit.
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Eine akkurate Diagnose kann vom Pathologen/von der Pathologin nur unter Kenntnis klinischer und radiologischer Parameter gestellt werden. Deskriptive (nichtssagende) Diagnosen lassen sich somit vermeiden.
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Die Zusendung des vollständigen präinterventionellen Radiologiedatensatzes hilft, Fehlinterpretationen vorzubeugen, die durch alleinige „Screenshots“ begünstigt werden können.
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Danksagung
Die Autoren danken Herrn Prof. Dr. Gernot Jundt für die freundliche Bereitstellung von Text- und Ansichtsmaterial.
Funding
Open access funding provided by University of Zurich
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Interessenkonflikt
S. Höller und N. Rupp geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Redaktion
D. Baumhoer, Basel, Schweiz
T.E. Reichert, Regensburg
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Höller, S., Rupp, N. Das Spektrum odontogener Zysten – ein Update. MKG-Chirurg 14, 96–102 (2021). https://doi.org/10.1007/s12285-021-00295-5
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