Anamnese

Ein 29-jähriger aus Liberia stammender männlicher Flüchtling wird notfallmäßig aufgrund einer hypoxischen respiratorischen Insuffizienz und Anurie aufgenommen. Eine Dialysepflichtigkeit bei chronischer Niereninsuffizienz unklarer Genese war bereits vorbekannt. Drei Tage vor Krankenhauseinweisung war der Patient in der örtlichen Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht worden. Zuvor lebte er 10 Jahre auf Malta. Dort hat der Patient einen Dialyse-Shunt erhalten und wurde dialysiert. Die Dialyse sei zuvor über einen unbestimmten Zeitraum nicht regelmäßig erfolgt. Außerdem habe er in den 3 Monaten vor Aufnahme die HIV-Medikation (Biktarvy) nicht eingenommen.

Klinischer Befund

Der Patient zeigte sich mit reduziertem Allgemeinzustand und kachektischem Ernährungszustand initial luftnötig und verwirrt. Auskultatorisch fiel ein feinblasiges Knisterrasseln links apikal betont auf. Weiterhin zeigte der Patient Anasarka und Beinödeme. Es fiel eine Makroglossie auf. Abdomensonographisch zeigte sich eine Hepatomegalie, echokardiographisch zeigte sich visuell eine basal betonte linksventrikuläre Hypokinesie. Zur Quantifizierung des linksventrikulären Kontraktionsmusters erfolgte die echokardiographische Strain-Analyse. Es zeigte sich ein Kontraktionsmuster mit Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente bei erhaltener apikaler Kontraktion (Abb. 1a, c).

Abb. 1
figure 1

Echokardiographische Bildgebung und Histopathologie. ac Strain-Echokardiographie mit deutlicher Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente bei erhaltener Kontraktion apikal. Darstellung im apikalen 4‑Kammer-Blick (a) und als „Bulls Eye“ (c) mit 18 Segmenten (basale Segmente außen, apikale Segmente in der Mitte dargestellt). Hohe prozentuale Beträge mit negativem Vorzeichen implizieren eine stärkere kontraktile Verkürzung. b, d Histopathologie mit eosinophilen Ablagerungen (schwarze Pfeilköpfe) der Gefäßwände in der Kongorot-Färbung (b) und doppelt grün brechende Ablagerungen (weiße Pfeilköpfe) im polarisierten Licht (d). Vergr. 400:1. (b, d Histopathologische Abbildungen mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt von © Prof. Dr. med. Stefan Gattenlöhner, Direktor des Instituts für Pathologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen, 2023. All Rights Reserved)

Aufnahmelabor

Leukozyten 13 giga/l, Hämoglobin 6,1 g/dl, Hämatokrit 0,16, Kreatinin 9,7 mg/dl, Kalium 6,7 mMol/l, CRP 209 mg/l, Procalcitonin 76 µg/l, BNP 3738 pg/ml, Troponin 1,87 µg/l, U‑Status: Protein ++++, Glucose +, HB +++; Spontanurin: Eiweiß 24.850,5 mg/l, Albumin 5894 mg/l.

Mikrobiologie

Urin: Nachweis von Pneumokokkenantigen.

Bronchiallavage: DNA von Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Pneumocystis jirovecii nachweisbar mittels PCR.

Weiteres Procedere

Im Urin konnte Pneumokokkenantigen nachgewiesen werden, in der Bronchiallavage waren DNA von Pneumokokken, Haemophilus influenzae und Pneumocystis jirovecii nachweisbar. Die Diagnose einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie neben weiteren Pneumonieerregern konnte so gestellt werden. Diese konnte mittels Cotrimoxazol, sowie Piperacillin/Tazobactam erfolgreich behandelt werden. Es erfolgte die Ursachenabklärung der unklaren chronischen Niereninsuffizienz. Es konnten erhöhte Spiegel an freien Leichtketten serologisch nachgewiesen werden mit abnormer Kappa/Lambda-Ratio (Kappa: 565 mg/l, Lambda: 270 mg/l, Kappa/Lambda-Quotient: 2,09). Amyloid A war serologisch nachweisbar (388 mg/l).

Histologie

Die histologische Bestätigung der Verdachtsdiagnose erfolgte mittels einer tiefen rektalen Schleimhautbiopsie. In der Kongorot-Färbung des Biopsats zeigten sich im Bereich der Blutgefäße Amyloidablagerungen mit einem Färbereaktionsmuster, welches sich in der Doppelbrechung grün darstellt (Abb. 1b, d).

Wie lautet Ihre Diagnose?

Definition

Systemische Amyloidosen können durch extrazelluläre Ablagerungen fehlgefalteter Proteine alle Organsysteme betreffen [1, 2]. Entsprechend können verschiedenste Symptome und Befunde auftreten, die in der Ausprägung und Kombination stark variieren und die korrekte Diagnose erschweren können [1, 2]. Die Prognose der Amyloidose wird bestimmt durch das Ausmaß der Organbeteiligung, insbesondere der kardialen Beteiligung [1]. Bei fortgeschrittener Organbeteiligung besteht eine schlechte Prognose. Etwa ein Drittel der Patienten mit kardialer Beteiligung sterben innerhalb eines Monats nach Diagnosestellung [1]. Die Diagnose wird bioptisch gesichert (in unserem Fall mittels Rektumbiopsie: typische eosinophile interstitielle AA-Amyloidablagerungen, doppelt grün brechend im polarisierten Licht; Abb. 1b, d).

Verschiedene Grunderkrankungen können eine Amyloidose hervorrufen. Eine AA-Amyloidose kann durch Grunderkrankungen hervorgerufen werden, die eine chronische Inflammation unterhalten [2, 3]. Eine HIV-Infektion wird in der Literatur als mögliche zugrunde liegende Ursache einer AA-Amyloidose beschrieben, möglicherweise auch indirekt durch Immunsuppression und damit einhergehender Begünstigung infektiöser Ursachen für eine Inflammation [3, 4]. Therapeutisch steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.

Eine kardiale Beteiligung lässt sich laborchemisch durch erhöhte BNP- und Troponin-Spiegel bestimmen [1, 5]. Bei kardialer Beteiligung im Rahmen der systemischen Amyloidose können charakteristische Kontraktionsmuster in Erscheinung treten mit Hypokinesie der basalen und mittleren Segmente und erhaltener Kontraktion der apikalen Segmente („apical sparing“ oder „cherry on top“; Sensitivität 93 %, Spezifizität 82 %) [1, 5]. Im hier vorgestellten Fallbeispiel nutzten wir die Strain-Echokardiographie des linken Ventrikels, um das Amyloidose-spezifische Kontraktionsmuster zu quantifizieren. Mittels 18-Segment-Strainanalyse konnte so die kardiale Beteiligung im Rahmen der systemischen Amyloidose dargestellt werden (Abb. 1a, c). Eine relativ zur Strain-Analyse erhaltene linksventrikuläre Ejektionsfraktion kann den Verdacht einer kardialen Amyloidosebeteiligung noch weiter erhärten (LVEF/LVGLS-Ratio > 4,1: Sensitivität 89,7 %, Spezifizität 91,7 % [5]). In unserem Fall war auch dieser Marker positiv (3D-LVEF 39 %, LVGLS −8,2 %, LVEF/LVGLS: 4,8).

Therapie und Verlauf

Die Pneumonie als zugrunde liegende Ursache konnte mittels Antiinfektiva erfolgreich behandelt werden, und die respiratorische Gesamtsituation besserte sich erheblich. Die antivirale Therapie zur HIV-Behandlung wurde wieder etabliert und das Nierenersatzverfahren fortgesetzt.

Diagnose: Systemische Amyloidose (AA-Typ) mit kardialer Beteiligung

Trotz initial klinischer Besserung wurde der Patient im Verlauf der stationären Behandlung reanimationspflichtig bei Kammerflimmern und verstarb trotz zunächst erfolgreicher Reanimation 5 Tage später bei erneutem Auftreten von Kammerflimmern. Die ventrikulären Rhythmusstörungen führen wir auf die kardiale Beteiligung der Amyloidose zurück.

Fazit für die Praxis

  • Die Strain-Analyse quantifiziert linksventrikuläre Kontraktionsmuster. Mittels Bulls-Eye-Darstellung können Areale mit dem jeweiligen Kontraktionsausmaß farbkodiert dargestellt werden.

  • Amyloidose-typische Kontraktionsmuster können mittels Strain-Analyse nachgewiesen werden und die Verdachtsdiagnose „systemische Amyloidose“ weiter erhärten und eine kardiale Beteiligung aufzeigen.

  • Eine relativ zur Strain-Analyse erhaltene linksventrikuläre Pumpfunktion kann die Feststellung einer kardialen Beteiligung weiter untermauern (LVEF/LVGLS > 4,1 mit einer Sensitivität von 89,7 % und Spezifität von 91,7 %).